Begnadete Verschwender

Suzanne Saperstein wird in die Geschichte eingehen. Nicht nur weil die gebürtige Schwedin und Ex-Ehefrau von Gazillionär David Saperstein zur Scheidung eine Rekordabfindung von mutmasslich einer Milliarde Dollar erhielt. Nicht nur weil Suzi als Kundin von Haute Couture längst die ehemalige saudische Prinzgemahlin Mouna Ayoub weit hinter sich liess und ausserdem inzwischen mehr Louis-XVI-Mobiliar besitzen dürfte als seinerzeit Louis XVI selbst. Sondern vor allem weil sie, in glücklicheren Zeiten, mit ihrem Gatten dem Wort «Verschwendung» völlig neue Dimensionen gab, indem nämlich die Sapersteins kurzerhand Versailles nachbauen liessen. Versailles, selbst ein Denkmal der Opulenz, auferstand in Holmby Hills, Kalifornien, unter dem Namen «Fleur de Lys», mit Gold und Marmor an den Wänden, einem Ballsaal, einer Bibliothek voller Erstausgaben und einem Screening Room für 50 Personen. So ist es ausgeschrieben. Das Anwesen ist nämlich (mal wieder) zu verkaufen. Für 125 Millionen Dollar. Durch einen drolligen Zufall kam es am selben Tag zurück auf den Markt, da Nachbarin Candy Spelling ihren eigenen Palast namens The Manor soeben für 85 Millionen Dollar an Petra Ecclestone verscherbelt hatte, die sich dem Vernehmen nach auch für Fleur de Lys interessiert hatte. Wie dem auch sei: Wie vielen Verschwendern, so hat also auch den Sapersteins die Üppigkeit kein Glück gebracht: Kurz, nachdem der Palast fertig war, liessen sie sich scheiden. David Saperstein, von dem der Ausspruch überliefert ist «We are just simple country folk trying to keep bread on the table», ist jetzt mit der ebenfalls schwedischen Miss Svensson, der ehemaligen Nanny, verheiratet, die Berichten zufolge aussieht wie eine jüngere Version von Suzanne. David war übrigens früher Gebrauchtwagenhändler. Sein auch nach Suzis Abfindung immer noch monströses Vermögen verdankt er einer Idee, die er im Jahre 1977 hatte, als er im Stau stand: Er gründete eine Firma, die Verkehrsmeldungen aus Hubschraubern an Radiostationen verkaufte.
Das Anwesen der Sapersteins ist eigentlich weniger ein Schloss: Es ist eine Festung. Angelegt auf Diskretion und Abstand. Denn Ornament und Bombast sind nicht die Zeichen der Zeit. Unsere Zeit wird als Krisenzeit empfunden: Trotz der Masse an Informationen lässt die Irritation nicht nach, und das ist genau das, was damals mein Professor, der Zürcher Wirtschaftshistoriker Hansjörg Siegenthaler, als fundamentale Unsicherheit bezeichnet hat: Der Zugriff auf jede Menge Daten verhilft uns nicht zu grösserer Gewissheit; er bestätigt uns nur im Gefühl der Komplexität und Unberechenbarkeit der Welt. Und der Mensch, das orientierungsbedürftige Hascherl, reagiert makroökonomisch wahlweise mit Stimulierungs- oder Sparpaketen (neuerdings «nachhaltige Finanzpolitik» genannt) und mikroökonomisch mit einer Änderungen seines Benehmens: Die gefühlte Krise wandelt die Manieren; man könnte von «Krisensitten» sprechen. Zum Beispiel gibt es ganz neue Tabuthemen: Früher redete man in Gesellschaft nicht über Sex und Politik, heute verschweigt man, dass man ein Hedge Fonds Manager ist (oder, noch schlimmer: war). Dafür wird der gehobene Small Talk neuerdings beherrscht von dem Drang, sich als Opfer der Krisenkette darzustellen. Auf diese Weise entsteht eine ganz neue soziale Kategorie, nämlich die der «New Faux Poor» (NFP): die gleichen Leute, deren Statussymbol vormals die AmEx Centurion war, protzen heute mit ihrer Cumulus-Rabattkarte.
