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Königliche Träume und Prinzenrollen

Thomas Kobler am Montag den 9. September 2013


Stemmen sie das Ding oder nicht in Madrid, rätselte man lange. Dann war es raus. 100 Millionen Euro ist die neuste Masseinheit im Fussballtransfergeschäft: ein Bale. Alle andern nur noch ein Bruchteil oder eine Dezimalzahl davon. Wie es einem leichter geht zum Rechnen. Selbst für Fussballfreunde sprengten die Rekordsummen von letzter Woche beinahe die Vorstellungskraft, so absurd hoch erschienen sie für sich betrachtet. Aber damit kratzt man eben nur an der numerischen Oberfläche. Die wahren Gründe lagen tiefer.

Unter José Mourinho hat Real in der vergangenen Spielzeit schlicht und einfach versagt. In der spanischen Meisterschaft weit abgeschlagen hinter dem Erzrivalen FC Barcelona zurück, die Copa del Rey an Stadtrivale Atlético verloren und in der Champions League von Borussia Dortmund zuerst in der Gruppenphase und dann besonders schmerzvoll im Halbfinale bezwungen – trotz aller Stars auf dem Feld und der Bank. Das Real-Team 2012/2013 war eine Loser-Truppe ohne Zukunft.

Mit der ihm eigenen Konsequenz und in bester, absoluter Tradition entschied der Präsident der Königlichen, Florentino Pérez, dass ein Neuer auf die Bank muss, und die Mannschaft zerschlagen und neu aufgebaut werden soll. So renovieren spanische Baulöwen – wenn möglich auf Pump. Weil Real und Barça aber keine gewöhnlichen grossen Fussball-Clubs, sondern Spaniens bekannteste Markenartikel sind, und die Primera División sowie die Furia Roja, abgesehen von Sex und Wetter, bald noch die einzigen Freuden im krisengeschüttelten Land bleiben, drückte das offizielle Spanien bei diesem aufsehenerregenden Vorhaben beide Augen zu. Der öffentliche Protest erscholl zwar kurz, ebbte aber sogleich wieder ab. Damit und mit Bales glanzvoller Präsentation vor dreissigtausend Fans im Bernabéu: «Ein Traum wird für mich wahr, Spieler von Real Madrid zu sein. Vielen Dank! Auf gehts, Madrid!», war die Sache fast gegessen und etwas überzahlt.

Fast – denn so viel Geld hatte es real nicht einmal in der königlichen Schatulle in Madrid. Dafür in der Kabine begehrte Handelsware. Manchester United wollte Khedira, Arsenal hatte schon länger ein Auge auf Mesut Özil geworfen und Higuaín, Albiol und Callejón hatte man schon für ca. 60 Millionen Euro im Trio-Pack nach Napoli vertickt. Weil sich Manchester aber zu spät entschied, und das Verletzungspech Khedira plötzlich unabkömmlich machte, musste man nicht ganz freiwillig – aber auch nicht gegen spürbaren Widerstand von Trainer Carlo Ancelotti – Özil verkaufen, damit die Kasse netto einigermassen stimmte.

50 Millionen-Mann Özil zeigte sich überrascht, aber dann auch wieder nicht: «Ich habe in den letzten Tagen gemerkt, dass ich das Vertrauen des Trainers nicht habe.» Ronaldo war nach traurig im letzten September diesmal wütend darüber, seinen besten Passgeber zu verlieren, und Ramos beklagte: «Wenn ich in dieser Angelegenheit etwas zu sagen gehabt hätte, wäre Özil einer der letzten gewesen, die Real verlassen müssten.»

Da war Bale schon breit grinsend aus dem vergleichbar bescheidenen Nord-London im Fussball-Wunderland angekommen, und Özil Richtung Arsenal abgereist. Ein fast schon märchenhafter Ausgang dieser Geschichte. Nun muss Ancelotti nur noch den Champions-League-Titel und die spanische Meisterschaft erringen, der Fan-Shop ungefähr 750’000 Bale-Trikots verhökern, und sie lebten glücklich und zufrieden.

Normaler Wahnsinn oder eiskalte Berechnung, Sportsfreunde?

Die Schweiz fährt trotzdem an die Fussball-WM

Fabian Ruch am Samstag den 7. September 2013
Island war für Xherdan Shaqiri und Co. ein Stolperstein, aber zum Glück nicht mehr.

Island war für Xherdan Shaqiri und Co. ein Stolperstein, aber zum Glück nicht mehr (Reuters).

Resultat und Spielverlauf der Partie in Bern sind für die Schweizer ein Schock. Die einen werten das 4:4 im WM-Qualifikationsspiel vom Freitagabend gegen Island als Blamage, andere sprechen und schreiben von einem Unentschieden, das sich wie eine Niederlage anfühle. Klar ist: Wer eine 4:1-Führung gegen eine limitierte Mannschaft wie Island noch verspielt, der hat an einer Weltmeisterschaft eigentlich wenig zu suchen. Einerseits. Andererseits ist der Fussball ja genau deshalb so faszinierend, weil vieles möglich ist. Schweden holte in Deutschland erst vor kurzem einen 0:4-Rückstand auf, am Ende stand es ebenfalls 4:4.

Die Schweiz ist also in bester (oder besser: schlechtester) Gesellschaft. Und sie hat im YB-Heimstadion streng genommen nur frei nach dem Gastgeberteam eine Partie veryoungboyst. Und natürlich gibt es Gründe für den Einbruch. Vielleicht hat Nationaltrainer Ottmar Hitzfeld beispielsweise zu lange mit einem Wechsel gewartet. Man spürte in der zweiten Halbzeit ja förmlich, wie die Schweizer zu passiv wurden und den Gegner damit Schritt für Schritt aufbauten.

