Wie man Freunde gewinnt

Weihnachten kommt immer näher, meine Damen und Herren, und Weihnachten ist bekanntlich das Fest der Liebe. Und das ist die verharmlosende Umschreibung für: Weihnachten ist der alljährliche Höhepunkt der Single-Diskriminierung. Die Heilige Nacht gehört nämlich zu den Anlässen, die man irgendwie kaum allein verbringen kann. Es ist einigermassen schwer, sich als Single allein unterm Mistelzweig mit der eigenen Unabhängigkeit zu trösten, wenn im Fernsehen selbst Meg Ryan einen Partner findet. Nun könnten Sie einwenden: Man kann doch auch mit Freunden feiern. Richtig. Bloss braucht man dafür: Freunde. Und wie findet man eigentlich als fragmentiertes modernes Subjekt heutzutage neue Freunde? Don’t worry, I made you a list.
- Internet
Hört sich einfach an. Jedenfalls, wenn man jünger ist als 60. Man geht einfach zu Facebook. Oder gibt irgendwas wie «Freunde finden Schweiz» bei Google ein, und schon stösst man auf Freundschaftsanbahnungsforen. Das Problem im Internet ist natürlich, dass Selbstdarstellungen und Erwartungen an andere gleichermassen überzogen werden. Total überrissene Ansprüche an die Mitgeschöpfe dienen in unserer kategorischen Wohlfühlgesellschaft nicht zuletzt zur Rationalisierung der eigenen Einsamkeit. Ein Phänomen, das aus Partnerwahlsendungen im Fernsehen hinlänglich bekannt ist. Das ist das eine Problem. Damit nur lose verbunden ist ein weiteres, auf das gerade wieder der Psychologe und Neurowissenschaftler Manfred Spitzer, Verfasser des kontroversen Bestsellers «Digitale Demenz», hingewiesen hat: Herr Spitzer ist der Auffassung, dass man soziale Netzwerke höchstens zur Pflege bestehender, nie aber zum Aufbau neuer Freundschaften gebrauchen könne, weil in der digitalen Repräsentation so viele Informationen verloren gehen (im Wesentlichen das, was man grob die Ausstrahlung eines Menschen nennen kann), dass die Kontaktanbahnung auf dieser Grundlage quasi sinnlos sei.
BEWERTUNG
Kosten: gering
Risiken: hoch
Mögliche Freunde: null - Freizeitaktivitäten
Die landläufige Ansicht ist: Nichts verbindet mehr als gemeinsame Aktivitäten. Schon darüber liesse sich streiten. Grundsätzlich dürfte jedoch feststehen, dass Sie, wenn Sie zum Beispiel neue Freunde in der Migros Klubschule finden wollen, in Kursen wie «Familienforschung und Wappenkunde», «Emotionale Intelligenz und soziale Kompetenz» oder «Die italienische Oper zwischen Rossini und Puccini» einfach nur langweilige Sherry-Trinker mit schwachem Humor und frechen Brillen kennenlernen. Und gänzlich vermeiden sollten Sie den Kurs «Handy: Bedienungsanleitung für Einsteiger/innen». Denken Sie lieber an einen praktischen Nebennutzen (man will ja von Freunden auch profitieren) und besuchen Sie den Nothilfekurs «Auto und Verkehr». Selbst, wenn Sie gar nicht fahren können, erwerben Sie hier nebenbei noch einen offiziellen Nothilfe-Ausweis und haben ausserdem jede Menge Möglichkeiten zu Körperkontakt (man will richtige Freunde ja auch mal drücken). Und, da wir von Sherry sprachen: Am besten gehen Sie gleich zu den Anonymen Alkoholikern. Da sitzen die wahren Party-Profis!
BEWERTUNG
Kosten: mittel
Risiken: mittel
Mögliche Freunde: zwei bis vier - Partys
Es gibt immer mehr Partykonzepte, die ein Mindestalter vorschreiben. Dies scheint für mittelalte Menschen der perfekte Weg zu sein, Freunde zu finden: Da wird Musik aus den Achtzigern gespielt; wer zu jung aussieht, muss seinen Ausweis zeigen; und niemand braucht sich zu schämen, bloss weil er weiss, wie die Mitglieder von Bananarama hiessen. Theoretisch sind solche Partys für die Freundschaftsanbahnung ideal. Praktisch jedoch ist es gut möglich, dass Sie dann am «Miami Vice Evening» rumstehen und realisieren: Hier will eigentlich niemand Freunde finden. Sondern lediglich Sexualpartner über 35. Wonach sollte man wohl sonst Ausschau halten auf einer Leute-die-nichts-gemeinsam-haben-ausser-ihrem-Alter-Party?
BEWERTUNG
Kosten: mittel
Risiken: gering bis mittel
Mögliche Freunde: vier bis acht - Beherrschen Sie sich. Aber nicht immer.
Auf gar keinen Fall sollten Sie sich aus schierer Verzweiflung mit folgenden Typen anfreunden: Barpersonal, Politessen, dem eigenen Psychotherapeuten. Verändern Sie sich lieber. Werden Sie interessant! Ein paar Stunden mit einem guten Personal Trainer, und Sie sammeln mehr Telefonnummern, als Sie bis zur Pensionierung abtelefonieren können. Halt, es ging ja um Freunde ... aber wenn die meisten Leute nunmal unbedingt Sex wollen, dann schlafen Sie halt in Gottes Namen ein- oder zweimal mit Ihnen, und anschliessend entwickelt sich daraus sicher eine herrliche Freundschaft! Das ist ja wohl immer noch ein besseres Fundament als ein Migros-Kurs in «Wertschätzender Kommunikation». Vielleicht. Who knows.
