Michelle, die Schnelle

Manche sagen, es sei ein Skandal: Vergangene Woche moderierte Michelle Hunziker wie gewohnt ihre Sendung im italienischen TV. Und dies vier (oder fünf?) Tage nach der Geburt ihrer Tochter. Besonders prominent beklagte dies der Publizist eines Zürcher Szenemagazins auf Facebook. Sonst eher als Womanizer denn als Feminist bekannt, brandmarkte er diese Leistung Hunzikers als eine «Ich gebär jetzt mal kurz und geh dann vier Tage später wieder arbeiten»-Show. Dies sei, so bemerkte er nicht zu Unrecht, ein «medialer Schlag in die Fresse jeder normal gebärenden Frau». Noch viel schlimmer als Turbo-Gebärerin Michelle Hunziker fand er allerdings die Tatsache, dass keine einzige Feministin sich kritisch dazu geäussert hätte. Dazu entwarf er eine Theorie, nämlich dass es diesen sowieso nur darum ginge, dass alle Frauen arbeiten gehen. Und deshalb, so zog er den originellen Schluss, seien Feministinnen sowieso die grössten Feindinnen der Frauen.
So sehr ich besagten Publizisten schätze, als Feministin fühle ich mich in meiner Ehre gekränkt. Selbstverständlich handelt es sich hier um einen Skandal. Allerdings ist nicht etwa die Tatsache skandalös, dass Michelle Hunziker, kaum war Baby Sole entbunden, im pinkfarbenen Kostüm ihre Sendung moderierte. Schockierend war vielmehr, dass die Medien sich nicht darauf einigen konnten, ob sie dies fünf oder bereits vier Tage nach der Geburt tat. Schlecht recherchiert, liebe Medien, wieder einmal!
Und dies ist wichtig, denn wenn es nach uns Feministinnen geht, hat Michelle Hunziker damit eine neue Disziplin erfunden, das sogenannte Speed-Gebären. Ähnlich wie im Bergsteigen, wo sich seit den späten Siebzigerjahren der schnelle Alpinstil gegen den umständlichen Expeditionsstil durchgesetzt hat, hoffen wir, dass auch in Sachen Geburt die schnelle, schlanke Variante ohne lästige Down-Time bald Standard sein wird. Vielleicht, so hoffen wir, wird das Speed-Gebären dereinst sogar als olympische Sportart anerkannt.
Uns schweben dabei schon einige Subdisziplinen vor, zum Beispiel das Ausdrucksgebären, eine Kombination von rhythmischer Sportgymnastik und Geburt, wobei die Wehen praktischerweise schon den Rhythmus vorgeben würden. Wassergeburten könnte man zum Synchrongebären weiterentwickeln, wobei Frauen als Team antreten und versuchen würden, nicht nur die Zehen anmutig zu strecken, sondern auch möglichst synchron von den Eröffnungs- in die Presswehen überzutreten.
Dies sind allerdings nur Notlösungen. Denn eigentlich sind Schwangerschaft und Geburt uns ja ohnehin ein Dorn im feministischen Auge, da beides augenfällig werden lässt, dass es zwischen Mann und Frau doch noch Unterschiede gibt. Wie man weiss, versuchen wir Feministinnen diese ja abzuschaffen, weshalb jegliche Berichterstattung über schwangere Stars und deren Prä- und Post-Baby-Bodys ein «medialer Schlag in unsere Fresse» ist. Und so schlagen wir vor, dass man künftig auch Schwangerschaften konsequenter unter dem Lifestyle-Aspekt behandelt. Schliesslich handelt es sich dabei um eine Art qualifiziertes Übergewicht. Und so wie man mit der richtigen Diät und dem richtigen Fitnessprogramm jeden Body in Form bringen kann, so liesse sich mit ein bisschen gutem Willen auch die Schwangerschaft als ästhetische Peinlichkeit eliminieren. Dass dies nicht nur meine bescheidene Idee ist, zeigte der «Blick am Abend», ein ausgewiesenes feministisches Kampfblatt, vergangene Woche. Unter das Bild der im neunten Monat schwangeren Schauspielerin Kate Winslet setzte er die Bildlegende: «Sie können ruhig gratulieren, ist nicht peinlich: Kate Winslet, prall wie eine Kühlerfigur, ist schwanger, nicht füllig.» Gut, dass wir das geklärt haben. Aber der «Blick am Abend» hätte ruhig etwas strenger sein dürfen. Denn schliesslich sind wir Frauen immer und jederzeit angehalten, der Mitwelt die Peinlichkeit zu ersparen, einen nicht perfekten, sprich fülligen Leib zu präsentieren. Und die Schwangerschaft hat ja auch Vorzüge, wie auf Promiflash.de zu lesen war, nämlich ein «riesiges Décolleté». Vielleicht hätte man das ein bisschen mehr betonen sollen.
