Als Tabellendritter könnte der FC Zürich nach einem Viertel der Meisterschaft eine versöhnliche Zwischenbilanz ziehen. Er liegt nur einen Verlustpunkt hinter Double-Gewinner Basel und hat selbst den Leader Luzern in Griffnähe. Beim genaueren Hinschauen werfen die Zürcher Auftritte aber mehr Fragen auf als dass sie beantworten. Von einer gefestigten Organisation ist ebenso wenig zu sehen wie von einer intakten Leistungskultur. Dem Grossteil der Mannschaft fehlen die totale Hingabe und die Bereitschaft zur Selbstkritik – und Trainer Urs Fischer Konzept und Autorität.
Spätestens seit vergangenem Samstag und der Bruchlandung gegen Basel ist eine Verklärung der Situation unmöglich. Was die Zürcher gegen den Erzrivalen geboten haben, war erbärmlich. Sie schenkten den Gästen vier Tore, kamen (trotz einem Corner-Verhältnis von 11:0) kaum zu Abschlussgelegenheiten und verschafften sich nicht einmal dann sichtbare Vorteile, als der Gegner zu Neunt auf dem Platz stand.
Der selbsternannte Titelfavorit steht vor wegweisenden Wochen – mit den Partien gegen die Grasshoppers (am Sonntag), in Sion (23.10.) und Luzern (27.10). Schon das Derby wird zum Spiel der Wahrheit – «Crunch-Time» wie man im amerikanischen Sport sagt. Findet der FCZ nicht zu grösserer Konstanz und mehr Stilsicherheit, muss auf dem Letzigrund vieles hinterfragt werden – vor allem die Strategie und Kommunikation der Klubführung.
«Die Partie gegen Basel abhaken, im Derby vom nächsten Sonntag gegen GC die richtige Reaktion zeigen – und gewinnen», kommentierte Ludovic Magnin das Debakel gegen den FCB fast schon fahrlässig nonchalant. Gefordert wäre eine schonungslose und ehrliche Analyse. Schliesslich waren schon die Leistungen bei den glückhaften Siegen gegen GC, Xamax und Thun alles andere als zwingend. Hätten jeweils nicht die Schiedsrichter ein FCZ-Herz bewiesen, der zwölffache Meister befände sich schon jetzt in einer höchst ungemütlichen Lage.
Der Mannschaft fehlt eine klare Hierarchie. Trainer Fischer nimmt in seinen Personalentscheiden auf zu viele Interessen Rücksicht – und destabilisiert so immer wieder das Teamgefüge. Wie lässt sich erklären, dass er erfolgsverwöhnten und leistungsschwachen Grossverdienern (Magnin, Margairaz, Alphonse, Hassli) auf Kosten von frischen Nachwuchskräften immer wieder zu Spielgelegenheiten verhilft? Wie kann er es verantworten, an einem Torhüter (Guatelli) festzuhalten, der ein notorischer Unsicherheitsfaktor darstellt und dessen Abschläge mit erschütternder Regelmässigkeit beim Gegner landen?
Man wird den Verdacht nicht los, dass die Kompetenzverteilung im Zürcher Personalmanagement aus den Fugen geraten ist. Dabei ginge es anders. Am erfolgreichsten agierte der FCZ auf wie neben dem Platz, als die finanziellen Mittel beschränkt waren, Sportchef Bickel und Trainer Favre in einem permanenten (aber konstruktiven) Konflikt standen und der Präsident (Hotz) diskret im Hintergrund blieb. Heute präsentiert sich ein gegenteiliges Bild: Die Mannschaft ist so gross und teuer wie noch nie, der Trainer scheint im personellen Überangebot die Orientierung zu verlieren, der Präsident sitzt auf der Ersatzbank und stellt sich ins Schaufenster.
Es ist kaum anzunehmen, dass sich daran kurzfristig etwas ändert – zu wohl scheinen sich die Hauptdarsteller in ihren Rollen zu fühlen. Dabei liegen die Lösungsansätze für eine Bewältigung der aufkeimende Krise auf der Hand: Leoni ins Tor, Hassli zum FCB (es wäre fahrlässig, auf diese Million zu verzichten), Margairaz und Magnin auf die Bank, der Präsident auf die Tribüne – und eine sofortige Sperre bis zur Winterpause für jeden Klubangestellten, der die Wörter «Champions League» oder «Schweizer Meister» in den Mund nimmt.