Bundesrat empfiehlt Menschenrechtsverletzung

Heute ist der International Coming Out Day, meine Damen und Herren, und nun werden Sie vielleicht fragen: Was ist das denn? Nun, der Coming-out-Tag ist der Tag, der einer Bewusstseinsbildung zum Thema Homosexualität dient: Homos und andere sollen rausgehen und aufklären und sichtbar sein und Mut machen und zu dem stehen, was sie sind. Hierzulande ist der Coming Out Day nur etwa so bekannt wie der Internationale Frauentag oder der Internationale Tag des Baumes, und nun könnte man meinen, das sei vielleicht auch gar nicht so tragisch, sondern ein Zeichen dafür, dass Homos akzeptiert und gleichberechtigt seien. Und dies ist leider ein Irrtum.
Denn in unserer schönen Schweiz werden Homosexuelle de iure und de facto immer noch diskriminiert. Gemäss einer aktuellen Studie der Universität Zürich ist das Suizidrisiko bei homosexuellen Jugendlichen drastisch höher als bei heterosexuellen. Und genauso wenig Aufhebens wie um den Coming-out-Tag wird darum gemacht, dass der Bundesrat unlängst die homophobe Initiative der sogenannten Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP) mit dem irreführenden Titel «Für Ehe und Familie» dem Schweizervolk zur Annahme empfohlen hat. Diese Initiative will die Ehe als Lebensgemeinschaft ausschliesslich zwischen Mann und Frau in unserer schönen Bundesverfassung verankern. Also eine Legaldefinition des Instituts Ehe ungefähr von jener Qualität, wie sie in den Vereinigten Staaten von Amerika unlängst vom Obersten Gerichtshof als verfassungs- und menschenrechtswidrig entsorgt wurde. Und hierzulande? Regt das offenbar niemanden auf.
Werfen wir mal einen Blick in die Bundesverfassung. Darinnen ist sehr pragmatisch von einem «Zweck» der Schweizerischen Eidgenossenschaft die Rede und dieser wird in Art. 2 BV wie folgt definiert:
Art. 2 Zweck
1 Die Schweizerische Eidgenossenschaft schützt die Freiheit und die Rechte des Volkes und wahrt die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Landes.
2 Sie fördert die gemeinsame Wohlfahrt, die nachhaltige Entwicklung, den inneren Zusammenhalt und die kulturelle Vielfalt des Landes.
3 Sie sorgt für eine möglichst grosse Chancengleichheit unter den Bürgerinnen und Bürgern.
4 Sie setzt sich ein für die dauerhafte Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und für eine friedliche und gerechte internationale Ordnung.
Die diskriminierende Ehedefinition der CVP verstösst also direkt gegen die Absätze 1, 2 und 3 von Artikel 2 der Bundesverfassung.
Wir waren mal ziemlich weit in diesem Land. Die Schweiz war einmal die Feste der Freiheit und Liberalität in Europa. Und heute? Heute müssen wir aufpassen, dass wir mit unserem altbackenen, diskriminierenden Rechtsinstitut der sogenannten Eingetragenen Partnerschaft für Homos nicht vom Fortschrittszug abgekoppelt werden. Zum Beispiel durch die schändliche Homo-Apartheid der Herren Christophe Darbellay und Gerhard Pfister von der Randpartei CVP. Wenig hilfreich sind auch so ängstliche Homos wie der Stadtzürcher CVP-Präsident und Gemeinderat Markus Hungerbühler, der das Ganze voll okay findet. Wie überangepasst und karrieristisch muss man sein, um die eigene Diskriminierung voranzutreiben?
Inzwischen ist die Schweiz in Sachen Gleichberechtigung weit hinter den westeuropäischen Standard zurückgefallen und jetzt so ungefähr auf dem Niveau von Österreich. Wie peinlich. Aber niemand regt sich darüber auf. Keiner macht den Mund auf. Wo sind eigentlich die Homo-Organisationen in diesem Land, wenn man sie mal braucht? Auf der Hochzeitsmesse? Bisschen voreilig, meine Damen und Herren. Ich schliesse mit Barack Obama, der in Jay Lenos «Tonight Show» Folgendes sagte: «Ich habe keine Geduld mit Ländern, die Homos schlecht behandeln.»
Und, meine Damen und Herren, gestatten Sie mir noch ein Wort zum Scheinargument, dass aus der Homo-Ehe keine Kinder hervorgingen: Die Ehe wird vom Gesetzgeber korrekterweise nicht als Reproduktionsgemeinschaft definiert. Sonst müssten ja kinderlose Ehepaare sanktioniert werden. Nein, die Ehe wird als Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft staatlich gefördert. Das ist auch richtig so. Und Nachwuchs ist als solcher separat zu fördern. In welcher Konstellation auch immer er auftritt und grossgezogen wird. Es ist alles so einfach, nicht wahr?
