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Welchen Meistertrainer angeln sich die Young Boys?

Thomas Renggli am Samstag den 20. November 2010

K ann er seine Spieler zum Meistertitel führen? YB-Trainer Vladimir Petkovic mit Goalie Marco Wölfli Bild: Keystone

Der Trainer ist im Fussball bekanntlich immer der Mörder. Bleibt der Erfolg aus, fliegt der Übungsleiter. Nicht nur beim FC Sion. In der Super League bewegt sich der Aktionismus in dieser Saison bisher allerdings in einem erfreulich bescheidenen Rahmen. Erst Xamax-Präsident Sylvio Bernasconi – quasi der Christian Constantin im Westentaschenformat – hat seinen wichtigsten Angestellten dem branchenüblichen Krisenmanagement geopfert.

Dabei bietet der Personalmarkt momentan Alternativen, die den Sportchefs und Präsidenten aller ambitionierten Teams schlaflose Nächte bereiten müssten. Mit Lucien Favre, Christian Gross und  Marcel Koller sind die drei erfolgreichsten Trainer des Landes ohne Anstellung. Insgesamt zehn Schweizer Meistertitel hat das illustre Trio gewonnen.

Von den aktuellen Super-League-Trainern wissen nur Rolf Fringer (Luzern), Thorsten Fink (Basel) und Bernard Challandes (Sion), wie man Schweizer Meister wird.

Wer Favre, Gross oder Koller engagieren will, benötig finanzielle Ellbogenfreiheit und sportliche Perspektiven. Dies reduziert den Kreis der Kandidaten markant. Und weil der FCB mit Thorsten Fink wunschlos glücklich ist, die einst stolzen Grasshoppers die Kultivierung der Erfolglosigkeit zum Programm erklärt haben und der FC Zürich mit Antreiber Urs Fischer mindestens in der Vorwärtsbewegung allmählich Stilsicherheit entwickelt, gibt es faktisch nur einen Klub, der in Frage kommt – der BSC Young Boys.

Zwar hat dessen Trainer, Vladimir Petkovic, einen Vertrag bis 2013 in der Tasche, doch der Saisonverlauf macht diesen wohl eher früher als später zur Makulatur. Der Bosnier steht in Bern nach dem fahrlässigen verspielten Titel in der letzten Saison unter verschärfter Beobachtung. Nicht nur das verschenkte 10-Punkte-Polster stellt Petkovic ein schlechtes Zeugnis aus – auch das höchst inkonsequente Personalmanagement in der Causa Yapi spricht nicht für strategisches Fingerspitzengefühl.

Vor Jahresfrist dominierten die Berner die Liga nach allen Regeln der Kunst. Nun liegen sie sieben Punkte hinter Leader Luzern und je fünf hinter den Mitfavoriten Basel und Zürich. Konstanz und Stabilität sind im Stade de Suisse Fremdwörter. Dass die Young Boys am vergangenen Sonntag im Letzigrund in der Schlussphase einen 0:2-Rückstand zu einem Punktgewinn veredeln konnten, war vor allem auf den kollektiven Panikausbruch in der Zürcher Defensive zurückzuführen. Schon der sonntägliche Cup-Achtelfinal auf dem Krienser Kleinfeld könnte für Petkovic (im Falle einer Niederlage) zum grossen Schicksalspiel werden.

Petkovic leistete in Bellinzona hervorragende Aufbauarbeit. Die Young Boys etablierte er in der Spitzengruppe. Doch im entscheidenden Moment verlor er Übersicht und Souveränität. 2009 verspielte seine Mannschaft im Cup-Final gegen Sion ein 2:0. Im vergangenen Frühling folgte das Grounding in der Meisterschaft. Bern dürstet nach dem ersten Meistertitel seit 1986. Mit Petkovic wird daraus nichts. Der Bosnier ist kein Meistertrainer.

Deshalb sei die Frage erlaubt, weshalb die Berner ihre vorhandenen Mittel nicht dort investieren, wo der Schlüssel zum Erfolg liegt – auf dem Trainerposten? Ein Winner-Typ wie Favre, Koller oder Gross könnte ihnen meisterliches Format verleihen.

