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Weltmeister wird … Brasilien

Fabian Ruch am Mittwoch den 12. Juni 2013


Heute in einem Jahr, am 12. Juni 2014, geht die Weltmeisterschaft in Brasilien los. Und bereits am nächsten Wochenende startet im WM-Gastgeberland der Konföderationen-Cup.

Die im Moment wohl stärkste Nationalmannschaft der Welt spielt beim Turnier der Kontinentalmeister nicht mit. Deutschland, gespickt mit Akteuren der Champions-League-Finalisten Bayern München und Dortmund sowie den Real-Madrid-Grössen Mesut Özil und Sami Khedira, ist dennoch eine nicht allzu mutige Wahl, wenn es darum geht, den nächsten Weltmeister zu prognostizieren.

An den letzten Welt- und Europameisterschaften scheiterten die Deutschen jeweils erst im Halbfinal oder Final. Ihre aktuelle Fussballergeneration ist kontinuierlich gewachsen, und durch den Gewinn der Champions League mit den Bayern haben die Führungsspieler Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger endlich ihren ersehnten grossen internationalen Triumph gefeiert. Mit den überragenden Fussballern Mario Götze, Marco Reus und Ilkay Gündogan, um nur die drei prominentesten Edeltechniker zu nennen, sind zudem Akteure nachgerückt, welche die Auswahl veredeln.

Auch Italien ist unter dem klugen Trainer Cesare Prandelli auf einem guten Weg. Prandelli lässt einen modernen, attraktiven Fussball spielen, ihm stehen in der Offensive mit Mario Balotelli und Stephan El Shaarawy zwei Ausnahmekönner zur Verfügung. Und ausgezeichnet organisiert ist die Squadra Azzurra ohnehin immer.

Spannend zu verfolgen sein wird, ob die Goldene Generation der Spanier um Xavi, Andrés Iniesta und Carles Puyol in Brasilien zu einem letzten Höhenflug bereit sein wird. Diese grossartigen Barcelona-Akteure wurden zuletzt ja auch mit ihrem Verein abgeschrieben. Möglicherweise spornt sie die Kritik, sie seien nach den Grosserfolgen der letzten Jahre satt geworden, in Brasilien zu einer Sonderleistung an. Ein fettes Fragezeichen darf dahinter aber gesetzt werden.

Andere europäische Topnationen wie Frankreich, England und Holland sind derzeit schwächer als die absolute Weltspitze einzuordnen. Und Portugal hat zwar den grossartigen Cristiano Ronaldo und erreichte zuletzt regelmässig den Halbfinal einer WM oder EM. Dennoch traut man den Portugiesen den grossen Wurf nicht zu.

Für europäische Nationen wird es sowieso schwierig werden, in Brasilien zu reüssieren. Das belegt auch die Historie. Noch nie in sieben Anläufen setzten sich Europäer an einer WM in Nord- oder Mittel- oder Südamerika durch!

Und die Konkurrenz wird stark sein. Kolumbien (mit dem formidablen Sturmduo Radamel Falcao und Jackson Martinez) als Siebter und Ecuador als Zehnter stehen in der Fifa-Weltrangliste erstaunlich weit vorne, aber natürlich sind die Argentinier noch besser. Ihr Superstar Lionel Messi überzeugte in den letzten Monaten im Nationalteam erheblich mehr als früher. Könnte Messi seine Auswahl ausgerechnet im Land des grossen Rivalen zum WM-Erfolg führen, würde er sogar aus dem Schatten seines legendären Landsmannes Diego Maradona treten.

Dennoch würden wir, auch ein bisschen dem Herzen folgend, derzeit wagemutig auf das seit Monaten kriselnde Brasilien als Weltmeister 2014 setzen! Natürlich stimmten die Resultate der Seleção zuletzt nicht immer, doch das Team kann seit langem bloss relativ bedeutungslose Testspiele bestreiten und ist deshalb im zuweilen absurden Fifa-Ranking auf Rang 22 abgerutscht – deutlich hinter das Spitzentrio Spanien, Deutschland und Argentinien, aber auch hinter die Schweiz (14), Dänemark (20) oder Ghana (21) sowie nur knapp vor Mali! Beim 3:0-Erfolg vor wenigen Tagen gegen Frankreich aber spielten, kombinierten und tricksten die Brasilianer wie zu besten Zeiten. Und ihr Steigerungspotenzial ist immens.

Eine mögliche Aufstellung der Brasilianer, die über unfassbar viele Spitzenkräfte verfügen, liest sich jedenfalls wie eine Weltauswahl: Daniel Alves (Barcelona), Thiago Silva (Paris), Dante (Bayern München), Marcelo (Real Madrid), David Luiz (Chelsea), Ramires (Chelsea), Lucas (Paris), Oscar (Chelsea), Neymar (Barcelona), Hulk (Zenit St. Petersburg).

Es gilt selbstverständlich viele ausgezeichnete Alternativen zu diesen Könnern. Offen ist jedoch, wie sich Ausnahmespieler Neymar nächste Saison bei Barcelona entwickeln wird. Davon hängt einiges für Brasilien ab. Und, richtig, bei unserer Aufstellung fehlte ein Torhüter. Aber wer auf die besten Abwehrspieler der Welt wie Thiago Silva und David Luiz zählen darf, ist nicht auf einen erstklassigen Ballfänger angewiesen …

Was meinen Sie? Wer ist derzeit die beste Nationalmannschaft der Welt? Ist die Zeit Spaniens abgelaufen? Welches europäische Team kann Gastgeber Brasilien und Argentinien an der WM 2014 gefährden?

Ist die Nati WM-tauglich?

Thomas Kobler am Montag den 10. Juni 2013

Die Meisten, die den Fehler machten, sich diesen Horrorkick bei bestem «Al fresco»–Wetter anzutun, machten eine gänzlich neue Erfahrung: Matchstrafe fürs Zuschauen! Noch schlimmer erging es den Herren Hitzfeld und Pont. Was den beiden nach einer Vorbereitungswoche mit der Mannschaft einfiel, war nicht nachvollziehbar.

Dass Coaching von der Tribüne aus nicht funktioniert, bewiesen schon Berti Vogts damals in Leverkusen und Rolf Fringer in Zürich erst kürzlich. Weil Ottmar Hitzfeld diese Feldherren-Position weit ab vom Schuss nicht freiwillig einnahm, kann es als mildernder Umstand berücksichtigt werden, aber macht die Fehlentscheide in Aufstellung und Taktik deswegen nicht weniger gravierend.

