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Das Leid der Basler Ersatzbank

Mämä Sykora am Montag den 26. März 2012

11 Punkte Vorsprung hat der FC Basel bereits auf das zweitplatzierte Luzern, 17 gar nach Verlustpunkten. Zudem steht er im Cup-Halbfinal, wo er auf das unterklassige Winterthur trifft, die europäische Kampagne ist beendet. Und dennoch tritt der FCB jedes Wochenende so an, als ob eine Finalissima anstehen würde. Nicht nur vom Einsatz und vom Auftreten her, denn das ist natürlich löblich und auch essentiell, wenn man den anvisierten Meistertitel einfahren will, sondern auch die Aufstellung unterscheidet sich kaum je von denjenigen der gloriosen Champions-League-Auftritte, egal gegen wen es geht.

24 Spiele absolvierte der FCB bislang in der Meisterschaft, 23 Mal stand Marco Streller in der Startelf. Nur unwesentlich weniger sind es bei Alex Frei, Xherdan Shaqiri, Markus Steinhöfer, Fabian Frei oder Aleksandar Dragovic. Obwohl in jeder Partie ohnehin schon haushoch favorisiert, läuft bei Basel stets die beste mögliche Elf auf. Das Rotationsprinzip wird auch unter Heiko Vogel kaum angewendet.

Ergänzungsspieler beim designierten Meister zu sein muss ziemlich ernüchternd sein. Besonders hart ist es für die Konkurrenz von Frei und Streller im Sturm. Der Nordkoreaner Kwang-ryong Pak etwa darf regelmässig noch für den Schlusspfiff auf den Rasen, seit letztem August spielte er nie mehr länger als 10 Minuten. Roman Buess, immerhin U-20-Nationalspieler, durfte sogar nur im Cup gegen Eschenbach ran.

Auch andere viel versprechende Talente bekommen beim FCB keine Möglichkeit, sich zu beweisen. Génseric Kusunga, ein U-21-Internationaler, durfte lediglich eine einzige Partie von Anfang an spielen und kam drei Mal rein. Stephan Andrist, der Senkrechtstarter der Saison, spielt nach seinem Wechsel von Thun beim FCB überhaupt keine Rolle mehr und hatte in diesem Jahr erst sieben Minuten Einsatzzeit. Andere Spieler sahen angesichts der ewig gleichen Aufstellung keine Zukunft mehr und verliessen den Verein. Sandro Wieser ging ohne einen Super-League-Einsatz in dieser Saison zu Hoffenheim, wo er bereits zu seinem Bundesliga-Debüt kam. Und Taulant Xhaka liess sich zu GC ausleihen.

Es gibt bestimmt gute Gründe, warum man so wenige Veränderungen an der Aufstellung vornimmt. Man will die Eingespieltheit beibehalten, Nachlässigkeiten verhindern oder dem Heimpublikum jene Spieler in Aktion bieten, die es gerne sehen will. Gleichzeitig hat aber der FCB bereits einen derart grossen Vorsprung und die Qualität im Kader ist so viel grösser als bei der Konkurrenz, dass er selbst bei intensiver Rotation noch deutlich überlegen wäre. Zudem würde es diejenigen, die nicht zur Stammelf gehören, bei Laune halten und wäre eine Möglichkeit, für die langsam in die Jahre kommenden FCB-Stars Nachfolger aufzubauen.

Der FCB ist schweizweit führend in der Nachwuchsarbeit. Die U-21 spielt in der 1. Liga vorne mit, U-18, U-17, U-16 und U-15 führen alle überlegen ihre Gruppe an. Darüber hinaus sind gleich mehrere Stammkräfte der ersten Mannschaft noch sehr jung. Da zeichnet sich jetzt bereits ein Engpass ab. Natürlich schaffen es längst nicht alle Basler Junioren in den Profifussball, geschweige denn in die erste Mannschaft, aber dennoch wird der Verein längst nicht allen Spieler das bieten können, was diese wünschen, nämlich die Aussicht auf regelmässige Einsätze im «Eins».

Am Samstag zerlegte der FCB ein inferiores Servette mit 5:0. Streller und Frei spielten durch, Shaqiri ging erst eine Viertelstunde vor Schluss. Obwohl die Partie derart einseitig und auch noch früh entschieden war, wurden ausschliesslich zum Stamm gehörende Spieler eingewechselt. Kusunga musste wieder einmal 90 Minuten zuschauen, Pak und Andrist suchte man ebenso vergebens im Aufgebot wie eines der vielen Talente aus dem Nachwuchs wie etwa U-17-Weltmeister Kofi Nimeley. Selbst das grosse FC Barcelona, das die meisten Meisterschaftsspiele ebenso dominiert wie der FC Basel, setzt trotz des breiteren Kaders immer wieder Nachwuchsspieler ein. Alleine in dieser Spielzeit kamen 9 Spieler aus dem Nachwuchs in der ersten Mannschaft zum Handkuss, und jeder aus dem A-Kader spielte schon mindestens 670 Minuten.

Selbst hartnäckige Pessimisten werden nun zugeben, dass dem FCB in dieser Saison nichts mehr passieren kann. Sorglos könnte man nun – gerade den etwa älteren – Teamstützen dann und wann eine Pause gönnen und den Versprechen für die Zukunft Einsatzmöglichkeiten bieten. Oder natürlich diejenigen im A-Kader, die das ganze Jahr fleissig mitraineren, ab und zu mit einem Einsatz belohnen. Es wäre für die Moral dieser Profis – und ebenso für ihren Marktwert – sicher hilfreich.