Die schlimmste Niederlage war ein Unentschieden

Thomas Renggli am Mittwoch den 17. November 2010

Schweiz gegen Ukraine: Am 26. Juni 2006 endete die Partie mit dem Penalty-Debakel, das zum WM-Aus führte. Bild: Keystone

Der 26. Juni 2006 hat seinen Eintrag als dunkles Kapitel in der Schweizer Fussball-Geschichte auf sicher. In Köln vergab die Nationalmannschaft im WM-Achtelfinal gegen die Ukraine die historische Chance auf die Viertelfinal-Qualifikation fahrlässig und dilettantisch – mit dem kollektiven Versagen im Penaltyschiessen. Das Zungenschnalzen von Marco Streller ist zur Legende geworden. Danach scheiterte der Basler vom Punkt ebenso wie Tranquillo Barnetta und Ricardo Cabanas.

Das unnötige WM-Out gilt als schwerste Niederlage in der Ära von Nationaltrainer Jakob Kuhn. Vor allem für die Auswechslung von «Penalty-Spezialist» Alex Frei wurde der Zürcher hart kritisiert.

Der schwärzeste Augenblick in der jüngeren Geschichte war die Niederlage gegen die Ukraine aber definitiv nicht.

In der Qualifikation zur WM 1998 geriet der erste Ernstkampf unter Rolf Fringer zum sporthistorischen «Debaku» – 0:1 gegen die namenlose aserbaidschanische Auswahl.

Die grösste Anhäufung von fussballerischen Bauchlandungen erlebt das Schweizer Team aber ausgerechnet unter Ottmar Hitzfeld, einem der erfolgreichsten (Klub-)Trainer der Welt. Im September 2008 fielen die Schweizer in der WM-Qualifikation gegen die Fussball-Zwerge aus Luxemburg auf die Nase. In der laufenden EM-Qualifikation war der Ausrutscher in Montenegro aller Voraussicht nach des Schlechten zu viel. Die schwerste Niederlage in der Ära-Hitzfeld war aber ein Unentschieden – das 0:0 gegen Honduras an der WM-Endrunde in Südafrika. Es verbaute den Schweizern nicht nur den Weg in die Achtelfinals, sondern war auch ein repräsentatives Beispiel für das oft zu mutlose und zögerliche Auftreten der Nationalmannschaft in den letzten Jahren.

Sehr geehrte Leser, was ist Ihre Meinung? Welches war der grösste Ausrutscher der Nationalmannschaft? Aserbaidschan, Luxemburg, Honduras? Oder finden Sie, dass aufgrund der erstaunlichen Erfolgsbilanz (die Schweiz war seit 2004 an allen grossen Turnieren dabei) in jedem Fall mildernde Umstände geltend gemacht werden müssen?

Abdi auf dem Abstellgleis

Thomas Renggli am Montag den 15. November 2010

Einst grosser Hoffnungsträger, heute bei Udinese selten im Einsatz: Almen Abdi

Er war die ganz grosse Figur auf dem Weg zum Meistertitel des FC Zürich 2009. Mit 19 Toren und elf Assists setzte er in der Super League den Massstab. Die Tür zur Nationalmannschaft stand weit offen – sein Wechsel ins Ausland war nur eine Frage der Zeit. Almen Abdi lag die Fussballwelt zu Füssen.

Doch dann kam der grosse Bruch. Der heute 24-jährige Spielmacher wurde zum Spielball der Berater, Fürsorger und Interessenvertreter. FCZ-Präsident Canepa wollte mit ihm in der Champions League für Furore sorgen. Spielervermittler Lamberti wollte das schnelle Geld. Seine Eltern wollten das Beste für ihren Sohn und das Beste für sich selber. Nur Abdi schien nicht zu wissen, was er wollte.

Die Fortsetzung der Geschichte ist bekannt. In einem eigenartigen Klima von verletztem Stolz, gekränkten Gefühlen und finanziellen Begehrlichkeiten geriet Abdi beim FCZ aufs Abstellgleis – notabene bei jenem Klub, bei dem er 15 Jahre lang mit Leidenschaft und Enthusiasmus gespielt hatte, bei dem sein grosser Traum von einer Profikarriere in Erfüllung gegangen war.

