Zuhause im Märchenhaus
Fotos: Rita Palanikumar

Bei Conny Pfister fing alles mit Blumen an, oder eigentlich mit deren Vasen. Sie lernte Keramikmalerei an der Kunstgewerbeschule und hat bereits ganz früh angefangen, Ihre Vasen und Töpfe mit edlen, floralen Kreationen zu dekorieren, um sie so stimmungsvoller für den Verkauf auszustellen. Sie entschied sich, in einem Blumenladen in Bern ein Praktikum zu machen und hatte Glück damit. Die Besitzerin hat sie nicht nur in die Floristik eingeführt, sondern auch ins Geschäftsleben. Bald darauf eröffnete Conny ein eigenes Blumengeschäft, in dem sie dann auch ihren zukünftigen Mann Urs, einen Musiker, kennenlernte, welcher als Kunde in den Laden kam, um Blumen zu kaufen. In dieser Zeit dekorierte Conny Pfister nicht nur Hochzeiten und Feste, sondern hat sich auch kulturell engagiert und bei Theateraufführungen mitgearbeitet, wo sie begann, sich um Ausstattungen zu kümmern und Möbel zu restaurieren. Dieses Interesse führte zu einer Erweiterung des Geschäftes und sie begann mehr anzubieten als Blumen. Vor drei Jahren zog sie nun mit ihrem Geschäft von Schaffhausen in die Zürcher Altstadt.
Conny Pfisters Wohngeschäft Contra-Punkt entdeckte ich ganz zufällig, als ich mit Miss C. durch die Seitengassen des Zürcher Oberdorfs schlenderte. Seither suche ich dort immer nach besonderen Geschenken und tollen Sachen für Fotostylings. Das Geschäft ist aber mehr als nur ein Paradies für Stylisten, sondern so was wie ein ganz edler Flohmarkt, ein Kuriositätenkabinett der besonderen Klasse, ein Antiquitätengeschäft und natürliche eine schicke Wohnboutique. Ich dachte mir, wer ein solch aussergewöhnliches Geschäft besitzt, wohnt bestimmt spannend! Und so öffnet Conny Pfister ihre Wohnungstüre für Sweet Home.

Im frühen Frühling blühen die Bluebelles vor dem alten, schlossartigen Haus, in dem sich die Mietwohnung von Conny Pfister und ihrer Familie befindet. Auch wenn die Geschichte erst jetzt Ende Sommer kommt, die blauen Glöckchen gehören ganz einfach dazu und lassen sofort an den Ivory-Forster-Film Howards End denken, in dem ein besonderes Haus die Hauptrolle spielt. Conny Pfister hat sich in das Haus verliebt, weil es sie an das Thuner Schloss Schadeau erinnert, welches sie als Kind mit ihrem Grosi besuchte und das sie seit da immer faszinierte. Sie und ihre Familie waren überglücklich, als sie die Möglichkeit bekamen, eine der Wohnungen zu mieten.
Auch ich war hin und weg. Besonders weil ich zuerst durch ein neues, sich im Aufbau befindenden Quartier hinter dem Bahnhof gehen musste, um zu Conny Pfisters Adresse zu gelangen. Dadurch schien das romantische Haus noch stärker wie ein kleines Wunder. Es hat alles, was mich an Kinderbücher, Geheimnisse und romantische Geschichten erinnert. Und das Schönste: Beim Eintritt werden diese Vorstellungen weitergesponnen und ich befinde mitten in spannenden, verträumten Wohngeschichten.

Ganz klar, dass die Liebe zu Antikem und Kuriosem sich besonders gut in einem alten Haus umsetzen lässt. Diese Anrichte, von Conny selbst renoviert und restauriert, zeigt ein ganzes Sammelsurium von interessanten, schönen Objekten. Vieles davon ist unter Glashauben. Ein Trend aus dem 19. Jahrhundert, dem Zeitalter der Forscher und Entdecker, der sich momentan wieder stark zeigt. Damals war es üblich, Kurioses museumsähnlich auch zu Hause auszustellen. Heute belebt dies oft auch moderne Einrichtungen und gibt ihnen eine Art Geschichte. Bei der Interior-Expertin ist es eine üppige Inszenierung, die an ein altes französisches Landhaus erinnert: Teller, Leinenservietten, alte Flaschen, silbernes Serviergeschirr und viele Tortenplatten. Das Bild dahinter spinnt die Geschichte weiter.

Aus der Nähe betrachtet entdeckt man da aber noch ganz Anderes: Da ist ein kleines, ausgestopftes Ferkel und ein Spielzeugschweinchen, die ein üppiges Bauerngelage andeuten. Aber auch ein übergrosses, handbemaltes Modell vom menschlichen Gehör, das aus einer alten Arztpraxis stammt und Musiknoten, schon gerollt und sorgfältig mit schwarzen Satinbändern zusammengebunden sind unter Glas gehalten. Sie spiegeln die Liebe zur Musik, die sich die ganze Familie teilt.

Das ganze Esszimmer ist grosszügig mit grossen, antiken, hellen französischen Möbeln eingerichtet. Die Wände, welche sich im Frühling zum Zeitpunkt des Fotoshootings noch weiss zeigten, hat Conny bis im Sommer, als ich sie besuchte, in einem warmen Grau gestrichen.

Hier ist das Ohr-Modell ganz nah zu sehen und ein Lieblingsbild, nämlich ein Akt der Schweizer Malerin Elisabeth Tobler aus dem Jahre 1903, auf einer alten Staffelei ausgestellt.