Zudem erzielten die Isländer herrliche Tore, es waren Sonntagsschüsse am Freitagabend. Das kann passieren. Die Schweizer haben in den letzten Jahren bewiesen, WM-tauglich zu sein, sie haben eine junge, talentierte, gute Mannschaft, die mittlerweile sogar begeistern und stürmen und zaubern kann. Sie ist ausgezeichnet besetzt, ihre besten Kräfte spielen bei internationalen Topvereinen und sind dementsprechend selbstbewusst. Dennoch darf so ein Nachlassen wie gegen Island natürlich niemals passieren. Möglicherweise sind einige Akteure zu selbstsicher, zumindest gewann man diesen Eindruck gegen Island, weil die Schweizer nach der deutlichen Führung zu nonchalant und fehlerhaft agierten.

Und wenn dieser Nationalmannschaft etwas ganz bestimmt noch fehlt, dann ist es ein Torjäger. Der begabte Haris Seferovic vergab noch vor der Pause drei ausgezeichnete Gelegenheiten, und so führten die Schweizer nach der ersten Halbzeit nicht 5:1 oder 6:1, sondern nur 3:1. Seferovic gehört die Zukunft, er ist ein moderner, starker Angreifer. Am Freitagabend aber war er noch nicht so weit, sein Team zum Sieg zu führen. Zudem mangelt es der Auswahl in solch heiklen Momenten wie in der Schlussphase gegen Island eindeutig an Erfahrung. Es war kein Leader mehr auf dem Rasen, der die Mannschaft anleitete, stabilisierte, führte. Wenn der älteste Akteur erst 30 Jahre alt ist, kann sich das manchmal auch nachteilig auswirken.

So ist Captain Gökhan Inler, der am Freitag gesperrt fehlte, möglicherweise ein kleiner Gewinner des Spektakels im Stade de Suisse. Die Vorkämpfer und Balleroberer Valon Behrami und Blerim Dzemaili sind im zentralen Mittelfeld energischer, dynamischer, kräftiger als ihr Napoli-Teamkollege Inler. Aber es gelang den beiden gegen Island nach der Pause nicht mehr, die Balance im Team zu halten. Auch ihre Mitspieler stürmten teilweise ins Verderben, sie suchten eher das 5:1, 5:2 und später das 5:3, statt solide den Vorsprung zu verwalten. Erstaunlicherweise muss sich auch der offensivstarke Rechtsverteidiger Stephan Lichtsteiner von Juventus diesen Vorwurf gefallen lassen. Er sollte aus der Resultatliga Serie A, die taktisch auf enorm hohem Niveau ist, wie Behrami und Dzemaili genau wissen, wie man eine Führung über die Runden bringt.

Man darf nun gespannt sein, wie Ottmar Hitzfeld am Dienstag in Norwegen aufstellen wird. Gökhan Inler dürfte als Lenker zurückkehren. Blerim Dzemaili aber wusste am Freitag lange Zeit zu gefallen. Muss er dennoch wieder auf die Bank? So oder so wird es in Oslo eine völlig andere Begegnung geben. Der Druck wird auf den Norwegern liegen, die Schweizer werden mit einem Unentschieden gut leben können. Und wenn sie Raum zum Kontern bekommen, sind sie ohnehin gefährlich und stark.

Aber selbst bei einer Niederlage bleibt die Schweiz Leader ihrer Gruppe. Deshalb sei die Prognose erlaubt: Das Schweizer Team wird trotz des Rückschlags gegen Island an die Weltmeisterschaft 2014 nach Brasilien reisen – und das muss in dieser schwach besetzten Gruppe einfach das Ziel sein. Zumal die anderen Teams sich ebenfalls fleissig gegenseitig Punkte abnehmen. Die Schweiz hat es in Norwegen und Albanien sowie am Ende zu Hause gegen Slowenien jedenfalls in den eigenen Füssen. Und wenn sie diese prächtige Ausgangslage noch verspielen würde, dann wäre das noch viel schlimmer, als nach einer 4:1-Führung zu Hause gegen Island nicht zu gewinnen.

Und was denken Sie? Was hat die Schweiz gegen Island nach der Pause falsch gemacht? Wie muss Nationaltrainer Ottmar Hitzfeld nun am Dienstag in Norwegen aufstellen? Und: Wer wird Gruppensieger?

Starke Schweizer

Simon Zimmerli am Freitag den 6. September 2013
Haris Seferović während des Spiels der Nati gegen Zypern, 8. Juni 2013. (Keystone/Salvatore Di Nolfi)

Eine makellose Bilanz der Schweizer ist möglich: Haris Seferović während des Spiels der Nati gegen Zypern, 8. Juni 2013. (Keystone/Salvatore Di Nolfi)

Der Schweizer Fussball erfreut sich derzeit nicht bloss unter Sportpatrioten grosser Beliebtheit, sondern auch beim echten Fussballfan. Spektakuläre Spiele in der Super League, Thun und St. Gallen, die sich gegen starke Gegner für die Europa League qualifiziert haben, und Basel, das einmal mehr in der Champions League spielt. Die Brasilianer als führende Gastarbeiternation in der stärksten Liga der Welt abgelöst und mit einem grossartigen Sieg nach Hause geschickt. Nun fehlt lediglich die Kür der Schweizer Nati auf dem Weg zur WM 2014 in Brasilien.

Mit Island wartet heute der wohl spielstärkste Gegner in der bescheidenen Gruppe E. Auch wenn die Schweiz nach diesem Spiel mit einer makellosen Bilanz von 18 Punkten aus sechs Spielen dastehen könnte, zwingend ist die Dominanz in dieser Gruppe nicht. Das Hinspiel in Reykjavik hätte die Nati auch verlieren können. Die Isländer können wieder auf ihren Starspieler Gylfi Sigurdsson zählen, der nach seiner Gelbsperre versuchen wird, die Zügel im offensiven Mittelfeld in die Hand zu nehmen.

Schon einmal landeten die Isländer in der Qualifikation zur Euro 2004 einen grossen Coup, als sie sich gegen die Deutschen verdient ein Unentschieden erkämpften, und Waldemar Hartmann nach Völlers verbalem Rundumschlag mit einem dicken Werbevertrag für Weissbier ausgestattet wurde. Ein Jahr später sass ich anlässlich der Euro 2004 im Estádio José Alvalade XXI in Lissabon und musste das jämmerliche 1:2 der Deutschen gegen ein B-Team der Tschechen mit ansehen, was gleichzeitig das Aus in der Vorrunde der Deutschen besiegelte.

