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Könige in der Super League, Bettler in der Bundesliga

Mämä Sykora am Samstag den 20. August 2011


Die Ernüchterung war gross nach dem Spiel des FCZ in München. Die Leistung der Zürcher wurde kritisiert, vielerorts wurde gesagt und geschrieben, es wäre gegen «bescheidene» und «nicht zwingende» Bayern mehr drin gelegen. Der Mut habe im Team vom Urs Fischer gefehlt, man habe sich nichts zugetraut und sei nicht als Kollektiv aufgetreten.

Einer, der sich besonders kritisch zur Darbietung der Mannschaft geäussert hat, war FCZ-Präsident Ancillo Canepa, der laut eigenen Aussagen ob der Leistung «erschrocken» ist. Lieber Herr Canepa, am Mittwoch spielte der FCZ gegen den deutsche Rekordmeister und Ligakrösus, der mit einem Jahresbudget von 100 Millionen Euro operiert und bei dem 11 der 12 eingesetzten Profis aktuelle Nationalspieler sind. Es ist immer erlaubt zu träumen, aber gerade ein Canepa, der 1984 Kandidat im «Tell-Star» war mit Spezialgebiet Bundesliga, sollte die Stärkeverhältnisse eigentlich besser einzuschätzen vermögen.

Zwei Vereine miteinander zu vergleichen, die nicht in der gleichen Liga spielen, ist stets ein sehr schwieriges Unterfangen. Es gibt sehr viele Spieler, die bis zu einem gewissen Niveau einen brillanten Eindruck hinterlassen, dann aber hoffnungslos überfordert sind, wenn der Gegner wirklich Klasse besitzt. Der FCZ war und ist ein Sammelbecken für solche Spieler. Vonlanthen, Margairaz, Djuric und (noch) Mehmedi sind oder waren in Spielen gegen Ligakonkurrenten nicht selten matchentscheidend, auf internationalem Parkett wird ihre Stärke jedoch stark relativiert und sie verkommen zu Statisten.

Fussballerisch sind die Zürcher ihren Kollegen aus der Bundesliga gar nicht einmal sonderlich unterlegen. Alle, die am Mittwoch auf dem Rasen standen, können mit dem Ball umgehen und haben zweifellos ihr Qualitäten. Der Grund, weshalb sie noch in der Schweiz spielen, während keineswegs «bessere» Kicker wie Marx (Gladbach), Franz (Hertha) oder Lanig (Köln) zum Stamm in der Bundesliga gehören, wurde jedoch einmal mehr offensichtlich: Bundesliga-Profis sind ganz einfach «parater», wie man so unschön sagt. Sprich: Sie sind reaktionsschneller, deutlich zweikampfstärker, physisch präsenter, stets auf das Spiel fokussiert und haben keinerlei mentale Probleme. Sie gehen auf den Platz im Wissen, die Partie gewinnen zu können, selbst wenn sie mit einem Abstiegskandidaten beim souveränen Tabellenführer antreten.

Die Scouts sehen sehr wohl das fussballerische Niveau einiger Super-League-Stars, doch nach Spielen wie jenem vom Mittwoch fragen sie sich zu Recht, ob sie auch in einer härteren, ausgeglicheneren Liga wie der deutschen bestehen könnten. Der Sprung ist – auch das hat diese Partie gezeigt – ein riesiger, gerade wenn man die letzten FCZ-Heimpartien gegen Bundesligisten einbezieht (2007: 0:5 gegen Leverkusen, 2008: 1:3 gegen den HSV), in denen die Limmatstädter ebenfalls ohne den Hauch einer Chance waren.

Die Bundesliga ist wohl die attraktivste und ausgeglichenste Liga Europas. Dort werden Auftsteiger Meister, und Titelverteidiger kämpfen wenige Monate später gegen den Abstieg. Jeder kann jeden schlagen, leichte Spiele gibt es nicht. Das muss jeder, der dort aktiv spielt, verinnerlicht haben. Während die besten Super-League-Vereine viele ihrer Spiele auch mit angezogener Handbremse souverän gewinnen können, verlangt die Bundesliga von ihren Akteuren stets alles ab. Durchschnittliche Profis wie die oben genannten profitieren dabei davon, Woche für Woche gegen Ausnahmekönner antreten zu dürfen und dabei ihr Spiel stets zu optimieren, bis sie das Maximum aus ihren Qualitäten herausholen können. Genau wie ein Hobby-Tennisspieler seine Fähigkeiten rapide verbessert, wenn er regelmässig gegen Roger Federer spielen darf. Ein so geschulter Spieler ist für einen Verein viel mehr wert als ein Klassefussballer, der nur dann lichte Momente hat, wenn es der Gegner zulässt.

Eine beliebte Diskussion unter Fussballfans ist die hypothetische Frage, wie sich Schweizer Spitzenvereine wohl in der Bundesliga schlagen würden. Die Meinungen gehen hierbei weit auseinander. Während Ancillo Canepa und bestimmt auch ein Grossteil der Fans der Ansicht ist, der FCZ (oder eben der FCB) würde um die Europacup-Plätze mitspielen oder zumindest im gesicherten Mittelfeld abschliessen, würde ich – nicht nur wegen dem Spiel am Mittwoch – behaupten: Jeder Super-League-Spitzenklub würde in der Bundesliga gegen den Abstieg kämpfen.

Was denken Sie? Hat Canepa seine Spieler zu Recht kritisiert? Oder sind auch sie der Ansicht, dass es für Schweizer Vereine gegen Bundesligisten ganz einfach nichts zu bestellen gibt?