Im Detail: Wie man seinen besten, ballsichersten, schussstärksten und überraschendsten Spieler –Shaqiri – auf dem rechten Flügel aus dem Zentrum des Geschehens heraushalten wollte, war an Ignoranz nur schwer zu überbieten. Aber dem «Blick-Kolumnisten» und seinem vor dem Spiel schmallippigen Führungsgehilfen gelang dieses Kunststück bravourös.

Keine Luftwaffe? Kein operativer Führer auf diesem Planeten verzichtet im Angriff freiwillig auf die dritte Dimension – abgesehen von Hitzfeld. Was er sich vorstellte, was mit den Flanken der beiden – normalerweise starken Aussenverteidiger Lichtsteiner und Rodriguez – in Tornähe hätte passieren sollen, wissen wohl nur er und Michel Pont. Den kleinen und formschwachen Gavranovic als Flankenziel dort aufzustellen war – wie bereits erwähnt – nicht nachvollziehbar. Dass Pont kurz vor Ende des Horrors, dann doch noch den grösseren Seferovic brachte, war eine Mischung aus Verzweiflungstat und Deduktion – wen sonst hätte er denn noch da vorne in die Schlacht werfen können?

Die eher unglückliche «Dzemaili-Affäre» ging trotz aller Fehlgriffe der Führungsriege glimpflich aus. Erst hielt sich der Napoli-Spieler neben dem Platz zurück, und dann, als er doch noch ab der 67. Minute seine langersehnte Chance bekam, auch auf dem Platz. Dass er dabei kaum wirkungsvoller als Inler blieb, war kein Trost, sondern trostlos.

Warum Behrami ausgewechselt wurde, erklärte der geschätzte «Tagi»-Kollege Thomas Schifferle bereits gestern schlüssig. Warum aber der beste Spieler auf dem Platz, Basels Stocker, runter musste, dazu fiel auch ihm, sowie jedem, der schon mehr als drei Fussballspiele im Leben gesehen hat, nichts mehr ein.

Was funktionierte überhaupt im Schweizer Spiel ? Praktisch nichts. Benaglio hielt harmlose Bälle ordentlich, aber brachte mit Abwürfen seine technisch etwas herausgeforderten Vorderleute mehrmals in der Gefahrenzone in ziemliche Abspielnot. Das erste Hinterlaufen auf dem Flügel gelang in der 80. Minute auf der rechten Seite Lichtsteiner – wohlverstanden gegen kämpferische, aber bescheidene Zyprioten. Drmic erreichte diese Saison anständiges Super-League-Niveau. International ist er noch ein Novize. Seferovic war der einzige, der tadellos funktionierte. Nur er verhinderte auf den letzten Drücker mit feiner Fussgelenksmotorik eine weitere Riesenblamage gegen Zypern innerhalb von drei Monaten.

Sind wir jetzt durch in dieser Todesgruppe der Wankelmütigen, und ist die Mannschaft und ihre Führung auf gutem Weg zur WM-Tauglichkeit?

Was denkt ihr, Sportsfreunde?

Die Liebe der Matrosen

Thomas Kobler am Samstag den 8. Juni 2013

…steht nicht eben als leuchtendes Beispiel für unverbrüchliche Treue, aber gegen die Liebesbezeugungen im Fussballgeschäft könnte sie einem fast schon wie das grosse Los vorkommen. Am liebsten hätten wir ja alle – wenn wir ehrlich sind – die grosse, romantische Liebe von ganzem Herzen, wie sie uns von Goethes leidendem, jungen Werther in Kopf und Herz gepflanzt wurde und die so fatal endete. Als hätte Goethe damals schon die Gefühlswelt der heutigen Fankurven-Ultras genau gespürt und auszudrücken vermocht.

Herzliche Entbundenheit

Herzliche Entbundenheit: GC-Spieler Vilotic (l.) und Uli Forte. (Keystone)

Wie Liebe im Fussball klingen kann, dazu hier ein paar O-Töne von einem, der es wissen muss. Ex-GC Trainer Uli Forte sagte noch am Tag als seine Liebe zum GC Knall auf Fall und herzzerreissend endete: «Ich habe meine Spieler sehr gern, sie sind mir ans Herz gewachsen.» Oder in der Stunde des grössten GC-Glücks jüngeren Datums, dem Cup-Sieg: «Ich kann meine Emotionen nicht in Worte fassen.» Natürlich schmiedet man in solchen Zeiten überschwänglicher Gefühle auch Zukunftspläne: «So weit sind wir nicht. Wir sind nicht auf Augenhöhe mit Basel, vielleicht in ein paar Jahren.» Seit einer Woche wissen wir es besser. Die Liebe endete, gottlob, weniger tragisch als beim jungen Werther, aber ein schaler Nachgeschmack wurde Transparent: «Uli- charakterlose Lump!», stand da – zwar emotional, jedoch inhaltlich und grammatikalisch etwas zu kurz gegriffen – in grossen Lettern.

Und sie tanzten einen Tango…im Partner-Look

Und sie tanzten einen Tango…im Partner-Look: Die Luzerner Pajtim Kasami (l.) und Carlos Bernegger. (Keystone)

Etwas weniger verbissen sehen es die Argentinier mit der Liebe. Trotz viel Knistern und sich reibender und zündelnder Körper im Tango-Rhythmus, gibt man eine gewisse ironische Distanz beim Ausdrücken von Zuneigung und Bewunderung nicht ganz auf. Bestes Beispiel dafür war unlängst der neue Luzerner Trainer Carlos Bernegger, als er in aller Öffentlichkeit gestand: «Ich liebe Kasami.» Alex Frei soll ihm daraufhin schon wieder eine Szene gemacht haben, munkelt man.

Jupp Heynckes und Bastian Schweinsteiger.

