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Wird GC wieder die Zürcher Nummer 1?

Mämä Sykora am Montag den 20. August 2012
Akrobatische Einlage: GC-Paiva vor dem Luzerner Goalie David Zibung. (19. August 2012)

Akrobatische Einlage: GC-Paiva vor dem Luzerner Goalie David Zibung. (19. August 2012)

Seit dem in letzter Sekunde gewonnenen Meistertitel von 2006 war der FC Zürich nur noch ein einziges Mal (2011) bei Saisonende hinter dem Stadtrivalen klassiert. In dieser Zeit feierte der FCZ drei Meistertitel, GC schwebte hingegen mehr als einmal in akuter Abstiegsgefahr, und im kommenden Sommer «dürfen» die Hoppers wohl das traurige Jubiläum von 10 Jahren ohne Titel begehen. Die Stärkeverhältnisse haben sich in den letzten Jahren ziemlich verschoben, die aktuelle Tabelle sagt hingegen etwas anderes aus: 6 Runden sind zwar noch nicht viel, aber GC hat immerhin in der stadtinternen Rangliste schon einen Vorsprung von 6 Punkten herausgespielt. Und während der FCZ nur gegen ein inferiores Lausanne gewinnen konnte, siegte GC schon auswärts bei YB und gestern in Luzern und trotzte dem FCB ein Remis ab.

Als es um die Saisonziele ging, warnte Rückkehrer Vero Salatic davor, den Mund zu voll zu nehmen: «Was ich sagen kann, ist dies: Wir wollen vor dem FCZ sein!», sagte er gegenüber «20 Minuten». Dass dies derzeit der Fall ist, verdanken die Hoppers zwar auch der Tatsache, dass der FCZ nach den grossen Rochaden im Kader noch nicht in die Gänge gekommen ist, aber das soll den tollen Saisonstart des Rekordmeisters keineswegs schmälern. Wer in der letzten Spielzeit regelmässig GC-Spiele verfolgt hat, erkennt die Mannschaft wahrlich kaum wieder. Trotz nur wenigen Transfers hat man bisweilen das Gefühl, das ganze Team sei ausgetauscht wurde.

Die Defensive hat mit Grichting und Vilotic deutlich an Stabilität gewonnen, wie wichtig Salatic für die Mannschaft ist, hat das Jahr ohne ihn gezeigt, und was fast noch wichtiger ist: Die Spielfreude, die unter Ciriaco Sforza so schmerzlich vermisst wurde, ist zurückgekehrt. Mit dem derzeit verletzten Gashi und Ben Khalifa bieten sich Trainer Forte zusätzliche Optionen in der Offensive, so dass er einen wie Frank Feltscher, letzte Saison noch Fixstarter, auf die Bank setzen kann. Kleine Korrekturen, grosse Wirkung: Einige GC-Profis blühen richtiggehend auf, allen voran Steven Zuber, der derzeit so aufspielt, dass ein Nati-Aufgebot nur noch eine Frage der Zeit ist.

Derweil man sich bei den Hoppers auf die Schultern klopfen darf, verfällt man beim Rivalen in Katzenjammer. Nicht nur die Punktausbeute stimmt nicht, auch die Leistungen passen nicht zu den Ambitionen des Vereins. Wenn ein Trainer das Fehlen von Leaderfiguren bemängelt und von der Mannschaft «Leidenschaft und Herz» sehen will, dann heisst das auch zu einem gewissen Grad, dass die fussballerische Qualität nicht über alle Zweifel erhaben ist. Es sind jene Sätze, die man von Verantwortlichen jener Teams hört, die gegen den Abstieg spielen.

Dies wird beim FCZ trotz des schlechten Saisonstarts nicht passieren, aber es besteht zumindest die Gefahr, dass sie den Titel «Nummer 1 der Stadt» für eine Zeit lang abgeben müssen. Niemand hat erwartet, dass der FCZ nach dem Totalumbau gleich wieder um den Titel mitspielen wird, aber derzeit fällt es schwer, einen baldigen Aufschwung zu prophezeien. Wie schnell man im Schatten des Stadtrivalen verschwinden kann, hat man bei GC vor 10 Jahren gesehen. Ein paar gewichtige Abgänge, ein paar Fehltransfers, übersteigerte Ambitionen, und schon fällt man weit hinter den «Erzfeind» zurück. Auch wenn die Saison noch so jung ist, es könnte tatsächlich wieder zu einer Umkehr der Stärkeverhältnisse in der grössten Stadt der Schweiz kommen.

Doppelpack für die Hoffnung

Mämä Sykora am Donnerstag den 16. August 2012
Nutzt lieber die Chance zum Abschluss als zu dribbeln: Mario Gavranovic. (Bild: Keystone)

Nutzt lieber die Chance zum Abschluss als zu dribbeln: Mario Gavranovic. (Bild: Keystone)

Es war zwar nur eines jener Freundschaftsspiele gestern gegen Kroatien – und was von deren Aussagekraft zu halten ist, ist hinlänglich bekannt –, aber dennoch gibt die Partie Anlass zur Hoffnung für Fans der Schweizer Nati. Grund dafür ist nicht mal unbedingt der Sieg, denn dazu waren die Kroaten zu lustlos und zu harmlos, als dass man sich darauf etwas einbilden könnte, sondern eher die Art und Weise, mit der Mario Gavranovic zu seinen zwei Toren kam.

Denn der Sturm ist wohl die grösste Schwachstelle von Hitzfelds Mannschaft. Alles lastet auf den Schultern von Eren Derdiyok, der zwar zuletzt gegen Deutschland auftrumpfte, der aber auch vor einer schwierigen Saison steht. Bei Hoffenheim trifft er auf einen neuen Trainer, der sein Team derart umgestellt hat (bzw. umstellen hat müssen), dass das Magazin «11 Freunde» in seiner Saisonprognose die Kraichgauer auf einem Abstiegsplatz sieht. Zudem bekam Derdiyok im Sturm Konkurrenz: Für 8 Millionen Franken holte Babbel seinen Wunschspieler Joselu, auch U21-Nationalspieler Kevin Volland ist nach einem Leih-Jahr bei 1860 München mit stolzen 24 Skorerpunkten zurück in der Mannschaft. Eine Stammplatzgarantie wird der Basler unter Markus Babbel auf keinen Fall haben.

