Beim Matratzenmacher

Gutes, echtes Handwerk ist der Luxus unserer schnellen Zeit. Heinz Roth macht Rosshaarmatratzen, von Hand, in einer kleinen charmanten Werkstatt, darüber wohnt er mit seiner Familie. Sweet Home hat die Familie Roth in ihrem Haus in Niederbipp besucht.

Fotos: Rita Palanikumar für Sweet Home

Sweet Home bei Roth, Rosshaarmatratzen©Rita Palanikumar

Heinz Roth ist gelernter Tapezierer-Dekorateur. Das Geschäft hat er vom Vater geerbt, gegründet hatte es bereits der Grossvater 1906. Nun führt Heinz Roth es in dritter Generation. Zusammen mit seiner Frau Nicole verkauft er Betten, Vorhänge, Böden und bietet Einrichtungs- und Polsterarbeiten an. Dazu macht er Rosshaarmatratzen von Hand in seiner Werkstatt. Er ist einer der wenigen, die dieses Handwerk noch betreiben. Für das Fotoshooting kamen auch die beiden Töchter der Familie, Claudia (links) und Sandra (auf dem Wagen). Und wo immer die Familie ist, ist auch die Hündin Debbie mit dabei. Die Familie wohnt in einem alten, schönen Haus in Niederbipp, in dem sich auch Atelier und Geschäft befinden und zu dem auch diese Remise gehört, in der wir die ganze Familie für das Foto gruppiert haben. So fliesst Arbeit und Wohnen einerseits ein wenig zusammen und trennt sich aber auch in verschiedene Welten. Das Atelier in den alten Räumlichkeiten ist wunderschön, und genau so, wie man sich eine gemütliche Werkstatt vorstellt. In der Wohnung ist die grosse Liebe zu schönem Design, die auch viel mit gutem Handwerk zu tun hat, spürbar. Heinz Roth entdeckt, sucht oder findet immer wieder Lieblingsstücke, die dann einen besonderen Platz bekommen und die Einrichtung bestimmen. Wir haben für Sweet Home beide Bereiche fotografiert, die Werkstatt, die Lust auf echtes Handwerk macht, und die Wohnung, deren Einrichtung einen Blick in die private Welt der Familie bietet.

Sweet Home bei Roth, Rosshaarmatratzen©Rita Palanikumar

Die Liebe zu Echtem, Ursprünglichem und Handgemachtem spielt wieder eine sehr grosse Rolle, und so sind auch Rosshaarmatratzen begehrt. Diese macht Heinz Roth als einer der wenigen noch von Anfang bis zum Schluss von Hand in seiner idyllischen Werkstatt in Niederbipp. Der Grund für die Rückkehr zum Einfachen ist klar, denn auf den Naturmaterialien schläft es sich besonders gut, und handgemachte Erzeugnisse begleiten einen meist ein Leben lang. Heinz Roth braucht für eine Matratze einen guten Tag. Das Rosshaar bezieht er von der einzigen Rosshaarspinnerei der Schweiz, aus Marthalen, die übrigens auch in die Manufakturen liefert, welche die Matratzen fürs englische Königshaus fertigen. «Es ist reiner Pferdeschweif, aber kein Pferd wird wegen seiner Haare getötet», erklärt der Fachmann. 

Sweet Home bei Roth, Rosshaarmatratzen©Rita Palanikumar

Das Rosshaar wird in «Dreadlocks» geliefert, welche dann mithilfe einer alten Zupfmaschine gelockert, und gezupft werden. 13 Kilo Rosshaar braucht es pro Matratze. Dazu kommen noch ein Wollvlies und natürlich die Hülle aus edlem Baumwolldamast oder reinem Naturleinen. Diese klassischen Matratzenstoffe bezieht Heinz Roth in Frankreich. 

Sweet Home bei Roth, Rosshaarmatratzen©Rita Palanikumar

Die Werkstatt strahlt eine saubere, wohlgeordnete Gemütlichkeit aus. Die hellen Farbtöne, mit denen einiges Holzwerk lackiert ist, die weissen Mauern, die Holz- und Linoleumböden möchte man am liebsten gleich mit nach Hause nehmen. Auch Debbie fühlt sich offensichtlich wohl.