Kritikern des Schweizer Nationalteams, die nach dem 0:0 und dem knappen 1:0 gegen die Zyprioten aufmuckten, sei gesagt, dass die Schweiz diese beiden Spiele auch mit dem Gesamtscore von 8:0 hätte gewinnen können, ja müssen. Die Schweiz hatte stets Mühe, gegen die vermeintlich Kleinen das Spiel zu machen. Nun mangelt es aber lediglich noch an der Chancenauswertung – und mit dem Selbstvertrauen, das Seferović aus San Sebastián oder Shaqiri aus München mitbringt, wird auch das der Vergangenheit angehören. Voraussetzung für einen Sieg ist aber wie im Spiel gegen die Brasilianer eine geschlossene und kämpferische Mannschaftsleistung.

Sollte Albanien in Slowenien nicht gewinnen, kann die Schweiz mit einem Sieg gegen Island das Ticket nach Brasilien bereits reservieren und das ist auch das Dilemma. Im Freundschaftsspiel gegen Brasilien spielten die Schweizer auch nach dem Führungstreffer mutig nach vorne und drückten auf den zweiten Treffer. In einem Ernstkampf wird das bei einer allfälligen Führung wesentlich schwieriger werden.

Ein Fragezeichen bleibt für mich die Innenverteidigung, die gegen die konterstarken und schnellen Isländer harmonieren muss. Den unerfahrenen Fabian Schär neben Steve von Bergen zu bringen, birgt ein Risiko. Ich bin trotzdem optimistisch und prognostiziere ein 3:1.

Was denkt ihr, Sportskameraden?

Was der Fussball vom Schwingen lernen kann

Fabian Ruch am Mittwoch den 4. September 2013
Schwingfest

Faire Sportler, friedliche Fans: Florian Gnaegi (l.) und Bruno Gisler vor Zuschauern am Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest in Burgdorf. (Bild: Urs Flüeler/Keystone)

Am Wochenende war die Sportschweiz im Schwingfieber. Und weil das Eidgenössische Schwingfest medial breit abgedeckt und prächtig vermarktet wurde, vergass auch wirklich kaum jemand, darüber zu reden. Es ist faszinierend, wie es ein traditionsreicher Anlass geschafft hat, auch dank Grosssponsoren den Sprung in die Moderne zu realisieren – und doch seine alten Werte nicht unbedingt verraten zu haben. Deshalb ist Schwingen gerade sehr in Mode.

Schwingen ist eigentümlich, spannend, cool. Was also kann der Fussball als weltweit mit Abstand beliebteste Sportart davon lernen? Nun, zum Beispiel: Die Berner können wichtige Duelle gewinnen, tatsächlich! Was aber am Wochenende eigentlich gar nicht so schwierig schien, denn das waren ja in Burgdorf in Wahrheit eher Berner Meisterschaften mit ein paar Gästen als Füllmaterial fürs Teilnehmerfeld. Doch lassen wir regionale Sticheleien. Es soll hier darum gehen, dass der Fussball gut daran tut, dem Schwingsport genau zuzuschauen.

Denn: Demut, Bescheidenheit, Bodenständigkeit können nie schaden. Die besten Schweizer Fussballer fahren als 20-Jährige im neuesten Ferrari vor. Es sei ihnen gegönnt. Aber ist das nötig? Die besten Schweizer Schwinger gehen ins Wirtshaus auf dem Land und essen ein deftiges Schnitzel am Stammtisch. Zum Beispiel. Schwinger wirken meistens sympathisch, sie sind geerdet, Fussballer wirken manchmal abgehoben, sie sind von den Marktpreisen früh verdorben oder zumindest verführt. Und man kann es ihnen nicht einmal übel nehmen. Schwinger umarmen sich nach einem Kampf innig, sie gratulieren einander, sie schütteln sich fair die Hände, helfen dem Verlierer vom Boden hoch, schütteln ihm das Sägemehl vom Rücken. Fussballer foulen, reklamieren, motzen, suchen die Schwalbe im Strafraum und das versteckte Mätzchen im Zweikampf. Oft jedenfalls.

Natürlich ist Fussball ein grossartiger Sport – trotz aller unangenehmer Begleiterscheinungen. Und doch tat es am Wochenende mal wieder gut, beim Schwingen zu sehen, wie es eben auch gehen kann. Und welche Werte wichtig sind. Selbstverständlich geht es auch im Schwingen hinter den Kulissen mit Ellbogeneinsatz um die Verteilung der Gelder – und darum, wie die Zukunft gestaltet werden soll. Das wird ein interessanter Richtungsstreit.

Aber irgendwie ist der Sport im Schwingen reiner. Fussball kann ein Kontrastprogramm sein. Bei Basel–YB beispielsweise dagegen suchten am Sonntag die üblichen Verdächtigen bei Körperkontakt im Strafraum sofort den Elfmeter. Man kann das clever nennen. Oder unsportlich. Schwinger würden das kaum tun. Sie würden weiterlaufen. Oder dem Schiedsrichter sagen, es sei kein Penalty gewesen, wenn sie dieses Gefühl hätten.

Warum aber ist das so? Wieso geht es im Schwingsport meistens derart viel fairer zu und her? Klar, es ist deutlich weniger Geld im Spiel. Und vielleicht liegt es ja auch an der Herkunft und Erziehung der Sportler. Wobei: Dieses Terrain verlassen wir gleich wieder, es ist glitschig, und man will ja nicht den Vorwurf hören, man sei rassistisch. Weil man das bestimmt nicht ist. Aber ein bisschen mehr Ehrlichkeit, Fairness, Souveränität würde manchem im Fussballgeschäft nicht schaden.

Und besonders eklatante Unterschiede sind bei den Zuschauern auszumachen. Im Fussball gibt es leider immer wieder Chaoten, Prügler, Hooligans. Im Schwingen geht es rustikal und gesittet, freundlich und friedlich zu und her. Hunderttausende reisten am Wochenende nach Burgdorf und wieder nach Hause, von Zwischenfällen hörte man nichts. Die Veranstalter mussten die Fangruppen nicht trennen, sie mussten nicht sündhaft teure Sicherheitskonzepte erstellen, sie mussten nicht einmal besonders viel Wachpersonal anstellen. Warum auch? Es gibt ja – unter normal denkenden Menschen – auch keinen Grund, an einer Sportveranstaltung zu randalieren oder gar irgendwelche Pyros zu zünden.