Das Schönste an alten Wohnungen ist die Grosszügigkeit der Raumaufteilung. Damals, im 19. Jahrhundert, stellte eine Bürgerwohnung viel dar. Das Entrée ist ein grosser Raum, um den herum man in alle anderen Räume gelangt. Auch die Räume öffnen sich oft ineinander mit Schiebetüren. Das Leben war selbstverständlich langsamer und von vielen gesellschaftlichen Ritualen bestimmt. Schon alleine wenn man an die Mode von damals denkt, ist es klar, dass zu langen, sich bauschenden Roben, unter denen sich noch Korsagen und Unterkleider befanden und zu den eleganten, dandyhaften Männerkleidern, ganz einfach grosse Räume gehörten. Auch hatten Bürgerhaushalte ein reges, gesellschaftliches Leben und Bedienstete – auch weil es noch keine oder wenig Technologien im Haushalt gab. Die Grösse des Entrées hat Conny ganz clever genutzt und dort ein kleines Esszimmer eingerichtet, das sie mit einer langen, weiss gestrichenen Kirchenbank, einem kleinen Holztisch und einigen Tabourettli ausstaffiert hat. Hier isst die Familie Frühstück und kleine, unkomplizierte Mahlzeiten. Zaungäste sind zwei präparierte Elstern auf grossen Kirchenkerzenständern.

Bereits vom Entrée aus sieht man in ein ganz wichtiges Zimmer der Familie, nämlich in das Musikzimmer. Im Zentrum steht der Flügel. Connys Mann Urs ist Pianist und komponiert, Conny singt, die Tochter Alma (14) spielt Harfe und der Sohn Amadeus (4) lernt gerade trommeln. Auf dem Türrahmen sind die Gipsköpfe einiger Lieblingskomponisten zu entdecken.

In diesem Zimmer musiziert die Familie gerne und oft und für Gäste oder Zuhörer sind bequeme Sessel bereitgestellt.

Conny Pfister fand, dass Notenpapier sich perfekt eignet, um damit das Musikzimmer zu tapezieren.

Ein anderes, besonderes Zimmer ist der kleine, runde Erkerraum. In einem warmen Grauton gestrichen und mit vielen Bildern, Spiegeln und Souvenirs und einem grossen runden Bett versehen ist er so eine Art Abschaltraum mit toller Aussicht.

Jedes kleine Bild, jede Postkarte hat eine Geschichte. Zentral ist eine Sammlung alter Postkarten vom Thuner Schloss Schadeau, dem Vorbild der Wohnung.

Zu echten Märchen gehören auch Märchengestalten, Geheimnisvolles, Absurdes und Gegensätzliches. So wirkt denn die Wohnung der Familie Pfister gerade durch die vielen ausgestopften, präparierten Tiere ein wenig als wäre sie verzaubert und als ob alles jederzeit aufwachen könnte.

Das Zimmer der Tochter Alma ist hell, die Möbel allesamt weiss gestrichen. Die Spannung entsteht durch die verschiedenen Formen und Materialien. Die Möbelrestauration gehört bei Conny immer dazu. Sie bekommt viele Aufträge dafür und bemalt und präpariert die unterschiedlichsten Möbelstücke auf Kinderwunsch. Ihre Kenntnisse als Keramikmalerin kann sie hier experimentell und unverwechselbar einsetzen, um die schönsten Seiten und Formen der alten Möbel noch attraktiver herauszubringen.

Als Sitzecke dient ein antikes Sofa, welches mit verschiedenen Kissen und Leinenstoffen zur Kuschelecke geworden ist.

Alles, was gerade besonders gefällt: Audrey, Miss Marple und ein Pink Flamingo!

Die Katze Amajöni hat sich gerade das schöne alte Bauernbett von Alma für ein Nachmittagsnickerchen ausgesucht.

Kleine Jacken, grosse Hüte – die Garderobe von Amadeus zeigt den Lieblingslook des Vierjährigen.

Bei Amadeus stehen ganz klar Spiele und Spielsachen im Zentrum seiner Wohnideen!

Während im Elternschlafzimmer Katzen und Mäuse auf Besuch sind.

Die Toilette hat ein Zebra als Türsteher und superviele Bücher an der Wänden auf schmalen Regalen.

Die Küche ist so gestaltet, als wäre sie eine echte Landhausküche, in der gerade die Jagdbeute aufbereitet wird.

Oberhalb des Hauses befindet sich eine kleine geheimnisvolle Grotte, perfekt für Kinderspiele und mit viel romantischem Flair ausserhalb der Hausmauern.
Conny Pfisters Webseite: www.contra-punkt.ch
8 Kommentare zu «Zuhause im Märchenhaus»
Hoffentlich sind die Katzen sicher und finden sich nicht ausgestopft irgendwann auf einer Anrichte wieder.
wow.. total schön! hab gerade eine Holz-Kommode gekauft und werd da herum jetzt dann lauter solche spiegel und alte ansichtskarten von meinen großeltern hängen!! super schöne wohnung!
Wunderschön! Das ist meine Traumwohnung! Viel Platz, alte Parkettböden, hohe Räume und Stukkaturen… Perfekt!!!
Könnte Familie Pfister bitte ausziehen, alles da lassen, und mich dort wohnen lassen? Ich liebe es, liebe es, liebe es. Danke für die tollsten Bilder seit es Sweet Home gibt.
wow! bombastisch! interessant! danke für die vielen bilder….
Eine wunderbare Wohnung, die mir ohne die vielen ausgestopften Tierleichen noch sehr viel besser gefallen würde.
genau meine Meinung …
Ich liebe diese helle Wohnung mit viel surrealem Flair. Alles ist irgendwie individuell zusammengestellt. Nicht alles sieht praktisch aus, dafür sehr verspielt. Vor allem wurde bei der Möblierung auch auf die immer gleichen stereotypen Klassiker, bei denen nur das Prestige und Budget eine Rolle spielt, verzichtet. Ich hoffe die Tiere spuken nicht in der Nacht.