Seit dem in letzter Sekunde gewonnenen Meistertitel von 2006 war der FC Zürich nur noch ein einziges Mal (2011) bei Saisonende hinter dem Stadtrivalen klassiert. In dieser Zeit feierte der FCZ drei Meistertitel, GC schwebte hingegen mehr als einmal in akuter Abstiegsgefahr, und im kommenden Sommer «dürfen» die Hoppers wohl das traurige Jubiläum von 10 Jahren ohne Titel begehen. Die Stärkeverhältnisse haben sich in den letzten Jahren ziemlich verschoben, die aktuelle Tabelle sagt hingegen etwas anderes aus: 6 Runden sind zwar noch nicht viel, aber GC hat immerhin in der stadtinternen Rangliste schon einen Vorsprung von 6 Punkten herausgespielt. Und während der FCZ nur gegen ein inferiores Lausanne gewinnen konnte, siegte GC schon auswärts bei YB und gestern in Luzern und trotzte dem FCB ein Remis ab.
Als es um die Saisonziele ging, warnte Rückkehrer Vero Salatic davor, den Mund zu voll zu nehmen: «Was ich sagen kann, ist dies: Wir wollen vor dem FCZ sein!», sagte er gegenüber «20 Minuten». Dass dies derzeit der Fall ist, verdanken die Hoppers zwar auch der Tatsache, dass der FCZ nach den grossen Rochaden im Kader noch nicht in die Gänge gekommen ist, aber das soll den tollen Saisonstart des Rekordmeisters keineswegs schmälern. Wer in der letzten Spielzeit regelmässig GC-Spiele verfolgt hat, erkennt die Mannschaft wahrlich kaum wieder. Trotz nur wenigen Transfers hat man bisweilen das Gefühl, das ganze Team sei ausgetauscht wurde.
Die Defensive hat mit Grichting und Vilotic deutlich an Stabilität gewonnen, wie wichtig Salatic für die Mannschaft ist, hat das Jahr ohne ihn gezeigt, und was fast noch wichtiger ist: Die Spielfreude, die unter Ciriaco Sforza so schmerzlich vermisst wurde, ist zurückgekehrt. Mit dem derzeit verletzten Gashi und Ben Khalifa bieten sich Trainer Forte zusätzliche Optionen in der Offensive, so dass er einen wie Frank Feltscher, letzte Saison noch Fixstarter, auf die Bank setzen kann. Kleine Korrekturen, grosse Wirkung: Einige GC-Profis blühen richtiggehend auf, allen voran Steven Zuber, der derzeit so aufspielt, dass ein Nati-Aufgebot nur noch eine Frage der Zeit ist.
Derweil man sich bei den Hoppers auf die Schultern klopfen darf, verfällt man beim Rivalen in Katzenjammer. Nicht nur die Punktausbeute stimmt nicht, auch die Leistungen passen nicht zu den Ambitionen des Vereins. Wenn ein Trainer das Fehlen von Leaderfiguren bemängelt und von der Mannschaft «Leidenschaft und Herz» sehen will, dann heisst das auch zu einem gewissen Grad, dass die fussballerische Qualität nicht über alle Zweifel erhaben ist. Es sind jene Sätze, die man von Verantwortlichen jener Teams hört, die gegen den Abstieg spielen.
Dies wird beim FCZ trotz des schlechten Saisonstarts nicht passieren, aber es besteht zumindest die Gefahr, dass sie den Titel «Nummer 1 der Stadt» für eine Zeit lang abgeben müssen. Niemand hat erwartet, dass der FCZ nach dem Totalumbau gleich wieder um den Titel mitspielen wird, aber derzeit fällt es schwer, einen baldigen Aufschwung zu prophezeien. Wie schnell man im Schatten des Stadtrivalen verschwinden kann, hat man bei GC vor 10 Jahren gesehen. Ein paar gewichtige Abgänge, ein paar Fehltransfers, übersteigerte Ambitionen, und schon fällt man weit hinter den «Erzfeind» zurück. Auch wenn die Saison noch so jung ist, es könnte tatsächlich wieder zu einer Umkehr der Stärkeverhältnisse in der grössten Stadt der Schweiz kommen.