Die Deppen unter den Fussballfans, welche die Stadien immer wieder als Bühne für Dummheiten benutzen, sollten besonders genau hinsehen, wenn ein Schwingfest auf dem Programm steht. Mit 50’000 Zuschauern alleine im Stadion wie am Wochenende. Aber ohne Pyros. Ohne Schlägereien. Ohne Ärger, Unruhe, Ausschreitungen. So ist das. Wären alle Fussballfans wie die Schwingfreunde, müsste man sie auch nicht mit einem mühsamen Hooligan-Konkordat kontrollieren.

Und was denken Sie? Was kann der Fussball vom Schwingen lernen? Und warum sind Schwingfeste so viel friedlicher?

Eine neue Zeitrechnung

Thomas Kobler am Montag den 2. September 2013
FCB-Spieler Taulent Xhaka während des Spiels gegen Ludogorez, 27. August 2013. (Keystone/Georgios Kefalas)

Die Qualifikation für die CL-Gruppenphase spült viel Geld in die Kasse: FCB-Spieler Taulent Xhaka (M.) während des Spiels gegen Ludogorez, 27. August 2013. (Keystone/Georgios Kefalas)

Mit dem Sieg des FCB am vergangenen Dienstag begann für den Schweizer Fussball eine neue Zeitrechnung:  post Ludo(gorez). Die rund 20 Millionen aus der anstehenden Champions-League-Gruppenphase, die sich im Erfolgsfall noch deutlich erhöhen könnten, verschaffen dem Club vom Rheinknie eine nie dagewesene Beinfreiheit. Er hat Geld, viel Geld, und die hiesigen Konkurrenten haben praktisch keins. Einige unter ihnen nicht einmal ein – aus ihrer Sicht – zukunftstaugliches Stadion oder tragfähiges Konzept. Blickt man noch etwas weiter voraus, könnte sich der Graben zwischen den Baslern und dem Rest der Liga sogar noch weiter verbreitern und vertiefen. Die Konsequenzen daraus sogar «Undenkbares» bewirken.

Falls der FCB diese Saison auch den Meistertitel erringen würde, könnte die Konstellation, dass die Schweiz auf Platz 13 der relevanten UEFA-Länderwertung liegt, dazu führen, dass sich der Schweizer Meister durch Nachrücken auf 12 direkt für die nächste Champions-League-Gruppenphase qualifizieren würde. Vorausgesetzt der europäische Champion 2013/14 erreicht in seiner Liga ebenfalls einen der Plätze, die zur direkten Qualifikation für den nächsten Wettbewerb berechtigen. Wieder hätte man einen ähnlichen Betrag auf sicher. Mit Blick auf die üblichen Verdächtigen ist diese Wahrscheinlichkeit  fast schon Sicherheit. Damit liesse sich theoretisch die teuerste Basler Mannschaft aller Zeiten zusammenstellen und finanzieren. Die nationale Konkurrenz in der jetzigen Form bliebe wohl auf Jahre abgeschlagen und relativ aussichtslos hinter dem FCB zurück.

In Fussball-Zürich wären die zu erwartenden Erschütterungen so stark, dass wahrscheinlich sogar die Mauer zwischen dem FCZ und dem GCZ nicht nur ins Wanken käme, sondern sehr wahrscheinlich massiv zu bröckeln begänne. Alleine käme man wohl mit den verfügbaren finanziellen Mitteln praktisch nie mehr in die Nähe des Meistertitels. Die «undenkbare» Fusion würde unausweichlich, um nicht in der Bedeutungslosigkeit oder sogar ganz zu verschwinden. Am Ende schaffen wirtschaftliche Realitäten immer Tatsachen – überholte Traditionen oder Emotionen hin oder her.

Der Basler Mohamed Salah im Zweikampf mit YB-Spieler Scott Sutter, 1. September 2013. (Keystone/ Gerogios Kefalas)

Wie lange wird YB noch mit Basel mithalten können? Im Bild: Der Basler Mohamed Salah im Zweikampf mit YB-Spieler Scott Sutter, 1. September 2013. (Keystone/ Gerogios Kefalas)

Beim gestrigen Gegner Young Boys wäre man wieder gezwungen massiv aufzurüsten, um künftig der letzte halbwegs ernsthafte Widersacher der Basler zu bleiben. Nur mit der Fähigkeit Schweizer Meister zu werden, und dann auch in der Champions League ab und an direkt die Gruppenphase und die damit einhergehenden Prämien zu erreichen, liessen sich grössere und äusserst riskante Investitionen in den Berner Fussball überhaupt rechtfertigen. Alle andern Vereine müssten sich damit abfinden, bestenfalls um die Europa-League-Plätze zu spielen, was der Gesamtattraktivität der Liga bei der Vermarktung – SRF-Stichwort «Dorftheater» – gewiss nicht weiter zuträglich wäre.

Der gestrige vier Minuten netto dauernde Konkurrenzkampf um die Herrschaft in der Super League gab einen ersten Vorgeschmack. Möglicherweise eines der letzten Spiele, in dem die beiden Teams mit einigermassen gleichwertigen Spielern aufeinander losgehen konnten. Tritt das oben Skizzierte ein, dann gibt es für den FCB in naher Zukunft nur noch internationale Herausforderungen – alles Hiesige würde dann nur noch zu Pflichtterminen, die es so ökonomisch wie möglich abzuhaken gälte. Die nächste Stufe der Basler Zielsetzungen wäre dann die Fähigkeit, regelmässig die europäischen Finalrunden zu erreichen und das mit Chancen.

Wird der mögliche Quantensprung des FCB die Fussball-Landschaft hierzulande bald umpflügen, Sportsfreunde?