Was Zuschauer dem Fussball nehmen

Mämä Sykora am Donnerstag den 22. März 2012
Unsichtbare Qualitätsarbeit: Der FC Zürich bedankt sich nach einem Geisterspiel gegen Luzern im gespenstisch leeren Letzigrund. (Bild: Keystone, 23. Juli 2008)

Unsichtbare Qualitätsarbeit: Der FC Zürich bedankt sich nach einem Geisterspiel gegen Luzern im gespenstisch leeren Letzigrund. (Bild: Keystone, 23. Juli 2008)

Fussball ohne Zuschauer wäre besser. Nein, nicht wegen der damit wegfallenden Ausschreitungen, die es dann und wann leider gibt. Auch nicht wegen der unqualifizierten Zwischenrufe oder der Rauchschwaden. Sondern einzig und allein der Qualität der Partie wegen. Dahinter steckt das Phänomen «Social Facilitation» (Soziale Erleichterung), dass der Psychologe Robert Zajonc schon in den 1960er Jahren entdeckt hatte.

Vielleicht mangels Interesse am Fussball, vielleicht aber auch nur, weil sich keine Mannschaften zur Verfügung stellten, führte er seine Experimente mit Kakerlaken durch. Für die lichtscheuen Schädlinge baute er ein durchsichtiges Mini-Stadion mit einer Kantenlänge von 50 Zentimetern, mit einer Startbox am einen und einem verdunkelten Zielraum am anderen Ende. Auf beiden Seiten dieser Strecke installierte er Plastikboxen als Zuschauerränge für die Schaben.

Wie Sprint und Fussball: Versuchsanordnung mit einfachem (o.) und komplexem Labyrinth, mit Zuschauern. (Quelle: ageofmarketing.com)

Wie Sprint und Fussball: Versuchsanordnung mit einfachem (o.) und komplexem Labyrinth, mit Zuschauern. (Quelle: ageofmarketing.com)

Nun platzierte er die Rennschabe in der Startbox, schaltete einen Strahler ein und liess das Tier ins schützende Dunkel sprinten. Er verglich die Laufzeiten mit und ohne Kakerlaken-Publikum in den Boxen und kam zum Ergebnis, dass vor Zuschauern beträchtlich schneller gerannt wurde. Die blosse Anwesenheit von Artgenossen spornte die Insekten zu Höchstleistungen an. Auch wir Menschen laufen sicherlich schneller mit Publikum als ohne.

Zajonc war dies nicht genug. Er baute in seine Arena eine kleine Schikane ein, ein sehr einfaches Labyrinth mit einer Verzweigung. Und tatsächlich brauchten nun die Kakerlaken länger, wenn ihre Kollegen zuschauten. Nach dieser Erkenntnis experimentierte Zajonc mit einer Vielzahl anderer Tiere, später auch mit Menschen, und er kam zum Schluss, dass die Anwesenheit von Artgenossen zu einer Beschleunigung bei der Verrichtung simpler Aufgaben, allerdings zu einer Verlangsamung bei komplexeren Aufgaben führt.

Dies hätte man sicher auch ohne die für jahrelange Kakerlakenrennen eingesetzten Forschungsgelder vermuten können, doch immerhin ist dadurch wissenschaftlich erwiesen wurden, was Fussballtrainer seit Ewigkeiten versichern: «Im Training können sie es immer, nur leider klappt die Umsetzung im Spiel nicht.» Weil das Fussballspiel eben deutlich komplexer ist als ein Rennen geradeaus, sehen wir in vollen Stadien zwar schnell sprintende Akteure, aber sobald dieser vermaledeite Ball ins Spiel kommt, sorgt die «Social Facilitation» dafür, dass der Pass ungenau kommt/der Schuss auf der Tribüne landet/das Dribbling misslingt. Und Schuld daran trägt das Publikum.

Wir wissen nun, dass der Fussball im Stadion zwar langsamer, dafür viel besser wäre, wenn wir nicht immer zuschauen würden. Das hilft uns zwar nicht gross weiter, weil wir die gesteigerte Qualität nie mitbekommen würden. Immerhin bleibt die Genugtuung, zu wissen, dass die Spieler es eigentlich schon besser könnten. So wie es aussieht, versuchen zumindest die Grasshoppers aus diesem Wissen Kapital zu schlagen. Mit einer immer kleiner werdenden Zuschauerzahl wollen sie die Negativeffekte der «Social Facilitation» ausmerzen. Herr Zajonc wäre sehr gespannt drauf, ob es funktioniert.

PS: Mehr solche skurrilen Experimente finden sich im Buch «Elefanten auf LSD» von Alex Boese, erschienen 2007.

Dürfen Zürcher mit dem FCB mitjubeln?

Mämä Sykora am Montag den 19. März 2012

Im letzten Blog zur Champions-League-Kampagne des FC Basel wurden in der Diskussion einige spannende Fragen aufgeworfen, bei denen anscheinend grosse Uneinigkeit herrscht. Wenn es jeweils losgeht in der Königsklasse, ist höchstens ein Schweizer Vertreter mit dabei. Das war meistens der FCB, und der wird es auch in nächster Zukunft sein. Die Anhänger der übrigen Klubs müssen maximal mit (Qualifikations-)Spielen in der Europa League vorlieb nehmen, die namhaften Gegner bleiben dem FCB vorenthalten.

Klar, dass jeder Schweizer Fussballfan diese Spiele des Ligarivalen gegen die Elite Europas schaut. Die meisten am TV, einige gar im Stadion. Doch wen sollte ein FCZ- oder YB-Anhänger unterstützen in so einem Spiel? Darf er sich für diese eine Partie auf die Seite des ewigen Rivalen schlagen, dem er in der heimischen Liga nur Niederlagen wünscht? Oder soll er für eine Mannschaft wie Benfica Lissabon sein, mit der er sonst nichts am Hut hat, nur weil er hofft, dass sie dem FCB eins auf den Deckel geben werde?

Diese Fragen stellen sich in vielen anderen Ligen nicht. Selbstverständlich wird ein Inter-Fan auch in der Champions League nicht den Stadtrivalen unterstützen, auch Real-Anhänger werden nie mit Barcelona sympathisieren. Nur: Deren Herzvereine sind ebenfalls jedes Jahr in der Champions League dabei, damit ist der Erzrivale auch in der Champions League ein Konkurrent.