Denn die Zeichen der Zeit, die als Krisenzeit empfunden wird, stehen auf: Verzicht. Entsagung. Immer mehr Menschen gerieren sich risikoscheu und entsagungsvoll. Und damit meine ich nicht nur den Verzicht auf den Neubau eines zweiten Kühlraums für die Balenciaga-Pelze, nein, ich meine den Verzicht auf sämtliche Konsumakte, die Spass machen: vom Iced Triple Venti Latte bis zu den Weihnachtsferien auf St. Barts. Was der von mir immer gern zitierte amerikanische Sozialwissenschaftler Thorstein Veblen vor rund hundert Jahren im Rahmen seiner «Theorie der feinen Leute» den «Geltungskonsum» nannte, also auffälliger, auf öffentliche Wirksamkeit zielender Güterverbrauch, ist heute zur «Geltungskonsumaversion» geworden; an die Stelle des demonstrativen Verbrauchs, der den anderen zeigen soll, was man sich alles leisten kann, ist der demonstrative Verzicht getreten, die öffentliche Enthaltsamkeit, die edle Stärke der Entsagung, die den anderen zeigen soll, was man sich alles verkneift.
Drei Typen von Verschwendern
Irgendwie also ist augenblicklich ein verschwenderischer Lebensstil nicht sehr gut beleumundet – obschon davon ja auch die Mitwelt profitiert. Beziehungsweise die Nachwelt. Die meisten Kulturleistungen vergangener Zeiten haben viel mit Verschwendung zu tun, und so wie wir heute staunend vor der Pretiosensammlung im Grünen Gewölbe stehen, die wir vor allem der Raffgier und absolutistischen Prunksucht August des Starken zu verdanken haben, so werden künftige Generationen vielleicht eines Tages den verwaisten Ballsaal von Fleur de Lys mit seinen herrlichen Deckenfresken bewundern. Wieso also hat Verschwendung diesen üblen Ruf? Um der Antwort näher zu kommen, müssen wir ganz wissenschaftlich drei grundsätzliche Typen von Verschwendern auseinanderhalten, die sich in ihren Methoden und Wirkungen unterscheiden.
Erstens: Verschwendung als Selbstverständlichkeit. In diese Kategorie gehören jene bevorzugten, meist gekrönten oder sonst wie behüteten Existenzen, die wirklich aus dem Vollen schöpfen, dass heisst alles Mögliche verschwenden, bloss keinen Gedanken daran, in welchem Verhältnis ein möglicher Aufwand zum Effekt steht. Geborene Verschwender. Also Charaktere, die aus einer Laune heraus Rom abbrennen, wie Nero, oder ein ganzes Volk hungern lassen, um sich selbst zu Ehren das zweitgrösste Gebäude der Welt errichten zu lassen, wie Ceaușescu. Und, da wir schon wieder bei Quadratmetern sind: der grösste Palast der Erde liegt im Süden eines Städtchens namens Bandar Seri Begawan, und wenn Sie jetzt denken «Nie gehört!», dann werden Sie gleich wissen, was ich meine, wenn ich sage: Brunei. Bander Seri Begawan ist die Hauptstadt des Sultanats Brunei, und Hassanal Bolkiah Mu’izzadin Waddaulah, der Sultan von Brunei, ist fürchterlich reich. Sein Palast namens Istana Nurul Iman hat mehr als 1,800 Zimmer und eine Wohnfläche von 200’000 Quadratmetern, womit das Anwesen ungefähr viermal so gross ist wie Versailles. Fleur de Lys ist ein Geräteschuppen dagegen – aber der Palast ist ja gewissermassen auch noch ein Verwaltungsgebäude. Er ist der offizielle Sitz der brunesischen Regierung und ihres Premierministers. Das ist zufällig ebenfalls der Sultan. Der ist ausserdem auch noch Verteidigungs- und Finanzminister und Hüter der islamischen Staatsreligion. Das ist bestimmt eine Menge Arbeit. Und deshalb braucht man 5 Pools, 18 Fahrstühle und eine 110-plätzige Garage. Wobei mich die Garage am meisten erstaunt. Denn der Sultan besitzt ungefähr 5000 Luxuskarossen. Wo lässt er bloss den Rest? Vielleicht in einem jener Hangars, die seine Privatflotte aus Flugzeugen der Modelle Airbus 340, Boeing 767 und 747 beherbergen. In denen sind der Überlieferung zufolge vergoldete Wasserhähne zu finden. Nicht in den Hangars, in den Flugzeugen. Aber, wenn ich so drüber nachdenke: In den Hangars wahrscheinlich ebenfalls.
