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Karrieren nach Mass

Thomas Kobler am Montag den 23. September 2013


Noch kann man nicht sagen, ob die paar fehlenden Zentimeter Yann Sommer (183 cm) zum Glücksfall oder zum Pechvogel machen werden. Aber eines ist klar: Sie haben einen entscheidenden Einfluss auf seine Karriere. Noch im Sommer war er einer der meistgehandelten Kandidaten für einen Wechsel aus der Super League in eine der europäischen Top-Ligen. Mittlerweile sind die warmen Tage vorüber, und das Transferfenster mit Blick auf den Winter ist wieder geschlossen. Damit tritt der Goalie des FC Basel ziemlich auf der Stelle. Dasselbe passiert ihm auch international: In der Nati ist Sommer Ersatz von Stammkeeper Diego Benaglio (194 cm), und in den grossen Cup-Wettbewerben scheint er in letzter Zeit immer gegen Chelsea zu spielen. Das allerdings hochklassig.

Für den FCB ist Sommers mindere Grösse ein wahrer Segen. Sie hält die Interessenten noch ab, die sich sonst wohl schon längst auf dieses Torhüterjuwel gestürzt hätten. Aber unter 188 Zentimetern fliegst du heute meist unter dem Radar der Clubs, die auch Sommer reizen könnten. Der FCB ist ein kleines Paradies im hektischen Fussball-Betrieb. Auch wenn es zwischendurch einmal donnert, so ist man doch geneigt zu glauben, dass die Rot-Blauen besser geführt sind als eine japanische Reisegruppe aufs Jungfraujoch. Es wird ein abwechslungsreiches Programm mit regelmässigen europäischen Ausflügen geboten, und das Brot- und Buttergeschäft Super League ist abgesehen von diesen vermaledeiten Sommermonaten, in denen auf dem Platz kaum je etwas schön zusammenläuft, recht angenehm. Bis man dann im Winter wieder im verschneiten St. Gallen oder im zugigen Letzigrund antreten muss. Was übrigens dem Zürcher Stimmvolk knapp recht zu sein scheint. In so einem Umfeld kann man es sich mit branchenüblicher Anstrengung schon gut gehen lassen: hochanständiges Salär und Prämien, abwechslungsreicher Arbeitsalltag und flotte Kollegen aus allen Herren Ländern. Wer würde da nicht zuweilen über sich hinaus- oder anwachsen wollen?

Der Einzige, der dieses Idyll etwas trüben könnte, misst 187 cm und trägt bei der Arbeit mit Vorliebe Barbie-Rosa. Im Kampf um die Nachfolge des nach wie vor unbestrittenen Benaglio ist Yann Sommer ein ernstzunehmender Konkurrent erwachsen: Wenn auch nur vier Finger breit grösser als Sommer, gehört Roman Bürki im GC-Tor zu jenen seltenen Wesen, die man Scheinriesen nennt. Je weiter weg man auf der Tribüne sitzt, desto grösser und «pinker» erscheint er einem, was ja auch wieder für den Letzigrund spräche. Wenn er sich dann noch aufplustert und Knie voran aus seinem Kasten herausstürzt, denkt man fast an Titanisches. Die rosa Urgewalt aus dem Fünfmeterraum.

Bisher sind Sommer weder die fehlenden Zentimeter noch Bürki gross im Weg gestanden. Aber die kleine Welt der Traumligen wird ihm wahrscheinlich verschlossen bleiben. Und der Kampf ums Nati-Goal wird eng werden. Dabei ist Sommer wohl nicht schlecht beraten, wenn er sich an das Schicksal von Ex-VfB-Hüter Timo Hildebrand (186 cm) erinnert, der als unangefochtene Nr. 1 im Schwaben-Tor Ikarus spielen und höher hinaus wollte als er fliegen konnte, um dann prompt in Valencia kolossal abzustürzen. Längst steht mit Sven Ulreich (192cm) ein Keeper mit Gardemass zwischen den VfB-Pfosten und macht aus Unhaltbarem Haltbares am Laufmeter. So kann es eben auch gehen.

Sind Sommers fehlende Zentimeter für ihn und den FCB ein Glücksfall? Oder wird er womöglich eines Tages bedauern, dass so wenig (die Spreizung zwischen Zeigefinger und Daumen) fehlte zur ganz, ganz grossen Karriere. Was denkt ihr, Sportsfreunde?

Flotter Dreier für Hitzfeld

Thomas Kobler am Montag den 16. September 2013
Admir Mehmedi (l.) in einem Freundschaftspiel gegen Griechenland, 6. februar 2013. (Keystone/Georgios Kefalas)

Admir Mehmedi (l.) in einem Freundschaftspiel gegen Griechenland, 6. Februar 2013. (Keystone/Georgios Kefalas)

Seit gestern könnte der Kampf um den Startplatz als zentraler Stürmer der Nati wieder um einen weiteren Anwärter erweitert worden sein: Admir Mehmedi, vor kurzem auf Leihbasis vom Dnjepr, dem grossen slawischen Strom, an die beschaulich dahinplätschernde Dreisam gewechselt, schoss am Samstag in Augsburg sein erstes Bundesligator. Just vor der grossen Länderspielpause bei seinem ersten Freiburger Auftritt noch in letzter Minute eingewechselt und umgehend wieder vom Platz geflogen, hinterliess er bei seiner zweiten Chance einen weit erbaulicheren Eindruck bei Fans und Trainer. Christian Streich hatte schon nach dem Platzverweis väterlich darauf hingewiesen, unter welchem Druck der Junge stünde, und dass die Athletik der Bundesliga für Neuankömmlinge ziemlich gewöhnungsbedürftig sei: «Die Spieler hier rennen das ganze Spiel den Platz rauf und runter.» Vom psychologischen Druck – endlich wieder Einsatzzeit zu kriegen – gar nicht zu reden. Admir Mehmedi hätte nach seinem mutigen, aber glücklosen, Ausflug in die Wiege des russischen Reiches kaum eine bessere Wahl treffen können, um weiter im Spitzenfussball seinen Traum zu verfolgen. Jetzt schiesst er sich also wieder mit harter Stürmer-Währung ins Gedächtnis von Ottmar Hitzfeld zurück, wenn auch noch nicht als ständiges Icon auf der Toolbar des Nati-Verantwortlichen.