Sorry, Poldi: Jupp Heynckes (l.) und Bastian Schweinsteiger feiern in Wembley. (Keystone)

Zeit für weiss-blau-rote Zärtlichkeit herrschte kürzlich auch in London auf dem manikürten Wembley-Grün. Nach dem gewonnen Champions-League- Finale entstand ein Bild von seltener Zuneigung in der ziemlich homophoben Welt des Fussballs. Der gefühlte Kapitän des FC Bayern, Bastian Schweinsteiger, und Trainer Jupp Heynckes hielten sich vor Hunderten von Millionen Menschen beinahe schon zärtlich in den Armen. «Poldi & Schweini» sind definitiv Geschichte.

Roman Abramowitsch und José Mourinho.

Er liebt mich, er liebt mich nicht, er liebt…: Roman Abramowitsch (l.) und José Mourinho. (Reuters)

Die Beziehung Abramowitsch-Mourinho fällt wohl in die Kategorie «Amour fou». Also jene verrückten Verbindungen, in denen die Protagonisten weder mit- noch ohne einander leben können. Dass hier wieder zwei Kerle die Hauptrolle spielen, ist eigentlich nur gerecht, gewann doch in Cannes erst gerade die Liebesgeschichte zweier junger Frauen die Goldene Palme. Unsere beiden Jungs hier wären schon mit dem silbernen Henkelkübel der UEFA  zufrieden.

Jürgen Klopp und Mario Götze. (Keystone)

«Götzes Wechsel war wie ein Herzinfarkt» (so Klopp): Jürgen Klopp und Mario Götze. (Keystone)

Wer im Fussball «Echte Liebe» erfahren möchte, der mache sich auf den Weg zur Treppe in den gelb-schwarzen Himmel der Glückseligkeit: die Südtribüne des Dortmunder Westfalen-Stadions. Ein Herz, eine Seele, ein Verein , aber kein Titel und kein Götze. Echte Liebe braucht halt auch ein wenig Schmerz, damit man sie so richtig spürt.

Uli Forte: Kein starker Abgang

Simon Zimmerli am Freitag den 7. Juni 2013

Das verbale Nachtreten war unnötig: GC-Trainer Uli Forte, 1. Juni 2013. (Keystone/Steffen Schmidt)

Die Meldung über den Transfer von Ulrich Forte im Radio traf mich, gemessen am Knalleffekt, ähnlich schwer wie der Tod von Lady Di. Vielleicht noch etwas härter, da ich ein paar Minuten zuvor das Portrait über Forte und seine Visionen mit GC im «Tages-Anzeiger» gelesen hatte. In diesem liess er sich als fürsorglicher und sozialkompetenter Hirte feiern, der nur darauf bedacht war, keines seiner Schafe zu verlieren. Nun ist der Hirte selbst nach Bern weitergezogen. Bisher noch ohne dass ihm eines seiner GC-Schafe gefolgt wäre.

Ein grosser Verlagsmogul kommt auf mich zu und bietet mir einen Dreijahresvertrag als Blogger und Live-Tickerer zum doppelten Salär an. In den Pausenräumen des vermeintlich neuen Verlagshauses stehen – nicht wie bei uns – Automaten mit Vollkornriegeln und Softgetränken, sondern leichtbekleidete Frauen, die mir kostenlos Bier und Häppchen reichen. Der Geschäftswagen, ein Audi 4Zf8-17 Turbo, wird mir kostenlos zur Verfügung gestellt und nachdem ich auf die fehlende Fahrprüfung aufmerksam mache, gibt es eine hübsche Fahrerin gratis dazu geliefert. Ist es nun selbstverständlich, dass ich das besser dotierte Angebot annehme? Nein, obwohl es sicher legitim wäre, gibt es auch Gründe wie den menschlichen Aspekt oder die Dankbarkeit, um einen solchen Wechsel nicht zu vollziehen. Ohne gleich als Romantiker zu gelten.

Ich verurteile den Wechsel von Uli Forte nicht, aber sein Verhalten nach Bekanntmachung des Transfers hinterlässt selbst bei einem FCZ-Anhänger einen schalen Nachgeschmack. Vom Stellensuchenden bei den regionalen Arbeitsvermittlungszentren zum Cheftrainer von GC erkoren, könnte er doch nun das Vertrauen, das ihm die Vereinsspitze vor einem Jahr ausgesprochen hat, honorieren, statt fehlendes Vertrauen geltend zu machen. Forte hat stets gekriegt, was er sich bei GC mit den – im Vergleich zu YB bescheidenen finanziellen Mitteln – gewünscht hat. Auch der Zweijahresvertrag, auf den er so sehr gepocht hat, ist seit einiger Zeit beschlossene Sache, da er mit dem Erreichen des 5. Ranges schon ein paar Runden vor Schluss automatisch in Kraft getreten ist.

Forte hat aus dieser Mannschaft das Maximum herausgeholt und dafür gebührt ihm mein Respekt. Aber ohne die defensive Stabilität und dem überstrapazierten Wettkampfglück könnte GC auch auf dem 3. oder 4. Schlussrang stehen. Forte will die Herausforderung nicht annehmen, diese grossartige Saison zu bestätigen und geht damit den Weg des geringsten Widerstandes. Ergo will er auch in seiner ersten Saison bei YB nicht vom Meistertitel sprechen. Die Aufgabe bei den Berner Young Boys ist für ihn in der Tat demnach viel einfacher. Und ganz nebenbei verdient er auch noch das Doppelte. Die Möglichkeit, sich mit GC für die Champions League zu qualifizieren und etwas Nachhaltiges aufzubauen, interessiert ihn nicht.

Forte wurde von den Fans in seinem letzten Spiel für die Grasshoppers als geldgieriger und charakterloser Lump dargestellt. Er hätte einen anderen Abgang verdient. Bis zu diesem Zeitpunkt konnte er schlicht einem guten Angebot nicht widerstehen, was nicht verwerflich ist. Vielleicht hätte er den Interviewtermin mit «Tagi»-Redaktor Thomas Schifferle vom Freitagnachmittag absagen oder die Erscheinung des Artikels am Tag der Bekanntmachung seines Wechsels verhindern  müssen, aber ansonsten ist dies das ganz normale und unromantische Fussballgeschäft. Sich danach aber negativ über seinen Arbeitgeber äussern («GC ist nicht mehr das GC von früher und lebt nur noch von seinem Rekordmeister-Image») und André Dosé mangelnde Wertschätzung vorwerfen, das ist nicht eben «forte».

