Noch kann man nicht sagen, ob die paar fehlenden Zentimeter Yann Sommer (183 cm) zum Glücksfall oder zum Pechvogel machen werden. Aber eines ist klar: Sie haben einen entscheidenden Einfluss auf seine Karriere. Noch im Sommer war er einer der meistgehandelten Kandidaten für einen Wechsel aus der Super League in eine der europäischen Top-Ligen. Mittlerweile sind die warmen Tage vorüber, und das Transferfenster mit Blick auf den Winter ist wieder geschlossen. Damit tritt der Goalie des FC Basel ziemlich auf der Stelle. Dasselbe passiert ihm auch international: In der Nati ist Sommer Ersatz von Stammkeeper Diego Benaglio (194 cm), und in den grossen Cup-Wettbewerben scheint er in letzter Zeit immer gegen Chelsea zu spielen. Das allerdings hochklassig.
Für den FCB ist Sommers mindere Grösse ein wahrer Segen. Sie hält die Interessenten noch ab, die sich sonst wohl schon längst auf dieses Torhüterjuwel gestürzt hätten. Aber unter 188 Zentimetern fliegst du heute meist unter dem Radar der Clubs, die auch Sommer reizen könnten. Der FCB ist ein kleines Paradies im hektischen Fussball-Betrieb. Auch wenn es zwischendurch einmal donnert, so ist man doch geneigt zu glauben, dass die Rot-Blauen besser geführt sind als eine japanische Reisegruppe aufs Jungfraujoch. Es wird ein abwechslungsreiches Programm mit regelmässigen europäischen Ausflügen geboten, und das Brot- und Buttergeschäft Super League ist abgesehen von diesen vermaledeiten Sommermonaten, in denen auf dem Platz kaum je etwas schön zusammenläuft, recht angenehm. Bis man dann im Winter wieder im verschneiten St. Gallen oder im zugigen Letzigrund antreten muss. Was übrigens dem Zürcher Stimmvolk knapp recht zu sein scheint. In so einem Umfeld kann man es sich mit branchenüblicher Anstrengung schon gut gehen lassen: hochanständiges Salär und Prämien, abwechslungsreicher Arbeitsalltag und flotte Kollegen aus allen Herren Ländern. Wer würde da nicht zuweilen über sich hinaus- oder anwachsen wollen?
Der Einzige, der dieses Idyll etwas trüben könnte, misst 187 cm und trägt bei der Arbeit mit Vorliebe Barbie-Rosa. Im Kampf um die Nachfolge des nach wie vor unbestrittenen Benaglio ist Yann Sommer ein ernstzunehmender Konkurrent erwachsen: Wenn auch nur vier Finger breit grösser als Sommer, gehört Roman Bürki im GC-Tor zu jenen seltenen Wesen, die man Scheinriesen nennt. Je weiter weg man auf der Tribüne sitzt, desto grösser und «pinker» erscheint er einem, was ja auch wieder für den Letzigrund spräche. Wenn er sich dann noch aufplustert und Knie voran aus seinem Kasten herausstürzt, denkt man fast an Titanisches. Die rosa Urgewalt aus dem Fünfmeterraum.
Bisher sind Sommer weder die fehlenden Zentimeter noch Bürki gross im Weg gestanden. Aber die kleine Welt der Traumligen wird ihm wahrscheinlich verschlossen bleiben. Und der Kampf ums Nati-Goal wird eng werden. Dabei ist Sommer wohl nicht schlecht beraten, wenn er sich an das Schicksal von Ex-VfB-Hüter Timo Hildebrand (186 cm) erinnert, der als unangefochtene Nr. 1 im Schwaben-Tor Ikarus spielen und höher hinaus wollte als er fliegen konnte, um dann prompt in Valencia kolossal abzustürzen. Längst steht mit Sven Ulreich (192cm) ein Keeper mit Gardemass zwischen den VfB-Pfosten und macht aus Unhaltbarem Haltbares am Laufmeter. So kann es eben auch gehen.
Sind Sommers fehlende Zentimeter für ihn und den FCB ein Glücksfall? Oder wird er womöglich eines Tages bedauern, dass so wenig (die Spreizung zwischen Zeigefinger und Daumen) fehlte zur ganz, ganz grossen Karriere. Was denkt ihr, Sportsfreunde?