Eren Derdiyok (r.) im Spiel gegen Zypern, 23. März 2013. (Keystone)

Eren Derdiyok (r.) im Spiel gegen Zypern, 23. März 2013. (Keystone)

Und auch Eren Derdiyok, das unerfüllteste grosse Versprechen des Schweizer Fussballs, ist aus dem Hoffenheimer Straflager, das dort «Trainingsgruppe 2» heisst, und russische Gulags oder Guantánamo fast schon wie Kurorte erscheinen lässt, wieder auf die Bank zurückgekehrt. Frisch eingekleidet in Rot-Schwarz nahm er am Samstag in der BayArena darauf Platz. Hinter Stefan Kiessling, dem derzeit überragend aufspielenden Leverkusener Torjäger, soll er bereit sein einzuspringen, wenn es die Situation oder die Rotation erfordert. Als sich Kiessling gestern ein blaues Auge holte, wäre es fast schon so weit gewesen. Derdiyok  bekam diesen Sommer von Rudi Völler eher unerwartet ebenfalls eine zweite Chance. Denn 2012, als der Stürmer Bayer 04 in Richtung 1899 verliess, meinte der etwas enttäuscht: «Eren ist ein Riesen-Junge, aber er macht einfach zu wenig aus seinen Möglichkeiten.» Unter dem knallharten Ex-FC-Liverpool-Verteidiger Sami Hyppiä gibt es für Derdiyok jedoch nur noch eines: Fussball total – mit Halbheiten ist man beim Finnen sogleich weg vom Fenster. Im Gegensatz zu Hitzfeld kann sich dieser auf dem Transfermarkt zweimal jährlich mit Stürmern, die alles für ihren Beruf geben, eindecken.

Haris Seferovic am Ball gegen Island, 6. September 2013. (Keystone/Salvatore Di Nolfi)

Haris Seferovic am Ball gegen Island, 6. September 2013. (Keystone/Salvatore Di Nolfi)

Auch wenn Haris Seferovic im Moment die besten Karten besitzt, ist er natürlich noch längst nicht gesetzt für Brasilien. Er muss in dieser Saison in San Sebastián ebenso auf Spielzeit und Zählbares kommen wie seine beiden wieder aufgetauchten Konkurrenten. Pikanterweise könnte es dadurch, dass Real Sociedad in der gleichen Champions League-Gruppe wie Bayer Leverkusen spielt, sogar zum Direktvergleich auf höchster Ebene kommen. Mindestens jedoch sollte sich für Ottmar Hitzfeld die eine oder andere Gelegenheit ergeben, seine Kandidaten bei anspruchsvollsten Einsätzen beobachten zu können. Und auch Mehmedis SC Freiburg spielt in der Europa League. Wenn man sich diese ähnlichen Ausgangslagen anschaut, dann dürfte es weder für Hitzfeld noch für die drei Kandidaten auf die Selektion hin Ausreden geben.

Wem traut ihr es am ehesten zu, Nati-Startelfmittelstürmer in Brasilien zu werden, Sportsfreunde?

Königliche Träume und Prinzenrollen

Thomas Kobler am Montag den 9. September 2013


Stemmen sie das Ding oder nicht in Madrid, rätselte man lange. Dann war es raus. 100 Millionen Euro ist die neuste Masseinheit im Fussballtransfergeschäft: ein Bale. Alle andern nur noch ein Bruchteil oder eine Dezimalzahl davon. Wie es einem leichter geht zum Rechnen. Selbst für Fussballfreunde sprengten die Rekordsummen von letzter Woche beinahe die Vorstellungskraft, so absurd hoch erschienen sie für sich betrachtet. Aber damit kratzt man eben nur an der numerischen Oberfläche. Die wahren Gründe lagen tiefer.

Unter José Mourinho hat Real in der vergangenen Spielzeit schlicht und einfach versagt. In der spanischen Meisterschaft weit abgeschlagen hinter dem Erzrivalen FC Barcelona zurück, die Copa del Rey an Stadtrivale Atlético verloren und in der Champions League von Borussia Dortmund zuerst in der Gruppenphase und dann besonders schmerzvoll im Halbfinale bezwungen – trotz aller Stars auf dem Feld und der Bank. Das Real-Team 2012/2013 war eine Loser-Truppe ohne Zukunft.

Mit der ihm eigenen Konsequenz und in bester, absoluter Tradition entschied der Präsident der Königlichen, Florentino Pérez, dass ein Neuer auf die Bank muss, und die Mannschaft zerschlagen und neu aufgebaut werden soll. So renovieren spanische Baulöwen – wenn möglich auf Pump. Weil Real und Barça aber keine gewöhnlichen grossen Fussball-Clubs, sondern Spaniens bekannteste Markenartikel sind, und die Primera División sowie die Furia Roja, abgesehen von Sex und Wetter, bald noch die einzigen Freuden im krisengeschüttelten Land bleiben, drückte das offizielle Spanien bei diesem aufsehenerregenden Vorhaben beide Augen zu. Der öffentliche Protest erscholl zwar kurz, ebbte aber sogleich wieder ab. Damit und mit Bales glanzvoller Präsentation vor dreissigtausend Fans im Bernabéu: «Ein Traum wird für mich wahr, Spieler von Real Madrid zu sein. Vielen Dank! Auf gehts, Madrid!», war die Sache fast gegessen und etwas überzahlt.