Im vergangenen Winter wechselte Abdi leihweise zu Le Mans in die höchste französische Liga. Nach sportlich frustrierenden Monaten stieg er mit seinem temporären Arbeitgeber ab. Doch das war verschmerzbar. Denn letztlich ging es in Frankreich nur darum, den Vertrag mit dem FCZ auszusitzen, um im Sommer abslösefrei nach Italien wechseln zu können. Lamberti hatte sich längst mit Udinese Calcio über einen märchenhaften Vertrag geeinigt – bis 2015 mit einem jährlichen Bruttogehalt von angeblich 2,5 Mio. Franken.

Acht Monate nach dem Vertragsabschluss sitzt Abdi im goldenen Käfig. Bei Udine stand sein Name in den ersten zwölf Spielen fünfmal auf dem Matchblatt. Siebenmal hiess es unter seiner Personalie: Nicht im Aufgebot.

Einmal wurde er in der 70. Minute eingewechselt, zweimal in der 85. Minute, einmal durfte er die Ersatzbank nur fürs Aufwärmen verlassen. Am Sonntag erhielt er gegen Lecce ab der 79. Minute Bewegungstherapie – als der 4:0-Sieg längst feststand. Nicht eben eine überbordende Wertschätzung von Trainer Francesco Guidolin.

Die Familie Abdi, einst aus ärmlichsten Verhältnissen aus dem Kosovo in die Schweiz eingewandert, ist wohl bis ans Lebensende von allen finanziellen Sorgen befreit. Und auch Lamberti darf sich zufrieden die Hände reiben. Doch wie geht es Almen Abdi dabei? Ist es nicht der sehnlichste Wunsch jedes Fussballers, regelmässig zu spielen? Macht es Sinn, eines der grössten Talente des Landes für die Interessen von Zweit- und Drittpersonen in die sportliche Sackgasse zu manövrieren? Hat Abdi nicht begriffen, dass man auf der Ersatzbank nur jemanden ausdribbeln kann – sich selbst?

Wer stoppt Constantin?

Thomas Renggli am Mittwoch den 10. November 2010

C&C ist besser als CC: Bernard Challandes (links) und Christian Constantin bei der Vorstellung Challandes’ als neuer Trainer von Sion. Bild: Keystone

Christian Constantin ist der grösste Entertainer im Schweizer Fussball. Keiner poltert lauter als der allmächtige Sion-Boss, keiner polemisiert stärker, keiner foutiert sich konsequenter um jegliche Weisungen und Sanktionen der Liga-Obrigkeit. Würde er nicht einen Ferrari fahren und die Millionen mit beiden Händen ausgeben, könnte man ihn als Robin Hood der Super League bezeichnen.

Doch Constantin ist ein Rebell in eigener Sache – ausschliesslich, permanent. Spätestens vor Gericht zwingt er jeden in die Knie und degradiert selbst Fifa-Präsident Joseph S. Blatter zum Statisten. Das vom internationalen Verband gegen den FC Sion ausgesprochene Transferverbot ist nicht einmal das Papier wert, auf dem es gedruckt ist. Constantin hat noch immer einen Richter gefunden, der ihm Recht gibt.

So wechselt er sein Personal weiterhin praktisch im Halbjahres-Rhythmus – Rotationsprinzip à la valaisanne. Das gilt im verschärften Masse für die Trainer. Nun hat Constantin aber endlich einen Seelenverwandten an seiner Seite, der ihn an Lautstärke und Theatralik noch übertrifft – Bernard Challandes, den streitbaren Neuenburger mit meisterlicher Vergangenheit in Zürich. Die Steigerungsform von CC heisst C&C.

Zwar wird auch Challandes früher oder später einem personalstrategischen Fallrückzieher seines Vorgesetzten zum Opfer fallen, doch bis zu diesem Zeitpunkt mischt das Duo infernale die Liga mit allen Mitteln auf und bläst zur Treibjagd auf die Schiedsrichter. Um die schwellende Verschwörung gegen den FC Sion und die betrügerischen Praktiken aller Nichtwalliser zu bekämpfen, will Constantin als Sofortmassnahme einen Werbespot produzieren lassen, der sämtliche Schiedsrichterfehlentscheide gegen seinen Klub aufdeckt. Budget: 250‘000 Franken. Bevorzugter Sendetermin: Direkt vor den täglichen Sportsendungen auf den drei Schweizer Kanälen.

