Seit 1966 hat sich auf der Welt das eine oder andere verändert. Die Menschheit ist auf dem Mond gelandet. Das Farbfernsehen hat sich etabliert. Das Internet wurde erfunden – und der hinterste Winkel der Welt kommunikationsmässig erschlossen. Alles und jeder kann heute durchleuchtet werden.
Nur eine Spezies tappt seit der Erfindung des Wembley-Tores im WM-Final 1966 unverändert im Dunkeln: diejenige der Fussball-Schiedsrichter.
Die Familie Yakin war davon am Samstag zweimal betroffen – negativ wie positiv. Murat, Trainer des FC Thun, musste nach einer Viertelstunde im Heimspiel gegen Bellinzona konsterniert zur Kenntnis nehmen, wie Schiedsrichter Hänni (nach Intervention des Linienrichters) den regulären Treffer zum 1:0 durch Timm Klose wegen angeblichen Offsides nicht anerkannte. Knapp anderthalb Stunden später profitierte Murats Bruder Hakan in Emmenbrücke von der akuten Sehschwäche des Linienrichters Walter Brosi und der Apathie der drei weiteren Regelhüter. Das Quartett übersah, dass beim Ausgleich durch Puljic gleich vier Luzerner abseits standen – meterweit. Wer die Fernsehbilder von dieser Szene nochmals ansieht, kann nur den Kopf schütteln. Unfassbar.
Die Falschurteile von Thun und Emmenbrücke sind allerdings nur zwei Beispiele der massiven Anhäufung von Schiedsrichterfehlern in der Super League in der ersten Saisonhälfte.
Das Problem ist international. Es kann nicht sein, dass sämtliche (Fernseh-)Zuschauer mehr und besser sehen, als die Hauptverantwortlichen auf dem Spielfeld – dass sich die Gralshüter der Fussball-Ethik standhaft dagegen wehren, der Moderne die Türen zu öffnen. Spättestens seit dem skandalösen Nicht-Tor der Engländer im WM-Achtelfinal gegen Deutschland, als der Ball nach einem Schuss von Lampard (mindestens) einen Meter hinter der Linie aufschlug, müsste sich diese Erkenntnis auch in der Fifa-Chefetage etabliert haben.
Mit fast schon missionarischem Eifer hat sich der Weltverband die Eroberung von neuen Märkten (Afrika, Russland, Katar) auf die Fahne geschrieben, vor den echten Problemen verschliesst er aber hartnäckig die Augen.
Wenn selbst die traditionellste aller traditionellen Profisportarten (Tennis) auf technische Hilfsmittel setzt, müsste auch im Fussball der Fortschritte allmählich akzeptiert werden.
Hier ein Vorschlag: Ein Video-Joker pro Halbzeit und Mannschaft – für Spiele in jenen Profiligen, in denen sämtliche Partien vom Fernsehen in befriedigendem Rahmen produziert werden. Allerdings nur in Spielsituationen, die unmittelbar zur Entstehung oder Verhinderung eines Tores führten.
Ein Einzelrichter schaut sich die Szene auf einem Bildschirm an. Kommt er innert einer reglementarisch festgesetzten Zeit (z. B. 60 Sekunden) zum Schluss, dass der Schiedsrichter zweifelsfrei danebenliegt, wird der Entscheid rückgängig gemacht. Die Mannschaft behält ihren Joker – wie im Tennis. Stellt sich das Schiedsrichterurteil als richtig heraus, geht das Spiel normal weiter und verfällt der Joker.
Das Argument, der Fussball lebe von menschlichen Fehlern und sich daraus ergebenden (Stammtisch-)Diskussionen ist reiner Selbstschutz der Verbandsoberen. So viele Stammtische, um die fast täglichen Fehlentscheide zu kommentieren, existieren gar nicht.
Was meinen Sie, geneigte Leser? Wäre es nicht endlich Zeit, den Fussball in ein neues Zeitalter zu führen – im Sinne der Fairness, aber auch im Sinne der Schiedsrichter und Zuschauer. Denn von einer gesteigerten Glaubwürdigkeit des Sports würden alle profitieren. Vor allem in der Schweiz, wo es um die Sehschärfe der Schieds- und Linienrichter besonders schlecht bestellt ist.
Mit diesem Beitrag verabschiedet sich der Blogger in die Weihnachtspause. Bis zu Beginn der zweiten Saisonphase werden die Steilpässe in reduziertem Rhythmus geschlagen. In diesem Sinn und Geist wünsche ich allen einen beschaulichen Advents und frohe Weihnachten.