Fast – denn so viel Geld hatte es real nicht einmal in der königlichen Schatulle in Madrid. Dafür in der Kabine begehrte Handelsware. Manchester United wollte Khedira, Arsenal hatte schon länger ein Auge auf Mesut Özil geworfen und Higuaín, Albiol und Callejón hatte man schon für ca. 60 Millionen Euro im Trio-Pack nach Napoli vertickt. Weil sich Manchester aber zu spät entschied, und das Verletzungspech Khedira plötzlich unabkömmlich machte, musste man nicht ganz freiwillig – aber auch nicht gegen spürbaren Widerstand von Trainer Carlo Ancelotti – Özil verkaufen, damit die Kasse netto einigermassen stimmte.

50 Millionen-Mann Özil zeigte sich überrascht, aber dann auch wieder nicht: «Ich habe in den letzten Tagen gemerkt, dass ich das Vertrauen des Trainers nicht habe.» Ronaldo war nach traurig im letzten September diesmal wütend darüber, seinen besten Passgeber zu verlieren, und Ramos beklagte: «Wenn ich in dieser Angelegenheit etwas zu sagen gehabt hätte, wäre Özil einer der letzten gewesen, die Real verlassen müssten.»

Da war Bale schon breit grinsend aus dem vergleichbar bescheidenen Nord-London im Fussball-Wunderland angekommen, und Özil Richtung Arsenal abgereist. Ein fast schon märchenhafter Ausgang dieser Geschichte. Nun muss Ancelotti nur noch den Champions-League-Titel und die spanische Meisterschaft erringen, der Fan-Shop ungefähr 750’000 Bale-Trikots verhökern, und sie lebten glücklich und zufrieden.

Normaler Wahnsinn oder eiskalte Berechnung, Sportsfreunde?

Eine neue Zeitrechnung

Thomas Kobler am Montag den 2. September 2013
FCB-Spieler Taulent Xhaka während des Spiels gegen Ludogorez, 27. August 2013. (Keystone/Georgios Kefalas)

Die Qualifikation für die CL-Gruppenphase spült viel Geld in die Kasse: FCB-Spieler Taulent Xhaka (M.) während des Spiels gegen Ludogorez, 27. August 2013. (Keystone/Georgios Kefalas)

Mit dem Sieg des FCB am vergangenen Dienstag begann für den Schweizer Fussball eine neue Zeitrechnung:  post Ludo(gorez). Die rund 20 Millionen aus der anstehenden Champions-League-Gruppenphase, die sich im Erfolgsfall noch deutlich erhöhen könnten, verschaffen dem Club vom Rheinknie eine nie dagewesene Beinfreiheit. Er hat Geld, viel Geld, und die hiesigen Konkurrenten haben praktisch keins. Einige unter ihnen nicht einmal ein – aus ihrer Sicht – zukunftstaugliches Stadion oder tragfähiges Konzept. Blickt man noch etwas weiter voraus, könnte sich der Graben zwischen den Baslern und dem Rest der Liga sogar noch weiter verbreitern und vertiefen. Die Konsequenzen daraus sogar «Undenkbares» bewirken.

Falls der FCB diese Saison auch den Meistertitel erringen würde, könnte die Konstellation, dass die Schweiz auf Platz 13 der relevanten UEFA-Länderwertung liegt, dazu führen, dass sich der Schweizer Meister durch Nachrücken auf 12 direkt für die nächste Champions-League-Gruppenphase qualifizieren würde. Vorausgesetzt der europäische Champion 2013/14 erreicht in seiner Liga ebenfalls einen der Plätze, die zur direkten Qualifikation für den nächsten Wettbewerb berechtigen. Wieder hätte man einen ähnlichen Betrag auf sicher. Mit Blick auf die üblichen Verdächtigen ist diese Wahrscheinlichkeit  fast schon Sicherheit. Damit liesse sich theoretisch die teuerste Basler Mannschaft aller Zeiten zusammenstellen und finanzieren. Die nationale Konkurrenz in der jetzigen Form bliebe wohl auf Jahre abgeschlagen und relativ aussichtslos hinter dem FCB zurück.

In Fussball-Zürich wären die zu erwartenden Erschütterungen so stark, dass wahrscheinlich sogar die Mauer zwischen dem FCZ und dem GCZ nicht nur ins Wanken käme, sondern sehr wahrscheinlich massiv zu bröckeln begänne. Alleine käme man wohl mit den verfügbaren finanziellen Mitteln praktisch nie mehr in die Nähe des Meistertitels. Die «undenkbare» Fusion würde unausweichlich, um nicht in der Bedeutungslosigkeit oder sogar ganz zu verschwinden. Am Ende schaffen wirtschaftliche Realitäten immer Tatsachen – überholte Traditionen oder Emotionen hin oder her.