Farnerud: Das fehlende Teil im YB-Meisterpuzzle

Mämä Sykora am Montag den 15. August 2011

Als YB im Januar dieses Jahres die Verpflichtung des Schweden Alexander Farnerud bekannt gab, schlug dies keine hohen Wellen. Ein 26-jähriger Schwede, nicht einmal im Nationalmannschaftskader, gescheitert in der Bundesliga, geholt vom bescheidenen Brøndby Kopenhagen für 600’000 Franken. Kein Spieler, der zu den grossen Ambitionen der Hauptstädter passt. Dachte man.

Der Mittelfeldspieler, den Experten einst für das grössere Talent hielten als Zlatan Ibrahimovic und der schwedischer U-21-Rekordinternationaler ist, brauchte keine lange Eingewöhnungszeit. 24 Tore schoss YB in der Hinrunde, mit Farnerud waren es dann in der Rückrunde 41; er selber war an einem Drittel davon als Torschütze oder Assistgeber beteiligt.

YB und Farnerud – das passt. Das schnelle Spiel der Berner kommt dem technisch versierten Schweden sehr entgegen. Er ist ein Mann für die tödlichen Pässe in die Tiefe und hat nun auch seinen Torriecher wieder gefunden. Nach seinem gescheiterten Engagement bei Stuttgart ist er nun endlich bereit, die für ihn vorgesehene wichtige Rolle in der Mannschaft auszufüllen. Noch zu Bundesliga-Zeiten hatte er genau damit grosse Mühe. Er kam mit dem Druck nicht klar, und zwar so offensichtlich, dass die «Süddeutsche Zeitung» schrieb: «Farnerud wird es in Stuttgart nicht mehr schaffen. Er hat vergessen, was Selbstvertrauen ist.»

Wer ihn heute im gelb-schwarzen Dress spielen sieht, kann sich das kaum vorstellen. Farnerud ist – abgesehen von einigen kreativen Pausen – omnipräsent. Er arbeitet viel nach hinten, fängt mit seinem intelligenten Stellungsspiel auffallend viele gegnerische Pässe ab, kann auch in Bedrängnis Bälle behaupten, und das Wichtigste: er kann Angriffe lancieren, weil er ein sehr gutes Auge hat und über die Technik verfügt, auch mal schwierigere Bälle zu spielen.

«Fahrni Rüedu», wie Nummer 8 von den Fans genannt wird, ist der Spielertyp, nach dem die Super-League-Vereine das ganze Jahr über verzweifelt suchen. Regisseur und Balleroberer, Torschütze und Vorbereiter. Auf seiner Position ist er in unserer Liga unerreicht. Ein Spieler mit seinen Qualitäten als Spielmacher fehlt in allen anderen Teams.

YB-Fans erinnern sich ungern an die Saison 2007/08. Schon damals stellten sie mit Hakan Yakin den überragenden Spieler der Saison. Und doch wurden sie auf der Zielgeraden noch von Basel abgefangen, auch weil in den entscheidenden Partien ihr bester Mann wirkungslos war. Alexander Farnerud hat das Potenzial, seine Mannschaftskollegen zum Überwinden des YB-Traumas zu führen. Ein Vorbild an Einsatz und Wille. Und eben einer, der auch gegen stärkere Gegner bestehen kann.

1986 feierten die Young Boys zum letzten Mal einen Meistertitel. Damals verpflichtete der Verein in der Winterpause, als man noch auf Platz 5 lag, einen gewissen Robert Prytz. Auch er ein Spielmacher, auch er ein Schwede, auch er 26. Er entpuppte sich als das fehlende Puzzleteil zum Erfolg. Gleiches wird vielleicht dereinst über Alexander Farnerud gesagt werden. Die Qualität der Mannschaft stimmt, was ihr Trainer Gross leisten kann, ist hinlänglich bekannt, Farnerud ist lediglich das Tüpfelchen auf dem i. Und genau dieses kommt im Wort «Meister» vor.

Nach Oeri die Sintflut?

Mämä Sykora am Samstag den 13. August 2011


«Ohne Gigi habt ihr keine Chance», war jahrelang ein beliebter Fangesang unter gegnerischen Fans bei Partien gegen Branchenprimus FCB. Gerne wurde an Stammtischen behauptet, der Basler Erfolg sei nur dank den Millionen der Roche-Erbin möglich. Gigi Oeri wurde zwar stets als «FCB-Mäzenin» bezeichnet, dabei ging aber oft vergessen, dass die abtretende Präsidentin auf keinen Fall mit ehemaligen Vereinspräsidenten und Geldgebern wie Sven Hotz (FCZ), Werner H. Spross (GC) oder Gilbert Facchinetti (Xamax) zu vergleichen war.

Während die Herren der alten Schule regelmässig ihre private Schatulle öffneten, um ihren geliebten Verein zu unterstützen und Fehlbeträge auszugleichen, ohne dass jemals eine reelle Hoffnung bestand, dieses Geld dereinst wieder zurückzuerhalten, operierte Gigi Oeri nach rein wirtschaftlichen Überlegungen. Sie investierte und erwartete dafür auch Gewinne – ganz so, wie es in der «richtigen» Geschäftswelt eben üblich ist. Die FC Basel Marketing AG, an der Oeri 2002 eine Mehrheitsbeteiligung übernahm, liefert seit 1997 eine Defizitgarantie, dafür erhielt die AG im Gegenzug sämtliche Transferrechte. Ein sehr gutes Geschäft, denn der Erfolg des FCB ermöglichte einige lukrative Verkäufe. Alleine die 10 teuersten Transfers der Oeri-Aera – darunter Caicedo, Delgado, Inkoom, Rakitic und Atouba – spülten 60 Millionen Franken in die Kassen. Damit liessen sich die wenigen Fehleinkäufe wie César Carignano leicht verschmerzen.