Die bange Frage für die Nati musste also zwingend lauten: Was, wenn Derdiyok nicht auf Touren kommt? Was, wenn er sich verletzt? Seine potenziellen Stellvertreter glänzen nicht eben mit aufsteigender Formkurve. Admir Mehmedis Einstand bei Dynamo Kiew verlief überraschend erfreulich, doch sowohl bei seinem dritten wie auch in seinem vierten Spiel wurde er zur Pause ausgewechselt, danach spielte er nur noch insgesamt 32 Minuten. Die Vorbereitung für die neue Saison verpasste er wegen Olympia grösstenteils, in den bisherigen sieben Spielen seines Klubs stand er – u. a. ebenfalls wegen dem Turnier in London – nie im Aufgebot. Ähnlich lief es bei Innocent Emeghara, der bei Lorient in der Rückrunde höchstens als Joker ran durfte. Angesichts dieser potenziellen Probleme kommt die «Wiederauferstehung» von Mario Gavranovic fast schon einer Erlösung gleich.

Natürlich ist er nicht der Messias, der dem Schweizer Sturm schon jetzt jene Gefährlichkeit verleiht, die er zu Zeiten Alex Freis hatte. Gavranovic hat schwierige Jahre mit gerade mal einer Handvoll Einsätzen hinter sich, und das just in dem Alter, in dem sich ein Stürmer beweisen muss. Aber bei seinen Auftritten für den FCZ und vor allem während jenem gestern Abend in Split offenbarte der 22-Jährige Qualitäten, die bis jetzt schmerzlich vermisst wurden – jene Qualitäten, die er schon bei seinem Champions-League-Treffer für Schalke gegen Valencia vor eineinhalb Jahren angedeutet hatte. Er ist ein Spieler, der den Abschluss dem Dribbling oder dem Ballhalten vorzieht, und zwar sobald sich die Chance bietet, egal wie gut er zum Ball steht. Gegen Valencia traf er damals im Liegen mit links, auch gestern traf der Rechtsfuss zweimal mit seinem schwachen Fuss. Instinktstürmer nennt man das wohl. Und damit ist er genau das, was der Nati bis jetzt fehlte.

Ungern erinnert man sich an jene Partien unter Hitzfeld, in denen die Schweiz schlicht nicht fähig war, Gefahr zu erzeugen. Bälle wurden hin und her geschoben, Angriffe versandeten reihenweise, Abschlüsse waren eine Rarität – auch weil Derdiyok und Mehmedi mangels Zuspielen oft die Position in der Spitze verliessen, um auch mal wieder einen Ball zu bekommen, ohne dass dafür ein anderer nachgerückt wäre. Ein Gavranovic – so er denn einigermassen konstant bleibt in dieser Spielzeit – bietet da eine wahrlich erfreuliche Alternative. Und zwar sowohl als Sturmpartner für Derdiyok wie auch als dessen Ersatz, falls es notwendig würde.

Dieses Überraschungsmoment, das Gavranovics Spiel ausmacht, wird in der Qualifikation für die WM 2014 extrem gefragt sein. Die Gegner der Schweiz haben ihre Stärken allesamt in der Verteidigung, zu erwarten sind schleppende Spiele mit wenigen Abschlussmöglichkeiten. Einer, der nach einer Ballannahme auf engem Raum den Ball annehmen kann und direkt den Torschuss sucht, ist hierbei Gold wert. Ich bin jedenfalls nach gestern Abend wieder zuversichtlicher als auch schon. Dank Mario Gavranovic.

Die Fifa-Witzrangliste

Mämä Sykora am Montag den 13. August 2012


Die Meldung vom letzten Mittwoch war lediglich eine Randnotiz: In der neusten Fifa-Weltrangliste verdrängte England Uruguay vom dritten Rang, Brasilien hingegen steht neu auf Platz 13 und damit zum ersten Mal seit Einführung der Rangliste nicht mehr in den Top 10. Und damit hinter Dänemark, Russland und Griechenland. Diese Tatsachen alleine wären eigentlich schon Grund genug, die Aussagekraft dieser Rangliste stark infrage zu stellen.

Dass das System noch nicht ganz ausgereift war, musste den Ideengebern schon bei der Veröffentlichung der ersten Fifa-Weltrangliste im August 1993 bewusst geworden sein. Da stand nämlich die Schweiz auf Platz 3, nur zwei Monat später eroberte Norwegen gar Platz 2. Selbst nach einigen Korrekturen in der Berechnung erreichten die USA vor der WM 2006 noch Platz 4, während Gastgeber Deutschland auf Platz 22 zurückgefallen war. Letzteres ergab sich dadurch, dass noch die Ergebnisse der letzten 8 Jahre zählten, wobei Ernstkämpfe deutlich stärker gewertet wurden. Weil die USA und Mexiko mehr WM-Qualifikationsspiele als die Europäer und zudem alle zwei Jahre ihre Kontinentalmeisterschaft austragen – erst noch gegen inferiore Gegner –, waren sie Dauergäste auf den vorderen Rängen.

Seit 2006 kommt ein neuer Berechnungsmodus zum Einsatz. Neu zählen nur die letzten vier Jahre, wobei aktuelle Ergebnisse mehr gewichtet sind, zudem werden die Stärken der Kontinentalverbände berücksichtigt. Eigentlich ja eine gute Idee, doch zufriedenstellend kann auch der neue Modus nicht sein. Denn durch die Abwertung der Kontinentalzonen rangieren die USA nun hinter Ungarn und neben Libyen, Wales und Gabun – trotz Achtelfinale an der WM 2010 und Finalteilnahme im letzten Concacaf-Cup sowie im Konföderationen-Pokal (inkl. 2:0-Sieg über Spanien). Und dann ist da noch diese unverständliche Sache mit den Freundschaftsspielen.

Am Mittwoch spielt das direkt vor der Schweiz klassierte Japan ein Freundschaftsspiel gegen Venezuela. Selbst wenn Japan gewinnen würde, würde es Punkte verlieren. Denn ein Testspiel bringt maximal 600 Punkte, womit Mannschaften mit höherem Punkteschnitt selbst bei Kantersiegen in der Rangliste tiefer fallen. Erfolgreiche Mannschaften bei Welt- oder Kontinentalmeisterschaften würden also am besten überhaupt keine Freundschaftsspiele austragen, es schadet ihnen nur. Wer kommt auf so eine Idee?