Wenn ein Spiel losgeht, entscheidet das Herz alleine darüber, für wen man ist. Dennoch kann man im Vorfeld Überlegungen anstellen, was am sinnvollsten wäre. Für Erfolge in der Champions League gibt es Geld, das dem FCB im nationalen Championnat einen grossen Vorteil bringen würde. Ein Grund also, den jeweiligen Gegner zu unterstützen. Gleichzeitig aber punktet der FCB für die Schweiz in der Fünfjahreswertung, was dem eigenen Verein ebenfalls zugute kommt. Dann spielt der FCB mit jenen Spielern, die man im Ligaalltag vielleicht sogar auspfeift – allerdings sind das auch die gleichen Akteure, über deren gelungene Aktionen man sich sehr freut, wenn sie im Dress der Nati oder der U-21 erfolgen.

Meine Erfahrungen aus vielen Jahren öffentlichen Champions-League-Übertragungen haben gezeigt, dass schlussendlich doch fast alle jubeln, wenn der Schweizer Vertreter ein Tor schiesst, selbst wenn der Torschütze für den Erzrivalen der ungeliebteste Spieler war. Diese spontane Reaktion bedeutet auch, dass den meisten der grösste Konkurrent aus der Liga noch näher steht als ein ausländischer Gegner, ausser es handelt sich dabei um den zweiten Lieblingsverein, den sich viele Schweizer zulegen.

Doch wie finden die Basler das, wenn die Zürcher plötzlich einen Abend lang ihren FCB anfeuern? Macht es stolz, wenn auch die Restschweiz hinter dem eigenen Verein steht? Oder gehören sie dann zu den unerwünschten Modefans, die gefälligst bei ihrem eigenen Verein bleiben sollen?

Und wie hält es die Steilpass-Gemeinde, wenn ein anderer Schweizer Verein als der eigene im Europacup spielt? Gilt da bedingungslose Unterstützung, oder wünscht man sich eine deftige Niederlage? Ich bin gespannt.

Vergesst das 0:7

Mämä Sykora am Donnerstag den 15. März 2012


Das war brutal. Eine derart einseitige Partie in der K.-o.-Phase gab es in der Geschichte der Champions League wohl noch nie. Von der ersten Sekunde an liessen die Platzherren keinen Zweifel aufkommen, wer diese Begegnung dominieren und für sich entscheiden wird. Das beeindruckende Tempo, mit dem die Basler überhaupt nicht zurechtkamen, wurde erst nach gut einer Stunde, als es bereits 6:0 stand, gedrosselt. Die Ursachenforschung nach so einer Klatsche ist überflüssig. Wenn die Bayern ihr Potenzial abrufen können, gibt es für einen FC Basel nicht das Geringste zu holen, selbst wenn auch er am Limit spielen würde.

Sicher, am Dienstag zeigte der Schweizer FCB nicht die beste Saisonleistung. Zu viele Fehlpässe schlichen sich im Spielaufbau ein, zu viele Zweikämpfe wurden verloren. Doch Fehler passierten auch in früheren Spielen, nur wurden diese nie so effizient bestraft wie gegen die Bayern. Doch wenn etwa der «Blick» im Anschluss an die Partie versucht, die Kanterniederlage damit zu begründen, dass Heiko Vogel grobe Fehler bei der Aufstellung begangen habe – Cabral statt Huggel, Steinhöfer statt Degen, Stocker auf der Bank – dann zeugt das von völliger Verkennung der Stärkeverhältnisse. Gegen den FC Bayern vom Dienstag wäre der FCB in jeder Konstellation untergangen. Eine «Schande» ist dieses Resultat jedenfalls bestimmt nicht. Und dem FCB «fehlenden Stolz» vorzuwerfen, ist ebenso absurd.

Denn an gleicher Stelle stimmen die User momentan drüber ab, ob der FCB trotz des 0:7 stolz sein könne. Genau die Hälfte ist der Ansicht, dass dies nicht der Fall sei, weil dieses Debakel «alles kaputt» mache. Da muss man sich doch sehr wundern. Schon vergessen, dass Basel mit Manchester United einen der Titelanwärter aus dem Wettbewerb gekegelt hat? Dass er seit 10 Jahren der erste Vertreter der Schweiz im Achtelfinale war? Dass immerhin das Hinspiel gegen die Bayern gewonnen wurde? Dieses 0:7 ist zwar ein «Tolggen» im Reinheft, sagt aber nichts weiter aus, als dass der FCB in dieser Partie chancenlos gewesen ist. Wäre Bayern nach dem Hinspiel und den Patzern in der Meisterschaft nicht derart auf Wiedergutmachung gewesen, hätten sie sich in der zweiten Halbzeit auf Resultathalten beschränkt, und es hätte nichts an der Tatsache geändert, dass sie in allen Belangen überlegen waren.

100 Millionen Euro beträgt das Budget der Münchner, 17 A-Nationalspieler stehen in ihren Reihe, fast ausschliesslich von Top-Nationen. Das alleine entscheidet zum Glück im Fussball nicht alleine über Erfolg oder Misserfolg, doch wenn ein Sieg über ein solches Team schon eine Sensation ist, ist ein Weiterkommen nach Europacup-Formel für einen Schweizer Vertreter nahezu ausgeschlossen. Den Unterschied, den wir am Dienstag gesehen haben, entspricht so ziemlich den Unterschieden des Potenzials der beiden Mannschaften, auch wenn ein 0:7 natürlich übertrieben ist.