Eine Stadt am Ball

Simon Zimmerli am Donnerstag den 29. August 2013

Alle anderen sind in der Bar: Ein einsamer Fussballfan verfolgt im Qemal-Stafa-Stadion in Tirana das Europa-League-Qualifikationsspiel KF Tirana gegen CS Grevenmacher aus Luxemburg, 5. Juli 2012. (Bild: Arben Celi, Reuters)

Vor ein paar Wochen habe ich über meine liebsten Fussball-Bars in Zürich geschrieben und mir den teils leiseren, teils lauteren Vorwurf eingeheimst, meine Sicht sei zu sehr auf die eigene Stadt beschränkt. Nun kann ich allen Kritikern sagen: Ich habe meinen Horizont erweitert – und zwar international! Ich habe die grösste, beste, wunderbarste Fussball-Bar Europas entdeckt: Tirana. Die albanische Hauptstadt ist nicht nur der kulturelle, politische und wirtschaftliche Mittelpunkt eines zentralistisch organisierten Staates, sondern auch absolut verrückt nach Fussball. Insbesondere dann, wenn ein Spieler mit albanischen Wurzeln für eine grosse Mannschaft dem Ball nachrennt.

Am Dienstag war so ein Jubeltag. Bayern München, mit dem kosovarisch-albanisch-schweizerischen Kraftwürfel Xherdan Shaqiri, der mich übrigens immer mehr an Barney Geroellheimer von den Flintstones erinnert, gastierte beim SC Freiburg. Jeton, der Barkeeper, steigerte sich in eine Art Fan-Ekstase, als der Name Shaqiri fiel, und so teilten wir freudig den Stolz, dass unsere beiden Länder beide etwas mit dem deutschen Meister, DFB-Pokalsieger und Champions-League-Gewinner zu tun haben. Stolz auf Shaqiri – aber nicht nur auf ihn, sondern auch auf die in der Super League engagierten Hyka, Abrashi, Basha und Co. – waren auch alle anderen Besucher in der Oops Bar.

Jeton, ich darf ihn jetzt übrigens als Teilverantwortlicher für Shaqiris Erfolge Jeti nennen, hatte mehr damit zu tun, die Lobpreisungen über den kleinen Fussballstar ins Englische zu übersetzen, als mit seiner eigentlichen Arbeit.  Bis auf die Frauen, die sich kollektiv nicht für Fussball zu interessieren scheinen, störte dies niemanden. Der Fusssball ist hier König, und dem König hat man zu huldigen. Es scheint, als gebe es in Tirana keine Bar, in der nicht Fussball gezeigt wird. Für die Partie Freiburg – Bayern rollten auch die feineren Lokale die Leinwände aus – und zwar auf dem Trottoir auf der anderen Strassenseite. Anders als bei uns sind Fussballübertragungen keine Rahmenveranstaltungen für Trinkgelage, sondern alles was zählt, solange der Ball rollt oder fliegt. Befeuert wird die Leidenschaft für den Sport durch die Leidenschaft fürs Wetten. Ob Bundesliga oder zweite norwegische Division, wenn ein Tor fällt, schreit immer einer auf. Weil er gerade Geld für weitere Wetten gewonnen oder weil er welches in den Sand gesetzt hat.

Und dann wurde es an diesem Dienstagabend plötzlich ganz besonders laut. Shaqiri hatte getroffen und mit ihm alle Barbesucher um mich herum. Es herrscht eine Glückseligkeit wie einst in der FCZ-Fankurve am 13. Mai 2006 beim historischen 2:1-Sieg über den FC Basel, der den Zürchern im St.-Jakob-Park zum ersten Meistertitel nach 25 Jahren Durststrecke verhalf. Shaqiri, Ehrenbürger von Tirana und Zürich, hatte nach einem Abwehrfehler der Freiburger den Ball aus kurzer Distanz zum 1:0 für die Bayern in die Maschen gewuchtet! Und lange sah es danach so aus, als würde der Schuss Shaqiris dem Favoriten aus München zum vierten Sieg im vierten Bundesliga-Spiel der Saison verhelfen. Bis, ja bis sich auch die Bayern eine Nachlässigkeit erlaubten – und der Freiburger Joker Nicolas Höfler (den kannten auch die fussballverrückten Albaner vorher nicht) mit dem 1:1 zum Partyschreck wurde.

Die Stimmung sank nun für eine Weile erheblich. Ob es nur wegen des Gegentreffers fuer den FC Shaqiri München war oder vielleicht auch ein wenig wegen verlorener Wetten, konnte ich nicht ganz ergründen, vermute aber Letzteres. Der Glaube an das Gute im Fussball ist in Albanien aber ungebrochen. Alle sind überzeugt, dass die Nationalmannschaft, die wie die Schweiz in der Qualifikationsgruppe E um ein WM-Ticket kämpft, den Sprung an die Endrunde in Brasilien schaffen wird. Und wahrscheinlich sogar als Gruppenerster vor den Schweizern, die momentan vier Zähler vor den zweitplatzierten Albanern liegen.

Messi, Ronaldo oder Ribéry?

Fabian Ruch am Mittwoch den 28. August 2013
Messi Ronaldo Ribéry

Der Grösste, die ewige Nummer zwei und der Triple-Gewinner (v.l.): Lionel Messi, Cristiano Ronaldo und Franck Ribéry können Europas Fussballer des Jahres werden. (Bilder: Reuters)

Am Donnerstag wird in Monaco an einer grossen Show Europas Fussballer des Jahres gewählt. Dabei ehrt man den besten Spieler aller nationalen und internationalen Wettbewerbe des Europäischen Fussballverbandes (Uefa) der letzten Saison.

53 Fussballjournalisten, aus jedem Uefa-Mitgliedland einer, haben eine Vorauswahl getroffen. Sie werden an der Veranstaltung in Monaco mit einem Live-Voting auch den Sieger ermitteln. Der Medienvertreter aus der Schweiz ist der Autor dieses Blogs – und ist sich noch nicht sicher, wie er am Donnerstag entscheiden soll. Die drei verbliebenen Kandidaten Cristiano Ronaldo, Lionel Messi und Franck Ribéry werden in Monaco anwesend sein, und unvergessen ist, wie pikiert Ronaldo letztes Jahr reagierte, nachdem Andrés Iniesta zum Gewinner der Saison 2011/12 erklärt worden war. Lionel Messi, der dritte Kandidat, gratulierte seinem Barcelona-Teamkollegen damals auf der Bühne sofort herzlich – und umarmte ihn lange. Der schwer enttäuschte Ronaldo dagegen stand geschlagen daneben und wusste nicht, wie er seine Niedergeschlagenheit verbergen soll. Er schüttelte Iniesta halbbatzig die Hand.

