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SRF: Bitte neues Team einwechseln!

Simon Zimmerli am Donnerstag den 11. April 2013
Lange Bank: Auf dieser Bühne spielt das «Sportpanorama»-Drama. (Bild: PD)

Lange Bank: Auf dieser Bühne spielt das «Sportpanorama»-Drama. (Bild: PD)

Wer sich mit den SRF-Kommentatoren durch die Champions League quält, tut gut daran, sich mit einer Kanne Baldriantee oder einem Gläschen Gerstengrassaft abzusichern. Sprachliche Aussetzer wie «wenn ich eine Parade wäre, dann wäre ich gerne diese» sind keine Seltenheit. Manchem Zuschauer wäre es vermutlich lieber, Herr Ruefer, Sie wären ein über den Rist gerutschter Vollspannschuss, der weit über das Tribünendach hinaus gedroschen wird. Auch bei der künstlichen Euphorie von Dani Wyler, bei dem ich nie weiss, ob er das Spiel aus dem Stadion oder bei sich zu Hause aus einem improvisierten Studio kommentiert, will einfach keine Stimmung aufkommen. Etwas bessere Ansätze zeigt hier zumindest eine der beiden Champions-League-Runden, die zwar harmlos aber auch unverkrampft daher kommt. Ich würde zwar nicht von Expertenrunde sprechen, aber Gilbert Gress bringt mit seiner Vergangenheitsbewältigung wenigstens einen gewissen Unterhaltungswert, Raphael Wicki fussballerische Kompetenz und Rainer Maria Salzgeber ein diskussionswürdiges Arbeitstenue mit.

Das «Sportpanorama» zeigt aber im verlässlichen Wochenturnus, dass es leider auch anders geht. Als wäre meine ausfallsichere Sonntagsdepression nicht schon Ärgernis genug, drohen vor dem Einlauf der Gladiatoren zusätzlich Angstzustände. Wer begleitet mich die nächsten eineinviertel Stunden durch die Sendung? Ist es Bernard Thurnheer, der schon vor meiner Geburt für das Schweizer Fernsehen vor der Kamera stand? Ist es der aufstrebende Jann Billeter, bei dem mich stets das Gefühl beschleicht, er würde sich vor lauter Anhimmlung in seine Interviewpartner verlieben? Oder strahlt uns der immer topmotivierte Matthias Hüppi aus dem Kabinengang entgegen? Er, der mit seinem Enthusiasmus den Funken auf das Studiopublikum sofort zu übertragen vermag und die Sendung, meist wild gestikulierend, mit einem Paukenschlag wie «Jaaaaaaaaaaa, wasch nöd alles passiert da Wuchenend» eröffnet, um dann die Radball-Weltmeisterschaft zu rekapitulieren. Eigentlich wollte ich doch nur die Fussballzusammenfassung schauen.

Drei in einem (v.l.): Die Sportpanorama-Moderatoren Billeter, Thurnheer und Hüppi. (Bild: SRF)

Drei in einem (v.l.): Die «Sportpanorama»-Moderatoren Billeter, Thurnheer und Hüppi. (SRF)

Schon während des Schaaner Mountainbikerennens, welches der Schweizer Racing-Cup-Serie angehört (!) und trotzdem die gesamte Weltelite anzieht (!!), fiebere ich dem neueingeflochtenen Fussballstartschuss entgegen. Neu ist ja auch, dass der Moderator nicht mehr nur Moderator und Kommentator ist, er amtet zum Spitzenspiel jetzt auch als Experte. So kann es – wie vor zwei Wochen geschehen – zur unglücklichen Konstellation kommen, dass wir gleich zwei aus der Elefantenrunde ertragen müssen und uns plötzlich eingeklemmt zwischen Hüppi und Thurnheer auf dem Sofa wiederfinden und die Panikattacken von neuem einsetzen.