Auf alle Fälle sollte diese Klatsche sogleich wieder vergessen werden. Was in Erinnerung bleibt, ist dass endlich wieder einmal ein Schweizer Team im Europacup für Furore sorgen konnte, so dass am am Dienstag in einer Zürcher Fussball-Bar die Zuschauer geschlossen für Rot-Blau, den Erzrivalen im Liga-Alltag, waren. Die Mannschaft mit ihrem hochsympathischen Trainer sorgte für unvergessliche Sternstunden, und dafür sind ihr die Schweizer Fussballfans zu Dank verpflichtet. Wir wissen nun wieder, dass auch Schweizer Teams Grosse ausschalten können, das Bayern-Spiel hingegen bewahrt uns davor, die eigenen Stärken zu überschätzen. Zur richtigen Zeit ein Dämpfer kann durchaus auch seine guten Seiten haben. Auch wenn der Dämpfer gleich ein brutales 7:0 war, bleiben soll der Stolz auf das Erreichte. Ohne zu vergessen, dass die Distanz zu Europas Spitze – wie das Bayern-Spiel gezeigt hat – noch sehr eine sehr grosse ist.

Falsche Sicherheit bei GC

Mämä Sykora am Montag den 12. März 2012

Am 4. Dezember 2011 war er, der letzte Sieg der Grasshoppers. Steven Zuber war damals der einzige Torschütze der Partie gegen Thun. In den sechs Partien seither gab es für GC zwei Tore und ein einziges Pünktchen. Wäre es nicht die Schweizer Super League Ausgabe 2011/12, die den Fall eine Liga tiefer beinahe verunmöglicht, würde man sagen, die Mannschaft spielt wie ein sicherer Absteiger. Bedenklich ist dabei vor allem die Harmlosigkeit, mit der Ciriaco Sforzas Truppe Woche für Woche antritt. Zu den erschreckenden Mängeln in der Defensive kommt der gänzlich fehlende Offensivdrang – bzw. die Fähigkeiten, um den Gegner dann und wann in Bedrängnis zu bringen – zusammen ergibt das den Lieblingsgegner aller Super-League-Klubs. Wer gegen GC spielt, verbringt einen ruhigen Nachmittag.

Bei GC wird Kritik gerne damit abgetan, dass man nun mal auf die Karte Jugend setze und etwas Langfristiges aufbaue. Selbst wenn man die Aussage von Präsident Leutwiler, 2014 Meister werden zu wollen, nicht für bare Münze nimmt, bleiben doch einige Fragen offen. Noch immer spielen bei GC die gleichen jungen Talente wie bereits vor ein paar Jahren, ihre Fortschritte sind indes überschaubar. Waren sie damals Ergänzungsspieler neben Leistungsträgern, sind Zuber, Toko, Bürki & Co. im GC von heute bereits das Herz der Mannschaft. Und die «Verstärkungen», die ihnen die Vereinsleitung zur Seite stellte und zu Saisonbeginn in höchsten Tönen lobte? Paiva, Landeka und Coulibaly standen gegen Basel nicht einmal im Aufgebot, bei De Ridder sieht man weiterhin gute Ansätze, er zumindest könnte mit besseren Mitspielern bestimmt etwas bewirken.

Dass GC trotz so vielen Jungen und der neuen Philosophie ausgerechnet von Basel ein Talent ausleihen musste (Taulent Xhaka), zeigt, wie wenig der Plan momentan aufgeht. In den Nachwuchsmeisterschaften müssen sich die Mannschaften des Rekordmeisters mit dem Team Ticino oder dem FC Winterthur im Tabellenkeller messen, der FCB als Dominator in allen Altersstufen hat bis zur U-16 runter jeweils mehr als das Doppelte der Punkte. Einzig bei der U-15 und der U-14 kann GC einigermassen mithalten.

Im Nachwuchsbereich sollen zwar nicht die Resultate zählen, sondern Spieler für die erste Mannschaft geformt werden, doch dort will im Moment niemand hin. Steven Zuber, eines der stagnierenden Talente, gab nach seinem Hattrick gegen Georgien im Januar für die U-21 als Grund für seinen Exploit an: «Hier fühle ich mich wohl, hier versteht mich der Trainer.» Da gibt es nicht viel zu deuten: Zuber spielt nicht sonderlich gerne unter Sforza.

Die falsche Sicherheit in dieser Saison könnte für GC schon bald zum grossen Problem werden. Ein Abstieg kann – zumindest aus sportlicher Sicht – ausgeschlossen werden, gerade deshalb unterschätzt man bei den Hoppers die Lage. Fakt ist: Die Mannschaft ist in der derzeitigen Verfassung nicht Super-League-tauglich, die Jungen machen kaum Fortschritte, die Neueinkäufe sind mehr als enttäuschend, Geld für weitere Transfers ist keines vorhanden und keiner im Kader würde bei einem Verkauf genug in die Kasse spülen. Zudem sind die Zuschauerzahlen furchtbar: Trotz des Besuchs des FCB am Wochenende waren in den letzten 6 Heimspielen gerade mal 4100 Zuschauer im Schnitt anwesend.

Es läuft praktisch alles suboptimal bei GC. Gefährlich wird es aber erst in der nächsten Saison. Die Konkurrenz hat mehr Mittel für Verstärkungen – oder setzt die Mittel zumindest massiv besser ein, wie etwa der FC Thun – und mit dem FCSG wird ein harter Gegner aufsteigen. 2012/13 wird die Schicksalssaison für die Grasshoppers. Wenn sie es wieder nicht schaffen, eine Mannschaft aufzustellen, die zumindest gegen Lausanne oder Thun für etwas Gefahr sorgen kann, droht ein tiefer Fall. Momentan deutet wenig darauf hin, dass der Ernst der Lage erkannt wurde.

