Der eigentliche Busen-Skandal

People-Journalismus gehörte noch nie zu den edelsten Formen meiner Branche – eine Branche, die als edel zu bezeichnen nicht eben vom Vollbesitz geistiger Kräfte zeugen würde. Aber immerhin, was Funktion und Aufgabe eines Journalisten betrifft, nämlich informieren, einordnen, aufklären, so könnte man diese Aufgabe auch mit Würde erledigen.
Der Konjunktiv im vorangegangenen Satz wird Ihnen nicht entgangen sein und bestimmt haben Sie messerscharf kombiniert, was jetzt kommt. Dass nämlich People-Journalismus mit Journalismus im engeren und Würde im weiteren Sinn rein gar nichts mehr zu tun hat, sondern unter die Rubrik «Fleischbeschau» subsumiert werden müsste. Wobei es insbesondere der weibliche Körper ist, der da unter die Lupe genommen und über dessen Fettanteil an den richtigen oder falschen Stellen endlos geplappert wird und auch über die Regionen, die allenfalls von Stoff bedeckt wurden oder nicht. Wobei zwei Dinge besonders störend sind. Erstens die haarsträubende Dummheit, mit der in so vielen sogenannten «People-Geschichten» Ursache und Wirkung vertauscht werden, zweitens die permanente Skandalisierung des weiblichen Körpers zugunsten der Auflage-Steigerung der entsprechenden Medienprodukte.
Vergangene Woche veröffentlichte zum Beispiel «20 Minuten» eine Meldung mit dem Titel «Mutter und Beachbunny». Inhalt: Natalie Portman wurde im Urlaub beim Meerbad mit ihrem einjährigen Sohn fotografiert. Zu den Fotos wurde auch noch etwas getextet. Topmodels, so informierte uns der Lead, müssten nach der Geburt sofort wieder einen flachen Bauch vorzeigen können. Aber: «Natalie Portman beweist, dass es auch für einen Weltstar total o. k. ist, mehr als acht Wochen zu brauchen, um den Bauch wieder flach zu trainieren.» Natalie Portman, so der Text, zeige «Gnade mit den jungen Müttern dieser Welt, indem sie sich mit dem Trimmen ihres Traumkörpers etwas Zeit gelassen hat.» «Statt sich beim Spinning abzustrampeln und Kalorien zu zählen, geniesst Portman lieber die Zeit mit ihrer Familie». In der Bildstrecke zur «Geschichte» finden wir dann Zeilen wie diese: «Natalie Portmann bekommt so die Gelegenheit, ihren neu erstrafften Post-Baby-Body zu präsentieren». Oder: «Auch von hinten macht die Schauspielerin eine gute Figur»
Das ist auf so viele Arten verquer, dass ich gar nicht weiss, wo anfangen. Zum Beispiel dass einer Frau, die ohne Einwilligung fotografiert wurde unterstellt wird, sie präsentiere ihren «Post-Baby-Body». Und zwar, weil er «neu erstrafft» sei. Oder die Pseudo-Kritik am «Hollywood-Wahn» der Topmodels, möglichst rasch nach der Geburt wieder schlank sein zu müssen, obschon es doch «total o. k.» sei, dafür auch etwas länger zu brauchen. Der «Hollywood-Wahn» ist zufälligerweise genau die Botschaft, die der Artikel mit jeder Zeile transportiert, nämlich dass es für eine Mutter nichts Wichtigeres gibt, als möglichst schnell wieder so auszusehen, wie vorher, also präsentabel zu sein. Und wenn wir schon von Gnade sprechen: Gnädig wäre es, wenn People-Journalistinnen uns künftig mit solchem Brunz verschonen würden.
Ganz ähnlich ist der Fall von Herzogin Kate gelagert, die im Urlaub ohne Bikini-Oberteil fotografiert wurde, was die People-Presse zum Skandal hochjubelt. Obwohl der einzige Skandal darin liegt, dass jemand mit einem Teleobjektiv in die privaten Räume einer Frau eindringt, sie fotografiert und ihr ein für eine angehende Königin unwürdiges Verhalten unterstellt. Wie bitte? Liegt der Skandal vielleicht darin begründet, dass sie eine Frau ist und tatsächlich Brüste hat? Denn für People-Journalisten ist es letztlich egal, was eine Frau tut, ihr Körper wird so oder so skandalisiert. Ich finde das empörend und beschämend zugleich. Und vielleicht haben die radikalen Feministinnen von Femen ja recht. Vielleicht müssten wir in die Offensive gehen und uns nur noch nackt zeigen, immer, überall, egal ob wir einen prä- oder post- oder was für einen Body wir auch immer haben. Und zwar so lange, bis das System zusammenbricht, weil alle zum Schluss kommen, dass man so nicht arbeiten kann. Oder dass das gar nichts so besonderes ist. Wir sind schliesslich einfach Frauen – was soll daran so skandalös sein?
Im Bild oben: Kiosk in Frankreich, an dem das Magazin «Closer» mit den Bildern von Kate und William verkauft wird. (Foto: Reuters)
33 Kommentare zu «Der eigentliche Busen-Skandal»
Sehr geehrte Fr. Binswanger,
über einen Link in der SZ habe ich soeben Ihre zutreffende Stellungnahme mit wachsender Begeisterung gelesen. Chapeau!
Bei der Weiterverfolgung des Themas in den Kommentaren überraschten mich einige Aspekte, vor allem von Menschen männlichen Typs.
Ob es uns passt oder nicht : sex sell
Hat mit IQ nichts zu tun.
Entschuldigung für meinen Verschreiber: heisst natürlich PEOPLE-Presse, nicht Peogle-Presse. Bin eben Franzose und wir habens nicht so mit der englischen Sprache. Das nächtste mal schreibe ich beagle-presse. Eine gute assoziation zur kläffenden hundemeute der paparazzi:
Man muss die Kate-Affäre im historischen Zusammenhang der Rivalität zwischen England und Frankreich sehen. Als Sarkozy vor ein paar Jahren Frankreich besucht hat, hatte die englische Yellow Press nichts besseres zu tun, als Carla Bruni nackt abzubilden.
Diese Rechnung war quasi noch offen. 🙂