Der Basler Mohamed Salah im Zweikampf mit YB-Spieler Scott Sutter, 1. September 2013. (Keystone/ Gerogios Kefalas)

Wie lange wird YB noch mit Basel mithalten können? Im Bild: Der Basler Mohamed Salah im Zweikampf mit YB-Spieler Scott Sutter, 1. September 2013. (Keystone/ Gerogios Kefalas)

Beim gestrigen Gegner Young Boys wäre man wieder gezwungen massiv aufzurüsten, um künftig der letzte halbwegs ernsthafte Widersacher der Basler zu bleiben. Nur mit der Fähigkeit Schweizer Meister zu werden, und dann auch in der Champions League ab und an direkt die Gruppenphase und die damit einhergehenden Prämien zu erreichen, liessen sich grössere und äusserst riskante Investitionen in den Berner Fussball überhaupt rechtfertigen. Alle andern Vereine müssten sich damit abfinden, bestenfalls um die Europa-League-Plätze zu spielen, was der Gesamtattraktivität der Liga bei der Vermarktung – SRF-Stichwort «Dorftheater» – gewiss nicht weiter zuträglich wäre.

Der gestrige vier Minuten netto dauernde Konkurrenzkampf um die Herrschaft in der Super League gab einen ersten Vorgeschmack. Möglicherweise eines der letzten Spiele, in dem die beiden Teams mit einigermassen gleichwertigen Spielern aufeinander losgehen konnten. Tritt das oben Skizzierte ein, dann gibt es für den FCB in naher Zukunft nur noch internationale Herausforderungen – alles Hiesige würde dann nur noch zu Pflichtterminen, die es so ökonomisch wie möglich abzuhaken gälte. Die nächste Stufe der Basler Zielsetzungen wäre dann die Fähigkeit, regelmässig die europäischen Finalrunden zu erreichen und das mit Chancen.

Wird der mögliche Quantensprung des FCB die Fussball-Landschaft hierzulande bald umpflügen, Sportsfreunde?

Spreu und Weizen

Thomas Kobler am Montag den 26. August 2013
valentin stocker

Bleibt er Basel treu? Valentin Stocker bejubelt seinen Treffer gegen Tel Aviv. (Bild: Ennio Leanza/Keystone)

Diese Runde war die erste Zwischenprüfung der laufenden Super-League-Saison. Die Begegnungen des sechsten Spieltags lieferten noch einmal aufschlussreiche Antworten, bevor sich die Transferperiode am 31. August ihrem Ende nähert, und die weitere Entwicklung bis zum Abschluss der Vorrunde nicht mehr mit externer Hilfe beeinflusst werden kann. Lassen wir also die Zwischentabelle zu Wort kommen:

Der FC Sion hat diese Saison nur noch drei Gegner – Lausanne Sports, Christian Constantin und sich selbst. Drama in den Alpen – CC und sein Club gehörten eigentlich in die «Glückspost» mit ihren Geschichten. In Lausanne, dem andern welschen Krisenherd, sieht es noch schlechter aus. Erstaunlich, während die Genferseeregion wirtschaftlich blüht, geht der Spitzenfussball dort den Bach runter.

Verlässt man das Tal der Tränen, gelangt man in jene Region, die sich im weiteren Verlauf der Spielzeit in diesen schrecklichen Ort namens Tabellen-Niemandsland verwandeln wird. Nach hinten ist die Sache meist klar und nach vorne leider auch. Länger als dort kommt einem die Saison nirgends vor. Aarau wird sich dort tummeln, aber als Aufsteiger hat das böse Spiel wenigstens Neuigkeitswert, und die Challenge League ist ein noch gruseligerer Ort. St. Gallen wird von dort auch nicht wegkommen, solange sie ihre Chancen nicht verwerten können und das Passspiel nicht schneller und genauer wird. Gestern stand der FCZ so weit vom Gegner weg, wie ein Fluggast am Seehafen, und das ordentliche Spiel gegen Spartak sollte nicht überbewertet werden – die Moskauer waren bieder. In diese Gruppe gehört momentan auch noch der FC Thun,  aber wenigstens sind die Berner Oberländer unterhaltsam. Hinten undicht und vorne unerschrocken bis verwegen. Da muss man kein Raketenwissenschaftler sein, um festzustellen, wo der Hebel anzusetzen wäre. Und siehe da.

Mit «hit and miss» wird im Mutterland des Fussballs das Erratische umschrieben. Der FCZ könnte bei der Schaffung dieses Idioms Pate gestanden haben – oder Salah. Gegen den Meister siegen und gegen St. Gallen stagnieren – der FCZ bleibt sich treu und höchstens in der Mitte der Rangliste.

GC kämpft noch immer mit der alten Schwäche – zu wenig Durchschlagskraft. Skibbe macht, was seine Angreifer anbelangt, einen ähnlich hilflosen Eindruck wie Forte zuvor. Liegt es vielleicht doch an den Spielern? Allerdings denke ich, dass es doch menschenmöglich sein müsste, Anatole und Ben-Khalifa tödlichere Abschlüsse beizubringen. Gegen YB klappte es mit viel Dusel auch nur auf den letzten Drücker, weil von Bergen schlief. Dennoch, GC bleibt unbequem und dran.

Basel lässt wegen dem zukunftsweisenden Rückspiel gegen Ludogorez Rasgard in Luzern zwei wichtige Punkte liegen, aber YB verpasst es, die Big Points zu machen. Im Spitzenkampf bestätigte die Luzerner Wundertüte der Saison mit einem mehr als glücklichen Unentschieden gegen die fast sicheren Champions-League-Teilnehmer aus Basel ihre wiedergefundene Heimstärke. Schöne Wende am Vierwaldstättersee. Ab Wochenmitte wird der FCB mit weiteren 20 Millionen im Rücken sicherstellen, dass die direkte Champions-League-Teilnahme 2014/15 nicht unnötig in Gefahr gerät. Lassen wir uns überraschen, wer als weitere Verstärkung(en) bald in Rot-Blau die Jagd auf die Young Boys aufnehmen soll – oder zu Schalke wechselt.