Mit dem finanziellen Rückhalt der Defizitgarantie kann der FCB mehr riskieren als andere Vereine. Mathieu Jaus, Finanzchef des Vereins, gab zu: «Wir würden gewisse Entscheide nicht so fällen, wenn wir nicht wüssten, dass im Hintergrund keine Frau Oeri wäre.» Er kann nicht nur auf dem Transfermarkt mit grösserer Kelle anrühren, sondern kann auch die höchsten Löhne der Schweiz bezahlen und damit begehrte Spieler eher halten. Dank dieser Konstellation, gepaart mit der Begeisterung der Bevölkerung, wurde der amtierende Meister zur Nummer Eins im Land.

Doch keine Medaille ohne Kehrseite. Wer viel Geld hat, von dem kann auch viel verlangt werden. Zwischen 1998 und 2006 haben sich die Personalkosten des Vereins verfünffacht, leistet sich der Verein doch nicht nur viele Mitarbeiter (168), sondern gleich mehrere kickende Grossverdiener. Zudem wird ein Verein wie der FCB immer viel mehr Ablöse (und Lohn) für einen Spieler bezahlen müssen, als wenn das Interesse von einem finanzschwächeren Klub aus käme. Die stetig steigenden Ausgaben unter Kontrolle zu halten, gelang dem FCB in jüngster Zeit nicht mehr.

2009 resultierte ein Verlust von nahezu 10 Millionen Franken, im letzten Jahr gab es trotz dem Geldesel Champions League lediglich einen winzigen Gewinn von 200’000 Franken. Nicht alle Ausgaben waren unvermeidbar. So verlängerte Oeri unverständlicherweise den Vertrag mit dem damals schon umstrittenen Trainer Christian Gross Ende 2008 vorzeitig, nur um ihn ein halbes Jahr darauf zu entlassen, was eine saftige Abgangsentschädigung nach sich zog.

«In der Schweiz ist mit Fussball kein Geld zu verdienen. Das einzige, was man zurückbekommt, sind Emotionen», sagte Gigi Oeri schon 2004. Damals traf das noch nicht zu. Sie war die perfekte Ergänzung für einen aufstrebenden Fussballverein mit besten Voraussetzungen. Dank ihr wurde aus einem ehemals Grossen im Schweizer Fussball wieder die beste Adresse. Sie hat aus einem von der Begeisterung lebenden, aber schlecht geführten Verein ein bestens funktionierendes Konstrukt im modernen Profifussball gemacht. Ein Wirtschaftsunternehmen. Doch die Goldgräberzeit ist vorbei, der Aufschwung verebbt. Nun braucht es neue Konzepte, wie der Riese FCB weiterhin seine Stellung behalten kann. Personalkosten senken und gleichzeitig weiterhin erfolgreich zu sein, um stets Champions League spielen zu können: Keine leichte Aufgabe. Dass Gigi Oeri just in diesem Moment abspringt, hinterlässt nach ihrer ansonsten vorbildlichen und erfolgreichen Regentschaft einen etwas schalen Nachgeschmack.

Derbyzeit bei WM-Quali-Gegner Island

Mämä Sykora am Mittwoch den 10. August 2011

Über die Schweizer Gruppe für die WM-Quali 2014 wird sich hierzulande niemand beschweren. Aus jedem Topf zog Ronaldo für uns das nominell schwächste Team, lediglich aus Topf 6 war es nicht San Marino oder Andorra, sondern Island. Ein Angstgegner sollten indes auch die Nordländer nicht sein. Lediglich 16’000 aktive Fussballer gibt es auf der dünn besiedelten Insel, das reicht momentan für Platz 113 in der FIFA-Weltrangliste, zwischen der Zentralafrikanischen Republik und Surinam. Zeit für einen Augenschein vor Ort.

Die Stellung des Fussballs im Land wird jedem Besucher schnell bewusst. Auf beinahe jeder freien und einigermassen ebenen Fläche stehen Tore, Spieler wie Eidur Gudjohnsen (Ex-Chelsea und -Barcelona) oder Eyjólfur Sverisson (Ex-Stuttgart und -Hertha) geniessen Heldenstatus. Sie sind unter anderem für den jüngsten Aufschwung in Islands Fussball verantwortlich. Sensationell qualifizierte sich das Land für die U-21-EM im vergangenen Juni, mittlerweile spielen 55 Profis im Ausland, nur zwei Dutzend weniger als aus der Schweiz.

Wer sich als Schweizer zu erkennen gibt, wird bald auf die anstehende WM-Qualifikation angesprochen. Dank der hohen Touristendichte in Reykjavik ergab sich gar die Möglichkeit, mit einem Slowenen und einem Isländer auf die leichte gemeinsame Gruppe anzustossen. Schwieriger gestaltete sich das Gespräch über isländische Fussballer, deren Namen für unsere Ohren sehr ungewohnt klingen. Auch umgekehrt können Missverständnisse entstehen. So hielt der Isländer den deutschen Ausruf «Alter, was geht’n?» für einen isländischen Namen und reagierte mit der verwirrten Frage: «You know him? I used to live with him!» («Du kennst ihn? Ich habe mit ihm gewohnt!»).

Nicht nur in Zürich stand dieses Wochenende das Derby an, auch in Reykjavik trafen Lokalrivalen aufeinander. Etwas Besonderes ist dies in Island indes nicht: Von den 12 Mannschaften der «Úrvalsdeild» kommen 9 aus Reykjavik und Umgebung. Der erfolgreichste und beliebteste Verein ist KR Reykjavik. Mit einem Schnitt von über 2000 Zuschauern ist es wohl der Verein mit dem weltweit höchsten Zuschauerschnitt in Relation zur Einwohnerzahl des Landes.