Wir dürfen uns auf ein heiteres Kapitel Schweizer Fernsehgeschichte freuen. Sollte Challandes die deutsche Synchronsierung übernehmen, besitzt der Spot (oder ist es ein Spott?) Kultpotenzial. Gleichzeitig sei aber auch die Frage erlaubt: Wer stoppt Christian Constantin endlich?  Hat man schon vergessen, dass der Sion-Präsident selbst das schlimmste Foul der jüngeren Vergangenheit begangen hat? Dass er 2007 von einem zivilen Gericht wegen Körperverletzung verurteilt worden war – nach einem tätlichen Angriff gegen Schiedsrichter von Känel in Kriens.

Kann Hakan Yakin Luzern zum Titel führen?

Thomas Renggli am Montag den 8. November 2010

Der beste Fussballer in der Super League: Hakan Yakin

Er hätte den New-York-Marathon am Sonntag nicht unter den ersten 10‘000 Läufern beendet, er wird nie ein Standardwerk zur modernen Trainingslehre verfassen, er ist quasi das Gegenteil eines Ironman.

Doch er besitzt technische Klasse, die sein Lungenvolumen um ein Vielfaches übersteigt und die auf den Schweizer Fussballplätzen noch immer Massstäbe setzt – Hakan Yakin. Der 33-jährige Basler mit türkischen Wurzeln verpasste mit dem FCL die Rückkehr an die Tabellenspitze um ein paar Sekunden. Trotzdem war seine Darbietung eine Offenbarung der Fussballkunst. Das 1:0 von Nelson Ferreira bereitete er mit einem explosiven Dribbling und einer überraschenden Flanke vor – und in der Schlussphase legte er Michel Renggli den Siegestreffer pfannenfertig auf den Fuss, musste aber mitansehen, wie FCB-Keeper Franco Costanzo mit einer Glanzparade die Gäste im Spiel hielt und die Basis zum späten Ausgleich legte.

An Yakins beeindruckender Talentprobe änderte das verpasste Luzerner Happy-End nichts. Mit 33 Jahren hat der Ballvirtuose nichts von seinem Genie eingebüsst. Er kann mit einem Fusszucken Spiele entscheiden – und sogar den vermeintlich übermächtigen Branchenleader Basel aus dem Gleichgewicht bringen. Wer von seiner mangelnden Fitness spricht, verkennt die Situation. Während der Europacup- und Länderspieltermine besitzt Yakin ausreichend Erholungszeit. Das Ausscheiden in der Europa-League-Qualifikation gegen Utrecht spielt ihm nachträglich in die Hand.

Hält Yakin dieses Niveau und bleibt er gesund, kann er den FC Luzern sogar zum Titel führen. An seiner Seite werden Spieler wie Ferreira und Paiva eine Klasse besser. Und die Rückkehr von Ianu steht noch bevor. Ich wage die Behauptung, dass Yakin in seiner momentanen Form der beste und wichtigste Spieler der Super League ist.

Liebe Leser, sind Sie gleicher Meinung? Oder liege ich mit meiner Einschätzung völlig falsch? Wer ist der beste Spieler in der Schweizer Meisterschaft? Yakin? Amine Chermiti, der neue Zauberer vom Letzigrund? Michael Dingsdag, der holländische Abwehrturm im Tourbillon? YB-Kunstschütze Moreno Costanzo? Der Basler Spielmacher Gilles Yapi? Oder doch Rekordtorschütze Alex Frei?

Herr Hitzfeld, bitte ziehen Sie einen Schlussstrich

Thomas Renggli am Samstag den 6. November 2010
Aus «Captain wortlos»  ist «Captain Communiqué»  geworden: Alex Frei.

Aus «Captain wortlos» ist «Captain Communiqué» geworden: Alex Frei.