Russland, die neue Fussball-Macht

Mämä Sykora am Donnerstag den 8. März 2012

2012 scheint das Jahr zu werden, in dem Vorherrschaften ins Wanken geraten. Mit komplett unterschiedlichen Konzepten mischen bislang klassische Mittelfeld-Mannschaften an den Spitzen europäischer Ligen mit und rücken den bisherigen Dominatoren arg auf die Pelle. In England darf Manchester City nach den grosszügigen Einkäufen von Scheich Mansour auf den ersten Meistertitel seit 1968 hoffen, in Deutschland bestätigt Jürgen Klopps Dortmund die eher überraschenden Leistungen aus dem Vorjahr souverän, in Italien hat Napoli den Anschluss wieder geschafft und brilliert in der Champions League, und in Frankreich haben Lyon und Marseille bereits 15 Punkte Rückstand auf das mit katarischem Geld unterstützte Paris Saint-Germain. Nur in Spanien bleibt freilich alles beim Alten.

Auch in den europäischen Wettbewerben tauchen neue Namen in den K.-o.-Runden auf. Der FCB warf Manchester United raus und düpierte im Hinspiel die Bayern, gestern qualifizierte sich APOEL Nikosia gegen Lyon sensationell für die Viertelfinals. Während sich erst noch weisen muss, ob sich diese Vereine langfristig auf diesem Level halten können, zeichnet sich langsam aber sicher eine Auflösung sogenannten Top-5-Ligen ab, die in der jüngeren Vergangenheit Europas Fussball geprägt haben.

Frankreich etwa wartet seit 1996 (PSG im Cup der Cupsieger) auf seinen dritten europäischen Titel auf Vereinsebene, Deutschland seit Bayerns CL-Titel 2001 auf einen weiteren. Seither haben die Verfolger in der Uefa-Fünfjahreswertung einiges an Silberware gesammelt: 3 Trophäen waren es für Portugal, 2 für Russland und einer für die Ukraine. Und es sind exakt diese drei Nationen, die diese Phalanx in absehbarer Zeit durchbrechen könnten.

Die besten Chancen dafür hat Russland. Trotz der riesigen Ansammlung an Talenten vermochten russische Vereine kaum für Furore sorgen im Europacup. Seit dem Zerfall der Sowjetunion und den Investitionen nicht immer unumstrittener Oligarchen gehören russische Klubs mittlerweile zu gefürchteten Gegnern. Nur gerade Rubin Kasan und Alania Wladikawkas – das sich notabene ohne ein einziges Tor erzielt zu haben über den russischen Pokal in die Europa-League-Play-offs gespielt hatte – blieben in der Qualifikation hängen, die restlichen vier Teams kamen alle mindestens eine Runde weiter. ZSKA Moskau kann gar nach dem Hinspiel (1:1) noch immer auf einen Coup bei Real Madrid hoffen, Zenit wurde gegen Benfica der fürchterliche Auftritt des Ersatzes für den hoch gehandelten Torhüter Malafeev im Hinspiel zum Verhängnis.

Trotz den schwerreichen Besitzern sind die russischen Spitzenklubs keine Geldvernichtungsmaschinen. Die Infrastruktur ist hervorragend, die Jugendarbeit gut, die Löhne hoch. Das Gerüst der Mannschaften besteht im Gegensatz zu den allermeisten Top-Ligen aus einheimischen Spielern, für die man sehr tief in die Tasche greifen muss, wenn man sie abwerben will. Hinzu kommt eine geschickte Politik beim Einkauf von ausländischen Spielern. Geholt werden meist keine gesättigten Stars mit klingendem Namen, sondern viel versprechende Talente, die ihren Marktwert auch dank Auftritten in der Königsklasse markant steigern. Ex-YB-Torjäger Seydou Doumbia ist nur eines von vielen Beispielen, mit deren Verkauf dessen Besitzer die hohen Investitionen wieder hereinbekommen können.

Ein Glücksfall für Russlands Fussball ist zudem die Eigenheit der russischen Profis, anscheinend mit Abstand am liebsten in der Heimat zu kicken. Trotz des begeisternden Auftritts an der EM 2008 und den darauf folgenden Auslandsengagements einiger Stars spielen heute wie damals ausser einem Akteur sämtliche Nationalspieler in der russischen Premier League. Das hebt ebenso Niveau wie Zuschauerzahlen und sorgt dafür, dass die Liga stetig stärker wird. Vor 10 Jahren noch rangierte Russland in der Uefa-Fünfjahreswertung zwischen Bulgarien und Dänemark auf Platz 21, nun wird sie – zumindest ist das meine Prognose – die erste sein, die eine Top-5-Nation überholen wird.

Kopfschütteln für Servette

Mämä Sykora am Montag den 5. März 2012


Ich verstehe es schlicht und einfach nicht. Klar, die Menschen zeigen sich derweil sehr lernresistent. Die Kolumnistin Gisela Widmer schrieb einst: «Und wenn wir nicht gerade die eigenen Fehler wiederholen, dann wiederholen wir jene Fehler, die andere vor uns schon gemacht haben – obwohl es über die gesamten Fehler der gesamten Menschheitsgeschichte Bücher gibt. Aber nein, wir wollen daraus nicht lernen. Wir wollen selber einen Hund haben und selber von ihm gebissen werden.»

Servette aber hatte schon mal einen Hund. Und wurde auch schon von ihm gebissen. Im Februar 2005 ging der Verein in Konkurs und fiel in die 1. Liga. Und kaum hatte sich der Klub wieder einigermassen gefangen, sportlich in der vorderen Hälfte der Challenge League etabliert, laut Ex-Präsident Francisco Vinas ohne unbezahlte Rechnungen und mit über 2 Mio. Franken auf dem Konto, bejubelt man den Verkauf an einen undurchsichtigen iranischen Geschäftsmann, der gerade mal ein Jährchen zuvor bereits den österreichischen Verein Admira Wacker in den Bankrott geführt hat. Und der gleichzeitig auch noch Präsident des SC Beira-Mar aus Portugal ist, mittlerweile übrigens ebenfalls in finanzieller Schräglage. Und dank dessen irren Projekts einer Skihalle in der Wüste offenbar diverse Leute viel Geld verloren haben.