Auch zum Spiel gegen Aufsteiger Vikingur kommen gut 2000 Leute. Umgerechnet 10 Franken kostet der Eintritt ins winzige schmucke Stadion am Stadtrand, in dem KR dem FC Basel in der Europa-League-Qualifikation 2009 ein 2:2 abgerungen hat. Ordner braucht es trotz Derby keine. Wer sich verpflegen will, holt sich im angebauten Vereinsheim ein Bier und stellt sich einen Hamburger zusammen. Als die Spieler einlaufen – nicht wie üblich zu harten Rock- oder Technoklängen, sondern zu einer Art isländischem Chanson – ist die Tribüne gut besetzt. Ein älterer Mann schwenkt die einzige Fahne, die Klubhymne singen alle mit.

Das Niveau der Partie entspricht etwa der unserer 1. Liga. Die Nationalspieler aufseiten von KR sorgen für eine deutliche Überlegenheit, doch den Führungstreffer gleicht Vikingur mit dem ersten Schuss aufs Tor aus. Nach einer halben Stunde fliegt KRs Gunnarsson vom Platz, die Fluchorgie der Zuschauer legt sich erst wieder, als in der Pause im Vereinsheim belegte Brötchen und Kaffee offeriert werden. Eine Stadionwurst gibt es nicht, der Stand draussen bietet lediglich Pizza, Popcorn und Softdrinks an. Bier ist nach Spielbeginn verboten.

Man kennt sich im isländischen Fussball. Schäkernd kehren die Spieler auf den Rasen zurück, für einige hat der Schiri lachend noch einen Spruch parat. Nur eine Handvoll Ausländer spielt in der Liga, bei Vikingur etwa der Schotte Colin Marshall, der nach einer Odyssee durch kleinere Ligen auf Island gestrandet ist. Er kommentiert jede missratene Aktion seiner Mitspieler mit einer eindrücklichen Schimpftirade, die im ganzen Stadion zu hören ist. Nur wenn die KR-Fans ihren einzigen Schlachtruf anstimmen, wird es laut.

Die Partie bietet trotz dem bescheidenen Niveau alles. KR geht in Unterzahl in Führung, Vikingur gleicht aus und kassiert in der Nachspielzeit doch noch das 2:3. Mit Freudentänzen stimmen die Spieler mit den Fans ihr Siegeslied an, die wenigen Vikingur-Fans ziehen enttäuscht ab. Keine Pöbeleien, keine Probleme. Man kennt sich zu gut. Nach kurzer Zeit ist das Stadion schon leer, bald deutet nichts mehr darauf hin, dass eben ein Derby stattgefunden hat.

Wer immer die Möglichkeit hat, die Schweizer Nati ins wunderschöne Island zu begleiten, sollte diese Gelegenheit nutzen. Am besten nach der Partie noch eine Woche bleiben und in der isländischen Liga ein wunderbares Fussballerlebnis der anderen Art geniessen.

Freundschaftspiele haben ausgedient

Mämä Sykora am Montag den 8. August 2011

Hurra, die Schweizer Nati spielt endlich wieder! Ein Grund zur Freude? Mitnichten. Wenn man mal vom engagierten Auftritt im Wembley absieht, waren die Auftritte unter Hitzfeld stets eine Qual zum Schauen. Getoppt wurden die Darbietungen in der WM- und EM-Quali noch von einer Sache: von Freundschaftsspielen.

Wir blicken mal zurück: Malta (0:0), Ukraine (0:0), Australien (0:0), Österreich (1:0), Italien (1:1), Costa Rica (0:1), Uruguay (1:3), Norwegen (0:1). Ganze drei Testspiele hat die Schweiz unter Hitzfeld gewonnen (Österreich, Finnland und Zypern), diese magere Ausbeute ist aber nicht einmal das Schlimmste daran. Die Art und Weise, wie die Nati dabei aufgetreten ist, war teilweise eine Frechheit gegenüber den Zuschauern, die dafür auch noch Eintritt bezahlt hatten.

Lustlos, uninspiriert, demotiviert, zurückhaltend, enttäuschend – diese Adjektive wurden in den Spielberichten bemüht, und das war noch eher beschönigend. Wenn es lediglich um die goldene Ananas geht, zeigen sich die Herren im Schweizer Dress nicht bereit, an ihre Leistungsgrenzen zu gehen.

Nur: Wozu sollten sie auch? Bei allem Respekt ist Liechtenstein, der Gegner von Mittwoch, nicht eben der Traumgegner jedes Nationalspielers. Zudem ist der sportliche Wert einer solchen Partie höchst umstritten. Es ist ein Gegner, den man ganz einfach schlagen muss. Hitzfeld wird daraus keine neuen Schlüsse ziehen können, wie man eine Mannschaft von diesem Format am besten knackt. Zudem stehen sämtliche Auslandprofis mit ihren Vereinen kurz vor dem Saisonstart und nichts wäre ärgerlicher, als sich in so einer unbedeutenden Partie eine Verletzung zuzuziehen. Wen wundert es also, wenn die Spieler da nicht 100 Prozent geben?

Mit dieser Voraussetzung wird auch der gerne bemühten Aussage, dass sich in solchen Partien Spieler aus der zweiten Garde für einen Einsatz in der Startelf empfehlen können, jegliche Berechtigung genommen. Auch Hitzfeld weiss, dass sich einer wie Inler am Mittwoch eher zurückhalten wird. Selbst wenn Lustenberger das Spiel seines Lebens absolvieren sollte, wird er beim nächsten Ernstkampf dennoch wieder höchstens auf der Bank sitzen dürfen. Die meisten Positionen in der Schweizer Mannschaft sind fix vergeben, und wenn sich daran was ändern sollte, dann nicht wegen phänomenalen Auftritten in einem Freundschaftsspiel gegen einen Fussballzwerg, sondern wegen guten Leistungen über mehrere Wochen im Verein.