Die Fussballberichterstattung ist dann schnell erzählt; alle Sonntagsspiele – alle Tore, lieblos zubereitet und mit belanglosen Interviews gewürzt. Wohl oftmals mit Spielern, die einfach grad in der Nähe der Kameras herumstanden, obwohl uns ja vor allem die Meinungen der Protagonisten entscheidender Spielszenen interessieren würden. Es will den gelernten Journalisten auch nicht gelingen, auf die Antworten der Gesprächspartner einzugehen oder nachzuhaken, schlicht ein einfaches Gespräch mitzugestalten. Sie sind nur damit beschäftigt, die nächste Frage zu stellen ohne auf den Spickzettel schauen zu müssen oder sich – wie im Fall Billeter – zu verlieben. Auf Bilder des Vorabends mit einem attraktiven Zürcher Derby oder Hintergrundberichten zur Luzerner Krise wartet man vergebens, wie auch auf die Resultate aus der Challenge League, was nicht nur den Schweizerischen Fussballverband enttäuscht, wie uns der Kommunikationsverantwortliche vom SVF, Marco von Ah, verrät, sondern auch uns Zuschauer verärgert.

Ginge es auch anders? Nun, die Westschweizer und Tessiner Kollegen von RTS beziehungsweise RSI haben ein wesentlich kleineres Budget, orientieren sich aber bei Sportsendungen und insbesondere in der Fussballberichterstattung an den Nachbarländern und den Sendern TF1 respektive RAI1 und senden so König Fussball in einer des Königs würdigen Qualität in die Stuben. Liebe SRF-Verantwortliche, bitte werft mal einen Blick über die Landesgrenze hinaus! Im deutschen Fernsehen sehen wir professionell zusammengeschnittene Beiträge mit tollen Bildern, knackigen Zitaten und glasklaren Analysen. Und Interviews dümpeln nicht an der Oberfläche rum, sondern gehen in die Tiefe. Der Zuschauer ist auch Stunden nach dem Abpfiff immer noch mittendrin statt nur dabei. Und zwar von Beginn weg.

Das tunesische Fragezeichen

Simon Zimmerli am Donnerstag den 4. April 2013

Der Steilpass begrüsst heute einen weiteren neuen Blogger: Simon Zimmerli. Willkommen!

Yassine Chikhaoui (l.) kämpft mit dem St. Galler Stephane Besle um den Ball, 30. März 2013. (Foto: Keystone/Walter Bieri)

Wird Chikhaoui überzeugen können? Im Bild: FCZ-Spieler Yassine Chikhaoui (l.) kämpft mit dem St. Galler Stephane Besle um den Ball, 30. März 2013. (Foto: Keystone/Walter Bieri)

Ostersamstag 2013: Regen, Kälte, Wind von vorne, hinten, links und rechts. Letzigrund-Tristesse halt. Nebst dem Bier, der Elektrowurst und der freien Sicht auf die Tartanbahn gibt es aber zwei weitere gute Gründe, weshalb ich mich immer wieder hinreissen lasse, sechzig Franken für den Eintritt in das Leichtathletikstadion neben dem Schlachthof zu bezahlen; der drohende Modefanstempel und Yassine Chikhaoui. Ich will auf jeden Fall dabei sein, wenn der talentierteste Spieler, der in den letzten 80 Jahren in der Schweiz gespielt hat, endlich wieder explodiert. Wenn er – wie 2007 gegen GC – den Ball in Maradona-Manier von der Mittellinie nach vorne trägt, die Abwehrspieler wie Slalomstangen umdribbelt und seinen Auftritt 35 Sekunden nach dem Anpfiff mit dem erfolgreichen Torschuss krönt. Ich will dabei sein, wenn er erst scheinbar teilnahmslos über das Feld schlendert, um dann innerhalb von Sekundenbruchteilen ein fussballerisches Feuerwerk zu zünden. Ich will dabei sein, wenn er auf den Storchenbeinen, die seiner Geschmeidigkeit und Eleganz keinen Abbruch tun, eine Ehrenrunde dreht, wenn er den Baslern und den Grasshoppers Knöpfe in die Beine dribbelt, als sei er eine zu Fleisch gewordene Playstation-Figur.