Ja, wir Feministinnen basteln uns die Welt, wie sie uns gefällt. Und deshalb möchte ich an dieser Stelle Michelle Hunziker dazu gratulieren, dass sie an vorderster Front dafür kämpft, dass es bald keinen Unterschied mehr gibt zwischen den Geschlechtern.
40 Kommentare zu «Michelle, die Schnelle»
Jede Frau erlebt die eigene Geburt anders und alle Versuche den Frauen ‚Regeln‘ und ‚musts‘ aufzuzwingen bringen nichts.
Gute Realsatire! Die Metamorphose einer Frau zur Mutter als undefinierbares kaltblütiges Wesen im Boulevard-Mediendschungel sobald sie es wagt, unter den gestrengen Augen der Öffentlichkeit sich nach männlich ausgerichteten Arbeitsverträgen im Showbusiness zu richten. MH agiert professionell, wie alle Menschen mit Ambitionen und PR-Pflichten. Die Zuschauerquote bestimmt den Einsatz und nicht die körperliche Verfassung einer beliebten Moderatorin. Dasselbe bei Models etc. Ihr Körper ist ihr Kapital und deshalb ‚The Show must go on, Mädels!’…
also, 1. stillt die nicht. 2. hat die nicht spontan geboren 3. hat sie vermutlich ein Kindermeitschi 4. hat die Michi ein grösseres Portemonnaie als jedes Normale Mami.
100% sign. Damit ist alles gesagt. Über Sinn und Unsinn lässt es sich streiten, aber da ihr Körper ihr Kapital ist kann ich das Vorgehen zumindest nachvollziehen.
Vielleicht gibt es ja bald auch Frauen, die Ueli Steck nacheifern und ohne Sauerstoff gebären wollen… Frau Binswanger, ich persönlich meine, es gibt keinerlei Zwang, auf Einwürfe unter einem gewissen – auch sprachlichen – Mindestniveau überhaupt einzugehen.
Was ist denn da dabei. Ich habe vor 38 Jahren meine Tochter geboren und zwar an einem Freitag und m Samstag sagte mir der Arzt, wenn ich nach Hause wolle, so koenne ich gehen. Ich ging nach Hause und am Montag war ich wieder im Büro. Allerdings arbeitete ich von 7:00 Uhr – 13:00 Uhr und war dann voll da fuer mein Baby und hat ganz gut geklappt. Morgens hatte ich eine Krankenschwester vom roten Kreuz. Das war in Barcelona.
Ja, das dachte ich mir, dass das nicht in der Schweiz war! Kompliment an Sie, aber in der CH wäre das nicht möglich: Da nörgelt jeder rum, wenn man als Frau gerne so schnell wie möglich nach der Geburt wieder arbeiten möchte und jeder weiss besser, was das eigene Baby/Kind braucht. Die Schweiz ist in der Beziehung ein absolutes Entwicklungsland und wird es noch lange bleiben, wenn wir die Familieninitiative annehmen.
Genau, und heute sind das einfach verweichlichte und verwöhnte Mütter im Mutterschutz mit Mutterschaftsurlaub, selber schuld wer nicht komplikationslos gebären tut und evt. wegen Dammnaht noch nicht anständig sitzen kann *ironisch*
Am besten schaffen wir die Mutterschaftsversicherung doch wieder ab, soll jede selber zusehen wie sie sich durchwurstelt. Und Vaterschaftsurlaub?! Nein sowas Unmögliches, davon reden wir schon gar nicht. Immer schon munter wider den Forschritt.
Stillen kann sich das Kind ja dann auch selber…
Gleichberechtigung und Gleichheit sind zwei Paar Schuhe! usw usw 😉