Früher waren Freundschaftsspiele noch ein Erlebnis. Es ergab sich mangels TV-Übertragungen nur selten die Gelegenheit, die eigene Mannschaft bei der Arbeit bewundern zu können. Die Gegner kannte man meist überhaupt nicht, die Neugier und das Interesse waren riesig. Unter diesen Umständen bemühten sich auch die Akteure auf dem Rasen, den Zuschauern etwas zurückzugeben und für den Trainer, der seine Schützlinge nicht so akribisch beobachten konnte, wie dies heute der Fall ist, hatte so ein Spiel auch eine Aussagekraft.

Heute ist es nur noch ein Ärgernis. Verzweifelt versuchen die Verbände, für ein Testspiel eine der ganz grossen Nationen zu gewinnen. Diese nutzen dies aus, indem sie für eine Zusage irrsinnige Beträge verlangen. Der Verband von Tansania nahm bei der Bank ein Darlehen auf, um die 2,5 Millionen Dollar für ein Spiel gegen Brasilien im letzten Sommer zu bezahlen, das zum finanziellen Desaster wurde. Dreist liess der damalige Trainer Dunga nach dem 5:1 verlauten, es sei «ein guter Test gegen einen guten Gegner gewesen, der sehr gut organsiert gewesen sei.»

Ein «guter Test» ist es, wenn zwei gleichwertige Gegner aufeinander treffen, die beide alles geben. Das ist bei einem Freundschaftsspiel nahezu nie der Fall. Kubilay Türkyilmaz tat das einzig richtige, als er sich jeweils kurz vor solchen Test eine kleinere «Verletzung» zugezogen hat. Lasst es doch am besten gleich ganz bleiben. Die Freundschaftsspiele haben ausgedient.

Schliesst das Transferfenster!

Mämä Sykora am Samstag den 6. August 2011


Hier die Liste der Vereine, mit denen Xherdan Shaqiri in letzter Zeit von mehr oder weniger seriösen Medien in Verbindung gebracht wurde: Napoli, Bayern, HSV, Tottenham, Lazio, AS Roma, Manchester United, Milan, Liverpool, Fiorentina, Inter, Leverkusen, Aston Villa, Zenit St. Petersburg, Wolfsburg, Juve, Dortmund, PSV, Stuttgart, Bremen und Arsenal. Weitere werden mit Sicherheit folgen.

Shaqiri ist mit Sicherheit einer der meist umschwärmten Spieler in diesem Transfersommer, aber auch bei den Manager anderer Profis gehen laufend Anfragen ein. Und dies, obwohl die Schweizer Meisterschaft schon läuft und in Deutschland eben begonnen hat. In einer Woche folgt England, Ende August dann auch Italien. Erst danach, am 31. August, endet die Sommer-Transferperiode.

Man fragt sich zu Recht, wie die Vereine arbeiten können, wenn ihre besten und gefragtesten Spieler nach den Trainings gleich zum Handy rennen, um in Erfahrung zu bringen, welche Vereine neu um ihre Gunst buhlen. Ist ein derart gefragter Kicker wirklich noch mit Kopf und Herz dabei, wenn er doch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit weiss, dass er kurz vor Transferschluss noch in eine grössere Liga hüpfen wird? Die Szenerie erinnert unweigerlich an die TV-Sendung «1, 2 oder 3», in der die Kinder erst wild herumspringen, bis sie knapp vor Ablauf der Zeit noch auf das richtige Antwortfeld springen. Ob ihr wirklich richtig steht …

Im Mai enden jeweils die wichtigen Ligen. Es bleiben den Vereinen also ganze drei Monate, um sich mit einem potenziellen Neuzuzug zu einigen, der in dieser Zeit natürlich fleissig mit der Konkurrenz flirtet. Trotz dieser langen Frist dauert es meist Ewigkeiten, bis ein Transfer in trockenen Tüchern ist, weil der Umworbene sich bis zuletzt sämtliche Optionen (und besseren Verdienstmöglichkeiten) offen lassen will. Damit wird gerade in kleineren Ligen eine gute Saisonvorbereitung und –planung nahezu verunmöglicht, weil niemand weiss, welche Spieler nach Ablauf der Transferfrist noch zu Verfügung stehen werden.

Und weil es nicht selten vorkommt, dass erst gegen Ende August die Zukunft eines begehrten Spielers feststeht, geht es in den letzten Stunden der Transferperiode erst richtig hoch zu und her. Ein schwerwiegender Abgang muss sofort kompensiert werden, meist durch Wegkauf des besten Spielers eines etwas kleineren Vereins, dieser muss daraufhin dasselbe bei einem noch kleineren Verein machen. Ein Rattenschwanz. Solche Panikkäufe kommen nur selten gut, zumal die neuen Spieler die Vorbereitungsphase verpassen und dennoch von Beginn weg in der bereits laufenden Meisterschaft eine tragende Rolle übernehmen sollten.

Jeder Verein hat meist mehrere Scouts unter Vertrag und diese werden sich nicht erst kurz vor Meisterschaftsbeginn bei ihren Arbeitgebern mit Vorschlägen melden. Wer sich für Shaqiri interessiert, tut dies nicht erst seit der U-21-EM. Warum braucht es dennoch geschlagene 3 Monate, bis ein Vertrag unterschrieben ist oder eben ein Transfer ausgeschlossen wird? Das so lange offen stehende Transferfenster ist eine Qual für alle: Spieler sind nicht ganz bei der Sache, Vereine können nicht planen und das sportliche Geschehen der früher startenden Meisterschaften wie der unseren gerät in den Hintergrund.

Auch wenn internationale Transfers bis Ende Juli erlaubt wären, wäre dies bereits nach dem hiesigen Saisonstart. Aber zumindest müsste ein Verein nicht bis zur 7. Runde mit einem ungewissen Kader planen und wäre danach nicht plötzlich zu grossen Umstellungen mit Neueinkäufen gezwungen. Und dem Abgeworbenen blieben nach einem Transfer noch einige Vorbereitungsspiele und Trainings mit der neuen Mannschaft, bevor es ernst gilt. Das würde es für ihn deutlich leichter machen, sich im Verein einzuleben, was auch im Interesse seines Arbeitsgeber wäre.