So eklatant diese Beispiele klingen – es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass es sich, psychologisch gesehen, für die Betroffenen (im Gegensatz zu den Zuschauern) gar nicht um Verschwendung handelt. Sondern um ihr tägliches Leben. Man erinnere sich nur die Konsternation von Ludwig II, als er mit den Baukosten für Neuschwanstein konfrontiert wurde. In aller Regel haben wir es in dieser ersten Kategorie mit Personen zu tun, denen Unmengen von Ressourcen qua Geburt zugefallen sind, und diese Leute sind aus zwei Gründen interessant. Erstens handelt es sich meistens um recht unglückliche Gestalten, und das wohl ausstaffierte Unglück, wie es uns beispielsweise in den Lebensläufen der Erbinnen Doris Duke, Barbara Hutton, Christina Onassis und Nancy Cunard begegnet, ist immer ein faszinierendes Motiv, weil Unglück und Verschwendung so einen reizvollen Kontrast bilden. Zweitens zeigt sich an der Sparte von Verschwendern, die nichts als Verschwendung kennen, wie sehr das den Charakter prägt. Dies sieht man immer dann besonders deutlich, wenn plötzlich die Mittel, die nun mal zur Verschwendung derselben dringend erforderlich sind, fehlen, wie etwa im Falle der Marchesa Luisa Casati. Die Tochter eines italienischen Baumwollproduzenten, die an schweren Minderwertigkeitskomplexen litt, war zu Anfang des letzten Jahrhunderts in der europäischen Gesellschaft berühmt für ihre exzentrischen und bombastischen Auftritte – bis ihr millionenhoher Schuldenberg sie zur Flucht nach England zwang. Dort wurde sie Gerüchten zufolge beim Durchstöbern von Abfalleimern beobachtet, auf der Suche nach Federn, um ihr Haar zu dekorieren. Sie konnte nicht aufhören.
Aufsteiger und Künstler
Das Aufhören fällt auch der zweiten Klasse von Verschwendern schwer: den Aufsteigern. Ihre Form der Verschwendung, in gewissen anderen Sphären als die vulgärste betrachtet, hat viel mit Herkunft und Richtung zu tun. Und mit Las Vegas. Das übliche Muster ist das folgende: Jemand kommt aus einfachen Verhältnissen, wird plötzlich durch Musikindustrie / Hedge Fonds / Immobilien / Neue Medien unglaublich reich, und kauft hinfort einen Swarovski-besetzten Cadillac Escalade nach dem anderen, um es der Welt zu zeigen. Die plakativsten Beispiele für diese Kategorie sind P. Diddy und sämtliche Vertreter des Pimp-Style Rap. Doch zum Pimp Style gehört trotz aller Protzerei auch eine gewisse Selbstironie, die man sogar heutzutage, mit etwas gutem Willen, bei seinen prominentesten Repräsentanten immer noch erkennen kann. Dies im Gegensatz zum todernsten Verschwendungsverhalten in der Kaste der sogenannten New Social Rich, also jener sozialen Kohorte, die im späten 20. und beginnenden 21. Jahrhundert vor allem durch Finanzgeschäfte zu riesigen Vermögen gekommen ist und diese Mittel systematisch für ihre Positionierung in der Gesellschaft einsetzt. Das ist Neureichtum in reinster Form. Einer der Anführer dieser neuen Milliardärsgilde, in der es üblich ist, den Gulfstream nach Paris zu schicken, um Alain Ducasse abzuholen, damit der einem Rührei mit Trüffeln zum Frühstück macht, ist Roman Abramovich, der gerne Fussballclubs und Yachten kauft und Furore machte, als er angeblich einen Airbus A380 als Privatjet erwarb. Herr Abramovich selbst ist allerdings notorisch verschlossen und überlässt den Geltungskonsum vordergründig seiner Entourage. Dies bringt uns zur Liga der ambitionierten Ehefrauen, beispielhaft verkörpert durch die Journalistin Barbara Amiel, Gattin des gefallenen Zeitungsmagnaten Conrad Black, von der die berühmten Worte überliefert sind: «I have an extravagance that knows no bounds.» Sowie der Ausspruch: «It is always best to have two planes, because however well one plans ahead, one always finds one is on the wrong continent.»