- Accentuate the Positive. Or Negative.
Wenn alles nichts hilft und Ihnen ein Single-Weihnachten droht, erinnern Sie sich: Jesus war ebenfalls Single (das ist jedenfalls immer noch die gängige Überlieferung). Und die Ehe von Jane Fonda hat auch nicht gehalten. Man kann auch allein hübsch Weihnachten feiern. Zum Beispiel kann man eine Liste mit all seinen Wünschen fürs nächste Jahr verfassen oder irgendeinen Besen schmücken und im dunklen Badezimmer ein wenig singen. Man sollte auch gerade in dieser Zeit des Jahres den Blick auf die Schattenseiten der Zweisamkeit nicht vergessen. Immerhin ist es für einen alleinstehenden Menschen zweihundertfünfzigmal wahrscheinlicher, von den herabfallenden Teilen einer ausrangierten sowjetischen Raumstation erschlagen zu werden, als nach der Bescherung am Weihnachtsabend Freude über selbstgebatikte Untersetzer heucheln zu müssen.
Im Bild oben: Carol Beer findet im Computer ziemlich sicher keine Freunde. (David Walliams in der Fernsehserie «Little Britain». Foto: BBC)
12 Kommentare zu «Wie man Freunde gewinnt»
Ich bin auch Single und für mich sind die Feiertage Tage wie andere. Ich stelle für mich selbst sicher kein Baum ins Wohnzimmer und lasse Weihnachtslieder laufen. Da käme man alleine vermutlich in Depressionen. Ich gehe gezielt unter Leute und schlussendlich hat das ganze ja auch Vorteile, die freien Tege sind auch dementsprechend länger!
und weil bilder auch ’sprechen‘: der frustrierte, einsame mensch, hier dargestellt durch einen als frau maskierten mann, zufällig hat peter stamm in seiner herbstgeschichte vom samstag-magi auch diese form gewählt, quasi den literaturtransvestit. er erzählt in der ich-form, welche er aber als frau staffiert. mir ist das einfach aufgefallen und ich weiss noch nicht, wie ich das einordnen, deuten soll …
«Weihnachten ist der alljährliche Höhepunkt der Single-Diskriminierung.» in einem einzigen Satz das ganze Drame auf den Punkt gebracht… und dann der hammersatz, den ich allen immer um die Ohren schlage, die plötzlich einen «auf glückliches paar machen» : «Man sollte auch gerade in dieser Zeit des Jahres den Blick auf die Schattenseiten der Zweisamkeit nicht vergessen.» dieser Schatten ist nämlich zumindest so lang, wie das jahr tage hat. Herr Tingler einmal mehr BRAVO! Problem erkannt!
Bin ich eigentlich die einzige hier, die mal alleine Weihnachten gefeiert und das genossen hat? Um zehn war ich schon im Bett, null Stress. Herrlich! Und mit dieser Liste kann ich diesmal leider nicht viel anfangen. Ich bräuchte eher Tipps, wie ich es vermeiden kann, dass man mit mir befreundet sein will! (O.k. o.k., Herr Rittermann, ich weiss, ich weiss, ich sollte einfach kritischer sein. 🙂 Ich bin halt so begeisterungsfähig!) Aber ich muss eindeutig meine „grumpiness“ mehr pflegen. Also dann: Was für eine doofe Liste! Wehe, es will hier jemand mit mir befreundet sein! Grummelgrummel.
SO sind sie aber gar nicht glaubwürdig, katharina primera. missmut muss sich zu einer grundeinstellung entwickeln; nur so sind sie vielleicht noch in der lage, ihren positivismus zu heilen! ich helfe ihnen: versuchen sie die dinge immer erst aus dem negativen blickwinkel zu sehen. beispiel -> „das glas ist halbleer und nicht halbvoll“. sie haben im grunde genommen dann den selben spielraum für das positive, mit dem vorteil, es aus dem negativen zu abstrahieren. das was übrigbleibt ist meist die wahrheit.
Nein Sie sind nicht alleine, ich hab so viel Trubel vor dem 24. dass ich froh bin wenn ich den 24. gemütlich verbringen kann und nichts mache ausser es mir gutgehen zu lassen. Ich gestalte das jedes Jahr etwas anders. Manchmal lade ich an den Folgetagen Freunde oder Familie ein und manchmal lasse ich mich einalden, aber der 24. gehört mir, um zur Ruhe zu kommen
So ein unpassender Artikel! Es gibt viele Menschen, die sich alleine fühlen und gerne mehr Freunde hätte und es ist nichts worüber mach sich lustig machen sollte. Anstatt sich über das Leid anderer zu Vergnügen, sollte mach man wirklich eine Plattform erstellen wo man Freunde (ja und ich meine nur Freunde, nicht Sexualpartner) finden kann. Vielleicht schläfst du ja mit all deinen Freunde ein bis zwei Mal bis sich eine Freundschaft entwickelt 😉 von irgendwo muss ja die Idee kommen!