Also bitte, liebe (Gross-)Vereine: Plant doch bitteschön etwas früher und lasst die unnötigen Spielchen. Dann könnten wir das Transferfenster im Juli schliessen und überall in Europa dürften die Spieler eine Saison dort in Angriff nehmen, wo sie sie auch fortzusetzen gedenken.

Schöne neue Stadionwelt

Mämä Sykora am Mittwoch den 3. August 2011

Nun durfte auch in Thun und in Luzern ein neues Stadion eingeweiht werden. Damit sind Sion und Lausanne die beiden letzten Super-League-Vereine, die noch in Arenen der letzten Generation ihre Heimspiele austragen. Wehmütig wurde vielerorts von den alten Bauten wie dem Wankdorf oder dem Hardturm Abschied genommen, mit denen so viele Emotionen und historische Ereignisse verknüpft waren, dass der Stadionname kaum je ohne das stets bemühte Adjektiv «altehrwürdig» erwähnt wurde.

Die Liste der Anforderungen an die Stadien der Swiss Football League umfasst 17 Seiten. Wo alles derart genau formuliert ist, kann es nicht verwundern, dass die Vielseitigkeit leiden muss. Klar bleiben den Architekten noch einige Freiräume, aber ich muss gestehen, dass ich in den letzten Jahren einige Spiele besucht habe, von denen ich nicht mehr mit Sicherheit weiss, ob ich sie nun im St.-Jakob-Park im Stade de Suisse oder im Stade de Genève geschaut habe, einfach weil sich deren Innenleben doch sehr ähnlich ist, zumindest wenn die Ränge gut besetzt sind.

Es gibt nicht wenige Leute, die den neuen Spielstätten kritisch gegenüber stehen. Namentlich vonseiten der Fans kommt die Kritik auf, die Stimmung sei nicht mehr dieselbe. Marc Zellweger, jahrelang Profi beim FC St. Gallen, bei dem er nach dem «Hexenkessel» Espenmoos auch die neue AFG Arena erlebt hat, sagte mir kürzlich: «Es ist halt so, dass die neue Arena noch nichts erlebt hat. Ich habe zwar lieber im Espenmoos gespielt, aber ich finde die AFG Arena wunderschön und ich bin mir sicher, dass es auch dort mit der Zeit richtig hoch zu und her gehen kann.»

Die berühmte Uhr und die Bänkli im Wankdorf mit den flachen Tribünen, so dass man kaum über den Vordermann blicken konnte, das Dorfsportplatzgefühl im Stadion Lachen, das unkoordinierte Anstehen zwischen parkierten Autos vor dem Hardturm – dies alles ist Vergangenheit. Und wie so oft ist der Blick in die Vergangenheit ein verklärter. Im Nachhinein hat dies alles seinen Charme, aber bestimmt kann sich jeder, der früher in Schweizer Stadien unterwegs war, an unzählige Situationen erinnern, in denen er den Ist-Zustand inbrünstig verflucht hat.

Nun stehen in den meisten Städten – mit Ausnahme von Zürch natürlich – richtige Fussballstadien. Die Signaletik ist vorzüglich, die Sitze bequem, die sanitären Einrichtungen im Vergleich mit früher traumhaft und die Hauptsache: Man sieht von überall das Spiel bestens. Böse Zungen behaupten, just dies sei der Hauptgrund für die fehlende Stimmung, weil die Zuschauer nun tatsächlich sehen, was ihnen hier geboten wird. Wer aber lediglich gemütlich ein Fussballspiel schauen und dazu in einigermassen akzeptabler Zeit zu einem Bier kommen will, der kann mit den neuen Stadien sehr zufrieden sein.

Es ist immer traurig, wenn Altes und Vertrautes verschwindet. Vielen langjährigen Fans war das Stadion zu einer Heimat geworden. Es braucht Zeit, sich an etwas Neues zu gewöhnen und nicht mehr ständig in Erinnerungen zu schwelgen. Bald wird auch die neue Spielstätte vertraut sein und wie das Joggeli neue Sternstunden erlebt haben und zu leben beginnen. Dem in Schutt gelegten Vorgänger nachzutrauern soll man freilich weiterhin. Vielleicht kommt man besser darüber hinweg, während man im Nachfolgestadion einen Match verfolgt und sich der tollen Sicht auf das Spielfeld erfreut. Merkt euch nur gut, in welchem Stadion ihr wart!

Wie gefallen Ihnen die neuen Stadien? Finden Sie diese Entwicklung traurig oder sind sie eher froh darüber, diese baufälligen Arenen nicht mehr aufsuchen zu müssen?

Dank Derdiyok zuversichtlich in die WM-Quali

Mämä Sykora am Dienstag den 2. August 2011


Auch wenn es für die EM-Qualifikation 2012 sehr düster aussieht für die Schweiz, nach der Auslosung für die WM-Qualifikation 2014 darf man sich hierzulande Hoffnungen machen, die Endrunde in Brasilien zu erreichen. Zwar liegen die Gegner alle in Reichweite der Schweizer, in den meisten Partien werden sie gar als Favorit ins Rennen gehen. Doch Übermut tut selten gut, das mussten wir gerade unter Ottmar Hitzfeld mehr als einmal schmerzlich feststellen.

Luxemburg, Malta, Honduras und Montenegro sollten daran erinnern, dass die aktuelle Nati stets Probleme hatte, sich gegen vermeintlich schwächere Nationen durchzusetzen. Entscheidend dafür, dass sich das bald ändern wird, wird vor allem einer sein, der in den letzten Jahren lediglich in der zweiten Reihe war: Eren Derdiyok, 23, Stürmer von Vizemeister Bayer Leverkusen.