Geht oder bleibt Stocker – was tippt ihr, Sportsfreunde? Und wann wird YB (wie üblich) abgefangen werden?

Tiki-Taka ist tot

Thomas Kobler am Samstag den 24. August 2013

Mit dem krankheitsbedingten Ausscheiden von Tito Vilanova endete wohl auch die Ära des stilbildenden katalanischen Tiki-Taka, das aus dem FC Barcelona das Musterbeispiel für modernen Fussball schlechthin machte und der spanischen Nationalmannschaft endlich die so lang ersehnten Titel brachte. Damit könnte ab dieser Saison aber Schluss sein – sogar bei beiden.

In Barcelona tritt ein neuer Trainer sein Amt an, der von weit aussen kommt – den Newell’s Old Boys aus Rosario, Argentina, um genau zu sein. Gerardo Martino will zwar gemäss eigener Aussage den Stil seiner Vorgänger beibehalten, aber das genügte in den vergangen zwei Saisons immer weniger, um den hohen katalanischen Titelansprüchen gerecht zu werden. Zudem hat man mit Neymar ein aufregendes Angriffselement eingekauft, das auch richtig bedient werden muss, damit es Wirkung erzielt. Genügt dazu das Mittelfeld-Dreieck aus Busquets, Iniesta und dem alternden Xavi noch? Und war der Verkauf von Thiago Alcántara nicht auch eine kleine Absage an die Zukunft des Tiki-Taka? Man darf gespannt sein auf Messi & Co. unter Martino.

Weil Totgesagte sprichwörtlich aber oft noch länger leben sollen, hat sich der Zerstörer der alten Ordnung – der FC Bayern – auf die neue Saison hin den Maestro des Tiki-Taka auf die Trainerbank geholt und spielt, so wie es bis jetzt den Anschein macht, den Retter einer aussterbenden Kunst. Mit Pep Guardiola soll noch mehr als das historische Triple der letzten Spielzeit erreicht werden – quasi die Steigerung des Superlativs. In der FAZ stand jüngst, dass im Wachzustand in Guardiolas  Kopf Spielideen fast wie Flipperkugeln konstant umher sausen, und er daraus versucht das Beste für seine Mannschaft herauszufiltern. Beim Flippern, wie beim Kicken, ist es toll, wenn die Kugel weit weg von dir schnell hin und her flitzt und punktet, aber tödlich, wenn sie oft in der Mitte auf dich zu rollt. «Game over» kann es dann schnell mal heissen. In der letzten Saison verhinderte das Jupp Heynckes’ 4-2-3-1 und Bastian Schweinsteiger zusammen mit Javi Martínez nahezu perfekt. In der neuen soll zu Beginn ein – ja was eigentlich? – zum Erfolg führen. Wird das Tika-Taka nicht nur vor dem Aussterben bewahrt werden  können, sondern gar noch auf eine höhere Ebene gehoben? Der Glaube war schon immer stark in München, wo im Zweifel gilt: Mia san mia.

In Madrid soll es eine blitzschnelle, wuchtige und sündhaft teure Flügelzange aus Ronaldo und Bale wieder richten. In Dortmund generell blitzschnelle Angreifer auf allen Positionen.  Bei Chelsea bastelt Mourinho noch, aber Tika-Taka hasst der «Special One» nach den bestenfalls durchzogenen Jahren in Madrid. In Manchester passt bei Rot und Skyblue noch zu wenig, und im Emirates zaudert Wenger weiter. Juve hat sein Mittelstürmerproblem mit Llorente und Tévez wohl behoben, aber Tiki-Taka ist keine Piemonteser Spezialität. Die Fiorentina geht gar den klassischen Weg und setzt mit Gomez auf den grossen Goalgetter am Boden und in der Luft. Und in Paris könnten Ibra und Cavani zu einem weiteren tödlichen Stosstrupp werden.

Wohin man blickt, das erfolgreichste Konzept im Fussball der letzten Jahre findet keine neuen Nachahmer – sieht man einmal von den Münchnern ab, aber die zählen nicht, weil die haben sich ja dessen Erfinder auf die Bank geholt. Die Aufrüstung in der laufenden Transferperiode war ja geradezu hemmungslos. Wenn sich daraus nichts Stilbildendes entwickeln würde, dann wäre ich echt enttäuscht.

In welche Richtung wird die Taktik-Reise abgehen – was denkt ihr, Sportsfreunde?

Der Vater aller Dinge

Thomas Kobler am Montag den 12. August 2013

…ist der Krieg, philosophierte Heraklit vor ungefähr 2500 Jahren. Ob solche Gedanken vielleicht auch die beiden Trainer im Vorfeld von FC Basel gegen FC Zürich beschäftigten? Beide mussten sie noch unter der Woche schwer um ihre Saisonziele kämpfen. Murat Yakin kam in Tel Aviv noch einmal mit einem blauen Auge davon, aber für Urs Meier ist die Zeit der internationalen Feldzüge schon jetzt wieder vorüber. Dabei hat die Saison noch kaum richtig begonnen. Gestern standen sich also im epischsten Schweizer Fussballstädteduell ein ganz leicht angezählter und ein geschlagener «Feldherr» mit ihren Mannschaften gegenüber. Um ihre Vormachtstellung zu verteidigen, brauchten die Rot-Blauen den Heimsieg. Alles andere hätte angesichts der Berner Siegesserie für etwas Murren gesorgt auf den Rängen. Die Zürcher aber brauchten die volle Punktzahl noch mehr, um sich nicht schon nach nur fünf Runden vorläufig aus dem Super-League-Meisterschaftsrennen verabschieden zu müssen. Obwohl die Spielzeit noch sehr lang scheint – in Basel stand bereits eine erste, wegweisende Entscheidungsschlacht an.