Vielleicht ist dies nun ein Widerspruch und – als FCZ-Fan – ein Kapitalverbrechen, wenn ich mich für den Job als GC-Trainer bewerbe, aber mein Ziel war es stets, Fussballprofi zu werden. Nicht Blogger, nicht Live-Tickerer, nicht Marketingverantwortlicher beim ZWÖLF und auch nicht Barkeeper. Aber wenigstens könnte man mir bei einer allfälligen Kündigung des Vertrags nicht vorwerfen, ich hätte gesagt, es wäre eine Herzensangelegenheit oder immer schon ein Kindheitstraum gewesen, bei GC unter Vertrag zu stehen.

Mehr als eine Silbermedaille

Fabian Ruch am Mittwoch den 5. Juni 2013
(EPA/Tobias Hase)

Das Potenzial der Schweizer Fussballer ist gross: Bayern-Spieler Xherdan Shaqiri während eines Spiels gegen Freiburg, 27. April 2013. (EPA/Tobias Hase)

Verpasst die Schweiz die Teilnahme an der WM 2014 in Brasilien, wäre das eine riesengrosse Enttäuschung. Und es wäre eine schwere Niederlage für den Startrainer Ottmar Hitzfeld, der den personellen Umbruch im Team in den letzten Jahren so geschickt moderiert hat. In einer Gruppe mit den zwar unbequemen, aber bestenfalls mittelmässigen Gegnern Island, Norwegen, Slowenien, Albanien und Zypern muss die Schweiz einfach Rang 1 erreichen. Und sie muss am Samstag das Heimspiel gegen Zypern gewinnen. Man darf das verlangen. Dafür reicht ein Blick auf die Kaderlisten und die Arbeitgeber der Nationalspieler. Diese Schweizer Auswahl besitzt enorme Fähigkeiten. Aber vermutlich wird sie ihren Leistungszenit erst nach der WM in Brasilien erreichen. Viele junge, hochbegabte Kräfte wie Xherdan Shaqiri, Granit Xhaka, Ricardo Rodriguez oder Josip Drmic können nur noch besser, reifer, zielstrebiger werden. Keiner von ihnen ist älter als 21!

Grosses Potenzial

Möglicherweise landet diese talentierte Generation Schweizer Fussballer irgendwann in den nächsten Jahren einen Riesencoup. Sie besitzt das Potenzial dazu, die Weltgrössen zu ärgern und zu schlagen. Allerdings ist die Konkurrenz in einer Sportart, die nahezu in jedem Land der Welt mit Begeisterung  betrieben wird, ausserordentlich gross. Eine Finalteilnahme an einer Fussball-Weltmeisterschaft wäre für ein derart kleines Land wie die Schweiz eine historische Mega-Sensation. Andererseits wurden einige Mitglieder der aktuellen Mannschaft vor bald vier Jahren U-17-Weltmeister oder standen 2011 an der U-21-EM im Final gegen Spanien. Sie wissen, wie man scheinbar übermächtige Länder herausfordert – und bezwingt.

Shaqiri ins zentrale Mittelfeld

Die Karriereplanung der besten helvetischen Nachwuchskräfte ist zum Glück cleverer geworden. Viele wollen sich zuerst in der Super League durchsetzen, ehe sie in eine ausländische Liga wechseln. So versauern weniger Talente auf Ersatzbänken irgendwo in Europa. Xherdan Shaqiri ist auch in dieser Beziehung das Vorbild – allerdings muss er sich bei den Bayern nächste Saison vom wertvollen Ergänzungsspieler zur Stammkraft entwickeln. Mit seinem aussergewöhnlichen Talent sollte der Bayern-München-Spieler zudem im Nationalteam eine noch einflussreichere Rolle übernehmen dürfen. Im zentralen, offensiven Mittelfeld würden Torgefahr, Instinkt, Ballsicherheit und Sonderklasse Shaqiris noch ausgeprägter zur Geltung kommen.

Vorbild Eishockeyaner

Shaqiri und Kollegen stehen vor einer glänzenden Zukunft. Noch aber haben sie als Nationalteam wenig gewonnen. Und seit ein paar Wochen können sich die Fussballer ja an einem Vorbild aus dem eigenen Land orientieren. Die Eishockeyaner haben mit ihrem fantastischen Siegeszug an der WM und ihrem tollen Teamgeist ein kräftiges Zeichen gesetzt. In der allgemeinen Euphorie nach dem Gewinn der Silbermedaille war vielerorts die Schreibe vom grössten Schweizer Sport-Mannschaftserfolg der Geschichte. Das ist, ohne die überragende Leistung in einer attraktiven Sportart schmälern zu wollen, natürlich übertrieben. Zumindest von der globalen Bedeutung her.

Wie eine Fussball-WM ohne Messi und Ronaldo

Die von Kollege Simon Zimmerli hier kürzlich angeregte Diskussion, wie Kaiser Fussball die anderen Sportarten am Rand dominiert, verdient eine Fortsetzung. Denn gemessen an der Resonanz in der Sportwelt ist bereits eine Qualifikation der Schweizer Fussballer für den WM-Achtelfinal wie 1994 und 2006 eine grössere Tat als eine Silbermedaille im Eishockey. Dieser Achtelfinal wird in ungefähr 208 Ländern live am TV ausgestrahlt – und nicht in bloss rund vier. Und ernsthaft betrieben wird Eishockey nun einmal nur in maximal 20 Ländern, während es im Fussball auch in Südamerika, Asien und Afrika starke Nationen gibt. Zudem fehlen an einer Eishockey-WM viele der besten Akteure, weil sie in den NHL-Playoffs engagiert sind. Man stelle sich eine Fussball-WM ohne Lionel Messi, Cristiano Ronaldo, Wayne Rooney, Zlatan Ibrahimovic und Neymar vor! Oder Deutschland ohne Manuel Neuer, Bastian Schweinsteiger, Philipp Lahm, Thomas Müller, Toni Kroos und alle anderen Bayern-Stars, weil diese noch den Champions-League-Final bestreiten müssen!

Das wäre absurd. Es würde aber immerhin – selbst wenn der Münchner Xherdan Shaqiri ja auch fehlen würde – die Chancen der Schweizer erhöhen.

Was finden Sie: Ist eine Silbermedaille im Eishockey die grössere Leistung als eine Qualifikation der Fussballer für einen WM-Achtelfinal? Und: Was trauen Sie der Schweizer Nationalmannschaft in der WM-Kampagne 2014 zu? Welche Rolle sollte Xherdan Shaqiri dabei im Spielsystem spielen?