Auch jetzt stehen die überragenden Weltklassespieler Messi und Ronaldo natürlich wieder zur Wahl. Sie sind seit vielen Jahren die Überflieger des Fussballs, ihre Rivalität elektrisiert die Fangemeinde. Und manchmal hat man das Gefühl, dem eitlen Ronaldo würde es fast mehr bedeuten, bei der Wahl zu Europas Fussballer des Jahres oder bei jener zum Weltfussballer des Jahres Anfang Januar in Zürich zu triumphieren und Messi zu bezwingen – als mit Real Madrid Titel zu gewinnen.

Messi und Ronaldo waren letzte Saison zweifellos erneut die zwei stärksten Fussballer. Mal wieder. Ihre Sonderklasse und Torgefahr, ihre Dribbelstärke und Qualität sind einfach unerreichbar für die Konkurrenz. So gesehen geht es auch darum, ob man Messis unfassbare 46 Tore in 32 Primera-Division-Partien höher gewichtet als Ronaldos 12 Treffer in der Champions League in 12 Einsätzen und seine insgesamt 56 Pflichtspieltore in 61 Einsätzen. Messi oder Ronaldo? Es ist für viele auch eine Frage der Einstellung: Kunst oder Kraft? Barça oder Real? Bescheidener, schüchterner Familienmensch oder schriller, extravaganter Glamourboy?

Und: Es gibt ja auch noch einen dritten Nominierten. Diesmal ist es Franck Ribéry, der famose Franzose. Der Flügelflitzer ist in der Form seines Lebens und gewann mit Bayern letzte Saison das Triple (Bundesliga, DFB-Pokal, Champions League). Aber es geht bei dieser Wahl nicht darum, das beste Team zu küren – sondern den besten Einzelspieler. Ob Ribéry letzte Saison ähnlich dominant wie Messi und Ronaldo war? Darüber lässt sich trefflich und lustvoll stundenlang debattieren. Die Kurzmeinung lautet: eher nicht.

Vor einem Jahr jedenfalls siegte Andrés Iniesta gewiss auch, weil er die perfekte Symbolfigur für den Europameister Spanien darstellte. Und weil er – wie Messi – mit Barcelona brillierte. Iniesta war das Sinnbild für den Tiki-Taka-Zauber. Die spanische Meisterschaft jedoch holte sich 2012 Real Madrid, und weil der im Verein überragende Cristiano Ronaldo mit Portugal auch eine starke EM gespielt hatte, war er vor einem Jahr für viele der Favorit auf den Titel bei der Wahl zu Europas Fussballer des Jahres. Diesmal ist er Aussenseiter.

Ribéry also wäre die logische Wahl, um Bayerns grandiose Saison zu ehren. Messi wäre die natürliche Wahl, weil er einfach Messi ist, ein fantastischer Weltklassespieler mit sensationeller Torquote. Und Ronaldo wäre gleichfalls eine nachvollziehbare Wahl, die irgendwie auch ein Lebenswerk berücksichtigen würde. Nach vielen zweiten Plätzen hätte es der exzellente Portugiese verdient, mal wieder eine Wahl zu gewinnen.

Möglicherweise geht die Stimme der Schweiz nach Portugal.

Und wie würden Sie entscheiden? Ist Lionel Messi einfach immer der Beste? Sollen Bayern Erfolge gewürdigt und Franck Ribéry zu Europas Fussballer des Jahres gewählt werden? Oder hat es Cristiano Ronaldo verdient, diese Wahl zu gewinnen?

Spreu und Weizen

Thomas Kobler am Montag den 26. August 2013
valentin stocker

Bleibt er Basel treu? Valentin Stocker bejubelt seinen Treffer gegen Tel Aviv. (Bild: Ennio Leanza/Keystone)

Diese Runde war die erste Zwischenprüfung der laufenden Super-League-Saison. Die Begegnungen des sechsten Spieltags lieferten noch einmal aufschlussreiche Antworten, bevor sich die Transferperiode am 31. August ihrem Ende nähert, und die weitere Entwicklung bis zum Abschluss der Vorrunde nicht mehr mit externer Hilfe beeinflusst werden kann. Lassen wir also die Zwischentabelle zu Wort kommen:

Der FC Sion hat diese Saison nur noch drei Gegner – Lausanne Sports, Christian Constantin und sich selbst. Drama in den Alpen – CC und sein Club gehörten eigentlich in die «Glückspost» mit ihren Geschichten. In Lausanne, dem andern welschen Krisenherd, sieht es noch schlechter aus. Erstaunlich, während die Genferseeregion wirtschaftlich blüht, geht der Spitzenfussball dort den Bach runter.

Verlässt man das Tal der Tränen, gelangt man in jene Region, die sich im weiteren Verlauf der Spielzeit in diesen schrecklichen Ort namens Tabellen-Niemandsland verwandeln wird. Nach hinten ist die Sache meist klar und nach vorne leider auch. Länger als dort kommt einem die Saison nirgends vor. Aarau wird sich dort tummeln, aber als Aufsteiger hat das böse Spiel wenigstens Neuigkeitswert, und die Challenge League ist ein noch gruseligerer Ort. St. Gallen wird von dort auch nicht wegkommen, solange sie ihre Chancen nicht verwerten können und das Passspiel nicht schneller und genauer wird. Gestern stand der FCZ so weit vom Gegner weg, wie ein Fluggast am Seehafen, und das ordentliche Spiel gegen Spartak sollte nicht überbewertet werden – die Moskauer waren bieder. In diese Gruppe gehört momentan auch noch der FC Thun,  aber wenigstens sind die Berner Oberländer unterhaltsam. Hinten undicht und vorne unerschrocken bis verwegen. Da muss man kein Raketenwissenschaftler sein, um festzustellen, wo der Hebel anzusetzen wäre. Und siehe da.

