Autorenarchiv

Wie ich GC-Fan wurde

Samuel Reber am Samstag den 9. Februar 2013

Nachdem ich geschrieben habe, dass Shaqiri ruhig für den Kosovo spielen soll, möchte ich dringend noch etwas anderes zum Thema Fussball loswerden. Ich bin Fan des Grasshopper Club Zürich. Jawohl. Auf dem Kanzlei-Areal würde ich beim Abendbier jetzt wohl gesteinigt werden. Und auch in anderen Kreisen, in denen ich mich, der vor zwölf Jahren von Luzern nach Zürich gezogen ist, bewege, liebt man den FCZ. Und versteht diesbezüglich wenig Spass. Besonnene, freundliche und gut ausgebildete Menschen mutieren innert Hundertstelssekunden zu talibanesken Zombies, hat man auch nur ein positives Wörtchen über GC fallen lassen.

Alle meine Freunde hier hängen am FCZ. Ich nicht. Auch wenn ich es probiert habe. Und ein paar mal in den Letzigrund ging, dort bei den Schlachtgesängen ein bisschen mitsummte. Rein rational habe ich viel übrig für den FCZ. Verstehen Sie mich richtig, der FCZ ist ein cooler Club. Aber vom Herzen her, da geht gar nichts. Ist alles ruhig. Keine Emotion. Für GC, für den Rekordmeister, für die «Geldsäcke», für die von der Südkurve besungene «Scheisse vom See» allerdings schon.

Unser Andy, links. Wir waren sehr stolz auf das grosse Fussball-Talent aus Luzern. Lustig auch der junge Mats Gren (Mitte). Wer ist der GC-Spieler rechts? Jedenfalls sind wir hier am 16. März 1986 bei der Partie Luzern gegen GC auf der Allmend.

Unser Andy, links. Wir waren sehr stolz auf das grosse Fussball-Talent aus Luzern. Lustig auch der junge Mats Gren (Mitte). Wer ist der GC-Spieler rechts? Jedenfalls sind wir hier am 16. März 1986 bei der Partie Luzern gegen GC auf der Allmend.

Lange habe ich darüber nachgedacht, warum das so ist. Und gemerkt, dass es zwei Gründe aus meiner Teenager-Zeit dafür gibt. Vorneweg eins: Mein Fussballer-Herz wird vom FC Luzern dominiert. In Marcel-Scheiner-Jacke und -Hose (ein paar Zentimeter hochgerollt), Blondino-Schuhen, mit gelierter Vokuhila-Frisur, Murratti-Zigaretten im Mund und zu zweit auf dem Töffli fuhren wir in den 80er-Jahren an alle Heimspiele des FCL auf die Allmend. Dort lief übrigens immer «Nikita» von Elton John. Warum weiss ich auch nicht. Nichtsdestotrotz waren ich und meine Pfadi-Freunde immer auf der Stehtribüne anzutreffen. Wir feuerten die Männer in den «Siehe LNN»-Leibchen an, tranken Eichhof-Bier, interessierten uns vor und nach der Partie neuerdings für Mädchen und fühlten uns gut. Der grösste Held der Allmend war damals der junge Stürmerstar Andy Halter. Als dieser 1988 zu den Grasshoppers wechselte, waren wir enttäuscht, freuten uns aber auch für ihn und seinen Karrieresprung. Fortan fieberte ich beim «Sport am Wochenende» bis zu seiner frühen, tragischen Sportinvalidität halt nun auch für GC und unseren Andy mit. Ist ja logisch. Das war Grund eins.

Grund zwei sind zwei Transfers in die andere Richtung. Von GC zum FCL. Von der «Scheisse» kamen 1985 Roger Wehrli und Martin Müller zu uns. Der «Club der 200» hatte an einer ausserordentlichen GV 400’000 Franken bewilligt, um die beiden plus Sigi Gretarson zu holen. Das wusste ich damals nicht, habs hier gelesen.

Er kam vom grossen GC zu uns in die Innerschweiz: Roger Wehrli, links vom Berbig mit dem Kübel. Die Grasshoppers feiern hier im Hardturm am 10. Juni 1982 einen ihrer 27 Meistertitel.