Schlimmer noch ist die Situation bei Gastgeberländern von grossen Turnieren. Ohne Ernstkämpfe ist der Absturz in der Weltrangliste vorprogrammiert. Österreich fiel vor der EM 2008 von Platz 60 auf 101 zurück – heute wäre das hinter Antigua und Barbuda! –, die Schweiz auf Platz 48 – heute zwischen Iran und Estland. So ein Absturz droht nun auch Brasilien.

Eigentlich egal, könnte man sagen. Wen interessiert schon die Fifa-Weltrangliste? Spätestens bei der Auslosung der nächsten WM-Qualifikationsgruppen kommt ihr aber einige Bedeutung zu. Aufgrund dieser Tabelle wird nämlich die Einteilung in Setztöpfe vorgenommen. Bei Brasilien ist das vollkommen Wurst, in Südamerika gibt es nur eine Qualigruppe. Ob England aber trotz regelmässigem frühen Scheitern an Endrunden auf Platz 3 oder auf Platz 10 steht, ist für deren Chancen auf eine erneute Qualifikation von grosser Bedeutung. Um das Beispiel Österreich nochmals aufzunehmen: Nach dem tiefen Fall in der Weltrangliste landeten sie bei der Auslosung in Topf 5 (u.a. mit Kasachstan und Aserbaidschan) und wurden deshalb zu Serbien, Frankreich und Rumänien eingeteilt.

Einfacher ist nicht selten besser, das gilt auch für die Weltrangliste. Eine Abstufung der Wichtigkeit der Spiele ist wichtig, jedoch muss man auch in Freundschaftsspielen Punkte gewinnen können. Je stärker der Gegner, desto mehr Punkte gibt’s zu holen – am sinnvollsten mit einer stärkeren Gewichtung bei Gastgeberländern, die keine Ernstkämpfe bestreiten können. Dazu noch Bonuspunkte für eine erfolgreiche WM-Qualifikation sowie für das Erreichen der nächsten Runde bei Welt- oder Kontinentalmeisterschaften. Und schon hätte man eine Rangliste, die die Stärkenverhältnisse deutlich besser wiedergibt und so eine fairere Ausgangslage für kommende Qualifikationen bietet.

Zurück in der Operettenliga

Mämä Sykora am Montag den 6. August 2012
Weltmeister im Anflug: Sions Gattuso landet vor dem Basler Tor. (Bild: Keystone)

Weltmeister im Anflug: Sions Gattuso landet vor dem Basler Tor. (Bild: Keystone)

Kein Transfer hat in den letzten 20 Jahren für so viel Aufregung gesorgt wie jener von Gennaro Gattuso zum FC Sion. Ein Weltmeister wechselt in die Schweiz! Eine Sensation! Da ist es nebensächlich, dass dessen WM-Titel schon sechs Jahre zurück liegt und der Superstar schon 34 Jahre alt ist. Was zählt, ist der Name, auch wenn selbst ein Gattuso weit über dem Zenit hierzulande noch einiges bewirken kann.

Bei so einem Transfer muss man unweigerlich zurückdenken an jene wilde Zeit in der damaligen NLA, in der sich gerne jeder Klub mit einem solch grossen Namen schmücken wollte. In den 80er-Jahren waren es tatsächlich noch Spieler, die einigermassen im Saft standen, die ihre Karrieren in der Schweiz ausklingen liessen. Uli Stielike wechselte direkt von Real Madrid zu Xamax (1985), Karl-Heinz Rummenigge kam von Inter zu Servette (1987), der italienischen Weltmeister Marco Tardelli (von Inter) verstärkte im gleichen Jahr den FC St. Gallen.

So eine Ansammlung von Weltstars in der heimischen Liga ist heute schlicht undenkbar. Mäzene, die ihren Verein so gerne eine solche Galionsfigur kauften, gibt es heute kaum mehr. Zudem wurden für Altstars andere Ligen im arabischen Raum oder in Japan attraktiver, so kam die Schweiz bald nur noch als Altersheim für Spieler infrage, die ausser vergangenem Ruhm und einem beachtlichen Bauch kaum etwas zu bieten hatten. So mussten die Fans teure Spieler erdulden wie Tomas Brolin, Rashidi Yekini, Adrian Ilie, Jean-Marc Ferreri (alle FCZ), Maurizio Gaudino, Franco Foda (beide FCB), Bernard Genghini (Servette) oder Aílton (GC), die allesamt mit Sätzen wie «Ein Weltklassemann! Genau der Spieler, den wir so lange gesucht haben!» vorgestellt und mit «Es hat gezeigt, dass ein guter Name und viel Erfahrung nicht genügen, wenn der Wille nicht stimmt» wieder verabschiedet wurden. (Die beiden Sätze sind übrigens Zitate um das Engagement des französischen Europameisters Jean-Marc Ferreri beim FCZ.)

Heute sind die aufregendsten Spieler der Liga zumeist junge, aufstrebende, oft einheimische Talente. Ein Nassim Ben Khalifa ist etwa bei GC schon ein grosser Hoffnungsträger, beim FCZ ist es Mario Gavranovic, beim FCB waren neben den beiden Routiniers im Sturm vor allem die Youngsters Shaqiri und Xhaka die Attraktion. Die Rechnung geht gleich doppelt auf: Selbst auf dem Höhepunkt der Altmeisterschwemme strömten nicht annährend so viele Zuschauer in die Stadien wie heutzutage, zudem können die weitaus günstigeren Jungen im Erfolgsfall mit einem schönen Gewinn verkauft werden. So ist tatsächlich vernünftiges Wirtschaften möglich, auch ohne grosszügige Geldgeber. Die Vereine haben den neuen Status unserer Liga – Ausbildungsliga statt Operettenliga – akzeptiert und arbeiten seither lieber mit Nachwuchsnationalspielern als mit alternden Exzentrikern mit dem Aktionsradius von der Grösse eines Bierdeckels.