Bild oben: Frischvermählte verlassen nach einem Segensgottesdienst die Nydeggkirche in Bern, 1995. (Keystone/Alessandro della Valle)
108 Kommentare zu «Bundesrat empfiehlt Menschenrechtsverletzung»
Homosexuelle werden heute nicht nur rechtlich (nicht gleiches Recht was den Unterhalt, Güterrecht, Kinder, Begriff Ehe usw. angeht) diskriminiert, sondern auch gesellschaftlich. Es muss doch etwas bedeuten, dass ich im letzten Jahr nicht 1 Mal Schwule oder Lesben bei einem Kuss oder Händchenhalten in der Öffentlichkeit gesehen habe. Ich würde Initiativen für die Verbesserung der Situation von Homosexuellen sofort unterschreiben. Aber als Hetero muss ich sagen: Ihr müsst sie zuerst noch lancieren!
Guter Punkt und leider wahr. Selbst an diesem Coming Out Day waren wir unsichtbar, genau wie sonst auch. Es liegt an uns, die Öffentlichkeit auf uns aufmerksam zu machen.
Leider ist es nicht unproblematisch händchenhaltend oder küssend durch die Stadt zu laufen – man erregt Aufsehen (gut sowie schlecht) und wird tatsächlich angepöbelt! Da müssen wir aber durch, diesen Mut müssen wir haben, um uns sichtbar zu machen und zu zeigen, dass wir Teil der Gesellschaft sind!
Im Gegensatz zu Ihnen habe ich im letzten Jahr, in den letzten Jahren, oft homosexuelle Paare in der Öffentlichkeit gesehen. Händchen haltend, küssend. Dennoch stimme ich Ihnen zu. Allein der Umstand, dass es auffällt, zeigt, wie selten es ist. Obschon es in einer Stadt wie Zürich Alltag sein sollte, gleichgeschlechtliche Paare zu sehen, ist es nach wie vor eine Ausnahmeerscheinung.
Ich hoffe, wir kommen bald mal zu der Erkenntnis, dass es völlig egal ist, wer mit wem Händchen hält. Wer wen küsst. Meinen Alltag tangiert das nicht. Wieso auch?
Ganz unpraktisch ist, dass man bei uns immer nur einen Menschen gleichzeitig heiraten kann. Etwas mehr Polygamie würde doch endlich Schwung in die Sache bringen!
Aber eigentlich wird ja sowieso viel zu viel geheiratet. Das ruiniert dann die besten Beziehungen.
:- )
Schätzchen, wenn man gaaanz viele heiraten möchte, ist es wohl besser nicht zu heiraten. Das hält dann die Sache automatisch in „Schwung“, oder besser gesagt, würgt ihn erst gar nicht ab !
Wenn der BR wirklich sich dafür einsetzt, dass die Ehe eine Gemeinschaft von EINEM Mann mit einer Frau ist, dann tut er seit langem mal wieder was richtig. Weiss gar nicht was das Problem sein soll, den Schwule und Lesben können ja ihre Partnerschaft eintragen lassen wir sind schon lange seeehr tolerant in dem Bereich.
Kranke Gesellschaft, sich von solchen Propagandisten wie dem Autor dieses Artikels drängen zu lassen.
Der einzige Grund, den der Staat hat, die Ehe zwischen Mann und Frau besonders zu betonen und damit auch zu schützen ist der, dass diese ihm einen Mehrwert bringt (sprich Nachwuchs -> Erhaltung der Gesellschaft). Dass dies die Homos / Lesben nicht aus eigener Kraft können und somit auch nicht diesen besonderen Schutz verdienen sollte ja somit klar sein. Das Gezwänge von wegen Diskriminierung, etc. ist lächerlich. Wie viele praktizierende BiSexuelle werden in der Schweiz verfolgt?
@ Hetero: Mehrwert? Die tausend Jahre sind längst rum! Und Sie würden staunen, wenn Sie von einem Spezialarzt erfahren würden, dass er Teile von zwei Eizellen von zwei Frauen vereinigen und bei der einen Frau einsetzen kann, sodass diese (natürlich mit einer Tochter) schwanger wird.
Deshalb braucht es das Adoptionsrecht für homosexuelle Paare. Damit auch diese den von Ihnen erwähnten Mehrwert erbringen können. Das Grossziehen von Kindern muss gefördert werden (egal, woher diese kommen), nicht deren Erzeugung.
Eine Einladung zum Zmittag!
Ich würde mich freuen Herr Tingler, Sie persönlich kennenzulernen. Ihr Blogeintrag: „ein grosser Zauber, die viele nicht unberührt gelassen hat!“
Freundliche Grüsse
Maria von Känel, Geschäftsführerin Dachverband Regenbogenfamilien