Nicht immer macht der FC Basel glücklich. Aber er sorgt für beste Unterhaltung im Tagesrhythmus – auf wie neben dem Platz. Am Mittwoch starb er im Champions-League-Drama gegen die AS Roma nach aufopferndem Kampf den Heldentot. Tags darauf liess sein Vorkämpfer, Alex Frei, per Medienmitteilungen verlauten, dass er ab nächstem Sommer nicht mehr für die Nationalmannschaft spielen will. Die Pfiffe im EM-Qualifikationsspiel gegen Wales waren offenbar so schlimm, dass der bestbezahlte Super-League-Kicker künftig nur noch in der geschützten Werkstatt des FC Basel arbeiten will. Sie waren aber nicht so schlimm, dass er sich sofort zu diesem Schritt genötigt sieht.

Aus «Captain wortlos» ist «Captain Communiqué» geworden. Doch was Frei mit seiner Botschaft beabsichtigt, bleibt im Diffusen. Will er, dass Hitzfeld vor ihm auf die Knie geht? Will er, dass sich alle St. Galler, Zürcher, Luzerner und Berner für ihre Pfiffe entschuldigen? Oder glaubt er ernsthaft, dass er damit das ganze Land in eine Sinneskrise stürzt, dass der Gesamtbundesrat unter Rücktrittsandrohung ihn zu einem Meinungswechsel bewegen will?

Fürs erste darf man schon auf die Reaktion des Luzerner Publikums am Sonntag im Spitzenkampf gespannt sein. Mit schonender Behandlung kann Frei im Gersag-Provisorium kaum rechnen.

Auf jeden Fall ist sein angekündigter (oder doch nur angedrohter?) Abgang ein weiteres Beispiel, in welchem Zwiespalt der Rekordtorschütze steckt. Sein Timing könnte unglücklicher nicht sein – mitten in der EM-Qualifikation, vor den möglicherweise drei entscheidenden Partien auf dem Weg an die Endrunde will er «Adieu» sagen.

Freis «Ja-aber-Strategie» lässt Hitzfeld eigentlich nur eine Wahl: Der Nationaltrainer muss sofort einen Schlussstrich ziehen, Alex Frei aus seinen Überlegungen ausklammern und diese unwürdige Soap-Opera beenden. Oder kennen sie einen Bootsbesitzer, der eine Atlantiküberquerung mit einem Kapitän plant, der auf halber Strecke von Bord will? Alex Frei hat sich am Donnerstag selber zum Schiffsjungen degradiert…

Wie ein Champions-League-Final für den FCB

Thomas Renggli am Mittwoch den 3. November 2010
Müssen heute gewinnen: FCB-Stars.

Müssen heute gewinnen: FCB-Stars.

Der FC Basel tritt heute Abend im St. Jakob-Park zum wichtigsten internationalen Spiel seit Jahren an. Gewinnt er gegen die AS Roma auch zuhause, steht er mit anderthalb Beinen im Champions-League-Achtelfinal – als erster Schweizer Klub notabene. Bei einer Niederlage bleibt ihm höchstens der Sechzehntelfinal im Verlierer-Cup (Europa League) als Trostpreis. To be – or not to be. Was für den Schweizer Double-Gewinner spricht – und was gegen ihn.

Deshalb gewinnt Basel:

  • Bei der AS Roma hat nach dem unbefriedigenden Meisterschaftsstart das Tagesgeschäft in der Serie A absolute Priorität. Der Fokus gilt dem Derby gegen den Leader und Stadtrivalen Lazio vom kommenden Sonntag. Verliert die Roma, liegt sie schon 13 Punkte hinter der Spitze. Da verkommt die Dienstreise an den Rhein zur Nebensache.
  • Alex Frei und Marco Streller sind im FCB-Trikot auch auf internationalem Parkett ein Traumduo.
  • Der Geist von Roger Federer. Nur einen Steinwurf vom St. Jakob-Park entfernt ist der Tennisstar derzeit an den Swiss Indoors beschäftigt. Am Mittwochabend wird Federer seinen Lieblingsklub vor Ort unterstützen. Da kann nichts schiefgehen. Game, Set and Match.
  • Als erster Super-League-Trainer überhaupt setzt Thorsten Fink das Rotationsprinzip optimal um. Bisher war in dieser Saison praktisch jeder seiner Personalentscheide goldrichtig. Am letzten Wochenende gewannen die Basler in B-Besetzung gegen Bellinzona. Heute Abend legen sie in der Königsklasse in Bestformation und mit gefüllten Energietanks erst richtig los.
  • Die AS Roma ist eine wohlstandsverwahrloste Interessensgemeinschaft von Euro-Millionären im Herbst ihrer Karriere. Der FCB dagegen ist hungrig, bissig – und bringt mit Youngsters wie Xherdan Shaqiri und Valentin Stocker Unbekümmertheit und Tempo ins Spiel.