Gennaro Gattuso ist bestimmt kein solcher Spieler. Dennoch bezahlt Sion in erster Linie für seinen Namen. Seine Erfahrung kann die Mannschaft sicher weiterbringen – Bekundungen in diese Richtung sind hingegen wenig aussagekräftig, die müssen ja fast kommen –, dennoch ist ein solcher Zuzug ein Risiko. Die Verletzungsanfälligkeit, das Lohngefüge und die Motivation sind die heiklen Punkte. Und selbst wenn die Leistung ein Jahr lang stimmt, ist das investierte Geld «verloren», denn einen wie Gattuso kann man nicht weiterverkaufen. Sein Engagement ist also – wenn man etwas hart urteilt – nur dann ein Erfolg, wenn Sion mit (und dank) ihm Meister werden sollte, denn vorne mitspielen würden die Walliser nämlich auch ohne den teuren Neuzuzug mit der kurzen Halbwertszeit. Deshalb bleibt die Frage, ob man das Geld nicht besser langfristig für einen noch entwicklungsfähigen, aber schon überdurchschnittlichem Mittelfeldmann ausgegeben hätte – selbst wenn so einer auch einiges kostet.

Immerhin: Dank Gennaro Gattuso bekam nun endlich jenes hoch dekorierte Team Zuwachs, das als Antwort auf eine selbst für Schweizer Fussballexperten knifflige Quizfrage zusammengestellt werden soll. Wer gerne grübelt: Welches sind die Spieler, die – neben den im Artikel genannten – schon in einem WM-Finale im Kader standen und die auch in der Schweiz als Profifussballer tätig waren? Insgesamt sind es deren 18. Viel Spass beim Nachdenken!

Die Auflösung:
• Dida (Bra, WM-Finale 2002/FC Lugano 1998/99)
• Nestor Clausen (Arg, WM-Finale 1986/FC Sion 1989-94)
• Uli Stielike (Deu, WM-Finale 1982/Xamax 1985-88)
• Hans-Peter Briegel (Deu, WM-Finale 1982 und 1986/FC Glarus 1989-92)
• Johan Neeskens (Ned, WM-Finale 1974/FC Baar 1987-90, FC Zug 1990-91)
• Gabriel Calderón (Arg, WM-Finale 1990/FC Sion 1990-92, Lausanne 1993-94)
• Marco Tardelli (Ita, WM-Finale 1982/FC St.Gallen 1987-88)
• Günter Netzer (Deu, WM-Finale 1974/Grasshoppers 1976-77)
• Giancarlo Antognoni (Ita, WM-Finale 1982/Lausanne 1987-88)
• Karl-Heinz Rummenigge (Deu, WM-Finale 1982 und 1986/Servette 1987-89)
• Sándor Kocsic (Ung, WM-Finale 1954/Young Fellows 1958-59)
• Olivier Neuville (Deu, WM-Finale 2002/Locarno 1991-92, Servette 1992-96)
• Norbert Eder (Deu, WM-Finale 1986/FCZ 1988-89)
• Jan Lala (Tsch, WM-Finale 1962/Lausanne 1969-73)
• Christian Karembeu (Fra, WM-Finale 1998/Servette 2004)
• José Altafini (Bra, WM-Finale 1958/Chiasso 1976-79, Mendrisio 1979-80)
• Lionel Charbonnier (Fra, WM-Finale 1998/Lausanne 2001-02)
• Gennaro Gattuso (Ita, WM-Finale 2006/FC Sion 2012-?)

Asiens wundersamer fussballerischer Aufstieg

Mämä Sykora am Montag den 30. Juli 2012
Korea's Bokyung Kim, front right, reacts after scoring the 2-1 next to teammate Chuyoung Park the Group B preliminary match between Switzerland and South Korea at the City of Coventry Stadium in Coventry, Great Britain, at the London 2012 Olympic Summer Games, on Sunday, July 29, 2012. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)

Der Südkoreaner Bokyung Kim (7) feiert seinen Treffer zum 2:1, 29. Juli. (Keystone/Peter Klaunzer)

Gestern unterlag die Schweiz bei Olympia Südkorea mit 1:2 und steht damit bereits vor dem Aus. Diese Niederlage muss nicht erstaunen, schliesslich hat Südkorea im Gegensatz zu den Eidgenossen eine ständige U-23-Equipe, die bei Olympischen Spielen und bei den Asienspielen eingesetzt wird, eine richtige Qualifikation für London gespielt hat und zudem seit November 2010 ungeschlagen ist. Ihr Trainer, Hong Myung-bo, der ehemalige Abwehrchef, ist seit dem aufsehenerregenden Auftritt mit seiner Nationalmannschaft an der Heim-WM 2002 zudem ein Sinnbild für den unaufhaltsamen Aufstieg des asiatischen Fussballs.

Bis zu jener Endrunde galt Asien im Weltfussball als einzige stagnierende Region. Grosse Fortschritte wurden lediglich Afrika zugetraut, deren Vertreter auf der Weltbühne dann und wann für etwas Furore sorgten. Die WM-Teilnehmer aus Asien – zumeist aus dem arabischen Raum – vermochten nie zu beeindrucken. Das fussballbegeisterte Japan war gar erst 1998 zum ersten Mal dabei (und chancenlos), das Riesenreich China konnte sich nur 2002 qualifizieren, weil Japan und Südkorea gesetzt waren. 2002 fand nicht nur die Wachablösung innerhalb Asiens statt – seither dominieren Südkorea und Japan – sondern es war auch der Startschuss zu einer beeindruckenden Aufholjagd gegenüber Europa und Südamerika.

Waren zuvor der Koreaner Cha Bum-kun (98 Tore für Frankfurt und Leverkusen) und der Japaner Hidetoshi Nakata (Perugia, Roma, Parma, Fiorentina) die einzigen Profis, die es zu internationalem Ruhm brachten, etablierten sich in der Folge einige asiatische Profis wie Park Ji-sung (Manchester United) oder Shinji Kagawa (ex-Dortmund, heute auch Manchester United) in europäischen Topklubs. Der riesige Erfolg des Dortmunder Schnäppchens – geholt für 350’000 Euro, verkauft für kolportierte 15 Millionen – brachte eine ganze Welle seiner Landsleute in die Bundesliga: Spielten vor Kagawa lediglich 7 Japaner in der höchsten Liga Deutschlands, kamen auf die letzte Spielzeit gleich 9 neue dazu. Der asiatische Markt ist nicht mehr länger nur vermarktungstechnisch interessant, die Scouts werden dort auch auf der Suche nach Verstärkungen fündig – meist zu deutlich besseren Preisen als etwa in Südamerika.

