Bitte, ziehen Sie keine Nummer

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«Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben», heisst es in einem zauberhaften Gedicht von Rainer Maria Rilke namens «Herbsttag», das sich, wie der Name andeutet, mit jener tendenziell melancholischen Zeit des Jahres befasst, in die wir nun eintreten. Auch für Melancholiker stirbt ja die Hoffnung bekanntlich zuletzt. Aber manchmal ist es besser, sie in die Schlucht zu schubsen (nicht die Melancholiker, natürlich; ich meine die Hoffnung, ich versuche hier eine Metapher). Denn manchmal ist es viel positiver und lebensverbessernder, einzusehen, dass die Hoffnung auf Besserung einfach Zeitverschwendung ist. Und damit fangen wir jetzt an! Don’t worry, I made you a list.

  1. Beziehungsmässig ...

    ...sollten Sie aufhören, darauf zu warten,...
    ... dass Ihnen Monogamie Spass macht (falls Sie ein Mann sind).
    ... dass Ihrem Partner Monogamie Spass macht (falls Sie eine heterosexuelle Frau sind).
    ... dass Sharon Stone in Ihrer Liga spielt (falls Sie eine lesbische Frau sind).
    ... dass dieser muskulöse Parkplatzwächter mit dem prächtigen Hintern Sie jemals ansprechen wird (falls Sie nicht Sharon Stone sind).

  2. Mit Blick auf den Stand der Kultur ...

    ...sollten Sie aufhören, darauf zu warten,...
    ... dass das Schweizer Fernsehen jemals eine akzeptable Sitcom produziert.
    ... dass «Veronica’s Closet» endlich auf DVD erscheint.
    ... dass Damien Hirst irgendwas Relevanteres macht als Louis-Vuitton-Koffer zu entwerfen.
    ... dass irgendwas Vernünftiges aus Günter Grass rauskommt. Oder aus Judith Butler. It’s not gonna happen.

  3. Hinsichtlich Ihrer Karriere ...

    ...sollten Sie aufhören, darauf zu warten,...
    ... dass das Aussehen in Corporate Switzerland keine Rolle mehr spielt.
    ... dass sich auf Bali eine alternative Alternative auftut.
    ... dass Ihre MbO-Vorgaben irgendwann realitätsnäher werden.

  4. Was Ihre körperliche Verfassung angeht, ...

    ...sollten Sie aufhören, darauf zu warten,...
    ... dass Ihnen die Benutzung von Zahnseide irgendwann Spass macht.
    ... dass Sie irgendwann aussehen werden wie Nicole Kidman (niemand sieht so aus wie Nicole Kidman, nicht einmal sie selbst).
    ... dass irgendeine Hautcrème mehr kann als fetten und befeuchten.
    ... dass Human Growth Hormones irgendwann in der Drogerie erhältlich sind.
    ... dass gefärbte Haare bei Männern auch nur vage akzeptabel werden.

  5. Und was die allgemeine Entwicklung des Planeten betrifft, ...

    ...sollten Sie aufhören, darauf zu warten,...
    ... dass Ihre Putzfrau Iralda endlich auch unter den Betten staubsaugt.
    ... dass sich von selbst in Ihrem Leben alles ändert.
    ... dass die anderen Leute endlich richtig Auto fahren lernen.
    ... dass Silvio Berlusconi anfängt, in Würde zu altern.
    ... dass ein Heilmittel gegen Humorlosigkeit auf den Markt kommt.
    ... dass Hugo Chávez auf Juan Charlos I. hört. Dabei wäre das für die allgemeine Entwicklung des Planeten von Vorteil.

Im Bild oben: Sharon Stone in London am 8. Februar 2009. (Foto: Reuters)

16 Kommentare zu «Bitte, ziehen Sie keine Nummer»

  • Katharina I sagt:

    Gott sei Dank! Endlich wieder eine Liste! Da kann man sich so schön dran festhalten. Und man sollte überhaupt aufhören zu warten und lieber etwas mehr tun, damit sich die hoffnungslosen Hoffnungen erfüllen. Zum Beispiel auf Bali einen Starbucks eröffnen! Kann auch eine Bar sein. Wer macht mit? – Moment. Bali gehört ja zu Indonesien, also, vielleicht doch lieber nicht. Aber ich warte trotz allem weiter darauf, dass Herr Tingler mich adoptiert!

    • Philipp Tingler sagt:

      Liebe Katharina I, ich DARF Sie leider nicht adoptieren, denn ich lebe in einer Homo-Ehe, und für solche Menschen ist in unserer schönen Schweiz die Adoption diskriminierenderweise verboten. Der Kampf geht weiter! Die gute Nachricht: Es gibt schon einen Starbucks auf Bali. Ich war da.

    • Katharina Möchtegern-La-Toya I sagt:

      Jaaa! Der Herr Tingler hat mir geantwortet! Das ist ja fast schon wie eine Adoption. 😉 Ich fühle mich geehrt, bedanke mich artig und stelle mich gerne für den weiteren Kampf zur Verfügung. Aber vielleicht zahlt sich mein Warten auf den Reichtum doch noch aus. (Davon steht ja in Ihrer Liste nichts, dass man die Hoffnung auf Reichtum aufgeben soll. Gott sei Dank.) Und dann werde ich Sie adoptieren und Ihren besten Ehemann natürlich ebenfalls. 🙂

  • Massimo sagt:

    Veronica’s Closet.. *schluchz*

  • Martin Wolff sagt:

    Ich warte eigentlich gerne – dann passiert nichts Schlimmeres.
    Eigentlich besteht das Leben zu einem grossen Teil darin, abzuwarten was kommt.
    Wenn auch nur auf den nächsten Bus, oder auf bessere Zeiten.
    Zuviel Planung des Lebens ist noch langweiliger und bringt nicht viel.
    Die Kunst ist eher, die Wartezeiten auf möglich angenehme Art zu verbringen.

  • Kurt Meier sagt:

    Herr Tingler ,vor einigen Wochen haben Sie mir versichert kein Endorser von Starbucks zu sein.Sie gestatten dass ich zweifle.In keinem Ihrer Beiträge hat der Name dieses unsäglichen Unternehmens gefehlt. Ich bin enttäuscht! Ich werde ES auf meine Liste setzen!

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