
Die Rangliste der Super League erinnert zurzeit an die gute alte Nationalliga A: Im Bild oben sind GC-Spieler Andi Egli (l.), der St. Galler Ivan Zamorano (M.) und Urs Meier (r.) zu sehen, November 1989. (Foto: Keystone)
Irgendwie ruft es ein ziemliches Backflash hervor, wenn man die aktuelle Tabelle der Super League von oben herab zu lesen beginnt. Man braucht bloss den Namen dieser Bank und das «Super League» abzudecken und durch das gute, alte «Nationalliga A» zu ersetzen, und schon wirbeln auf Platz 1 Manni Braschler oder Ivan Zamorano, dahinter zaubert bei GC die halbe Nationalmannschaft und Jean-Paul Brigger und Dominique Cina machen das Wallis stolz. Da tauchen Trikots und ihre Werbeaufdrucke von Firmen vor dem geistigen Auge auf, die man längst vergessen hat: Ernst Teigwaren, Fido (ja, das Hundefutter), Nissan, Le Nouvelliste … Selbst Placette kommt einem dann in den Sinn, wenn man den Blick noch tiefer schweifen lässt. Alle jene Mannschaften sind wieder vertreten ganz oben, die für in den Achtzigern aufgewachsenen Fussballfans irgendwann mal eine Rolle gespielt haben.
Nun ja, fast alle. Xamax fehlt natürlich. Und Aarau. Aber sonst ist alles fast wieder so wie in jener heute total verklärt gesehenen Zeit. Da war FCB–FCZ noch nicht das Gigantentreffen wie nach der Jahrtausendwende, sondern wenn schon ein Kellerduell. Oder überhaupt kein Duell, weil sich einer der beiden Dominatoren der 70er-Jahre gerade in der NLB mit Emmenbrücke oder Martigny vergnügte. Nachfolger hatten sie in der NLA keine. Fast jeder durfte mal ganz oben stehen, wenn GC schwächelte: Servette, YB, Xamax, Luzern, Sion, Aarau. Aarau! Und für Lausanne und St. Gallen gab’s immerhin Siege in der Qualifikationssrunden.
Momentan ist es wirklich fast wieder so wie damals. Wenn der FCSG am Montag GC im Letzigrund besucht, ist dies das Spitzenspiel. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann diese Begegnung das letzte Mal mit dieser Bezeichnung versehen worden ist. Es wird das Spiel zwischen dem Erst- und dem Zweitplatzierten sein, obwohl dabei der Aufsteiger auf den nur dank Tschagajew und Sion-Punktabzügen Geretteten trifft. Verkehrte Fussballwelt!
Wunderbare Fussballwelt! Denn was gibt es Schöneres, als wenn die Hierarchien einer Liga nicht mehr so starr sind? Jaja, es sind erst 10 Runden gespielt, und wahrscheinlich wird die Tabelle bis zum Schluss doch noch etwas «zurechtgerückt» werden. Aber im Moment macht das einfach nur Freude. Bei GC kommen plötzlich wieder Zuschauer, weil die Leistungen und die Platzierung wieder stimmen. Im Derby geht es endlich wirklich wieder um die «Vorherrschaft» in der Stadt. St. Gallen ist ohnehin in grösstmöglicher Euphorie, in Sion träumt man trotz Dämpfer noch immer von der Meisterschaft, selbst YB ist noch im Rennen. Und Basel, der Seriensieger, muss sich tatsächlich wieder einmal richtig anstrengen. Eine Tatsache, die Heiko Vogel vielleicht nicht ganz so goutiert, aber mal ganz ehrlich, liebe Basler: Es ist doch für erfolgsverwöhnte Fans auch interessanter, wenn wieder mal ein bisschen Spannung aufkommt. Konkurrenz belebt nicht nur das Geschäft, sondern auch das Leben eines Fans.
Ich jedenfalls geniesse die neue Unordnung im Schweizer Fussball. Am nächsten Spieltag wird ein weiteres Mal einiges neu gemischelt. Am Montag im Letzigrund, wenn GC gegen den FCSG um die Tabellenführung spielt. Ich werde wohl mein Fotolabo-Club-Xamax-Trikot anziehen, damit die auch ein bisschen dabei sind. Dann ist wirklich fast alles wieder wie früher.