Weil seine Mannschaft, ausgenommen Yann Sommer, im Moment nur Mittelmässiges zu Wege bringt, durfte man gespannt sein, wie Yakin die Aufgabe zu lösen gedachte. Urs Meiers Truppe leidet bisher daran, dass ihre Unerfahrenheit sie immer wieder unnötig in Bedrängnis bringt, und bis gestern keiner da war, der dann das Heft sicher in die Hand nehmen und in kritischen Momenten erst Widerstand und dann die Wende erzwingen könnte. Das FCZ-Trikot für solch einen Anker wurde gestern allerdings andeutungsweise wieder gefüllt und trug die Nr. 10.

Basel begann die Partie selbstbewusst und offensiv ausgerichtet wie es sich daheim für einen Meister geziemt, und die viel zu weit vom Gegner wegstehenden Zürcher hielten diesem Druck nur sechs Minuten stand, dann lagen sie 1:0 zurück. Danach verfiel der FCB allerdings wieder in sein behäbiges Passspiel, das zwar hübsch aussieht, aber vierzig Meter vor dem gegnerischen Tor eben nicht besonders gefährlich ist. Die Zürcher nahmen die Einladung zum Mitspielen überraschend an und drehten in der Folge das Spiel in ein 1:2. Die Basler hatten dem erstaunlicherweise nichts Überzeugendes entgegenzusetzen und verschenkten einen sicher geglaubten Sieg.

Das schwache defensive Mittelfeld des FCZ lässt die Verteidigung  zwar immer noch nicht gut aussehen, aber nach vorne sind die Zürcher schneller als die meisten in der Liga. Mit Pedro Henrique entwickelt sich beim FCZ auch wieder ein Spielmacher. Jetzt muss nur noch ein abwehrstarker Sechser gefunden werden, und der FC Zürich wäre wieder bei den Leuten.

Der FCB ist schlicht zu langsam. Hohe Passsicherheit kann nur ungenügend in Tempo umgemünzt werden – sieht man einmal von Salah ab, aber der trifft ja praktisch nie. Sollte Stocker noch nach Schalke wechseln, was ich als gar nicht unwahrscheinlich einstufe, wären die Champions-League-Träume ernsthaft in Gefahr. Ob aus Raúl Bobadilla noch rechtzeitig ein Aktivposten wird, ist völlig offen. Folglich könnte der FCB massiv unter Zugzwang kommen. Pikanterweise  ist ausgerechnet jetzt Mladen Petric auf dem Markt, und der böte relativ pflegeleicht alles, was es für die Basler Pläne in dieser Saison braucht. Kann man so eine Gelegenheit wirklich vorbeiziehen lassen, wenn man in die Champions League will und Probleme mit dem Tempo, im Sturm und im Abschluss hat sowie nach fünf Runden schon sieben Punkte hinter YB liegt?

Wie seht ihr das, Sportsfreunde?

Sion säuft ab!

Thomas Kobler am Montag den 5. August 2013

Dass in Sion längst nichts mehr läuft, wie es in einem Fussballverein sollte, ist an sich keine Neuigkeit. Aber wie sehr sich der Verfall seit dem Start der neuen Meisterschaft beschleunigt hat, ist beängstigend. Die Tabelle lügt mal wieder nicht. Sion-Präsident Constantin fährt seinen eigenen Verein sehenden Auges an die Wand, weil er vollkommen den Überblick verloren hat. Der Totomat ist zwar ein brauchbarer Indikator am Ende eines Spieltags, aber natürlich ein völlig ungeeignetes Instrument zur Clubführung. Ein Fussballverein ist etwas komplexer, als es die Anzeigetafel in der Stadionecke auszudrücken vermag.

Gestern wurden die Walliser vom anderen Chaos-Verein der letzten Saison knapp besiegt und weiter ins Tabellenelend gestürzt. Im Gegensatz zum Walliser, sahen die Luzerner Verantwortlichen ihre bescheidene fussballerische Kompetenz gerade noch rechtzeitig ein und wandten sich in der Not an einen absoluten Profi. Natürlich kann Alex Frei auch keine Wunder bewirken – zumindest nicht in so kurzer Zeit – aber es gelang ihm, mit wenigen Massnahmen den entgleisten FCL wieder zurück auf die Spur zu stellen. Und das auch noch in die richtige Richtung. Wahrscheinlich ist Vereinsarchitektur bei Fussball-Profis eben doch in besseren Händen als beim baunahen Gewerbe.

Der Spielverlauf ist schnell erzählt: Der einzige Luzerner, der gestern das Prädikat Rumpelfüssler nicht verdiente, haute die Kirsche kurz vor Schluss aus der Nahdistanz gedankenschnell in die Maschen. Das genügte. Mehr als Aussie Bozanic war da nicht in fünfundneunzig unglaublich drögen Spielminuten, in denen Sion eigentlich die bessere Mannschaft war. Sie spielten einen feinen und fast perfekten «Catenaccio» – aber leider konnten sie nur das. Wie man einen Angriff führt, hatte der Trainer der jungen Mannschaft noch nicht beibringen können. Die Methodik – wie auch die guten Geister – haben das Tourbillon längst verlassen. Nebenbei, der FCL lebt tabellenmässig weit über seine Verhältnisse, aber hat mit Bozanic einen wahren Glücksgriff getan.

