Der Preis der Dinge

Ich bin eben zurück aus Jakarta, meine Damen und Herren, diesem betörenden Moloch von einer Stadt, einer dynamischen, ausgreifenden Metropole, die, wie Asien überhaupt, gewaltige Ungleichheiten und Ungleichzeitigkeiten in sich aufnimmt und verschluckt, wie ein Monster eine Schere. Das frappierende Nebeneinander ist ein Zeichen dieser Kapitale, und ein Beispiel für den glitzernden Extrempunkt an einem Ende der Skala ist zweifellos die Plaza Indonesia Shopping Mall, wo es unter anderem einen Laden des Pariser Schuhmachers Louboutin gibt. Louboutins Damenschuhe (die mit der roten Sohle und den gefährlich hohen Absätzen) werden von weniger zarten Zungen gelegentlich als «nuttig» charakterisiert, was nichts daran ändert, dass sie blindmachend teuer sind. Doch sie sind (oder waren) zugleich immerhin gelegentlich originell. Was sich nun beim besten Willen nicht sagen lässt von jenen Louboutin–Herrenschuhen, die Sie auf obigem Foto sehen. «Herrenschuh» ist natürlich bereits ein Euphemismus, denn richtige Herren würden richtigerweise von so strizzihaftem Schuhwerk strikten Abstand nehmen. Die Schuhe sind weder ästhetisch ansprechend noch avantgardistisch-modern noch gar von zeitloser Klassizität. Sie sind einfach nur teuer. Der einzige Zweck dieser Schuhe ist, zu zeigen, dass man Geld hat. Ordinärer kann Mode nicht daherkommen. Mich nervt so Zeug. Ich finde es anstössig und behämmert, und ich frage mich, wie doof und geschmacklich verunsichert man sein muss, um solche Schuhe zu kaufen.
Ich bin, wie Sie wissen, durchaus kein Sozialist oder sowas. Ich habe obiges Foto für Sie gemacht, während ich auf meinen Fahrer wartete, der mich zurück ins Ritz Carlton brachte. Darüber hinaus glaube ich, wie Sie ausserdem wissen, fest an den Markt als denjenigen Zuteilungsmechanismus für Ressourcen, der dem Einzelnen die grösstmögliche Freiheit lässt. Ich gebe Geld mit vollen Händen aus, und ich bin der Meinung, man kann Konsum glaubwürdig nur dann kritisieren, wenn man ihn ausübt. Die Emanzipation des Konsumenten setzt – den Konsumenten voraus. So wie man die Schönheitsimperative unserer kategorischen Wellness-Gesellschaft nur dann wirklich glaubwürdig anprangern kann, wenn man selbst einigermassen gut aussieht. Das ist nicht fair, aber wahr. Und ich bin entschieden dafür, dass grundsätzlich jeder die Schuhe kaufen kann, die er will. Aber das alles heisst ja nun nicht, dass wir völlig bekloppt werden müssen. Man kann ja mit Freude einkaufen und trotzdem seinen Common Sense nicht verlieren. Und es ist einfach so, dass einem gerade in einer Stadt wie Jakarta, wo sich drei Minuten von der Plaza Indonesia Mall entfernt Gegenden finden, wo ganze Familien vom Preis solcher Rummelplatzmode mindestens ein Vierteljahr leben könnten, die geschmacklose Obszönität der oben abgelichteten Schuhe besonders auffällt. Soweit meine heutige Predigt, liebe Gemeinde. Gehen Sie raus und tun Sie Gutes!
6 Kommentare zu «Der Preis der Dinge»
Manche Armbanduhren trägt man ja auch nicht um zu wissen wie spät es ist, sondern, daß das jeweilige Gegenüber weiss, wie bei so vielem, daß man diese auch bezahlen kann. It’s that simple ! Zum Thema Schuhe bleibt zu sagen, daß diese natürlich immer „englisch“ aussehen sollten.(Ich hasse diese italienischen Schleicher, vorallem nachdem, was sie mit „Church“ angerichtet haben) Insofern gibt es sicher manigfaltige geschmackliche Verfehlungen insbesondere bei Luxusmarken, die eigentlich gar keine Schuhmacher sind und ebenso unbedacht Herrendüfte und Handtaschen verkaufen.
die treibende kraft hinter dem konsum heisst werbung – werbung heisst verblödung; so leid es mir tut. es ist krank innert 5 jahren das 4. smart-phone zu kaufen. und schuhe kaufe ich dann neue, wann die alten zu tragen mir von meiner gattin verboten wird, obwohl ich sie noch immer als tragbar erachte. die unselige „globalisierung“ beruht hauptsächlich auf konsum. zu deutsch. die „elite“ hat das erwähnte 4. smart-phone und in mali bezahlen sie fürs trinkwasser aus dem fläschchen; weil brabeck findet, dass dies kein allgemeingut sei. fragen? tuen sie gutes und schränken sie ihren konsum ein.
Aber mein lieber Herr Rittermann, mit solchen subversiven Aussagen wie : „Tun Sie Gutes und schränken sie Ihren Konsum ein“, machen Sie sich -und das lesen hier auch alle Abhördienste- zum Systemfeind. Der allgegenwärtig propagandierte „Umweltschutz“ z.B. steht in der veröffentlichten Meinung nämlich absolut nicht contraire zum ewig steigenden Konsum irgendwelcher hastig zusammengezimmerten Wegwerfprodukte asiatischer Provenienz.Also lassen Sie um Gottes Willen im eigenem Interesse
diese Nachdenkerei und übernehmen Sie die Meinungen,die unsere in D vorherrschende Systempresse Ihnen vorgibt.
Kleidung und somit auch Schuhe habe zwei Aufgaben. Eine Schützende und eine Kommunizierende. Auf ebenem Grund und einer und einer Temperatur so zwischen 20..25 °C, ist der Grund sich zu Kleiden, rein gesellschaftlicher Natur. Dort kann die Kleidung ihre volle kommunikativen Fähigkeiten entfalten. Je weiter man den Bereich verlässt um so wichtiger wird der schützende Aspekt. So gibt es nicht lächerliches als Leute mit falschem Schuhwerk. Aber auch an das Gelände angepasste Schuhwerk kann kommunizieren. So sagte Paul Bremers Anzug alles ist OK wären seine Stiefel dies als Lüge entlarvten.
Konsum kann nur kritisieren, wer konsumiert, Schönheitsideale kann nur kritisieren, wer selber einigermassen aussieht und Stil… Stil sollte vielleicht nur kritisieren dürfen, wer nicht 2013 immer noch Instagram-Filter benutzt. Wirklich, Herr Tingler. Es ist langsam Zeit für eine Intervention.
Hipstamatic, Mike. Ich werde es weiterleiten. Was schlagen Sie denn vor?