Dé­jà-vu?

Thomas Kobler am Montag den 3. Juni 2013
Meistertitel Nummer 16: Basel-Captain Marco Streller feiert mit Pokal und Fans auf dem Barfüsserplatz. (Bild: Patrick Straub/Keystone)

Meistertitel Nummer 16: Basel-Captain Marco Streller feiert mit Pokal und Fans auf dem Barfüsserplatz. (Bild: Patrick Straub/Keystone)

Der FC Basel ist Meister, Servette FC ist am Ende. Eigentlich alles wie gehabt, ist man geneigt zu denken, nachdem der letzte Pfiff in der Super-League-Saison 2012/13 verklungen ist. Was war so bemerkenswert an der abgelaufenen Saison – abgesehen von Fortes «Judas-Nummer» -, dass es im Gedächtnis der Fans haften bleibt? Bei mir sind das, ohne dass ich viel nachblättern muss, folgende Höhepunkte:

Kategorie: Unvergesslich
Das Europa-League-Viertelfinalspiel des FCB bei den Spurs an der White Hart Lane. Nebst einem tollen Fussballabend lieferten die Basler auch die Bestätigung, dass sie mittlerweile gutes internationales Format erreicht haben und selbst für grosse europäische Vereine einen ernstzunehmenden Gegner darstellen. Respekt. Das unsägliche Trainerkarussell in der Super League gereicht weder den Vereinen noch den Übungsleitern zur Ehre. Selbst eine Super-League-Lebensabschnittspartnerschaft sollte etwas länger als nur ein paar Monate dauern, wenn sich zwei halbwegs intelligente Parteien darauf einlassen. Eine Schande.

Kategorie: Überraschung!
Die Zürcher Grasshoppers. Beinahe wie Phoenix stiegen sie aus der Asche und spielten bis zum zweitletzten Spieltag um den Titel. Erfolg hat immer viele Väter, aber welcher «Vogel» auch immer entschied, dass etwas Routine an entscheidenden Stellen den mittlerweile gereiften Nachwuchskräften die nötige Stabilität bringen könnte, der lag goldrichtig. Schlauer Zug. Eine gute Saison gelang auch dem Aufsteiger FC St. Gallen. Hätten die Ostschweizer auch noch einen treffsicheren Mittelstürmer gehabt, sie hätten womöglich erreichen können, was der 1. FC Kaiserslautern unter Otto Rehagel und mit Olaf Marschall 1998 schon mal schaffte: Aufstieg und Durchmarsch zur Meisterschaft. Verpasste Grosschance?

Kategorie: Achtung Baustelle!
Die Offiziellen, Schiedsrichter und Linienrichter, gaben auch in dieser Saison kein überzeugendes Bild ab. Besonders die Linienrichter enttäuschten mich Mal für Mal. Das Spiel ist schnell geworden und die Szenen manchmal heikel, aber vier Augen müssten trotzdem mehr sehen als zwei. Eine Misere. Ein Fass ohne Boden steht im Wallis. Der FC Sion ist nur noch ein Trümmerfeld. Aus einem Herausforderer um den Titel wurde innert acht Monaten der Verlierer der Saison. Ums Tourbillon wird alle Fussball-Weisheit mit Füssen getreten. Eine Katastrophe.

Kategorie: Spieler der Saison
1. Roman Bürki (GC) und Fabian Schär (FCB)
2. Valentin Stocker (FCB)
3. Oscar Scarione (FCSG)

Kategorie: Enttäuschung der Saison
1. BSC Young Boys
2. Rolf Fringer
3. Moreno Costanzo (YB) und Nassim Ben Khalifa (GC)

Kategorie: Witz der Saison
1. Der FC Luzern
2. Die Frage: Wölfli oder Bürki?
3. Raoul Bobadilla im Berner Drama «Ich bin ein Star, holt mich hier raus!»

Kategorie: Freudenspender und Prügelknaben
Der fleissigste Pechvogel der Saison war Luzerns Dimitar Rangelov – er «tötete» nicht nur zahllose Torchancen, er begrub sie auch gleich am Laufmeter. Unterirdisch. Die glücklichste Hand als Sportchef hatte Thuns Res Gerber – er luchste YB Marco Schneuwly ab, kaufte und verkaufte Anatole mit Gewinn und holte Urs Fischer. Smart. Definitiv zum Freudenspender wurde Jeff Saibene, nachdem sich der Espen-Block am Ende der letzten Saison da gar nicht so sicher war. Schwarmintelligenz könnte überschätzt sein. Zu Prügelknaben wurden die Mitglieder der Sicherheitsdirektoren-Konferenz gemacht – ausgerechnet von den wahren Prügelknaben. Verkehrte Welt.

Wer oder was ging vergessen, Sportsfreunde?

Tränen und Kaugummi lügen nicht

Thomas Kobler am Samstag den 1. Juni 2013


Fussball ist eine Leidenschaft, welche besonders im Frühling oft zu Gefühlsausbrüchen führt, die sogar gestandenen Mannsbildern und Grössen dieses Sports  das Wasser in die Augen treiben kann. Männer, die auch mal öffentlich Gefühle zeigen, sind keine  Heulsusen, aber vielleicht Kerle, die genau wissen, was sie grad gewonnen oder verloren haben und kein Geheimnis daraus machen, woran sie zu beissen haben:

David Beckham ging in Paris im zweitletzten Spiel des PSG als «Ehrenkapitän» in der 83. Minute aufgewühlt vom Platz. Was sollte er am Ende seines letzten Spiels auch anderes tun. Es war trotz Sieg zum Heulen. Im «Sky Sports»-Interview mit seinem alten Team-Mate Gary Neville wird deutlich, wie sehr er liebte, was er machte – Fussball spielen. Während sein Kopf zu rechtfertigen suchte, dass der Moment des Abschieds in der bestmöglichen Form gekommen war, wurde auch deutlich, wie sehr sein Herz noch weiter diese unglaublichen Flanken aus dem rechten Halbfeld schlagen oder noch dem einen oder anderen Goalie einen unhaltbaren Freistoss in die Maschen jagen möchte. Seinem alten Kumpel erklärte er augenzwinkernd: «Als Messi kürzlich an mir vorbeistürmte, da wusste ich, jetzt war die Zeit gekommen, um abzutreten.» David Beckham ist die schillerndste Ikone, die das Spiel bisher hervorgebracht hat, aber im Fussball müssen auch Ikonen rennen und treffen, und dafür war er sich nie zu schade.