Nein, es ist mir schleierhaft, wie man sich darauf einlassen kann. Grosse Träume und Sehnsucht nach alter Stärke in Ehren, aber wie um alles in der Welt kann man Pläne schmieden bei dem Lärm, den die schrillenden Alarmglocken in so einem Fall machen müssen? Es war bei den Genfern nicht etwa so wie bei Xamax, dass sich Schulden türmten und keiner ausser eines dubiosen Investors zu finden war, der den Verein übernehmen wollte. Nein, der Verein wurde ohne Not verkauft an einen Mann von zumindest zweifelhaftem Ruf, der sozusagen direkt vom Begräbnis eines von ihm zu Grabe getragenen anderen Vereins kam.

«I did it!», brüllte Pishyar nach dem Aufstieg ins Teleclub-Mikrofon. Gerade mal ein halbes Jahr später hat er auch das getan, was viele vorausgesagt haben. Exakt wie bei seinem letzten Engagement in Österreich beklagte er sich erst über fehlende Unterstützung, namentlich der Stadt Genf, drehte dann den Geldhahn zu und nannte etliche Schuldige an der Misere – natürlich ausser sich selbst. Und weil das so wenig überraschend kam, war der nahe (und wiederholte) Untergang des Traditionsklubs nur sehr kurz ein grosses mediales Thema. Die Schreckensnachricht war lediglich eine Vollzugsmeldung. Heute schon rangiert sie weit hinter kanadischen Slalomerfolgen und NHL-Qualifikationsspielen.

Dass Fussballvereine nicht wie Unternehmen geführt werden, ist auch mir klar. Unternehmen steuern einen Gewinn an, im Fussball ist dies nahezu unmöglich – hierzulande sowieso. Nach wirtschaftlichen Überlegungen dürfte niemand auch nur einen Rappen in einen Fussballklub investieren. Dass dies trotzdem geschieht, liegt daran, dass Geldgeber nicht selten auch Fans sind. Sie wünschen dem Verein Erfolg, wagen deshalb auch mal ein riskantes Transfergeschäft oder schiessen hier und dort was ein, auch wenn die Hoffnung, daraus einen «Return on investment» zu erhalten, eine schmale ist. Nur deshalb kann der Fussball überhaupt funktionieren.

Doch wie man derart blauäugig sein kann, dass man seinen Verein einem Herrn überlässt, im irrsinnigen Glauben, dieser würde sein privates Vermögen für den Erfolg eines Klubs auf den Kopf hauen, von dem er nicht mal Fan ist, kapiere ich einfach nicht. Ein Pishyar ist kein Abramowitsch, Servette kein Chelsea, und in der anderen Waagschale findet sich eine ganze Horde von «Investoren», deren Wege mit Vereinsleichen gepflastert sind. So viele, die schon von Hunden gebissen wurden. Da fehlt mir im Falle Servettes wirklich das Verständnis. Und irgendwie auch das Mitleid.

Erkenntnisse aus dem Argentinien-Spiel

Mämä Sykora am Donnerstag den 1. März 2012


Über Sinn und Unsinn von Nati-Freundschaftsspielen wurde schon mehrfach diskutiert. Beni Thurnheer fordert im neuen «Tschuttiheftli» sogar, dass das Schweizer Fernsehen solche Testspiele nicht mehr übertragen soll. Gestern fand dennoch wieder eines statt, für einmal war der Gegner einer mit einem grossen Namen. Und für einmal konnte man daraus sogar einige Erkenntnisse ziehen. Wichtige und unwichtige.

  • Die Stimmung während Natispielen, insbesondere wenn es um nichts geht, und noch insbesonderer, wenn ein Gegner von Rang und Namen anreist, ist wahrlich eine besondere. Auch Leute, die sich sonst nie an ein Fussballspiel verirren, wollen natürlich den kleinen Messi mal in Aktion sehen, und verbringen den Abend staunend und MMS verschickend auf ihren Plätzen, was eine gewaltige Stille erzeugt. Gestern war es zwischenzeitlich so ruhig im Stadion, dass meine liebreizende Begleiterin plötzlich ins Wohnzimmer stürmte und fragte, was denn los sei, weil sie nichts mehr von Spiel und Publikum hörte.
  • Dass Stille durchaus auch angenehm sein kann, zeigte sich in der Halbzeit, als ein Tonausfall dazu führte, dass vom Pausengespräch nur Hüppis ausholende Gesten und Alain Sutters Bartfrisur übrig blieben, was mir persönlich auch schon reichte. Was gesagt wurde, kann man sich durchaus auch vorstellen: Hüppi schwärmte bestimmt wie ein kleiner Schuljunge von Lionel Messi, Sutter baute Sätze rund um das Wort «mental».
  • Shaqiri ist nicht nur ein guter junger Schweizer Spieler, sondern ganz einfach ein sehr guter Fussballer, egal mit wem man ihn vergleicht. Und es zeichnet sich tatsächlich ab, dass er endlich von Inler die Spiel- und Tempomacherrolle übernimmt. Für die Schweizer Nati, bei der bislang vieles in Zeitlupe geschah, womit Überraschungen ein Ding der Unmöglichkeit wurden, ist dies für zukünftigen Erfolg essentiell.
  • Das Leistungsgefälle innerhalb der Mannschaft ist derzeit ziemlich bedenklich. Auch wenn man dank soliden Spielern eine Partie ausgeglichen zu gestalten mag, wird man es mit solchen individuellen Patzern wie gestern immer verlieren. War unsere Abwehr in der Vergangenheit stets das Prunkstück der Nati, wird es in der WM-Quali die Problemzone sein. Djourou ist öfters beim Physiotherapeuten als auf dem Trainingsplatz, Senderos wird nie die Fähigkeiten eines Patrick Müllers erreichen, dahinter kommen keine Verteidiger von internationaler Klasse.
  • Auch auf der anderen Seite des Spielfelds besteht wenig Grund zur Euphorie. Derdiyok ist zwar ein Stürmer von Format, seine einzige Ergänzung heisst aber Admir Mehmedi, der sich (noch) nicht gegen gute Abwehrspieler behaupten kann. Und die Saison in der Ukraine beginnt erst wieder. Wo sein Platz bei Dynamo sein wird, wird sich erst dann weisen. Sein Glück: Seinen Platz in der Nati kann er kaum verlieren. An wen auch?
  • Immerhin: Das Mittelfeld macht Freude. Die Basler-Connection um Shaqiri, Xhaka und den wiedergenesenen Stocker lässt die Hoffnung aufkommen, dass die später im Jahr anstehenden Pflichtspiele zumindest ansehnlich werden. Vielleicht spielen wir dann wegen einigen Schnitzern gegen Zypern 4:4, aber wenigstens wars gute Unterhaltung mit temporeichem Spiel und einigen überraschenden Aktionen. Gepaart mit ein paar Tonausfällen könnte das ein schöner Fussballherbst werden.