Sweet Home bei Roth, Rosshaarmatratzen©Rita Palanikumar

An einer Holzwand sind die schönen Instrumente, mit denen Polsterarbeiten gefertigt werden, arrangiert.

Sweet Home bei Roth, Rosshaarmatratzen©Rita Palanikumar

Liebevoll zusammengestellt: Sprungfedern für Sitzmöbel, eine Handwerkerschürze, Fotos und Diplome von früher und im Vordergrund die neuste Matratze, die gerade in Arbeit ist. 

Sweet Home bei Roth, Rosshaarmatratzen©Rita Palanikumar

Ist die Matratze fertig gefüllt, wird sie mit langen Nadeln von Hand und im Matratzenstich zusammengenäht. Mithilfe von kleinen Zotteln, Bouffetten genannt, steppt der Handwerker die Matratze in verschiedene Abteilungen ab, so, dass das Füllmaterial regelmässig verteilt bleibt.  

Sweet Home bei Roth, Rosshaarmatratzen©Rita Palanikumar

Typisch an einer handgenähten Matratze sind die schönen Wulste, welche die Kanten der Matratze ausmachen, und die kleinen zotteligen Bouffetten. Auf der Seite sieht man die handgenähte Naht, dank der die Matratze wieder geöffnet werden kann, falls sie mal aufgefrischt werden muss.

Sweet Home bei Roth, Rosshaarmatratzen©Rita Palanikumar

Eine Rosshaarmatratze ist ein nachhaltiges Produkt und begleitet einen durch das ganze Leben. Nach einigen Jahren kann sie wieder aufgefrischt werden. Das bedeutet, der gesamte Inhalt wird herausgenommen, gewaschen, neu aufgezupft und mit neuem Stoff wieder eingenäht. 

Sweet Home bei Roth, Rosshaarmatratzen©Rita Palanikumar

 An der Werkstattwand hangen, in hübschen Holzrahmen, historische Fotos von Matratzenmachern und alte Werbeanzeigen der Firma Roth. 

Sweet Home bei Roth, Rosshaarmatratzen©Rita Palanikumar

Im gleichen Haus, über Laden und Werkstatt, wohnt die Familie Roth. Die Liebe zu gutem Handwerk zeigt sich auch hier, und so wurde mit schönen, edlen Einzelteilen eingerichtet, die nach und nach gefunden und erstanden wurden. Im Wohnzimmer sind die wichtigsten Stücke das Daybed Alfred Roth, der, wie Heinz Roth erklärt, nicht mit ihm verwandt sei. Es ist original aus den 30er-Jahren. Dabei steht ein Salontisch, der klassische Dreirundtisch von Max Bill aus dem Jahre 1949. Die Sitzgruppe wird ergänzt mit einem Sessel und zusammengehalten mit einem grossen Naturfaserteppich.

Sweet Home bei Roth, Rosshaarmatratzen©Rita Palanikumar

Im anderen Teil des grossen Wohnraumes ist eine Entspannungsecke eingerichtet. Diese mit schwarz-weissem Stoff bezogene Liege gehört Nicole. Auch sie original aus den 30er-Jahren, von der Mailänder Firma Cova. Dahinter befindet sich ein zeitgenössisches, schlichtes weisses Lowboard, darüber hängt ein grosses Bild der Langenthaler Künstlerin Sonja Jufer – Nicoles Mutter. 

Sweet Home bei Roth, Rosshaarmatratzen©Rita Palanikumar

In diesen kleinen Barwagen, ein Art-déco-Stück, hat sich Heinz Roth verliebt. Er steht, nicht nur mit Spirituosen, sondern auch mit edlem Teegeschirr bestückt, neben der formschönen Liege.

Sweet Home bei Roth, Rosshaarmatratzen©Rita Palanikumar

Der zweite Entspannungsstuhl gehört Heinz, es ist Schweizer Vintage-Design aus dem 60er-Jahren. An der Wand hangen in schlichten Holzrahmen Lithografien von Italo Valenti und Hans Arp.

