Sind Sie ein «Body Nazi»?

Das Urban Dictionary, diese Instanz der Strassenweisheit, definiert den Begriff «Body Nazi» wie folgt: «Die Leute, die obsessiv trainieren gehen. Die Sorte von Charakteren, die auf alle herabsieht, die nicht verzweifelt versuchen, für immer wie 21 auszusehen.» Das werden Sie jetzt von sich weisen (hoffentlich). Doch wie jede Besessenheit, so kann sich auch die Obsession mit der eigenen (und anderer Leute) Fitness und Körperlichkeit ganz unbemerkt einschleichen. Gerade in der gnadenlos oberflächlichen, auf Äusserlichkeiten fixierten, kategorischen Wellness-Gesellschaft, in der wir leben. Wie gefährdet sind Sie? Tragen Sie zum Hantel- oder Ausdauertraining immer noch Ihre alten Fallschirmhosen von 1982 und dazu das Everlast-Sweatshirt mit den abgerissenen Armen? Oder waren Sie 1982 (angeblich) noch gar nicht geboren und betreiben die eigene und fremde Ertüchtigung so fies und unbarmherzig wie eine Laborratte auf Amphetaminen? Erkennen Sie sich selbst. Und zwar anhand der folgenden fünf Problemkomplexe, die ich für Sie zusammengestellt habe. Wenn Sie da bei drei oder mehr Punkten der Mehrzahl der Aussagen zustimmen, sind Sie mindestens gefährdet. Dann müssen Sie sich rausschleichen. Gehen Sie doch mal ins Kino statt ins Gym. Zur Not mit Ihrem Trainer.
- Das Soziale
Sie kennen zu jeder Zeit mindestens sieben Leute in Ihrem Gym beim Vornamen (oder wenigstens bei jenem Spitznamen, den Sie zusammen mit Ihrem Trainer für sie ausgesucht haben). Davon können Sie fünf insgeheim nicht ausstehen. Sie wissen, wer Snooki ist, weil „Jersey Shore“ läuft, während Sie Ihre 70 Minuten auf dem Cross Trainer absolvieren. Apropos: Sie haben einen Lieblings-Cross-Trainer. Den mit dem gleich guten Blick auf Empfang und Spiegelwand. Apropos Empfang: Sie wissen, was die Rezeptionistin in der Stunde verdient.
- Die Ernährung
Sie studieren ausgiebig die Nährwertangaben auf der Rückseite von allem Essbaren inklusive Kaugummis. Sie sind ausserordentlich gut darin, das Gewicht anderer Leute zu schätzen. In der Tat ist dies das Erste, was Sie tun, wenn Ihnen jemand über den Weg läuft. Sie essen Sachen, die Sie gar nicht mögen, weil sie reich sind an verzweigtkettigen Aminosäuren. Sie glauben nicht an Diäten, sondern an Ernährungspläne. Sie haben Ihr eigenes Proteinshake-Rezept. Und von Schwarzwälderkirschtorte bis zum Käsefondue gibt es nichts, was Sie nicht in synthetischer Riegelform zu sich nehmen würden.
- Die Ausrüstung
Sie sehen, wenn jemand falsch trainiert. Das tun die meisten Leute Ihrer Ansicht nach. Sie haben eine dezidierte Meinung zur Effektivität des Power Plate. Und zu den Stoffwechselwirkungen des Höhenlufttrainings. Und zu Dry Needling. In Ihrer Trainingstasche finden sich Widerstandsbänder, ein Dipping Belt, ein kombinierter Puls- und Schrittzahlmesser sowie ein Bizeps-iPod-Halteband aus Neopren. Beziehungsweise zwei, denn Sie haben sich noch nicht ganz entscheiden, welches davon Sie zuverlässiger finden. Das lindgrüne passt jedenfalls besser zu Ihrem Hollister-T-Shirt.
- Die Selbstwahrnehmung
Sie halten den Body-Mass-Index für einen hoffnungslos groben und in der Tat irreführenden Richtwert für das Idealgewicht, da er weder Statur noch Geschlecht noch die individuelle Zusammensetzung der Körpermasse aus Fett- und Muskelgewebe berücksichtigt. Sie können die vier Köpfe Ihrer vorderen Oberschenkelmuskulatur lateinisch benennen. Und an sich anzeigen. Sie finden es kritikwürdig, dass viele Leute (vor allem Männer) beim Trainieren die Beine vernachlässigen. Wo doch obendrein Beintraining anabole Wirkungen für den ganzen Körper hat, wie Ihr Trainer sagt. In Ihrem Facebook-Profil gibt es mindestens ein Foto von Ihnen, auf dem Sie wenig anhaben. Apropos: Wenn Sie fotografiert werden, nehmen Sie die gleiche Grundhaltung ein wie im Training: Brustbein raus, Schultern setzen.
- Sonstiges
Sie haben schon mal in Online-Bodybuilding-Foren nach den Nebenwirkungen von Ephedrin gesucht. Beziehungsweise gefragt. Sie sehen die Ironie nicht in «Sexy and I Know It» von LMFAO. Deshalb ist das auch Ihr Klingelton. Sie wissen, dass man sich auf dem Solarium liegend ein wenig bewegen muss, um nachher keine bleichen Flecke auf den Kontaktpunkten an Schultern und Steiss zu haben. Sie sind nicht sicher, ob Ihnen Pilates wirklich was gebracht hat. Sie bemitleiden Menschen, die nach ausgerissenen Trainingsplänen aus «Men’s Health» trainieren. Sie haben Trainingsplan-Zwischenziele und eine dezidierte Ansicht über die richtige Pausenlänge zwischen den Sätzen. Und damit meine ich: Übungssätze.
17 Kommentare zu «Sind Sie ein «Body Nazi»?»
Bei Kant und Schopenhauer konnte ich noch einigermassen mithalten, ober jetzt ? Ich habe weder ein Facebook-Profil noch einen iPod, das verstehe ich aber, jedoch Dry Needling ? Hat das was mit Drogen zu tun ? Ich glaube, ich muss wieder zurück zur allgemeinverständlichen Sweet Home-Kolumne …