Von der Erfahrung der Legionäre profitieren auch die Nationalmannschaften. Dazu wurden auch in der Ausbildung riesige Fortschritte gemacht. Südkoreas Teams von 2002 beeindruckte in erster Linie durch die enorme Laufarbeit und die Disziplin, die grossen Mankos waren – wie auch bei den Japanern – die Kreativität und die Torgefährlichkeit. Andy Egli, der schon in Süd- und Nordkorea gearbeitet hat, erzählte mir einst, das genau dies das grosse Problem für seine Arbeit gewesen sei. Laufen, Decken, Spielsysteme – das könne man alles lernen, Kreativität könne man hingegen niemanden lehren. Zudem werde sie in Asien als Charakterzug nicht so hoch geschätzt wie etwa in Europa. Ausführen sei wichtiger als gestalten.

Doch zumindest Südkorea und besonders Japan haben diese Barriere überwunden. Spieler wie Shinji Kagawa, Keisuke Honda (ZSKA Moskau) oder Ki Sung-yueng (Celtic) bringen ihren Nationalteams jene bislang schmerzlich vermisste Portion Kreativität und Überraschung. Brachten Asiens Giganten bislang in den WM-Qualifikationen selbst gegen Zwerge trotz drückender Überlegenheit selten mehr als einen Mini-Sieg zustande, fallen nun endlich auch Tore. Saudi-Arabien, der ehemalige Dominator in Asien, wurde beim letzten Asien-Cup von Japan gleich mit 5:0 überfahren; Usbekistan, Asiens Aufsteiger, kassierte von Südkorea in den letzten beiden Duellen 7 Tore. Zu den bereits vorhandenen Qualitäten gesellt sich nun auch noch die Torgefahr, und das macht sie derzeit – neben der USA – zu den vielversprechendsten Kandidaten, die in den nächsten Jahren dauerhaft die europäisch-südamerikanische Phalanx durchbrechen könnten.

Wenn dereinst endlich einmal ein neuer Kontinent einen Weltmeister stellen wird, dann wird das mit Sicherheit Asien sein. Ich wette drauf.

Unnötiger Hype um Olympia-Fussball

Mämä Sykora am Freitag den 27. Juli 2012
Innocent Emeghara. (Keystone)

Wenn die Schweiz nicht dabei wäre, würde sich hierzulande kein Schwein für Olympia-Fussball interessieren: Innocent Emeghara während des Spiels gegen Gabun, 26. Juli 2012. (Keystone)

Ich kann die Aufregung und den Rummel ohnehin schon nicht ganz nachvollziehen, wenn wieder einmal Olympische Spiele anstehen. Klar, es ist toll, wenn sich Athleten aus der ganzen Welt in den verschiedensten Sportarten messen können, aber bei mir persönlich ist es nicht so, dass ich nun plötzlich ein unbändiges Interesse für Gewichtheben, Kanufahren oder Modernen Fünfkampf an den Tag lege, nur weil gerade die Flagge mit den fünf Kreisen weht. Als sehr stark fussballfokussierter Mensch kommt mir der Olympia-Hype dieses Jahr besonders albern vor, weil ja im Olympischen Fussballturnier auch die Schweiz mitspielt. Toll.

Ich mag es jedem der 18 Schweizer Spieler – und natürlich auch jedem der Konkurrenten – von Herzen gönnen, dass er teilnehmen kann. Bestimmt ist es eine tolle Erfahrung und die Jungs werden viel Freude in Grossbritannien haben. Aber muss man deswegen gleich so ein Trara machen, als wäre unsere Nati beim grössten und wichtigsten Turnier der Welt dabei?

Fussball ist und bleibt bei Olympia eine Randsportart, und das ist auch gut so. Eine weitere Konkurrenz zur WM und den Kontinentalwettbewerben braucht es nicht, alleine schon die Restriktionen bei der Nominierung der Spieler zeigt den Stellenwert des Turniers. Zwar dürfen 3 Spieler über 23 Jahren mitfahren, aber jeder davon nimmt dabei den Ärger seines Arbeitgebers in Kauf. Selbst Xhaka und Shaqiri wollten in der wichtigen Saisonvorbereitung ihren Klubs nicht fehlen und verzichteten auf London, was teilweise für viel böses Blut sorgte. Und das nur, weil man sich beim SFV nicht damit abfinden wollte, dass das bevorstehende Turnier für fast niemanden von Bedeutung ist.

Hand aufs Herz: Wissen Sie noch, wer im letzten Olympia-Final stand und wie er ausging? Oder wie sich Mexiko, Gabun und Südkorea für Olympia qualifizierten? Eben. Olympischer Fussball ist hierzulande lediglich darum ein Thema, weil wir dabei sind. Ob es die spärlichen Zuschauer wirklich interessiert oder ob irgendwo in der Welt Notiz davon genommen wird – geschenkt. Wir machen da mit, also muss das auch wichtig gemacht werden.

Die Super League läuft wieder, den Vereinen fehlen wichtige Spieler, die im Ausland engagierten erschweren sich des Turniers wegen den Weg in die Stammformation, und das alles für ein paar Spiele, die nicht mal die Scouts verfolgen und deren sportliche Bedeutung gegen Null tendiert. Ist es das wert?

Immerhin, wir sehen wieder einmal einige Schweizer Profis bei der Arbeit, die wir kaum mehr zu Gesicht bekommen, weil sie in fernen Ligen kicken (und dort kaum zum Einsatz kommen). Für diese ist London wohl auch eine Art Bewerbungsschreiben für hiesige Klubbosse, um nicht ganz in Vergessenheit zu geraten. Und ein paar neue Gesichter wie Fabian Schär gibt’s auch noch zu entdecken. So bringt das Olympische Fussballturnier immerhin einigen wenigen etwas, aber deswegen gleich so zu tun, als gäbe es derzeit nichts Wichtigeres im Weltfussball als ein nach originellen Kriterien zusammengestelltes Turnier mit einigen entbehrlichen Unter-23-Jährigen, das ist wirklich etwas zu viel des Guten. Bei all den vielen Wettbewerben weltweit wäre ich jedenfalls nicht einmal traurig, wenn Fussball bei Olympia gestrichen würde. Von mir aus kann man stattdessen wieder andere Sportarten aufnehmen, die leider derzeit nicht mehr olympisch sind. Tauziehen vielleicht (bis 1920). Oder Croquet (1900). Oder warum nicht wieder Baukunst, Literatur und Bildhauerkunst wie 1912 bis 1948?