Ein geradezu tödlicher Torjäger (168 «Buden»  in 226 Ligaspielen) war Jupp Heynckes in jener legendären Gladbacher Elf, die als «Fohlen» unter dem charismatischen Hennes Weisweiler in den Siebzigerjahren Kultstatus erreichte. Diese Trefferquote ist für einen Aussenstürmer bis heute fabelhaft. An seine aussergewöhnlich erfolgreiche Spielerlaufbahn hängte er eine ebensolche Trainerkarriere, die er mit einem Bayern-Sieg im heutigen DFB-Pokalfinale gegen den VfB Stuttgart mit einem historischen Triple glanzvoll krönen könnte. In der Pressekonferenz nach seinem letzten Bundesligaspiel  im Gladbacher Borussia-Park übermannten den 68-jährigen Fussball-Lehrer die Gefühle, nachdem ihm die Fans zeigten, «dass das meine Heimat ist». Mit stockender Stimme gewährte er der Welt für einen Moment ungewollt Einblick in sein Innerstes. Schönere Liebeserklärungen kann man sonst nur mit einem Knie auf dem Boden machen.

Keine Tränen aber grosse, ehrliche Gefühle lagen in der Luft, als sich Sir Alex Ferguson vom proppenvollen, heimischen «Theatre of Dreams» verabschiedete. Ganz der «harte Hund», der der Schotte immer war, liess er auch bei seinem vorletzten Spiel auf der Trainerbank nur seinen Kaugummi deutlich spüren, wie es innerlich um ihn stand. 1986 übernahm er den Managerposten bei Manchester United, jenem Club aus dem Matt Busby nach der Tragödie des Münchner Flugzeugabsturzes von 1958, der acht Spielern und fünfzehn weiteren Personen an Bord das Leben kostete, in den Sechzigern die «Busby Babes» formte und mit denen er als erstes englisches Team 1968 den Europapokal der Landesmeister  gewann. Als Alex Ferguson, aus Aberdeen kommend, die Stelle in Manchester antrat, war einiges vom Glanz der alten Tage abgebröckelt. Als Sir Alex – «The Boss» – sich am 8. Mai vor dem letzten Heimspiel gegen Swansea als neuer Meister der Premier League daheim aus der ersten Reihe des Clubs verabschiedete, standen 28 weitere Titel zu Buche. Darunter das unvergessliche Triple von 1999. Wer wollte nach solchen Triumphen auch weinen?

Offener Brief an Christian Constantin

Simon Zimmerli am Freitag den 31. Mai 2013
Le president du FC Sion Christian Constantin lors de la rencontre de football de Super League entre le FC Sion et le FC Luzern, ce samedi 6 april 2013 au stade de Tourbillon a Sion. (KEYSTONE/Olivier Maire)

Christian Constantin in Sion, 4. April 2013. (Keystone/Olivier Maire)

Lieber Christian Constantin

Wie Blogkollege Kühn zum Saisonauftakt wende ich mich mit einem offenen Brief an Sie. Aber nicht mit dem Wunsch, mit Ihnen in einem Ihrer unzähligen Ferraris durch das Wallis zu brausen, sondern weil mir der FC Sion am Herzen liegt.

Sie sind ein Kämpfer, Herr Constantin. Sie legen sich mit Funktionären der Super League an und schrecken auch vor übermächtigen Gegnern wie der Uefa oder der Fifa nicht zurück. Das bringt Ihnen bei so manchen Sympathien ein. Sie lieben Ihren FC Sion, das merke ich, und Sie tun alles für diesen Club. Wie gewohnt mit Ihrem patriarchalischen Führungsstil. In jüngster Vergangenheit aber zusätzlich mit der Brechstange, mit der Sie auch Kollateralschäden in Kauf nehmen. Nach all den Querelen der letzten Wochen haben Sie sich demzufolge nochmals Gegner aus der schwersten Gewichtsklasse geschaffen: die eigenen Spieler und die eigenen Fans.

Les supporters montrent une banderole avec "Constantin Demission", lors de la rencontre de football de Super League entre le FC Sion et le FC Thun, ce samedi 25 mai 2013 au stade de Tourbillon a Sion. (KEYSTONE/Jean-Christophe Bott)

Sion-Fans verlangen den Rücktritt von Christian Constantin, 25. Mai 2013. (Keystone/Jean-Christophe Bott)

Xavier Margairaz habe ich während all den Jahren, in denen er für den FCZ auflief, als ruhigen, besonnenen und intelligenten Menschen kennengelernt. Dass er aber auch über Sprinterqualitäten verfügt, das ist mir erstmals nach seinem Teileinsatz bei der desolaten 0:4 Heimpleite gegen GC aufgefallen, als er zu Ihnen auf die Tribüne kletterte. Es war dasselbe Spiel, in welchem die Freaks, eine der aktivsten Fangruppierungen im berüchtigten Gradin Nord, ihren Boykott lancierten und seither den Spielen fernbleiben. Die Fangruppierung aus dem Oberwallis bedauert dies zwar, sieht aber keine andere Möglichkeit mehr, um auf die Missstände in Ihrem Verein aufmerksam zu machen und unterstützt die Mannschaft seither anderweitig, wie beispielsweise mit liebevoll aufbereiteten Videobotschaften oder mit Spruchbändern, die sie in der Mannschaftskabine aufhängt.

Mich ärgern aber weniger die jüngsten Vorkommnisse, im Gegenteil; diese haben den Stein des Widerstandes endlich ins Rollen gebracht. Auch nicht die juristischen Schlupflöcher, in die Sie gerne kriechen, obwohl Sie durch diese die Mannschaft und eine ganze Region um viele tolle Europa-League-Spiele gebracht haben. Mich nervt vor allem Ihre – für mich schlicht nicht nachvollziehbare – Ungeduld. Trainer Lucien Favre stand beim FCZ in seiner ersten Saison auch kurz vor der Entlassung, holte zwei Jahre später den Cup und krönte seine beiden letzten Saisons in den darauffolgenden Jahren mit zwei Meistertiteln. Mit Ihren ständigen Trainerwechseln kann doch gar nie etwas Nachhaltiges entstehen. Sechs mal haben Sie in dieser Saison den Trainer ausgewechselt. Der FC Sion müsste mit Ihnen und Ihren finanziellen Mitteln, dem qualitativen und quantitativen Spielermaterial und den begeisterungsfähigen Fans im Rücken in jeder Saison ganz vorne mitspielen. Aber Sie schaffen es immer wieder, Unruhe in die Mannschaft zu bringen und das Team so zu destabilisieren.