Deshalb verliert Basel:

  • Das 3:1 in Rom vor zwei Wochen wird zum Bumerang. Die Römer sind gewarnt und werden den Schweizer Meister garantiert kein zweites Mal unterschätzen.
  • Francesco Totti ist schon 34, aber in Rom der unbestrittene Imperator für die Ewigkeit. Nach der Bauchlandung im Hinspiel und der Roten Karte in der Meisterschaftspartie gegen Lecce vom vergangenen Wochenende hat er vieles wiedergutzumachen – und wird die Basler seinen heiligen Zorn spüren lassen.
  • Die unverhofft gute Ausganglage hemmt den FCB. Die Perspektive, als erster Schweizer Klub die Achtelfinal erreichen zu können, wird zur zentnerschweren Last. Die Römer dagegen verfügen über derart grosse internationale Erfahrung, dass sie in diesem wegweisenden Spiel den ersehnten Befreiungsschlag landen.
  • Abraham, Cagdas, Ferati – die Basler Innenverteidiger sind selbst in der Super League relativ leicht aus dem Gleichgewicht zu bringen. Gegen den dreifachen italienischen Meister stossen sie gnadenlos an ihre Grenzen.
  • Der Grat zwischen Selbstvertrauen und Arroganz ist schmal. Thorsten Fink und seine Mannen wollen den Fans Show und Spektakel bieten – und rennen den Italienern ins offene Messer.

Diskutieren Sie mit. Setzt der FCB seinen Steigerungslauf in der Champions League fort? Oder war sein Coup in Rom nur ein Lucky-Punch – eine Momentaufnahme des Glücks, die sich heute Abend auf Nimmerwiedersehen verflüchtigt?

Stösst GC die eigenen Fans vor den Kopf?

Thomas Renggli am Montag den 1. November 2010

Besiegelte die Niederlage der Grasshoppers mit einem sensationellen Flugkkopfball: YBs Siegtorschütze Henri Bienvenu, Gianluca Hossmann kommt zu spät.

Besiegelte die Niederlage der Grasshoppers mit einem sensationellen Flugkkopfball: YBs Siegtorschütze Henri Bienvenu, Gianluca Hossmann kommt zu spät.

Was ist schlimmer als eine Niederlage? Eine Niederlage, die zur Gewohnheit geworden ist – die man ohne grosses Aufheben akzeptiert, schönredet und darauf setzt, dass alles gut wird.

Ciriaco Sforza, der Trainer der Grasshoppers, macht es fast im Wochenrhythmus vor: Er lobt die Entwicklung seiner Mannschaft, streicht das Positive hervor – verweist auf die Verletztenliste, die mittlerweile das Volumen eines Telefonbuchs angenommen hat.

Sforza hat in vielem, was er sagt Recht. Doch es gibt einen entscheidend Einwand: Er tut es als Trainer des Grasshopper-Clubs, des (ehemals) stolzen Nobelvereins, der mit seinen Trophäen eine ganze Lagerhalle füllen könnte.

Die Aktualität ist weniger glanzvoll: Zwölf Spiele/neun Punkte/elf geschossene Tore. In Niederhasli brennt das Schlusslicht mit der Intensität einer Leuchtreklame in Las Vegas. Der Rückstand auf den neuntplatzierten FC St. Gallen beträgt vor der Direktbegegnung vom kommenden Sonntag vier Punkte.