Von diesen eher gröberen Arten der Verschwendung nun zu ihrer elegantesten, der dritten Form: Verschwendung ohne Mittel. Also immaterielle Verschwendung. Es gibt ja Charaktere, nicht selten die mit künstlerischen Ambitionen, die einfach sich selbst verschwenden. Gerade unter Schriftstellern ist diese Neigung verbreitet – was nicht heisst, dass sie nicht lange durchhalten können, wie etwa die Autorin Dorothy Parker, die es trotz einem lebenslangen Flirt mit Alkohol und Selbstmord immerhin auf 74 Jahre und ein umfangreiches Werk brachte. Der Schriftsteller Ernest Hemingway hingegen vollendete zwar die Selbstzerstörung durch Suizid im Alter von 61 Jahren, aber da hatte er bereits eine überreiche Laufbahn hinter sich, die unter anderem vier Ehen, unzählige Liebesaffären, zwei Flugzeugabstürze, die Kubanische Revolution, einen Pulitzerpreis, einen Nobelpreis sowie eine literarische Produktion umfasste, die zum Kanon der modernen amerikanischen Belletristik zählt. Plus einen Alkoholkonsum, der den Gesamtverbrauch in der Kantine des Kreml im letzten Vierteljahrhundert übertreffen dürfte.
Kunst ist Arbeit
Aus solchen Beispielen ist der Eindruck entstanden, dass der Flirt mit dem Desaster und die ständige Verausgabung per se schöpferisch wirkten und dass das Bild des sich verschwendenden Genies, das sich märtyrergleich auf dem Altar der Selbstzerstörung opfert, um der weniger tollkühnen Mit- und Nachwelt ein zeitloses Werk voll tiefer Menschlichkeit zu hinterlassen, gewissermassen der Archetyp des Künstlers schlechthin wäre. Das ist falsch. Richtig ist, dass Kunst ihrem Wesen nach unökonomisch ist, und zwar insofern, als der Künstler dem Werk alles andere unterordnet, mithin in diesem Sinne tatsächlich sein Leben an die Kunst verschwendet. Ästhetische Qualität indes, also die Schönheit und Geltung eines Werkes, ist immer, auch bei Genies, das Produkt von Arbeit, und entsteht somit nicht wegen, sondern trotz des Raubbaus an den eigenen Reserven. Künstlerische Charaktere mögen zur Selbstverschwendung neigen – aber sie schöpfen ihr zum Trotz. Das Gegenstück zur Verschwendung in aestheticis heisst Sublimierung, und ohne diesen Antrieb kommt kein Künstler zu irgendwas. Die Kunstgeschichte ist reich auch an Beispielen für Persönlichkeiten, bei denen die Sublimierung die Neigung zur Selbstzerstörung ein Leben lang erfolgreich in Schach hielt, ohne dass die Schöpferkraft zu leiden hatte, wie uns etwa Thomas Mann, Billy Wilder, Pablo Picasso oder Helmut Newton zeigen.
Am Künstlerschicksal offenbart sich die grundlegende Ambivalenz der Verschwendung: Verschwendung als Prinzip ist in Kunst und Natur die Grundlage von Schöpfung und Entwicklung – und andererseits wird das Phänomen «Verschwendung» in unserer Zeit der Sparer und Rechnungsprüfer gering geschätzt: als Missverhältnis zwischen eingesetzten und dem resultierenden Ertrag. Völlerei gehört nach der christlichen Überlieferung zu den sieben Hauptlastern, umgangssprachlich als Todsünden bezeichnet, und viele pseudo-ökonomisch argumentierenden Zeitgenossen verurteilen die Verschwendung, nicht nur aus Sparsamkeit oder dank eines gleichmacherischen Gesellschaftskonzepts, sondern auch aus einem protestantisch-calvinistischen Reflex heraus, der die Üppigkeit und das Zurschaustellen von Reichtum als dekadent empfindet. Aber diese ökonomistische Denkweise greift natürlich viel zu kurz. Denn wenn man lediglich auf messbare Leistung und Gegenleistung abzielte, wäre schliesslich und nicht zuletzt auch jede Form von Selbstlosigkeit und Nächstenliebe pure Vergeudung und beispielsweise Jesus einer der grössten Verschwender aller Zeiten.