Er kam vom grossen GC zu uns in die Innerschweiz: Roger Wehrli, links vom Berbig, das ist der mit dem Kübel. Die Grasshoppers feiern hier im Hardturm am 10. Juni 1982 einen ihrer 27 Meistertitel.

Wehrli orchestrierte die Abwehr und kämpfte selber wie ein Löwe. Ihn konnte selbst heftiger Durchfall nicht vom Spielen abhalten. Einmal musste er während einem Spiel in die Kabine aufs WC rennen, der Mannschaftsarzt hinterher. Tausende von Augenpaaren folgten den beiden und bangten. Wir wussten, um was es ging. Wehrlis Diarrhö war in der Lokapresse ausgiebig thematisiert worden. Wenige Minuten später war er jedoch wieder da und hobelte und grätschte, als ob nichts gewesen wäre. Eine solche Arbeitseinstellung schätzt man auf der Allmend.

Wehrli, links, wurde auch auf der Allmend sehr geschätzt. Rechts sehen wir Peter Nadig. In der Mitte übrigens der Servettien Lucien Favre. Wer grätscht? Ich weiss es nicht. Es ist das Abschlussspiel der Luzerner Meistersaison 1989 am 10. Juni 1989.

Wehrli, links, wurde auch auf der Allmend sehr geschätzt. Rechts sehen wir Peter Nadig. In der Mitte übrigens der Servettien Lucien Favre. Wer grätscht? Ich weiss es nicht. Es ist das Abschlussspiel der Luzerner Meistersaison 1989 am 10. Juni 1989.

Sein Kompagnon Martin Müller war ebenfalls ein Schlüsselspieler und schoss in der Saison 1989 vor allem ein entscheidendes Tor – ausgerechnet gegen die Grasshoppers. Saison 1989? Richtig, die erste und einzige Meistersaison des FC Luzern. Ich war an jedem Heimspiel mit dabei. Und feierte die beiden ehemaligen GC-Helden in unseren Reihen, die zusammen mit Tschudin, Schönenberger, Marini, Kaufmann, Birrer, Burri, Mohr, Baumann, Nadig und Gretarson den Titel holten. Das schätzten wir auf der Allmend noch viel mehr. Am 10. Juni 1989 wurde in Luzern mit dem Sieg gegen Servette – übrigens Kalle Rummenigges letztes Profispiel – alles klar gemacht und wir holten den Kübel. Erinnern Sie sie sich, wie Burri mit dem Pokal auf dem Kopf zu uns Fans rannte? Und was macht eigentlich Peter Nadig, der Fussballer des Jahres wurde? Aber stopp jetzt, darum geht es hier ja nicht.

Euphorie auch dank Spielern, die von GC kamen. Erster und einziger Luzerner Meistertitel. Der Zweite von rechts in der oberen Reihe ist Martin Müller.

Euphorie auch dank Spielern, die von GC kamen. Erster und einziger Luzerner Meistertitel. Der Zweite von rechts in der oberen Reihe ist Martin Müller.

Diese prägenden Erlebnisse sind für mich jedenfalls für ewig mit den Grasshoppers verbunden. Wegen Andy, Roger und Martin. Und deshalb drücke ich GC auch heute Abend die Daumen. Sie spielen um 19.45 Uhr in Genf gegen Servette. Der Erste gegen den Letzten.

So! Das musste jetzt einfach mal erzählt werden.

Auf dass ihr Höhenflug in der laufenden Saison weitergehe: Die zurzeit sehr erfolgreichen Grasshoppers mit Trainer Uli Forte in der Mitte.

Auf dass ihr Höhenflug in der laufenden Saison weitergehe: Die zurzeit sehr erfolgreichen Grasshoppers mit Trainer Uli Forte in der Mitte.

Samuel Reber ist Blattmacher und Tagesleiter bei Tagesanzeiger.ch/Newsnet, FCL-Fan, Steilpass-Mitinitiant und war während mehreren Jahren Captain der Herrenmannschaft des SC Wipkingen.