Nach dem Rücktritt von Alex Frei und Marco Streller ist er der einzige Stürmer im Kader von internationalem Format und er bringt die besten Voraussetzungen mit, um seine ehemaligen Konkurrenten schnell vergessen zu machen. Kräftig, schnell, variabel, technisch versiert, mit grossem Aktionsradius und schussstark – so komplett war nicht einmal Rekordtorschütze Frei zu seinen besten Zeiten.

Seit 2009 läuft Derdiyok für Leverkusen auf, in dieser Spielzeit sieht es besonders gut aus für den Basler. Konkurrent Helmes ist weg, Neuzuzug Schürrle fühlt sich im Mittelfeld ebenso zuhause und es sieht ganz danach aus, als würde der neue Trainer Robin Dutt dem Schweizer den Vorzug geben gegenüber dem deutschen Nationalspieler Stefan Kiessling. Die Form stimmt schon mal: Im Testspiel gegen den belgischen Meister Genk gelang Derdiyok ein lupenreiner Hattrick, auch im Pokal gegen Dresden war er erfolgreich, ehe seine Mannschaftskollegen nach seiner Auswechslung noch einen 3:0-Vorsprung preisgaben.

Für Derdiyok muss es eine Befreiung gewesen sein, endlich auch in der Nati die Stellung einnehmen zu können, die er verdient. Wirkte er als Ergänzungsspieler neben Frei, Streller und Nkufo oft gehemmt und abwesend, blüht er richtiggehend auf, wenn er das Vertrauen bekommt. So etwa im WM-Spiel gegen Spanien, in dem er das Tor mit grossem Einsatz vorbereitet und zudem den Pfosten traf.

Nun kommt seine grosse Zeit. Nach dem gefälligen Auftritt beim 2:2 in England wird hoffentlich auch Hitzfeld zur Einsicht gekommen sein, dass es mit der für ihn typischen biederen Spielweise mit der Schweiz nichts zu holen gibt. Jetzt da es auch für ihn an Derdiyok kein Vorbeikommen gibt, wird sich auch die Spielweise der Schweiz zwangsläufig ändern. Er bringt die Power mit, die besonders in dieser WM-Quali-Gruppe dringend notwendig ist, will man die gegnerischen Abwehrreihen in Bedrängnis bringen, was in der Vergangenheit nur höchst selten geschah. Mit seinen Laufwegen schafft er Platz für seine Mitspieler. Er ist der Stürmer, der dem Angriffsspiel mehr Gefahr verleiht, weil er eben nicht bloss ein Knipser, sondern auch Angriffsauslöser und Vorbereiter sein kann.

Noch vor zwei Jahren wären Partien gegen die Gegner, die der Schweiz am Samstag zugelost worden sind, eine Qual gewesen. Ideenloses Anrennen, ohne Tempovariationen, ohne eine Hauch Torgefahr, einige knappe und erkrampfte Siege und eine Reihe unerwarteter Punktverluste. Eren Derdiyok lässt optimistisch stimmen, dass es nun nicht so kommen wird. Was man dabei gerne vergisst: Er ist noch so jung, dass er an der vergangenen U-21-EM spielberechtigt gewesen wäre.

Die unsinnige Oben-ohne-Mode

Mämä Sykora am Samstag den 30. Juli 2011

77 Minuten waren gespielt im Stadion Maurice Dufresne in Lüttich, als Admir Mehmedi eine Traumflanke von Ricardo Rodríguez einnetzte. Zweifelsohne ein wichtiges Tor für den jungen Stürmer, brachte es doch ihn und seinen Verein dem grossen Ziel Champions League ein kleines Stückchen näher.

Die Freude war riesig. Mehmedi zeigte sie, indem er sich das Trikot über den Kopf zog und dafür folgerichtig mit der gelben Karte bestraft wurde. Damit läuft er Gefahr, für ein nächstes, noch wichtigeres Spiel in der Champions-League-Qualifikation gesperrt zu sein. Er wäre beileibe nicht der einzige Spieler, der wegen einer solch sinnlosen Aktion eine wichtige Partie verpasst.

Die Fifa-Regel ist in diesem Punkt klar: «Ein Spieler wird verwarnt, wenn er sein Hemd auszieht oder es über seinen Kopf stülpt». Da gibt es nichts zu missverstehen und auch kein «Fingerspitzengefühl» der Schiedsrichter zu fordern. Trikot ausziehen gibt Gelb. Immer. Punkt. Aber als ob die Profis weltweit jeweils das Klischee vom dummen Fussballer untermauern wollten, reissen sie sich die Textilien weiterhin fröhlich vom Leib.

2004 wurde das Ausziehen des Trikots vom regelgebenden International FA Board verboten. Offizieller Grund war, dass nicht mit den kulturellen Sitten einiger Fifa-Mitgliedsstaaten zu vereinbaren sein. Inoffiziell dürfte auch die Tatsache eine Rolle gespielt haben, dass der Trikotsponsor just in dem Moment so nicht zu sehen ist, in dem die meisten Fotos geschossen werden.

Ob diese Regel sinnvoll ist oder nicht, darüber kann man sich streiten. Einer Umfrage auf transfermarkt.de zufolge halten sie 91,5 Prozent der User für überflüssig. Kritiker führen gerne dagegen ins Feld, dass eine solche Vorschrift die Emotionen unterbindet. Aber wer bitteschön zeigt seine Emotionen, indem er sich das Trikot über den Kopf zieht? Fussball wird nun schon seit über 100 Jahren gespielt, die Emotionen waren stets dieselben, und doch ist es während fast dieser ganzen Zeit niemandem in den Sinn gekommen, sich beim Torjubel auszuziehen, obwohl es noch erlaubt gewesen wäre.