Was jetzt kommt, ist absehbar: Michel Decastel wird seinen Trainerstuhl mangels Spielmacher wieder räumen müssen, und der nächste Lebensmüde bzw. Arbeitslose wird in Sion einen ordentlich dotierten Kurzzeit-Trainervertrag mit einem hohen Schmerzensgeldanteil unterschreiben. Ändern wird sich allerdings nicht viel. Weil das Fundament in den vergangenen zwei skandalträchtigen Spielzeiten so geschleift wurde, dass es derzeit nicht mehr trägt, steht man beim FC Sion auf verbrannter Erde – um nicht zu sagen im Schilf. Man hat dermassen die Orientierung verloren, dass man sich nicht einmal mehr zutraut, mehr als einen Ausbildungsschritt auf einmal zu schulen. Gegenüber dem FC Sion kann man nur noch eines empfinden: Mitleid.

Kann jemand, der so unbegabt ist in Vereinsführung sonst ein erfolgreicher Geschäftsmann sein? Alles in mir sträubt sich, das zu glauben, aber im Wallis wären die Uhren wohl das wenigste, das dort anders geht. Aus seinen Ferien in Griechenland – welch passender Ort für gescheiterte Präsidenten – deklariert Herr Constantin den totalen Absturz als «Übergangssaison» und macht ein Manko im Sturm aus, wenn schon das Mittelfeld völlig kopflos ist. Der Untergang war geschichtlich gesehen schon immer die Blütezeit der krassen Fehleinschätzungen und Schönfärberei.

Ist der FC Sion noch zu retten, Sportsfreunde?

Star Trek trifft auf Berner Platte

Thomas Kobler am Montag den 29. Juli 2013


In ihren neuen Trikots sehen die YB-Kicker aus wie die Firmenmannschaft des Sternenflotten-Kreuzers Laureus. Richtig goldig. Wird in Bern endlich weniger unterirdischer Fussball zu sehen sein diese Saison? Ist Uli Forte mehr Kirk als Khan? Wird es im Frühjahr vielleicht mal heissen: «Bringen Sie uns auf Meisterschaftskurs, Mr. Kubo»? Liegen dann auch wieder Warp-Reisen in die unendlichen Weiten des Uefa-Raums drin, oder weiterhin nur Impuls-Trips nach Basel, Aarau, Zürich oder ins trainerlebensfeindliche und zerfallende Sion? Und wer würde sich als das Schlitzohr an Bord herausstellen? Fussball ist keine Science, aber für Fiction ist er perfekt – besonders zu Saisonbeginn.

Die Thuner versuchten in der gestrigen Episode die heurige goldige Berner Generation zu schlagen. Zwar nicht urplötzlich – der Spielplan der Super League taugt einfach nicht für spontane Begegnungen – aber immerhin unberechenbar tauchten sie auf dem Schirm des Stade de Suisse auf. «Fischer voraus!», hatte man sich schon die ganze Woche über in Bern auf die Untertanen von weiter oben am Fluss gefreut. Dass die grad auch noch siegtrunken nach gewonnenem Kampf in Georgien angeflogen kamen, machte die Aufgabe nicht leichter.

Die Ausgangslage vor dem Spiel liess keinen Sportsfreund kalt im Kanton. Die Mannschaften waren heiss aufs Derby, und die Temperaturen im Stadion deuteten es an: Bei YB bereitet man sich wieder konsequent auf einen Platz an der Super-League-Sonne vor, auch wenn es dann erstmal regnete.

Die Dramaturgie der ersten Halbzeit war Star Trek pur. Forte in der Coaching-Zone – seiner Brücke – erlebte, wie seiner Mannschaft trotz anfänglicher Ueberlegenheit die Situation völlig entglitt. Die aussergewöhnlich talentierte Leihgabe aus den eigenen Reihen, Josef Martínez, sorgte dafür, dass die Young Boys nach 35 Minuten mit zwei Toren hinten lagen. Das erste drehte er selbst kunstvoll ins lange Eck, beim zweiten machte er die Vorarbeit, die Knipser Schneuwly eiskalt abschloss. In der Halbzeit legte Forte dann einen veritablen Kirk-Trick hin, um den Kopf wieder aus der Schlinge zu kriegen. «Bringen Sie uns auf die Siegerstrasse, Mr. Kubo», könnte er typischerweise in der Kabine befohlen haben. «Aye, Sir!», könnte Yuya Kubo geantwortet haben, ging raus und glich mit zwei Toren aus. Moreno Costanzo gelang dann noch ein Kunstschuss ins Ziel, der selbst Pavel Chekov an der Phaserkanone in Verzückung versetzt hätte. Das Unheil abgewendet, das Spiel gegen einen starken Gegner gedreht und die Tabellenspitze behauptet: So geht Happy End.

Eigentlich kaum auszudenken, wenn die Young Boys sich nicht immer selbst mit den wahrscheinlich dümmsten Transferideen des Universums am Meisterwerden hindern würden. Yapi im blödsten Moment verscherbelt, Doumbia im blödsten Moment abgegeben und jetzt auch wieder Martínez im blödsten Moment an Thun ausgeliehen – von Bürki fang ich gar nicht erst an. Anders die Thuner. Res Gerber agiert fast schon virtuos auf dem Spielermarkt, gemessen an seinen finanziellen Möglichkeiten. Urs Fischer lässt spielen, was die Mannschaft kann: defensiv aufsässig und kraftvoll, offensiv brandgefährlich im Umschaltspiel. Die Mitte lässt man am liebsten aus, das würde nur bremsen. So sind die Oberländer ein ganz unangenehmer Gegner.