Das kapitale Spiel findet in Zürich statt. Jeder andere Klub könnte auf den Heimvorteil setzen – nicht aber GC. Er spielt alle Partien auswärts. Der Letzigrund, das zugige Leichtathletikstadion, in dem der Geist des FCZ lebt, ist für ihn eine ungeliebte Notschlafstelle. Die Grasshoppers haben «zuhause» in dieser Saison noch nie gewonnen. Heimnachteil.

Verwaltungsratspräsident Urs Linsi – ein Mann der Wirtschaft, der mit Zahlen wesentlich besser umgeht als mit fussballspezifischen Problemstellungen – macht gute Miene zum bösen Spiel: «Positiv bleiben. Weiter arbeiten. Wir haben das Potenzial – und verlieren die Geduld nicht. Irgendwann macht es klick», sagte er nach dem 0:1 gegen die Young Boys.

So löblich seine Geduld in diesem oft zu schnelllebigen Geschäft ist, so grotesk mutet sie an. Bei jedem anderen Verein würden personelle Konsequenzen zumindest diskutiert. Sion-General Christian Constantin hätte seinen Trainer schon dreimal ausgewechselt. Linsi aber schaut zu.

Ist das richtig? Darf der Präsident des renommiertesten Schweizer Sportklubs ausblenden, dass es fünf vor zwölf steht? Stösst er so nicht auch die eigenen Fans und alle Sponsoren vor den Kopf? Darf er tatenlos zuschauen, wie der Rekordmeister zum Abstiegskandidaten Nummer 1 degradiert wird?

Soll der FC St. Gallen sterben?

Thomas Renggli am Samstag den 30. Oktober 2010
Banges Entsetzen: Der FC St. Gallen steht kurz vor dem Konkurs.

Banges Entsetzen: Der FC St. Gallen steht kurz vor dem Konkurs.

Was hat der zypriotische Verbandsfunktionär Spyros Marangos mit dem Schicksal des FC St. Gallen zu tun? Nicht viel, würde man meinen. Falsch: Marangos hat die Schieflage des ältesten Schweizer Fussballklubs in den letzten Tagen verschärft – indirekt, unbeabsichtigt.

Er behauptet, die Vergabe der Euro 2012 an die Ukraine und Polen sei durch gekaufte Stimmen manipuliert worden – fünf Mitglieder des Exekutiv-Komitees hätten 11 Millionen Euro Bestechungsgelder erhalten. Marangos will Beweise auf den Tisch legen. Erhält er Recht, ist es quasi die Offizialisierung sämtlicher Schwarzmalereien der letzten Wochen.

Hat indirekt mit dem Schicksals des FCSG zu tun: Ex-Fussballfunktionär Spyros Marangos.

Hat indirekt mit dem Schicksals des FCSG zu tun: Ex-Fussballfunktionär Spyros Marangos.

Dies hat zwar noch immer nicht viel mit dem FC St. Gallen zu tun, hätte die Ostschweizer auf ihrer Geldsuche aber beinahe in eine Sackgasse geführt. Die Korruptionsaffären um die internationalen Verbände Fifa und Uefa tauchen einen ganzen Sport in ein schiefes Licht – führen zu einem Glaubwürdigkeitsverlust von allen Beteiligten. Wer will schon in eine Branche investieren, in der Korruption und Mauschelei zum Alltag gehören – in der der Fairplay-Gedanken auf allen Ebenen mit Füssen getreten wird?

In St. Gallen ist die Spendenfreudigkeit offenbar noch vorhanden – dank Edgar Oehler. Das Bekenntnis des AFG-Chefs zum Klub hat weitere Persönlichkeiten auf den Plan gerufen, die das Scheckbuch zücken wollen. Noch trägt die Differenz zwischen Anspruch und Wirklichkeit fünf Millionen Franken. Doch bis am nächsten Freitag soll das Loch gestopft sein. Spielen auch die Banken mit, rollt der Ball in St. Gallen weiter. «Ich bin überzeugt, dass das Geld zusammenkommt», sagt Oehler.