Zeitreise zum FC Aarau

Mämä Sykora am Montag den 27. Februar 2012

Die Bestrebungen der Swiss Football League (SFL), die Vereine mit stetig steigenden Anforderungen in professionellere Strukturen zu zwingen, hat für einen Fussballfan nicht nur gute Auswirkungen. Sicher, die Vereine stehen auf gesünderen Beinen (auch wenn es noch immer nur wenig braucht, bis ein Klub zugrunde geht, wie die Causa Xamax bewiesen hat). Sicher, die ganzen neuen Stadien überall im Land sorgten hier und da für einen stolzen Zuschauerzuwachs. Bald wurden aber eben diese neuen Bauten zum Normalfall, so dass es heute eher ein Erlebnis ist, wieder einmal ein Stadion aus einer anderen Zeit zu besuchen.

In der durchorganisierten neuen Welt des Profifussballs, in der sich die Spielstätten in erster Linie durch die Grösse unterscheiden, die Pausenverpflegungen sich ebenso gleichen wie die Frisuren der Nachwuchskicker auf der Tribüne, steht ein Verein herrlich quer in der Landschaft: der FC Aarau.

Das Provinzielle, das dem dreifachen Schweizer Meister anhaftet, bot zumindest zu Super-League-Zeiten den gegnerischen Fans oft Anlass zu Hohngesängen, «Aarau hät kei Disco» war einer der Lustigeren. Tatsächlich ist man beim FCA weit, weit weg vom Glamour des Spitzenfussballs. Die Spieler begrüssen Passanten mit einem freundlich-schüchternen «Grüezi», nach dem Vormittagstraining trifft man sie im «Restaurant Sportplatz», wo «günstige Mittagsmenüs» (Sandro Burki) aufgetischt werden. Für die Heimfans kommt es nicht drauf an, ob der Gegner FCZ, Brühl oder wie gestern Sonntag der direkte Aufstiegs-Konkurrent Lugano heisst – in der Schlange vor dem Kassenhäuschen rätselten tatsächlich einige Besucher, gegen wen gespielt wird – der Aufmarsch ist stets in etwa der Gleiche.

Wer das Brügglifeld besucht, kann kaum glauben, dass hier noch vor wenigen Jahren Super-League-Fussball gespielt wurde. Ausser der einen Tribüne wirkt alles wie ein Provisorium, die Fans singen und schreien auf der Gegengerade zwischen jungen Mädchen und Rentnern, die sanitären Anlagen verdienen diese Bezeichnung nicht und können durch Runterrutschen eines matschigen Abhangs erreicht werden. Am Verpflegungsstand kommt man schnell ins Gespräch, während überforderte Mitarbeiter den Gesamtbetrag der Bestellung ausrechnen, erleichtert durch einen Zettel an der Kasse, auf dem steht «1 Bier = 4.–, 2 Bier = 8.–, 3 Bier = 12 .–» etc.

Das Spiel gegen Lugano, nun ja, es war schlecht. Wohl genau so schlecht wie die gleichzeitig stattfindende Partie GC gegen Lausanne, mit dem Unterschied, dass die 3000 im Letzigrund verloren wirkten und kaum einer von einem gelungenen Fussballnachmittag reden konnte, während die Aarauer trotz der unschönen Darbietung und der Kälte zufrieden an ihrem FCA-Spiess nagten und sich nach dem Schlusspfiff zu den Klängen von «The Final Countdown» gegenseitig zum Sieg dank eines Eigentors beglückwünschten. Das kleine Stadtfest nahm im angrenzenden Restaurant beim Kafi Zwetschge seine Fortsetzung.

Ein Ausflug an ein Spiel des FC Aarau ist wie eine kleine Zeitreise. Unfreiwillig sind die Rüebliländer, die sich als die «Unabsteigbaren» trotz konstantem Missmanagement penetrant in der obersten Liga hielten, zu einem Mahnmal gegen den klinisch sauberen, bis ins kleinste Detail reglementierten Schweizer Profifussball dieses Jahrzehnts geworden. Eine lebendige Erinnerung daran, wie noch vor wenigen Jahren ein Matchbesuch auch hat sein können.

Abwechslung macht das Leben süss, so sagt man. Wenn die Restrukturierungspläne der SFL aufgehen, spielen in den obersten zwei Ligen bald nur noch perfekt organisierte Vereine in neuen Arenen. Für einen FC Aarau ist da kein Platz mehr. Da denkt man wehmütig daran zurück, als die Liga auch von den Unterschieden lebte. Als reiche Vereine mit mondänen Stadien und gelfrisierten Stars noch über solche mit besseren Sportplätzen und Spielern aus der Region stolpern konnten. Als mancherorts Werbespots von Global Player über die Videoleinwand flimmerten, während anderswo lokale Gewerbler ihr Werbeschild bei der Totomat-Tafel aufhängten. Und als man noch neugierig auf das kulinarische Angebot sein konnte.