Der Höhepunkt bildet für mich nun aber die von den Freaks eingereichte Petition, die sich zwar nicht gegen Sie persönlich, aber gegen den Führungsstil in Ihrem Verein richtet. Und da ich mir nicht vorstellen kann, dass es weitere Entscheidungsträger gibt, dürfen Sie dies ohne Bedenken persönlich nehmen. Bereits über 700 Personen haben die Petition unterschrieben und wünschen sich Kontinuität, Stabilität, Respekt, Geduld und Bodenständigkeit.

Mit der Verpflichtung von Pa Modou sind Sie ja bereits wieder auf dem Transfermarkt tätig geworden. Das freut mich, denn ich möchte Sie auch nächste Saison als Sion-Präsident inmitten leichtbekleideter Schönheiten wieder auf der Bühne rocken sehen. Ich muss auf den Super-League-Plätzen auch keine Weltstars wie Gattuso oder Del Piero sehen, obwohl es schön wäre, aber das Tourbillon soll wieder eine Festung werden, die nur der FCZ knacken kann. Nehmen Sie sich Zeit, eine schlagkräftige Mannschaft für nächste Saison zu formen, schenken Sie dem Trainer Vertrauen und nehmen Sie die Anliegen der Fans ernst. Und vor allem, haben Sie Geduld.

Ich wünsche Ihnen, trotz Ihres Gegners am Samstag, einen versöhnlichen Saisonabschluss – und vielleicht klappt es ja entgegen aller Erwartungen doch noch mit dem 5. Platz. Fans und Mannschaft wäre es zu gönnen.

Herzliche Grüsse

Simon Zimmerli

Ein Grosser verlässt still die Bühne

Annette Fetscherin am Donnerstag den 30. Mai 2013

Wird wohl am Sonntag die Bühne des Schweizer Fussballs verlassen: Hakan Yakin beim Spiel Bellinzona gegen Wil am 22. April 2013. (Bild: Ennio Leanza/Keystone)

Die Saison neigt sich dem Ende zu und das Wochenende wird die letzten Zweifel um Sieger und Verlierer der Spielzeit beseitigen. Alles was bleibt, ist die Vorfreude auf den Juli. Und etwas, oder vielmehr jemand, droht dabei in Vergessenheit zu geraten.

Nach Schlusspfiff des Derbys zwischen Lugano und der angezählten AC Bellinzona wird am Sonntag ein grosser des Schweizer Fussballs wohl für immer die Bühne verlassen. Kaum jemand rechnet noch damit, dass die AC Bellinzona diesen tristen Sommer überlebt, der bisher noch nicht einmal des Namens Frühling würdig ist. Und Hakan Yakin dürfte wohl in diesen Tagen seine Fussballschuhe still und leise an den Nagel hängen.

Ein begnadeter Spielmacher zwischen Genie und Wahnsinn, oft missverstanden und auch gerne mal belächelt. Sein Talent stets unbestritten, meinte es besonders das Ausland ganz und gar nicht gut mit Hakan Yakin. In Stuttgart wurde er aus dem Trainingsbetrieb verbannt, in Paris sein Transfer annulliert. Den Abstecher nach Katar liess er sich vergolden, doch hätte er es als einer der wenigen Schweizer, denen der Glamourfaktor durch die Venen fliesst, kaum nötig gehabt.

War auch stets ein Schlüsselspieler der Schweizer Nati: Yakin bei einem Freundschaftsspiel gegen die Ukraine. (Bild: Keystone/Salvatore di Nolfo)

War auch stets ein Schlüsselspieler der Schweizer Nati: Yakin bei einem Freundschaftsspiel gegen die Ukraine. (Bild: Keystone)

Ich persönlich habe ihm immer gerne zugeschaut. Habe bei Länderspielen nur darauf gewartet, dass er etwas Geniales anstellt. Weil er immer Gefahr und Unberechenbarkeit ins Spiel gebracht hat. Weil niemand, nur er selbst, sich stoppen konnte. Auch wenn zeitweise sein Gewicht, sein Fitnesszustand und seine Vaterschaftsverhältnisse wichtiger zu sein schienen, als sein fussballerisches Potential. Als Journalistin erlebe ich ihn stets ausserordentlich freundlich. Immer schüttelt er einem die Hand, ist höflich und stellt sich den Fragen, egal was gerade wieder in der Zeitung gestanden hat. Er hat Witz und scheut sich nicht vor Selbstironie. Auch wenn die Antworten zuweilen einsilbig ausfallen, sie sind stets ehrlich. Hakan Yakin ist keiner, der sich verstellt. Und dafür wurde er in seiner Karriere oft genug bestraft.

In der Schweiz versuchte er sich bei Basel, GC, St. Gallen, YB, Luzern, Bellinzona – beinahe ist die Liste, wo er nicht war, kürzer. Hakan Yakin war als Fussballer ein Suchender. Hat in der Hoffnung, sein Glück und seine Bestform zu finden, die ganze Schweiz bereist. Gefunden hat er es auch in Bellinzona nicht. Der 6-Jahresvertrag mit Perspektive für die Zukunft klang zwar verlockend, entpuppte sich aber, wie so vieles bei der ACB als trügerischer Schein. Noch ist nicht klar, ob sich der Mittelfeldspieler nach einem Aus in Bellinzona auf die Suche nach einem anderen Verein machen würde. Doch fest steht, dass Hakan anderes verdient hätte, als seine letzten Tage als Aktiver mit gekappter Internetleitung in einer Wohnung zu verbringen, dessen Miete der Verein nicht bezahlt.