Doch zurück in die Realität, die triste, regnerische, kalte mit Wind von vorne, hinten, links und rechts. Chikhaoui war zwar einer der besseren auf dem Platz, ist jedoch immer noch ein Schatten seiner selbst. Er hat die Bälle zwar grazil aus der Luft gepflückt und bisweilen auch schön an die Mitspieler weitergeleitet, dafür fehlte es ihm aber an Bissigkeit und an Mut, in die Zweikämpfe zu steigen. Vollkommen körperlos kann auch ein Ausnahmetechniker wie der Tunesier international nicht mehr bestehen. Chikhaoui fehlt es nach seiner epischen Krankengeschichte mit Patellasehnenproblemen, Adduktorenverletzungen, Schienbeinbruch und Muskelfaserriss an Mut und Selbstvertrauen. Die psychischen Folgen des Pechs, das ihm an den Stollen klebte, sind noch schwieriger loszuwerden als die physischen.

Yassine Chikhaoui (l.) kämpft mit dem um den Ball, 13. März 2013. (Foto: Keystone/Martial Trezzini)

Yassine Chikhaoui (l.) im Spiel gegen Servette. Rechts: Christian Schlauri, 13. März 2013. (Foto: Keystone/Martial Trezzini)

Yassine Chikhaoui ist sechs Jahre älter geworden beim FC Zürich und konnte durch seine vielen Verletzungen lediglich jedes vierte Pflichtspiel bestreiten. Mit Blick auf die Lohnliste des FC Zürichs muss Yassine Chikhaoui bis zum heutigen Zeitpunkt als Fehltransfer taxiert werden. Fehltransfers gab es so einige in jüngster Zeit beim FCZ. Ludovic Magnin war so einer. Die beiden Schweden, Andrés Vásquez und Emra Tahirovic waren zwei, die es sich mit dem stolzen Salär für die 1. Mannschaft eine lange Zeit im FCZ Nachwuchs gemütlich machten. Und wenn wir weiter zurückblicken, dann haben wir da auch noch Leihgabe Tomas Brolin, die lethargische schwedische Kugel mit glorioser Italien-Vergangenheit und den argentinischen U-20-Weltmeister Francisco Guerrero, den Ex-Präsident Sven Hotz für 3,5 Millionen verpflichtete und unter tosendem Applaus an der Hand zum Mittelkreis im alten Letzigrund führte, bevor die Ernüchterung in Form von Verletzungen und übervorsichtigen Auftritten ohne Zug zum Tor kam.

Die nächsten Spiele Chikhaouis – oder die nächsten Verletzungen – werden zeigen, wo er sich auf der Liste der grössten Transfer-Flops einreiht. Ich wäre nicht FCZ-Fan, wenn ich nicht doch noch hoffen würde. Xavier Margairaz hat schliesslich nicht umsonst gesagt, dass Chikhaoui heute bei Real Madrid spielen würde, wenn er von den verheerenden Verletzungen verschont geblieben wäre. Die Ballfertigkeit, der Antritt und die Eleganz des tunesischen Ausnahmekönners faszinieren die Super-League-Profis gleichermassen wie die Zuschauer auf den Rängen. Unvergessen, wie der Nigerianer Tico – nicht eben bekannt geworden für seine Torgefährlichkeit – den FCZ im April 2009 in der Anfangsphase gegen YB in Führung brachte, sein Trikot auszog und darunter ein Shirt mit der Aufschrift «Yassine is back» präsentierte. In jenem Spiel gab Chikhaoui nach über einem Jahr Verletzungspause ein kurzes Comeback, wo jede seiner Ballberührung vom Publikum frenetisch gefeiert wurde.

Und welcher Anlass wäre besser geeignet für Chikhaouis neuerliche Auferstehung als ein Derby gegen GC? Deshalb gehe ich am Samstag voller Vorfreude zum Derby im Rahmen der Super League und am 17. April zum Cup-Halbfinal gegen die Hoppers. Wenn Chikhaoui erst die Meister- und dann die Cup-Träume des Lokalrivalen platzen liesse, wäre dies doch fast so schön wie ein Titel. Ich warte und hoffe – wie einst bei Guerrero.

Lesen Sie morgen im Steilpass mehr über das Derby FCZ-GC.