So sehr ich diese Entwicklung hin zur «Gleichmacherei» bedauere, so wenig wird sie aufzuhalten sein. Der FCA schafft es immerhin, die Erinnerungen an vergangene Zeiten noch einmal aufleben zu lassen. Und vielleicht werden die Aarauer tatsächlich einmal mehr zum ungebetenen Gast im Oberhaus. Nach dem Sieg gestern trennt den FCA nur noch die Tordifferenz vom Barrageplatz. Ich hoffe, dass der «Disco»-Schmähgesang bald wieder durch die Super-League-Stadien hallt und der FCA wieder das erfrischende Gegenstück zu seinen Konkurrenten sein kann.

Was FCB-Fans von Bayern-Fans lernen können

Mämä Sykora am Montag den 20. Februar 2012
Trotz allem die Grössten: Bayern-Fans nach dem verlorenen Champions-League-Final 2010. (Foto: AFP)

Trotz allem die Grössten: Bayern-Fans feiern in München, am Tag nach dem verlorenen Champions-League-Final 2010. (Foto: AFP)

Am Mittwoch darf sich der FC Basel mit dem FC Bayern München messen. FCB gegen FCB. Die Nummer eins der Schweiz gegen die Nummer eins Deutschlands. Ligakrösus gegen Ligakrösus. Und beide Vereine wissen die grösste Fangemeinde ihres Landes hinter sich, zumindest wenn man einer Umfrage von «20 Minuten» aus dem letzten Jahr glauben schenkt.

Beim deutschen FCB ist natürlich alles noch eine Spur grösser als bei «unserem». Das Palmarès der Münchner ist beeindruckend, da können die Basler nicht mithalten. Zudem gehört Bayern praktisch seit Urzeiten zu Europas Topteams, während Basel zwischendurch in der Bedeutungslosigkeit verschwunden ist. Entgegen der weitläufig verbreiteten Meinung, der Schweizer FCB sei stets ein Publikumsmagnet gewesen, kennt man dessen gut gefülltes Heimstadion erst wieder aus neuster Zeit. Nicht nur in der düsteren NLB-Zeit – von jenem legendären Aufstiegsspiel gegen den FCZ mal abgesehen – war der Zuschaueraufmarsch überschaubar, auch noch in der Saison 1999/2000, als der FCB immerhin Vizemeister wurde, lag der Zuschauerschnitt, im Ausweichstadion Schützenmatte zwar, bei lediglich 7680. Auch in den Spielzeiten zuvor wies das Joggeli kaum ein Drittel der heutigen Besucherzahlen auf.

Dieses Mal wollen die Basler ihre Vormachtstellung behalten, und nicht nur Ex-Trainer Thorsten Fink sprach oft davon, den Verein zum «FC Bayern München der Schweiz» machen zu wollen. In Sachen Vereinsführung brauchen die Schweizer den Vergleich mit den Deutschen nicht zu scheuen. Bayern wird zwar von jenen Leuten geführt, die den Verein als Spieler erst zu dem gemacht haben, was er heute ist, aber auch die Führung des FC Basel agiert vorbildlich und setzt auf Kontinuität und Stabilität – mit grossem Erfolg.

Wer sich hingegen beim grossen FCB etwas abschauen könnte, sind die Fans. Trotz der unbestrittenen Hegemonie ihres Vereins neigen die Basler Fans stark dazu, jegliche Äusserungen aus anderen Fanlagern als direkten Angriff auszulegen, und kontern gerne, indem sie dem Gegenüber Neid unterstellen. Klagen über eine unausgeglichene Berichterstattung sind häufig, viele Fans sind der Ansicht, es gehe immer gegen den FCB – egal ob an Stammtischen, in den Medien oder in Foren. Wohl um dem entgegenzuwirken, übernimmt jener Teil der Fans, der nicht gleich den verbalen Zweihänder auspackt, die Aufgabe, den Verein und die Führung bei jeder Gelegenheit über den Klee zu loben.

Die Bayern-Fans sind da einen Schritt weiter. Dank jahrzehntelanger Dominanz haben sie gelernt, etwas lockerer mit der Tatsache umzugehen, dass ihrem Verein ein Grossteil der Bevölkerung nur Niederlagen wünscht. Sie wissen, dass es nicht reine Bösartigkeit ist, wenn man den haushoch Überlegenen stolpern sehen will, weil es das Natürlichste der Welt ist. Bei Sticheleien und Provokationen halten sie es mit dem Sprichwort «Was stört es die Eiche, wenn die Sau sich an ihr reibt». Als Anhänger der klaren Nummer eins im Lande verfügen sie über jene gesunde Portion Arroganz, die sie über allem stehen lässt.

Mit einem müden Lächeln quittieren sie geäusserte Kritik von allen Seiten, im Wissen, dass kein Bundesliga-Konkurrent auch nur in irgendeinem Bereich mit den Bayern mithalten kann. Sie können damit umgehen, wenn ihr Verein «nur» auf Platz 3 steht und die Journalisten einhellig «Krise!» schreien,  obwohl andere Teams wirklich in einer Krise stecken. Denn auch sie selbst haben höhere Erwartungen, und dass das Interesse in erster Linie dem FCB gilt, ist für Bayern-Fans sonnenklar. «Mia san mia» eben. Es ist diese Gelassenheit des Goliaths, die die kleinen Davids zur Weissglut treibt, ohne dass er überhaupt einen Finger rühren bzw. ein Wort sagen muss. Er weiss, dass er gut ist, und das reicht ihm.

In allen anderen Belangen verdient der FC Basel die Bezeichnung «FC Bayern der Schweiz» längst. Nun wünsche ich mir noch, dass die Fans mehr wie jene Eiche aus dem oben genannten Sprichwort würden. Es würde ihnen gut anstehen.