Resultatesüchtig

Mämä Sykora am Donnerstag den 19. Juli 2012
Wissen, was läuft: Der italienische Nationalspieler Alessandro Nesta während eines Trainings 2006. (Bild: Keystone)

Wissen, was läuft: Der italienische Nationalspieler Alessandro Nesta während eines Trainings 2006. (Bild: Keystone)

Toscana, irgendwann gegen Mitternacht. Nach einem opulenten Mahl mit vorzüglicher Pasta an Tomatensauce und Salsicce weilt man noch vor dem grossräumigen alten Haus auf dem Sitzplatz bei Limoncello und Grappa. Die Grillen erholen sich von ihrer pausenlosen Schwerstarbeit tagsüber, auch in der Menschengruppe entsteht ein kurzer Moment des Schweigens.

«Heute ging die Super League wieder los», nehme ich das Gespräch auf.
«Du machst Witze!»
«Kein Scherz. Heute spielte Basel auswärts gegen Servette.»
«Heute? Die Ferien haben ja erst begonnen! Und die EM ist kaum vorbei.»
«Dennoch: Heute spielte wirklich Basel gegen Servette.»
«So ein Irrsinn! Wer interessiert sich denn jetzt schon wieder für Schweizer Fussball?»

Wir lachen beide. Doch ich überlege mir ernsthaft, wie das Spiel wohl ausgegangen ist.

Die Szenerie am nächsten Tag ist nahezu dieselbe, nur haben wir eben erst zwei Bistecca fiorentina von der Grösse eines europäischen Zwergstaates bezwungen. Angeregt wird diskutiert, was man am kommenden Tag schönes auftischen könne. Ich gebe für irgendwas meine Zustimmung. Muss ja niemand wissen, dass ich in jenem Moment weder an Scampi vom Grill noch an Spaghetti Vongole gedacht habe, sondern ob Gavranovic wohl von Anfang an gespielt hat und welche der unzähligen Offensiv-Neuverpflichtungen bei Sion zum Handkuss kam.

Schliesslich siegt doch die Neugier. Schon am zweiten Tag breche ich mit meinen Vorsätzen, stelle mein Handy ein und aktiviere das «Daten-Roaming», um die Ungewissheit mithilfe meiner liebsten Fussball-App zu vertreiben. Kein Empfang. Erst ein Spaziergang zaubert auf mein Display nach einer schier unendlichen Wartezeit, in der ich sogar kurz damit liebäugelte, nach all den Jahren wieder einmal die Nummer 164 anzurufen, jene Resultate, nach denen ich so dürstete.

Nichts habe ich von diesen Partien mitbekommen, und doch verschafft mir alleine das Wissen um den Ausgang der ersten Spiele der Saison eine gewisse Befriedigung. Vor meinen Augen sehe ich den Treffer von Gavranovic und einige Aktionen von Gattuso, die es mit Sicherheit so nicht gegeben hat. Mir egal: Hauptsache ich muss nicht mehr mit diesem quälenden Unwissen über den Ausgang von schon seit Stunden abgepfiffenen Meisterschaftspartien leben.

Blöd nur: Ist die Gier erst mal geweckt, ist es nicht so einfach, sich zurückzuhalten. Das Prinzip Einstiegsdroge eben. So musste ich natürlich nach den Samstags- auch die Sonntagsspiele nachschauen. Okay, vielleicht auch noch ein paar Testspiele und Transfernews, kann durchaus sein. So erhielt ich schon am Dienstag von meinem Mobilnetzanbieter ein freundliches SMS mit dem Inhalt: «Seit der letzten Rechnung sind beim mobilen Surfen im Ausland Kosten von über CHF 50.00 entstanden.»

50 Franken nur für ein paar läppische Resultate! Das ist wirklich die Höhe! Selbstverständlich werde ich angesichts dieses unerhörten Betrags fortan in den Ferien auf sämtliche Resultate dieser Welt pfeifen. Und zwar voll und ganz. Obwohl… Am Samstag spielt doch Basel gegen Luzern.

Basel gegen niemanden

Mämä Sykora am Freitag den 13. Juli 2012
Wer auf den FC Basel als Meister setzt, wird in den Wettbüros nicht absahnen: Benjamin Huggel mit Meister. und Cuppokal, 23. Mai 2012. (Keystone)

Wer in der neuen Saison auf den FC Basel setzt, wird in den Wettbüros nicht absahnen: Basel-Spieler Benjamin Huggel feiert den Meistertitel, 23. Mai 2012. (Keystone)

Auch 2012/13 gibt es vor dem Start der Super League nur eine Frage: Wer, ja wer soll den FC Basel davon abhalten, zum vierten Mal nacheinander und zum siebten Mal in zehn Jahren zu Meisterehren zu kommen. So eine Dominanz hat es in der 115-jährigen Geschichte der Schweizer Liga noch nicht gegeben. Zwar reihte auch YB von 1957 und 1960 vier Titel aneinander, davor und danach blieben die Berner allerdings nahezu 30 Jahre ohne Meisterehren. Auch die Wettanbieter zweifeln nicht daran, dass die Meisterfeier 2013 auf dem Barfüsserplatz abgehalten wird: Für den FCB bietet etwa Bwin eine Quote von 1,42, während bei den Herausforderern Sion (7,00) und YB (7,50) grosse Gewinne winken.

Nur: Vom Winken alleine kann man sich nichts kaufen. Selbst wenn der Serienmeister vom Rheinknie auf diese Saison die Leistungsträger Shaqiri, Xhaka, Abraham und Huggel verloren hat, ist er immer noch auf allen Positionen so hervorragend besetzt, dass ein ähnlich dominanter Sololauf wie letztes Jahr prognostiziert werden «muss». Während der Erfolg der Konkurrenz nicht wenig davon abhängt, ob die Neuverpflichtungen umgehend einschlagen, kann der Branchenprimus diesen mehr Zeit zugestehen, weil er bereits ohne die neuen Legionäre Marcelo Díaz, Mohamed Salah und Gastón Sauro die beste Mannschaft der Liga stellt. Marco Streller und Alex Frei sind noch immer zu gut für die meisten Abwehrreihen hierzulande, der Abstand zu den Herausforderern zeigt sich schon allein an der Tatsache, dass diese beiden in der vergangenen Spielzeit zusammen nur drei Tore weniger erzielt haben als der gesamte FC Sion, für Bwin die Nummer 2 im Lande.