Die Ökonomie des Besitztriebes
Natürlich kann sich im Streben, ständig neue Besitztümer an sich zu raffen, ein Suchtverhalten manifestieren – egal, ob dieses Streben die eigene wirtschaftliche Leistungsfähigkeit übersteigt oder nicht. Zumal wenn der Verschwender gegen das Objekt, wenn es einmal in seinem Besitz ist, gleichgültig wird, sein Besitzen und Anhäufen also mit dem Fluche behaftet ist, nie Rast und Dauer zu finden. Aber, wie meine Grossmutter zu sagen pflegte: «Sucht ist die eine Sache. Die andere Sache ist, was man nebenbei im Leben noch zustande bringt.» Auf diese goldenen Worte weise ich gerne meinen Ehemann hin, Richie, den besten Ehemann von allen, wenn Rich mal wieder findet, wir hätten Lebenshaltungskosten wie Kaiser Bokassa und das läge daran, dass ich unter einem krankhaft gesteigerten Besitztrieb litte. Dann verweise ich auf meine Grossmutter und darauf, dass ich studierter Ökonom sei, worauf ich das Wort «amortisieren» benutze, das zugegebenerweise in der Regel nicht zu meinem aktiven Wortschatz gehört und nur Verwendung findet, wenn ich meinem Mann beweisen will, dass etwas, was wir uns nicht leisten zu können scheinen, zum Beispiel goldene Bisazza-Mosaiken für das Klo in einer Zweitwohnung, nicht nur günstig, sondern geradezu geschenkt ist. Üblicherweise dividiere ich dafür die Anschaffung, die wir uns eigentlich nicht leisten zu können scheinen, durch deren prospektive Nutzungsdauer in Jahren, oder, wenn das nicht reicht, in Tagen oder Stunden oder Minuten, bis am Ende ein Betrag rauskommt, der ungefähr den Kosten eines Grande Iced Latte entspricht, meinem Standardgetränk bei Starbucks. Wozu hat man schliesslich studiert?
So hat also die Verschwendung ihren lebensbejahenden Aspekt, und abschliessend möchte ich darauf hinweisen, dass sie mir persönlich viel angenehmer vorkommt als ihre grässliche Kehrseite, der Geiz. Geiz ist eigentlich die schlimmste Eigenschaft, die ein Mensch haben kann, und regelmässig gepaart mit Humorlosigkeit und Grausamkeit. Geiz und Verschwendung sind, wie der Philosoph und Soziologe Georg Simmel schon vor rund hundert Jahren festgestellt hat, insofern verschwistert, als beide ihrem Wesen nach ins Grenzenlose streben. Das Leben des Verschwenders folgt derselben dämonischen Formel wie das des Geizigen: dass jeder erreichte Moment den Durst nach seiner Steigerung weckt, der aber nie gelöscht werden kann, denn man bleibt immer bei den Mitteln stecken und findet nie zum Zweck. Doch der Geizige ist der Abstraktere von beiden, sein Zweckbewusstsein macht in noch grösserer Distanz vor dem Ziele halt; der Verschwender geht immerhin noch näher an die Dinge heran, er hat ein Verhältnis zur Welt.
Und deshalb sind mir die Verschwender doch lieber, und Ihnen sicher auch. Als Gegenkultur zu diesem neo-calvinistischen Puritanismus, wo in Kompensation der gefühlten Machtlosigkeit alles geregelt und verboten wird. Und wenn uns auch nicht alle Verschwender unsterbliche Meisterwerke hinterlassen, so bieten sie uns immerhin Unglück auf hohem Niveau, eine zeitlose theatralische Figur. Apropos: Suzanne Saperstein hat ihre 200-Hektar-Ranch in Simi Valley im Norden von Los Angeles, die den schönen Namen «Hummingbird Nest» trägt, ebenfalls zum Verkauf freigegeben. Dem Vernehmen nach wollte Suzi dann ihre Louis-Vuitton-Tasche packen, sich in den Gulfstream setzen und nach Luxemburg übersiedeln. Oder in die Schweiz. Wegen der Steuern. Man hat ja nichts zu verschenken.
Im Bild oben: Chanel inszenierte anlässlich der vergangenen Pre-Fall Kollektion eine opulente Show unter dem Motto Paris-Bombay.
2 Kommentare zu «Begnadete Verschwender»
Zur Weiterbildung: Wer auf grossem Fusse lebt, war oder ist beim Lohn seiner Angestellten geizig.