Haben Sie es schon mal erlebt, dass der Siegestorschütze im Final eines Grümpelturniers seinen Oberkörper entblösst? Gut, nicht alle Feierabendkicker haben einen solchen Vorzeigekörper wie die Profis. Aber auch wenn, reicht ein Jubelschrei, Umarmungen und von mir aus ein eleganter Taucher vollauf. Der Griff zum Trikot verbreitete sich paradoxerweise erst dann rasant, als er verboten wurde. Anfangs waren drunter noch regelmässig religiöse Botschaften versteckt, wie beispielsweise bei der brasilianischen Bibelgruppe um Kaká, heute gibt’s nur noch nackte Haut.

Es ist unverständlich, wieso die Trainer es nicht hinkriegen, ihren Stürmern diese Mode wieder abzugewöhnen. Es müsste sie rasend machen, wenn einer seiner Akteure derart nonchalant eine Verwarnung abholt und damit den Erfolg der Mannschaft gefährdet. Und da die Fussballer in diesem Punkt anscheinend lernresistent sind, helfen auch lächerliche Geldbussen nicht, die sie ihres stolzen Lohnes wegen mit einem süffisanten Lächeln begleichen. Es hilft nur eins: Wer trikotlos jubelt, sitzt im nächsten Spiel auf der Bank. So lange diese Regel gilt, haben sich die Fussballer daran zu halten. So schwer kann das doch nicht sein.

Der neue Optimismus bei GC

Mämä Sykora am Montag den 25. Juli 2011


Die letzten zwei Saisons will man bei den Grasshoppers möglichst schnell vergessen. Erst machte man sich zum Gespött der Fussballschweiz, indem man innig mit dem Hochstapler Volker Eckel flirtete, in der vergangenen Spielzeit musste der stolze Rekordmeister bis zuletzt um den Klassenerhalt bangen und drohte in der finanziellen Not gar mit dem Wegzug in die Provinz.

Die grössten Gefahren wurden gemeistert: Dank einem souveränen Schlussspurt konnte GC die Klasse halten und in der Stadionfrage kam die Stadt dem Verein mit einer Mietreduktion um nahezu 50 Prozent entgegen. Ein weiterer Erfolg wurde im März vermeldet, als der neu formierte «Owners Club» während drei Saisons jeweils mindestens 4 Millionen Franken garantierte.

Gemessen an den Ansprüchen ist dieses Geld lediglich ein Tropfen auf den heissen Stein. Dennoch erwartet der Owners Club, dass GC bis in drei Jahren wieder mindestens um Platz 3 spielt. Der neue Präsident Roland Leutwiler geht sogar noch einen Schritt weiter und will 2014 Meister werden. Ein hochtrabendes Ziel, weil der Verein weiterhin am Nachwuchskonzept festhalten wird.

Rund ein Dutzend Spieler verliess die Mannschaft auf diese Saison, ebenso viele kamen neu hinzu, allesamt ablösefrei. Obwohl mit Voser, Salatic und Rennella auch drei Leistungsträger abwanderten, gibt man sich optimistisch. Alain Sutter, bei GC neu als Berater tätig, sieht im Kader «viel Qualität», und selbst der ansonsten sehr zurückhaltende Ciriaco Sforza prognostizierte, dass ihm die Neuzugänge – namentlich Daniel de Ridder – sehr bald viel Freude bereiten werden.

Eben jener De Ridder flog gestern gegen Thun schon nach zwölf Minuten vom Feld und leitete damit die Niederlage ein. Nach gerade mal zwei Spieltagen – einem glücklichen Sieg gegen Aufsteiger Lausanne und der Klatsche im Berner Oberland – ist es noch zu früh, um die Qualität der Mannschaft richtig einschätzen zu können, zumal ihr nach so vielen Transfers Zeit gegeben werden sollte, um sich zu finden. Entscheidend für das Erreichen des Ziels, einen Platz im Mittelfeld zu ergattern, dürfte bei GC sein, ob die wenigen verbliebenen erfahrenen Kräfte die Jungen führen können. Und dahinter muss ein grosses Fragezeichen gesetzt werden. Der alternde Abwehrchef Smiljanic fällt oft aus und absolvierte letztes Jahr nur rund die Hälfte der Spiele, wann und ob Ricardo Cabanas wieder zur Verfügung stehen wird ist unklar, und Unglücksrabe Davide Callà stolpert von einer schweren Verletzung in die nächste. Andere Leitfiguren hat GC nicht mehr.

Als GC in der Rückrunde der Saison 2009/10 jene phänomenale Aufholjagd lancierte, die es noch auf Platz 3 geführt hat, beklagte man ebenfalls viele Ausfälle, die von den jungen Talenten wie Ben Khalifa, Zuber oder Toko mehr als nur gut vertreten wurden. Doch damals stärkte und leitete die Achse aus Routiniers und Klassefussballern wie Smiljanic, Salatic, Cabanas und Zarate die Nachwuchstruppe und ermöglichte erst diesen Höhenflug. Die Talente sind auch in dieser Saison wieder gut vertreten. Viele der jungen GC-Kicker haben durchaus das Zeug für eine grosse Karriere. Aber ob diese Jugendlichkeit, gepaart mit den vielen Zuzügen, von denen die meisten eher Ergänzungs- als Führungsspieler sind, dafür reicht, um in dieser Saison bereits am Europacup schnuppern zu dürfen?

Der unaufgeregte Coach Sforza, der selbst den schwächsten Auftritten noch Gutes abgewinnen kann und immer ein lobendes Wort parat hat, um den Druck von der jungen Truppe zu nehmen, ist jedenfalls mit Sicherheit der ideale Trainer für dieses Projekt. Es wäre ihm, dem Verein und der ganzen Fussballschweiz zu gönnen, wenn der optimistische Plan aufgehen würde und man sich mittelfristig wieder nach oben orientieren könnte. Denn auch im Owners Club sammelt es sich wesentlich leichter Geld, wenn es sportlich gut läuft.