Und genau hier will Christian Constantin ansetzen. Für den ungenügenden Danilo und den verletzungsanfälligen Dragan Mrdja karrte der exzentrische Präsident Konkurrenz gleich im Multipack an. Fortan verlangen auch Léo Itaperuna, Kyle Lafferty, Oussama Darragi und ab Januar gar noch Yannick N’Djeng Einsatzzeit in der Offensive, vier davon sind Nationalspieler. Wie das gut gehen soll, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Vielleicht erhofft man sich bei Sion, bald mit 6 Stürmern agieren zu können, während Gennaro Gattuso, der spektakulärste Transfer der Liga, ab der Mittellinie alleine alles abräumt (sofern sein Knie hält). Mit derart konzeptlosem Aufrüsten kann man Basel nicht fordern, mit diesem (vielen) Geld hätte man besser die Mannschaftsteile gleichwertig verstärkt. Ein grosser Wermutstropfen: Goran Obradovic, der vielleicht coolste Spieler der Liga, ist nicht länger im Sion-Dress zu bewundern.

Den umgekehrten Weg geht man bei den Young Boys. Nach dem missglückten (und teuren) Experiment mit Christian Gross setzt man neu auf Kontinuität. Martin Rueda, der sich bislang nur bei Vereinen mit überschaubaren Ambitionen beweisen durfte, erhält die Chance, YB näher an Basel heranzuführen. 23 Punkte Rückstand waren es letztes Jahr, verständlich deshalb, das für einmal nicht der Titelkampf als Ziel herausgegeben wurde, sondern «ein vorderer Rang». Der Kader bleibt (vorläufig) nahezu identisch, ein gewichtiger Abgang ist hingegen jener von David Degen zum FCB. Kein Wunder bläst man nicht lautstark zum Angriff wie so oft in den vergangenen Jahren, doch «ein vorderer Rang» ist etwas gar viel Understatement. Besonders weil sich die Mitstreiter um einen Europacup-Platz sich ebenfalls damit abgefunden haben, dass sie gegen Seriensieger FCB nichts ausrichten können.

Basels einstiger Rivale FCZ gab in der Sommerpause erneut gleich mehrere Stammkräfte ab (Aegerter, Nikci, Barmettler, Zouaghi), ohne sie gleichwertig zu ersetzen und Chikhaouis Rückkehr ist einmal mehr ungewiss, Vizemeister Luzern ersetzte Kukeli durch Muntwiler und holte mit Dimitar Rangelov immerhin den längst benötigten Knipser, der ganze Rest der Liga hat schlicht keine Möglichkeiten, um vorne mitzuspielen. Deshalb erwarte ich viele Duelle auf eher bescheidenem Niveau, Spannung wird lediglich der Abstiegskampf bieten. Gegen den Fall in die Challenge League müssen sich voraussichtlich in erster Linie Lausanne, St. Gallen und wiederum die Grasshoppers wehren, die zwar ihre Defensive mit den Zuzügen von Grichting, Vilotic und Salatic deutlich verstärkt haben, ohne Daniel de Ridder fehlt ihnen dafür die neben Steven Zuber einzige Offensivwaffe.

Und weil ich immer gerne tippe: Basel holt einmal mehr Meisterschaft (mit über 20 Punkten Vorsprung) und Pokal, Sion, YB und Luzern qualifizieren sich für den Europacup, Lausanne steigt ab. Einverstanden?

Viel zu früh für Super League!

Mämä Sykora am Mittwoch den 11. Juli 2012

Kein Stress für die Stars europäischer Ligen. Lionel Messi und Freundin Antonella Roccuzzo geniessen das Strandleben. (Foto: AFP)

Es gibt viele Dinge, die ein Fussballer in der Sommerferienzeit tun kann. Verreisen zum Beispiel. Irgendwo mit einem Schiff um kleine Inseln tuckern. Oder sich mit der Familie in die Berge zurückziehen, fernab vom Drill des Konditionstrainers und den Paparazzi. Er kann quer durch Europa tingeln, um bei diversen Klubs für Probetrainings vorstellig zu werden, sollte er gerade auf Vereinssuche sein. Oder man kann es sich auch einfach gut gehen lassen wie Mario Balotelli. Der Fussballer kann sich auf Olympia als Saisonvorbereitung freuen. Oder aber tatsächlich bereits in einem richtigen Meisterschaftsspiel auf Punktejagd gehen. Letzteres ist allerdings praktisch nur in der Schweiz möglich.

Während in ganz Europa noch der Schlusspfiff des EM-Finales nachhallt, legt die Super League in vollem Ernst bereits los. Erst vor sieben Wochen triumphierte Chelsea in der Champions League, vor wenigen Tagen ging die EM zu Ende, und schon packen die Schweizer Profis wieder ihre Matchausrüstung ein, während sich ihre Kollegen europaweit momentan lediglich um Badehose und Flip-Flops kümmern müssen. Exakt zum Auftakt der Schulferien erfolgt der Anstoss zur neuen Saison, obwohl die Sommerferien stets als Argument dafür angeführt werden, weshalb eine Sommermeisterschaft hierzulande nicht funktionieren würde. Denn wer soll dann bitteschön schon ins Stadion gehen?

War das nicht gerade vor kurzem? Der FC Basel feiert den Meistertitel. (Keystone)

War das nicht gerade vor Kurzem? Der FC Basel feiert den Meistertitel. (Keystone)

36 Spiele stehen für hiesige Mannschaften an, ähnlich viele wie in den übrigen Ligen, die fast alle erst über einen Monat später beginnen, und dennoch gleich wie die Super League Ende Mai enden. Und dies, obwohl dort oft deutlich mehr Mannschaften im Europacup vertreten sind und teilweise gar mehrere nationale Pokale ausgespielt werden, was die Spielplanung erschwert. Da muss man sich doch wirklich fragen, weshalb um alles in der Welt die Schweizer schon derart unangenehm früh mit ihrer Meisterschaft beginnen müssen.