Alex Frei hatte einen Abschied, wie er einem grossen Fussballer gebührt. Mit Tränen, Scheinwerferlicht und einem Traumtor als Zugabe. Ein solcher würde auch Hakan Yakin zustehen. Sein Genie und sein linker Fuss werden der Fussballschweiz fehlen.

Murat Yakins Luxusproblem im FCB-Sturm

Fabian Ruch am Mittwoch den 29. Mai 2013
Basels Trainer Murat Yakin. (Keystone)

Für Murat Yakin geht es heute um viel: FCB-Trainer Yakin im Stade de Suisse in Bern, 20. Mai 2013. (Keystone/Peter Klaunzer)

An Abenden wie diesen werden Helden geboren.

Wird FCB-Stürmer Marco Streller heute doch noch zum Meisterschützen? Lässt Valentin Stocker die Basler endlich jubeln? Hext Roman Bürki GC zum nächsten Sieg?

Weil diese Super-League-Saison ziemlich verrückt abläuft und es immer wieder spektakuläre Wendungen gibt, gerne auch in der Nachspielzeit, ist es nicht ausgeschlossen, dass wir auch heute Abend ein wildes Drama erleben. Möglicherweise verliert der FC Basel ja im Stade de Suisse gegen YB, ist aber am Ende des Mittwochabends dennoch erneut Schweizer Meister – minus mathematische Minirestzweifel. Weil GC in St. Gallen ebenfalls unterliegt. Vielleicht durch ein Gegentor kurz vor Spielende.

Basel's Marco Streller thanks the fans after his substitution during the Super League soccer match between FC Basel and FC Lausanne-Sport at the St. Jakob-Park stadium in Basel, Switzerland, on Thursday, May 16, 2013. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)

Marco Streller bedankt sich nach einem Spiel gegen Lausanne bei den Fans, 16. Mai 2013. (Keystone/Georgios Kefalas)

Der FC Basel zeigte zuletzt ja unerwartete Schwächen auf und neben dem Rasen, wäre jedoch natürlich gleichwohl der verdiente Champion. Er steht unter erheblichem Druck. Die Nerven der Basler sind enorm angespannt, sie reagierten in den letzten Wochen häufig wenig souverän, manchmal sogar unsportlich. Das Gesicht des FC Basel gefiel nicht mehr. Er kann sehr, sehr, sehr viel verlieren. Konkurrent GC nur noch sehr, sehr, sehr viel gewinnen.

Basels Valentin Stocker jubelt ueber das 1:0 im beim Fussballspiel der Super League zwischen dem FC Basel und Servette FC am Sonntag, 12. Mai 2013 im St. Jakobpark Stadion in Basel. (KEYSTONE/Patrick Straub)

Basels Valentin Stocker freut sich über ein Tor gegen Servette, 12. Mai 2013. (Keystone/Patrick Straub)

Doch selbst wenn der FCB sensationell noch den Titel verspielen sollte und im Sommer Leistungsträger wie Stocker, Goalie Yann Sommer, Abwehrchef Aleksandar Dragovic oder Flügelflitzer Mohamed Salah an ausländische Vereine verkaufen muss, wird er nächste Saison die beste, grösste Mannschaft des Landes bleiben. Der Verein ist bestens aufgestellt, steht aber vor grossen Herausforderungen. Insbesondere Trainer Murat Yakin, der ja noch keinen Titel als Coach gewonnen hat, wird beim Aufbau einer neuen Meistermannschaft gefordert sein.

Zur Königsaufgabe wird für Yakin die Besetzung des Angriffs. Der Coach schätzt es, die Flügelpositionen offensiv zu besetzen und das zentrale Mittelfeld zu verdichten. Ein 4-1-4-1, das elastisch betrieben wird und je nach Spielsituation auch ein 4-2-3-1 oder ein 4-3-3 sein kann, dürfte auch in Zukunft das FCB-System sein. Vielleicht wird Yakin mal mit einer Dreierkette in der Abwehr experimentieren. Aber es ist kaum vorstellbar, dass er in einem 4-4-2 spielen lassen wird.

Le joueur valaisan Jose Adailton, gauche, lutte pour le ballon avec le joueur balois Raul Bobadilla, droite, lors de la rencontre de football de Super League entre le FC Sion et FC Basel 1893, ce dimanche 5 mai 2013 au stade de Tourbillon a Sion. (KEYSTONE/Maxime Schmid)

Sion-Spieler José Adailton ringt mit Raúl Bobadilla um den Ball, 5. Mai 2013. (Keystone/Maxime Schmid)

Nur in diesem System aber hätten die beiden für Super-League-Verhältnisse herausragenden und sehr kostspieligen Angreifer Marco Streller und Raúl Bobadilla gemeinsam Platz. Sie sind eher nicht auf dem Flügel oder im zentralen, offensiven Mittelfeld vorstellbar, zumal Yakin dort ohnehin auf andere Spielertypen setzt. Streller mag es, einen Partner im Sturm zu haben, er agierte zuletzt als einziger FCB-Angreifer wenig überzeugend. Der bullige Bobadilla dagegen ist problemlos als Ein-Mann-Sturm einsetzbar.

Was also passiert in Basel? Wie löst Yakin sein stürmisches Problem? Kommt es bald zum Machtkampf?

Murat Yakin hat sich ist in seiner Trainerkarriere nicht vor unpopulären oder unsentimentalen Entscheidungen gescheut. Er hat Alex Frei beim FCB eiskalt aufs Abstellgleis gestellt. Vielleicht wird er bald auch Marco Streller, ein anderes Basler Idol, opfern. Weil er Bobadillas Kraft, Torgefährlichkeit und Präsenz extrem schätzt. Eines ist klar: Yakin wird bedingungslos auf den Argentinier setzen. Wenn dieser topfit ist. Der Coach traut sich zu, den impulsiven Heisssporn Bobadilla unter Kontrolle zu haben. Dafür aber muss der Stürmer spielen. Und nicht auf der Ersatzbank versauern.

Und auch deshalb geht es für Murat Yakin in diesen Tagen um extrem viel. Als Meistertrainer wäre seine Akzeptanz deutlich grösser. Als Titelcoach könnte er heikle personelle Veränderungen einfacher moderieren.

Was glauben Sie: Wer wird Meister? Was passiert am Mittwochabend? Und wird Murat Yakin die Stürmer Marco Streller und Raúl Bobadilla nächste Saison gemeinsam aufstellen?