Mit «hit and miss» wird im Mutterland des Fussballs das Erratische umschrieben. Der FCZ könnte bei der Schaffung dieses Idioms Pate gestanden haben – oder Salah. Gegen den Meister siegen und gegen St. Gallen stagnieren – der FCZ bleibt sich treu und höchstens in der Mitte der Rangliste.

GC kämpft noch immer mit der alten Schwäche – zu wenig Durchschlagskraft. Skibbe macht, was seine Angreifer anbelangt, einen ähnlich hilflosen Eindruck wie Forte zuvor. Liegt es vielleicht doch an den Spielern? Allerdings denke ich, dass es doch menschenmöglich sein müsste, Anatole und Ben-Khalifa tödlichere Abschlüsse beizubringen. Gegen YB klappte es mit viel Dusel auch nur auf den letzten Drücker, weil von Bergen schlief. Dennoch, GC bleibt unbequem und dran.

Basel lässt wegen dem zukunftsweisenden Rückspiel gegen Ludogorez Rasgard in Luzern zwei wichtige Punkte liegen, aber YB verpasst es, die Big Points zu machen. Im Spitzenkampf bestätigte die Luzerner Wundertüte der Saison mit einem mehr als glücklichen Unentschieden gegen die fast sicheren Champions-League-Teilnehmer aus Basel ihre wiedergefundene Heimstärke. Schöne Wende am Vierwaldstättersee. Ab Wochenmitte wird der FCB mit weiteren 20 Millionen im Rücken sicherstellen, dass die direkte Champions-League-Teilnahme 2014/15 nicht unnötig in Gefahr gerät. Lassen wir uns überraschen, wer als weitere Verstärkung(en) bald in Rot-Blau die Jagd auf die Young Boys aufnehmen soll – oder zu Schalke wechselt.

Geht oder bleibt Stocker – was tippt ihr, Sportsfreunde? Und wann wird YB (wie üblich) abgefangen werden?

Tiki-Taka ist tot

Thomas Kobler am Samstag den 24. August 2013

Mit dem krankheitsbedingten Ausscheiden von Tito Vilanova endete wohl auch die Ära des stilbildenden katalanischen Tiki-Taka, das aus dem FC Barcelona das Musterbeispiel für modernen Fussball schlechthin machte und der spanischen Nationalmannschaft endlich die so lang ersehnten Titel brachte. Damit könnte ab dieser Saison aber Schluss sein – sogar bei beiden.

In Barcelona tritt ein neuer Trainer sein Amt an, der von weit aussen kommt – den Newell’s Old Boys aus Rosario, Argentina, um genau zu sein. Gerardo Martino will zwar gemäss eigener Aussage den Stil seiner Vorgänger beibehalten, aber das genügte in den vergangen zwei Saisons immer weniger, um den hohen katalanischen Titelansprüchen gerecht zu werden. Zudem hat man mit Neymar ein aufregendes Angriffselement eingekauft, das auch richtig bedient werden muss, damit es Wirkung erzielt. Genügt dazu das Mittelfeld-Dreieck aus Busquets, Iniesta und dem alternden Xavi noch? Und war der Verkauf von Thiago Alcántara nicht auch eine kleine Absage an die Zukunft des Tiki-Taka? Man darf gespannt sein auf Messi & Co. unter Martino.

Weil Totgesagte sprichwörtlich aber oft noch länger leben sollen, hat sich der Zerstörer der alten Ordnung – der FC Bayern – auf die neue Saison hin den Maestro des Tiki-Taka auf die Trainerbank geholt und spielt, so wie es bis jetzt den Anschein macht, den Retter einer aussterbenden Kunst. Mit Pep Guardiola soll noch mehr als das historische Triple der letzten Spielzeit erreicht werden – quasi die Steigerung des Superlativs. In der FAZ stand jüngst, dass im Wachzustand in Guardiolas  Kopf Spielideen fast wie Flipperkugeln konstant umher sausen, und er daraus versucht das Beste für seine Mannschaft herauszufiltern. Beim Flippern, wie beim Kicken, ist es toll, wenn die Kugel weit weg von dir schnell hin und her flitzt und punktet, aber tödlich, wenn sie oft in der Mitte auf dich zu rollt. «Game over» kann es dann schnell mal heissen. In der letzten Saison verhinderte das Jupp Heynckes’ 4-2-3-1 und Bastian Schweinsteiger zusammen mit Javi Martínez nahezu perfekt. In der neuen soll zu Beginn ein – ja was eigentlich? – zum Erfolg führen. Wird das Tika-Taka nicht nur vor dem Aussterben bewahrt werden  können, sondern gar noch auf eine höhere Ebene gehoben? Der Glaube war schon immer stark in München, wo im Zweifel gilt: Mia san mia.

In Madrid soll es eine blitzschnelle, wuchtige und sündhaft teure Flügelzange aus Ronaldo und Bale wieder richten. In Dortmund generell blitzschnelle Angreifer auf allen Positionen.  Bei Chelsea bastelt Mourinho noch, aber Tika-Taka hasst der «Special One» nach den bestenfalls durchzogenen Jahren in Madrid. In Manchester passt bei Rot und Skyblue noch zu wenig, und im Emirates zaudert Wenger weiter. Juve hat sein Mittelstürmerproblem mit Llorente und Tévez wohl behoben, aber Tiki-Taka ist keine Piemonteser Spezialität. Die Fiorentina geht gar den klassischen Weg und setzt mit Gomez auf den grossen Goalgetter am Boden und in der Luft. Und in Paris könnten Ibra und Cavani zu einem weiteren tödlichen Stosstrupp werden.

Wohin man blickt, das erfolgreichste Konzept im Fussball der letzten Jahre findet keine neuen Nachahmer – sieht man einmal von den Münchnern ab, aber die zählen nicht, weil die haben sich ja dessen Erfinder auf die Bank geholt. Die Aufrüstung in der laufenden Transferperiode war ja geradezu hemmungslos. Wenn sich daraus nichts Stilbildendes entwickeln würde, dann wäre ich echt enttäuscht.