Nicht nur für jene, die nach so viel Fussball erst Mal die Nase voll haben, ist dies ein Ärgernis. Jeder, der schon einmal auf dem Computer als Fussball-Manager ein Schweizer Team geführt hat, kennt die weiteren Nachteile: Die Vorbereitung ist kurz, das Transferfenster noch lange offen. Potenzielle Neuzuzüge lassen sich da noch lange Zeit mit ihrer Entscheidung und stossen dadurch oft erst kurz vor Meisterschaftsstart zum Team – untrainiert und nicht eingelebt. Und weil die grösseren Vereine keine Eile haben, ihr Team zusammenzustellen, wird dann nach acht Runden der einzige Stürmer von Format doch noch von Paderborn oder so weggelockt, Ersatz zu finden, ist fast unmöglich, weil alle aussichtsreichen Kandidaten schon längst irgendwo untergekommen sind. In diesen Momenten verflucht man nicht Paderborn – obwohl: das sicher auch – aber in erster Linie fragt man sich dann umso mehr, warum zur Hölle die kleine Schweiz mit ihrer winzigen Liga ums Verrecken schon dann beginnen muss, wenn Mario Balotelli noch mit drei adretten Damen im Arm an der Wasserpfeife ziehen kann.

Nicht mal für Testspiele lassen sich so früh ernsthafte Gegner finden. Die Neuzuzüge dürfen ihr Können lediglich gegen Kracher wie Buochs, Wohlen und Unterhaching beweisen, bevor es ab Freitag schon ernst gilt. Das ist ganz einfach zu früh. Für mich jedenfalls. Ich halte mich da ganz an das Programm der Profis aus den grösseren Ligen, packe Badehose und Flip-Flops ein und verreise erst mal in die Ferien. Und wer weiss, vielleicht nehme ich die Wasserpfeife mit.

Fussball ist immer 2:1

Mämä Sykora am Donnerstag den 5. Juli 2012
Nicht nur hat Italien gerade 2:1 gegen Deutschland gewonnen, vermutlich haben diese Fans auch noch das richtige Resultat getippt: Italien-Anhängerinnen feiern in Zürich das Weiterkommen der Squadra Azzurra, 28. Juni 2012. (Foto: Walter Bieri/Keystone)

Nicht nur hat Italien gerade 2:1 gegen Deutschland gewonnen, vermutlich haben diese Fans auch noch das richtige Resultat getippt: Italien-Anhängerinnen feiern in Zürich das Weiterkommen der Squadra Azzurra, 28. Juni 2012. (Foto: Walter Bieri/Keystone)

Es war an jedem Spieltag der EM 2012 dasselbe: Jeweils vor Spielbeginn machte ich mich mit einem Kübel und einigen Blatt Papier auf den Weg durch die Reihen der Besucher unserer EM-Bar, damit diese ihren Tipp für die anstehende Partie abgeben konnten. 5 Franken pro Tipp, den Pott teilten sich jeweils diejenigen, die das richtige Resultat vorausgesagt haben. Mit der Zeit entwickelte ich ein Gespür dafür, wer sich eher zu einer Wette hinreissen lässt. Während bei erklärten Fussball-Sachverständigen kaum etwas zu holen war – wohl weil sie einfach in Ruhe den Match verfolgen wollten und vielleicht auch nicht ihren Ruf als Kenner mit einer komplett falschen Prophezeiung aufs Spiel setzten wollten –, schmissen viele Gelegenheits-Fussballgucker – mit einem sehr hohen Frauenanteil – ohne zu zögern und mit Begeisterung ihren 5-Liiber in den Kübel.

Gerade bei der zweiten Gruppe war eine erstaunliche Konzentration auf ein Ergebnis festzustellen, ungeachtet der Spielpaarung und der Voraussetzungen. Die Blätter mit den Tipps waren geradezu übersät mit dem Resultat 2:1. Die genaue Auswertung habe ich mir erspart, aber schätzungsweise machte es gegen 70 Prozent der abgegebenen Tipps aus. 2:1 ist ganz einfach das typische Fussballresultat. Die einen sind sehr gut aber die anderen sind sicher auch nicht so schlecht, ein Tor kriegen die schon hin: 2:1, ganz klar. Bei der Tippabgabe werden anscheinend logische und statistische Grundsätze gerne über Bord geworfen. Denn schliesslich ist man mit einem 2:1 auch meistens noch lange im Rennen, während man beim viel häufiger auftretenden 1:0 – das am meisten verbreitete Resultat in Länderspielen – schon ausgeschieden ist, wenn beide Mannschaften geskort haben.

5 der 31 Partien der EM 2012 endeten 2:1, 4 waren es 2008. Dem gegenüber stehen an diesen beiden Endrunden 13 1:0 und 11 2:0. Dessen bewusst schreiben Tipper mit dem entsprechenden Vorwissen ihr Resultat hin. Und sie erklären es nicht selten auch gleich noch: Mannschaft A dominiert, schiesst ein Tor, drückt dann aber nicht energisch auf das zweite, und so endet die Partie entweder 1:0 oder – falls Mannschaft B gegen Schluss alles nach vorne wirft und in einen Konter läuft – eben 2:0. Statistisch vernünftig und auch sonst durchaus nachzuvollziehen.

Doch Fussball folgt keinen Prophezeiungen. Und so trifft dann halt Özil im Halbfinale gegen Italien in der Nachspielzeit per Elfmeter noch zum 2:1, Van Persie schiesst doch noch irgendwie sein obligates Tor und das Spiel endet so, wie es die «Banausen» getippt haben, die dies nach Empfang des Gewinns genüsslich den «Experten» unter die Nase reiben. Mit dem Effekt, dass sich letztere bei der nächsten Anfrage zum Mitmachen bei der 5-Liiber-Wette angeekelt abwenden. Dies wiederum sorgt dafür, dass der Anteil an getippten 2:1 geradezu absurde Ausmasse annimmt. Für die «Bank» ist dies erfreulich, denn damit sinkt die Chance, dass das richtige Resultat getippt wird. Und wenn dann doch einmal dieses unsägliche 2:1 gespielt wird, müssen sich die Gewinner den Jackpot mit einer ganzen Armee von Mittippern teilen. Geschieht ihnen ganz recht. 2:1 – das tippt man einfach nicht.