Die Feministinnen und der Terror

Vor hundert Jahren liess eine britische Frauenrechtlerin im Landhaus des Schatzkanzlers Lloyd George eine Bombe hochgehen. Zu Schaden kam niemand, aber es war der Auftakt zu einer Serie von Anschlägen, ausgeführt von Exponentinnen der britischen Frauenrechtsbewegung. Sie störten Veranstaltungen, rauchten trotz Verbot demonstrativ in der Öffentlichkeit, warfen bei Bedarf auch mit Pfeffer und toten Katzen oder legten Brände, um sich das Frauenwahlrecht zu erstreiten. Mit Erfolg, wie man weiss: 1928 erhielten die Britinnen ihr Stimm- und Wahlrecht.
Aus heutiger Sicht ist die Geschichte der Gleichstellung ein Erfolg. Zwar ist der alltägliche Sexismus immer noch verbreitet und es gibt andere Ungerechtigkeiten zwischen den Geschlechtern, die mitunter auch Männer betreffen. Dennoch würde ich das Projekt Gleichstellung als kulturellen Erfolg werten.
Was mich an der Geschichte der Suffragetten aber eigentlich interessiert, ist etwas anderes, nämlich das Phänomen politischer Gewalt durch Frauen. In den vergangenen Wochen war immer wieder mal vom Phänomen des europäischen Linksterrorismus die Rede, in dessen Namen wohl mehr Frauen aktiv waren als in jeder anderen terroristischen Bewegung. Ob das etwas damit zu tun hat, dass die Linke traditionell die Partei war, die sich für die Frauen einsetzte und in der Frauen sich einsetzen durften, kann man nur vermuten. In einem aufschlussreichen Interview macht die Historikerin Gisela Diewald-Kerkmann jedoch deutlich, dass das Phänomen vermehrter sozialrevolutionärer Aktionen von Frauen in den Siebzigerjahren global zu beobachten war. Dies habe vor allem mit einem Bewusstwerdungsprozess zu tun, der dazu führte, dass gesellschaftliche Normen hinterfragt wurden – darunter auch die Geschlechterordnung. Diewald-Kerkmann widerspricht damit der These, der weibliche Linksterror sei ein «Exzess der Befreiung der Frau» gewesen. Die RAF-Terroristinnen hätten sich nämlich nicht in erster Linie als Frauen gesehen, sondern als Kämpferinnen, die dieselben Dinge taten, wie die Männer.
Die Kontroverse betrifft aber nicht nur das Geschlecht der Terroristen, sondern die Frage, ob politische Gewalt unter gewissen Rahmenbedingungen zu rechtfertigen ist. Und wenn ja, welche Art von Gewalt unter welchen Umständen. Was die Suffragetten betrifft, hatten sie bezüglich dieser Frage eine dezidierte Meinung. Sie beschränkten sich auf Sachbeschädigung, um ihren Anliegen zu Publizität zu verhelfen. Oder wie Frauenrechtlerin Emmeline Pankhurst schrieb: «Das menschliche Leben ist für uns heilig, daher sind wir fest dazu entschlossen: Wenn schon Leben geopfert werden muss, dann unser eigenes. Wir werden uns nicht selbst umbringen, aber wir werden unsere Gegner in eine Position zwingen, in der sie sich entscheiden müssen: Gebt uns endlich unsere uneingeschränkte Freiheit oder tötet uns.»
Heute würden die Suffragetten wegen ihrer Gewaltbereitschaft, auch wenn sie sich nur gegen Gegenstände oder sich selbst richtete, zweifelsohne als gefährliche Terroristinnen eingestuft, überwacht und vielleicht inhaftiert. Denn sie gingen wie Terroristen vor. Diese spekulieren, wie der Kunstphilosoph Boris Groys schreibt, immer auf die mediale Verwertung ihrer Taten und passen ihre Strategien entsprechend an. Im Gegensatz zu einem kriegerischen Akt geht es nicht um die Besetzung realer, sondern symbolischer Territorien. Das Spektakel dient dazu, medialen Raum zu besetzen und Aufmerksamkeit zu gewinnen.
In Europa müssen Frauen keine Bomben mehr werfen, um sich Rechte zu erkämpfen. In anderen Teilen der Welt ist es aber um ihre Rechte ziemlich viel schlechter bestellt. Manche wählen deswegen den Weg des gewaltsamen Widerstandes. Auch wenn die Gewalt sich meist nur gegen Symbole oder Normen richtet, macht die verbreitete Angst vor Terrorismus es leicht, sie als Terroristinnen zu klassifizieren und drastisch zu bestrafen. Zeitenössische feministische Aktivistinnen im arabischen Raum oder die Mitglieder der Band Pussy Riot können davon ein Lied singen. Auch wenn sie bei ihren illegalen Aktionen höchstens Sachschaden verursacht oder religiöse Gefühle von Mitbürger verletzt haben, wurden sie mit drastischen Strafen sanktioniert.
Wir befinden uns in einer Zeit, da das Schreckgespenst Terrorismus als grösste Bedrohung empfunden und von Regierung dazu benutzt wird, alles Mögliche zu rechtfertigen, einschliesslich der permanenten Überwachung unbescholtener Bürger. Die Geschichte der Suffragetten erinnert daran, dass Gewaltakte nicht immer mit Terror gleichzusetzen sind, dass es einen Unterschied macht, ob man Symbole, Eigentum oder Menschen angreift. Egal, ob dahinter Frauen stecken oder Männer.
Bild oben: Die Schauspielerin Martina Gedeck als RAF-Terroristin Ulrike Meinhof. (Foto: Constantin Film)
18 Kommentare zu «Die Feministinnenund der Terror »
Da wird jetzt aber einiges „verniedlicht“.
Aufruf und Verharmlosung von Gewalt, Anwendung von Gewalt gegen Menschen und Zerstörung von Gedenkstätten für die Opfer des Stalinismus hübsch verpackt als „ein bisschen Sachschaden“.
ist nicht alles terror bis der terrorist an der macht ist…
Ich mag es recht eigentlich gar nicht, dass jemand, selbst wenn es nur aus einem Bild in einer Zeitung heraus geschieht, eine Waffe gegen mich richtet. Vollmond ist übrigens erst morgen.
Bitte nie Pulp Fiction, From Dusk till Dawn, Terminator, Die nackte Kanone, ja nie James Bond oder ähnliche Film schauen! Bitte mich nur so ernst nehmen, wie sie es auch meinten.
Möglicherweise kommt es auf die Gelegenheit an. Und VorreiterInnen sind sowieso ein eher aggressivere Menchenschlag.
Na und dan gab es doch noch die Dame, die Andy Warhol ermordet hat. Was soll die Debatte, ich glaube kaum, dass Terror etwas mit dem Geschlecht einer Person zu tun hat, sondern, wie diese Person sich in der Gesellschaft anerkennung verschaffen will. Die Ideologie ist immer nur vorgeschoben, selbst wenn das der Täterin in dem Augenblick nicht bewußt ist.