Sweet Home bei Roth, Rosshaarmatratzen©Rita Palanikumar

Im Vestibül stehen weitere formstarke Stücke: ein Schlaufentisch und ein Stahlrohrarmlehnsessel der Schweizer Firma Bigla aus den 50er-Jahren. Mit einem Kokosteppich und einem für Farbe sorgenden Bild von Sonja Jufer ist eine wohnliche, kleine Ecke entstanden.

Sweet Home bei Roth, Rosshaarmatratzen©Rita Palanikumar

Dieses Stück Stoff, es ist ein Teppichentwurf von Ursula Böhmer aus dem Jahr 1940, erzählt eine schöne Geschichte: Die Familie Roth sah sich in den Ferien im Tessin einmal die berühmte Casa Camuzzi an, in der auch Hermann Hesse zuweilen wohnte, mit dem wiederum die Böhmers befreundet waren. Gunter Böhmer, der Mann von Ursula, illustrierte viele von Hesses Büchern. Und wie es der Zufall so wollte, schaute Ursula Böhmer zum Fenster raus, kam ins Gespräch mit der Familie und erzählte, dass sie gerade aus dem Haus zügle. So halfen denn die Roths einen Tag lang beim Umzug. Zum Dank bekamen sie das edle Textil.

Sweet Home bei Roth, Rosshaarmatratzen©Rita Palanikumar

Im Arbeitszimmer stehen Schweizer Klassiker: zwischen Bücherwand und Sicht in den Garten ein Tisch und ein Korpus von USM Haller, kombiniert mit einem gemütlichen Retro-Bürosessel.

Sweet Home bei Roth, Rosshaarmatratzen©Rita Palanikumar

Der Garten, der zum Haus gehört, bietet eine mit Glyzinien überwachsene Pergola, Apfelbäume und die Sicht auf ein altes industriell anmutendes Gebäude. «Es ist aber keine Fabrik», erklären Heinz und Nicole, «sondern es wurde 1910 als Gastwirtschaft mit Sääli gebaut, kam aber nie in Betrieb, wahrscheinlich fehlte die Bewilligung. So wurde und wird es immer als Lagergebäude benutzt.»

Sweet Home bei Roth, Rosshaarmatratzen©Rita Palanikumar

Der Eingang zu Wohnung und Werkstatt befindet sich bei der schönen Remise, in der ein kleiner Lieferwagen steht. Die Remise dient als Platz für die Gartengerätschaften und den Lieferwagen. Heinz Roth zeigte uns auch ein wunderschönes Foto von 1938, mit Lieferwagen in der Remise, fast so wie dieses hier.

Sweet Home bei Roth, Rosshaarmatratzen©Rita Palanikumar

Und wie alle Hunde findet auch Debbie immer den besten Platz. Sie sitzt auf dem sonnenbeschienenen Arbeitstisch mit guter Sicht auf das Geschehen vor dem Haus.  

Die Webseite von Heinz Roth: www.rosshaarmatratzen.ch

6 Kommentare zu «Beim Matratzenmacher»

  • Irene feldmann sagt:

    Toll!!!! Vom feinsten….

  • Es ist schön, wenn die Wertschätzung noch vorhanden ist für diese alte Schweizer Handwerkskunst.
    Weniger ist mehr und Qualitätsprodukte bereiten lange viel Freude.
    Eine sehr schöne Reportage.

    Liebe Grüsse

  • sandra meier sagt:

    oh, so schön! da will man gleich so eine matraze besitzen, äh, beliegen. rosshaar ist super!
    gerne mehr solcher handwerker-reportagen!

  • ri kauf sagt:

    Schöne Bilder, schönes Handwerk! Gut zu wissen , dass es d a s noch gibt. Danke.

  • Déjà-vu sagt:

    Sehr schöne Reportage, sehr schöne Bilder! Danke für diesen Beitrag über ein langlebiges Handwerk. Eine Wohltat in unserer heutigen ’speedigen‘ Welt!

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