Es wäre im Sinn der gesamten Super League, wenn das Rettungspaket im Last-Minute-Verfahren tatsächlich geschnürt wird. Würde St. Gallen mit seinem grossartigen Publikum und dem prächtigen Stadion von der Landkarte verschwinden, wäre es jammerschade für das ganze Land. Bleibt nur zu hoffen, dass nach der aktuellen Betteltour die finanzielle Vernunft wirklich einkehrt und in Olma-City die Zeiten der Kuhhandel vorbei sind.

Wer ist der beste Trainer der Super League?

Thomas Renggli am Mittwoch den 27. Oktober 2010


Luzern ist Leader – GC am Tabellenende. Nach einem Drittel der Schweizer Meisterschaft scheint die Fussballwelt Kopf zu stehen. Nicht alles basiert auf Zufälligkeiten. Im Fokus stehen die Trainer. Wer schöpft das ihm zur Verfügung stehende Potenzial am effizienztesten aus? Das Steilpass-Ranking:

1. Murat Yakin (Thun). Yakin und Thun – das tönte anfänglich wie ein grosses Missverständnis. Doch der Ex-Internationale – als Spieler mehr Diva als Handwerker – liefert im Berner Oberland tadellose Arbeit ab, weckt Erinnerungen an die Latour-Ära und stellt sogar Fast-Meister YB in den Schatten.

2. Rolf Fringer (Luzern). In knapp zwei Jahren vom abgeschlagenen Schlusslicht zum Leader. Die Statistiken sagen mehr als 1000 Worte.

3. Thorsten Fink (Basel). Auch wenn der Double-Gewinner in der Meisterschaft vor Ausrutschern nicht gefeit ist: Fink liegt mit seinen Personalentscheiden meist richtig und schafft den schwierigen Spagat zwischen Champions League und Alltag. Ist er der erste Trainer seit Christian Gross (1996), der einen Schweizer Teilnehmer an der Königsklasse zur erfolgreichen Titelverteidigung führt?

4. Bernard Challandes (Sion). Allein die Tatsache, dass Challandes von seinem Chef Christian Constantin noch nicht öffentlich an den Pranger gestellt wird, spricht für seine solide Arbeit. Der ehemalige FCZ-Meistertrainer hat Sion zu spielerischer Stabilität verholfen – und zu mehr Ruhe. Kann er auch noch die Effizienz in der Offensive steigern, ist (fast) alles möglich.

5. Didier Ollé-Nicolle (Xamax). Das Ranking des Franzosen ist nur eine Momentaufnahme. Doch seit Ollé-Nicolle in der Maladière an der Linie steht, ist mit Xamax wieder zur rechnen. Das musste zuletzt sogar Luzern zur Kenntnis nehmen.

6. Roberto Morinini (Bellinzona). Spektakel und Showtime sucht man im Comunale vergeblich. Dafür hat Morinini der Mannschaft eine solide Organisation und ein klares Konzept verpasst. Mehr liegt bei diesem Spielermaterial nicht drin.

7. Urs Fischer (FCZ). Punktemässig befindet sich der frühere Abwehr-Handwerker mit dem FCZ im Soll. Doch Struktur und Konstanz fehlen im Spiel seiner Mannschaft. Noch hat Fischer nicht bewiesen, dass er mehr als eine Billiglösung ist.

8. Uli Forte (St. Gallen). An der desaströsen Finanzlage seines Arbeitgebers ist Forte unschuldig. Die Transferpolitik hat er aber mitzuverantworten. Und die ist der Auslöser des Leistungszerfalls in Olma-City.

9. Ciriaco Sforza (GC). So lang die Verletztenliste auch ist; so sehr in Niederhasli immer wieder darauf hingewiesen wird, dass GC jetzt ein Ausbildungsklub ist. Als Tabellenletzter kann man keine mildernden Umstände gelten machen.

10. Vladimir Petkovic (YB). Erfolge in der Europa-League besitzen den Wert eines Trostpreises. Bern dürstet nach fussballerischen Grosstaten. Im vergangenen Frühling verspielte man den ersten Titel seit 1986 fahrlässig. In dieser Saison ist die Tabellenspitze vorzeitig entschwunden. Die Luft für Petkovic wird dünner und dünner…