Tja, wer solche Spiele drehen kann, könnte … – wie geht der Satz und die Saison für YB und auch für Thun weiter, Sportsfreunde? Fiction erlaubt.

Gurken- und Nietenliga?

Thomas Kobler am Montag den 22. Juli 2013
Marco Streller von Basel, rechts, kaempft um den Ball mit Daniel Pavlovic von GC, im Fussballspiel der Super League zwischen dem Grasshopper Club Zuerich und dem FC Basel, am Sonntag, 21. Juli 2013, im Letzigrund in Zuerich. (KEYSTONE/Ennio Leanza)

Der FCB scheint nicht mehr so souverän: Basel-Spieler Marco Streller (r.) kämpft mit Daniel Pavlovic von GC um den Ball, 21. Juli 2013. (Keystone/Ennio Leanza)

Wer abschätzig über die Super League urteilt, dem erschliesst sich die im Detail innewohnende Schönheit nicht. Oder man kultiviert dumpfe Polemik, weil man vom grosse Ligen-Schauen Mass und Ziel aus den Augen verloren hat. Trotz ihrer Unzulänglichkeiten ist die Super League eine sportlich interessante, ja sogar spannende Meisterschaft. Auch wenn es in den letzten Jahren einen dominanten Verein gegeben hat, so musste dieser oft genug bis in die letzten zwei, drei Runden strampeln, bevor der Meisterpokal auf dem Balkon am Barfüsserplatz in die Höhe gereckt werden konnte.

Wie es diesmal ausgehen wird? Keine Ahnung, ich bin nicht Madame Etoile. Was sich aber schon nach den ersten beiden Runden der neuen Meisterschaft  andeutet, ist ein wahrscheinlich zweigeteiltes Rennen:

Die Torschuetzen Artur Ionita, vorne, und Remo Staubli vom FC Aarau jubeln, beim Super League Spiel zwischen dem FC Aarau und dem FC Luzern, am Samstag, 20. Juli 2013, auf dem Bruegglifeld in Aarau. (KEYSTONE/Sigi Tischler)

Der FC Aarau wird kaum um die vorderen Plätze mitkämpfen: Aarau-Spieler Artur Ionita feiert ein Tor gegen Luzern, 20. Juli 2013. (Keystone/Sigi Tischler)

Aarau, Lausanne, Luzern, Sion und St. Gallen werden den Abstieg unter sich ausmachen, und die andern fünf die Meisterschaft und die europäischen Plätze. Weil den Clubs dieser Gruppe entweder ein Spielmacher, ein Torjäger oder beides fehlt, werden sie mit den vorderen Rängen nichts zu tun haben.  Auffallend ist allerdings, dass keine dieser Mannschaften in den Direktbegegnungen untereinander chancenlos ist, und deshalb steht möglicherweise ein pickelharter Abstiegskampf an,  in dem jeder Punkt zählt. Das werden vermutlich nicht die schönsten Spiele werden, aber weil in dieser Gruppe Niederlagen gegen die andern Abstiegskandidaten verboten sind, müssten das Kämpfe auf Biegen und Brechen werden. Das hat durchaus auch seinen Reiz und Spannung.

Der FCB hat sich gegenüber der Rückrunde nominell kaum verstärkt (Delgados Einfluss später muss abgewartet werden). Kurze Rückblende: Gegen GC verlor Basel den Cup und fast auch die Meisterschaft. Gegen den FCZ seit Jahren erstmals wieder ein Spiel und auch Thun bezwang die Basler am 17. und erzwang ein Remis am 28. Spieltag. Weil jetzt YB auch nicht mehr grossspurig von Phasen fabuliert und Spieler, die nicht das Erwartete brachten, sogar noch für gutes Geld loswurde und Stabilität zukaufen konnte, gibt es unter meinen Top-Fünf vier Clubs, die Rot-Blau wahrscheinlich eher näher gekommen sind. Und wie weiss doch der Volksmund: Viele Jäger sind des Hasen Tod.

Fabian Frei von Basel, Mitte, kaempft um den Ball mit Anatole Ngamukol, rechts, und Nassim Ben Khalifa, rechts, von GC, im Fussballspiel der Super League zwischen dem Grasshopper Club Zuerich und dem FC Basel, am Sonntag, 21. Juli 2013, im Letzigrund in Zuerich. (KEYSTONE/Ennio Leanza)

GC will an Basel dranbleiben: Fabian Frei (M.) wird von GC-Spielern Anatole Ngamukol (l.) und Nassim Ben Khalifa in die Mangel genommen, 21. Juli 2013. (Keystone/Ennio Leanza)

Einen Vorgeschmack lieferte gestern die Cup-Final-Revanche im Letzigrund. Der personell  weiterhin etwas schwindsüchtige GC wurde gleich im zweiten Spiel auf Herz und Nieren geprüft. Sie bestanden den Test mehr als ordentlich. Gegen ballsichere, aber kreativ unauffällige Basler zeigten die Grasshoppers die bessere Spielanlage. Skibbe machte den Aussenverteidigern Beine und Ben-Khalifa hat endlich das Spiel vor sich. Das Resultat war zwar nur ein für den FCB schmeichelhaftes Unentschieden, aber Murat Yakin wird die Botschaft verstanden haben. Und der Grund für Delgados Rückkehr ist alles andere als Sentimentalität: Das Basler Mittelfeld könnte schon länger einen zünftigen Schuss Spielwitz vertragen. Das war trotz Hitze prima Sommerfussball gestern.

Super League oder doch Gurkenliga, wie siehts aus, Sportsfreunde?