In welche Richtung wird die Taktik-Reise abgehen – was denkt ihr, Sportsfreunde?

Der falsche Franz und andere Fussballkuriositäten

Simon Zimmerli am Donnerstag den 22. August 2013
Die Mannschaft des FC Farnborough. David Parry/PA

Klingende Namen: Die Mannschaft des FC Farnborough. (Foto: David Parry/PA)

Gerne hätte ich Euch Bilder aus einem feurigen und rauchgeschwängerten griechischen Fanblock geschickt, damit Ihr seht, mit was für Lappalien wir uns in der Schweiz herumschlagen müssen. Leider fand in der Nähe meines Feriendomizils kein Spiel statt. Und Damian Bellón, den mein Kollege, ein eingefleischter Panathinaikos-Fan, per Zufall auf der Kaderliste des Gegners, Panaitolikos, entdeckte, befand ich unter dem Strich auch als zu wenig, um ihm eigens ein Blog zu widmen. Zumal der Schweizer U-21-Internationale (1 Länderspiel) auch nicht gespielt hat. Und da mir schrecklich langweilig ist hier und ich nicht daran glaube, dass sich das SRF-Traumpaar Ruefer/Latour innert der nächsten Jahre auf ein ansprechendes Niveau steigert – dieser Blog wird leider auch in fünf Jahren noch aktuell sein – machte ich mich auf die Suche nach Kuriositäten aus der Fussballwelt.

Der englische Sechstligist FC Farnborough hat zwar kein Geld, dafür aber eine Mannschaft voller klingender Namen. Von Paul Gascoigne über Gary Lineker, Franz Beckenbauer und Johan Cruyff bis zu Diego Maradona ist in der Kaderliste alles aufgeführt, was im Weltfussball einst Rang und Namen hatte. Zu einem überraschenden Comeback hat sich aber nicht einmal die klamme Skandalnudel Gascoigne überreden lassen. Nein, die Beckenbauers und Maradonas aus Farnborough sind kickende Mogelpackungen. Sie haben ganz einfach Künstlernamen angenommen, was in Grossbritannien keine grossen Mühen erfordert. Für umgerechnet rund 140 Franken kann man sich nennen, wie man möchte, natürlich unter Einhaltung gewisser Anstandsregeln, und den gewählten Namen im Pass eintragen lassen. So ist es auch möglich geworden, dass beim FC Farnborough unter der Rubrik Trainer José Mourinho steht, obwohl das Original aus Portugal gerade erst zu seinem Ex-Club FC Chelsea zurückgekehrt ist. Der falsche Mourinho hiess ursprünglich Spencer Trethewy, ehe er sich nach dem Mädchennamen seiner Mutter Spencer Day nannte, und ist eine überaus schillernde Figur. Trethewy/Day/Mourinho sass wegen Wirtschaftsdelikten einst elf Monate im Gefängnis, soll heute dank Immobiliengeschäften aber ein Vermögen von 12 Millionen Pfund besitzen, dazu mehrere Yachten und Helikopter. Hinter dem Lausbubenstreich in Farnborough, der den englischen Fussballautoritäten gar nicht in den Kram passt, steht aber nicht der 42-jährige Tausendsassa mit der Knastvergangenheit, sondern ein Wettbüro von den Kanalinseln. Dieses tritt als Brustsponsor und Namensgeber des Stadions auf und liess sich dafür die Umsetzung des Scherzes mit den klingenden Namen zusichern. Die Liga versagt dem Club, der seine ärgsten Schwierigkeiten nach der Finanzspritze des Sponsors überstanden glaubte, aber bislang die Spielgenehmigung. Die Partien mit Beteiligung Farnboroughs wurden nach hinten verschoben. Dafür berichten nun Medien aus aller Welt über den kleinen Verein aus dem kleinen Städtchen zwischen Southampton und London.

Das grösste Schelmenstück im Fussballgeschäft geht aber nicht auf das Konto des FC Farnborough, sondern auf jenes des österreichischen Clubs Grazer AK. Der damalige Bundesligist verkaufte den Journalisten 1999 den verkleideten Komiker Hape Kerkeling als litauischen Fussballtrainer namens Albertas Klimawiszys, der die Nachfolge des deutschen Weltmeisters Klaus Augenthaler antreten werde. Kerkeling/Klimawiszys erzählte während der Pressekonferenz, zu der auch Augenthaler erschienen war, wirres Zeug, sang ein merkwürdiges Lied und liess die GAK-Profis anschliessend noch merkwürdigere Übungen auf dem Trainingsplatz ausführen. Das Lokalradio berichtete unterdessen über die so sensationell anmutende Personalrochade beim traditionsreichen Verein, der tags darauf das Derby gegen den Stadtrivalen Sturm Graz bestreiten sollte. Erst als sich Kerkeling zu erkennen gab, begriff auch der letzte der begriffsstutzigen Reporter, dass ihnen ein riesiger Bären aufgebunden worden war. Das Video des denkwürdigen Kerkeling-Auftritts ist heute ein Klassiker auf Youtube.Neben dieser Aktion wirken die Werbebemühungen des einstigen Europacup-Finalisten Lok Leipzig geradezu hausbacken an. Nach dem Konkurs und dem Neubeginn in der untersten Spielklasse setzten die Leipziger in der Saison 2004/05 den früheren Nationalspieler Heiko Scholz und den damals bereits 62-jährigen Henning Frenzel, der mit der DDR 1964 Olympia-Bronze gewonnen hatte, in Pflichtspielen ein. Dies brachte landesweite Beachtung und massenhaft Zuschauer. Das Spiel gegen die zweite Mannschaft von Eintracht Grossdeuben verfolgten 12’421 Fans. Als Krönung gab der Rekordinternationale Lothar Matthäus im Stadtpokal-Halbfinale sein Comeback für Lok. Und ja, es war der echte Matthäus.

Vielleicht kann ich nächste Woche über ein Spiel aus der Kategoria e Parë berichten, der höchsten albanischen Liga, bis dahin «ta leme».