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Das sind die besten Fussballfilme

Mämä Sykora am Mittwoch den 14. September 2011
Wirklich gute Fussball-Filme sind selten: Filmszene, «Aus der Tiefe des  Raumes» (D, 2004).

Wirklich gute Fussball-Filme sind selten: Günter-Netzer-Figur im Film «Aus der Tiefe des Raumes» (D, 2004).

Es geht auf den Herbst zu, die Abende werden kühler, und nicht immer steht ein Fussballspiel auf dem Programm, welches das Interesse zu wecken vermag. Zeit für TV-Abende auf dem Sofa, für Fussballliebhaber soll es selbstverständlich ein Fussballfilm sein.


Doch während die US-Königsdisziplinen Football, Basketball, Baseball und Boxen bestens abgedeckt sind, ja selbst aus einem Fussballbuch wie Nick Hornbys «Fever Pitch» ein Baseball-Film wird, kommt die weltweite Sportart Nummer Eins kaum auf die Leinwand. Löbliche Dokfilme wie Kusturicas «Maradona», «Once in a Lifetime» über die Geschichte der New York Cosmos oder «Profis – ein Jahr Fussball mit Paul Breitner und Uli Hoeness» gibt es einige, doch Spielfilme sind äusserst rar, obwohl Länder wie Grossbritannien oder Deutschland sowohl die Filmindustrie wie auch das Interesse der Bevölkerung hätten. Warum bloss?

Der Fussball liefert alles, was ein gutes Drama ausmacht. Spannungsfelder hier und da, Emotionen, bedeutende Protagonisten, unzählige historische Ereignisse. Und doch will sich am Fussball anscheinend niemand die Finger verbrennen. Warnende Beispiele gibt es deren viele: «Goal» etwa war eine Kooperation mit der FIFA, mit einer gehörigen Portion Schmalz und Gastauftritten von Zidane und Beckham. Doch wenn der eingewechselte Jungstar, Hauptdarsteller und Rechtsfuss in der Nachspielzeit der entscheidenden Partie einen Freistoss aus 30 Metern mit links in den Winkel haut, wenden sich Fussballfans entnervt ab. Kein Wunder schaffte es der zweite Teil bei uns nicht in die Kinos, der dritte erschien gar nur auf DVD.

Spielszenen authentisch hinzukriegen ist in der Tat eine der grössten Herausforderungen. So ruinierten die peinlichen Paraden von Torwart Sylvester Stallone den Film «Escape to Victory», obwohl seine Mitspieler Pelé, Ardiles, Bobby Moore und Kazimierz Deyna den Ball sehr wohl beherrschten. Für «A Shot at Glory» wurde deshalb der ehemalige schottische Internationale Ally McCoist kurzerhand zum Schauspieler umfunktioniert. Im brillanten Film «The Damned United» über Brian Cloughs wilde Tage als Trainer von Leeds hingegen wurden Archivaufnahmen verwendet und perfekt in den Film eingefügt. Etwas einfacher machte es sich der erstaunliche Film «Klapzubas XI.» von 1938: Er verwendete u. a. Aufnahmen der tschechoslowakischen Nationalmannschaft der WM 1938, ganz egal, dass so die Gegner stets wechselnde Trikots hatten. Leider gibt’s diese Perle nur mit englischen Untertiteln; wer deutsche braucht, darf sich gerne bei mir melden.

Kommerziellen Erfolg verspricht man sich eher mit Fussball fernab des Profitums. «Bend it like Beckham» wurde zum Kassenschlager, die Komödie «Männer wie wir» um ein schwules Team war ein kleiner Erfolg und in «Die wilden Kerle» kicken Kinder. Lediglich «Das Wunder von Bern» widmete sich den «Grossen» und konnte die Massen begeistern.

Für Sofasportler, die sich zwischen Live-Übertragungen auch mal cineastisch verwöhnen wollen, gibt es oben die Top 5 der Fussballspielfilme. Total subjektiv und ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Ging ein Klassiker vergessen? Welches Werk gehört ebenfalls in eine Bestenliste?

Die Champions League ist der Sargnagel des Fussballs

Mämä Sykora am Montag den 12. September 2011
Von der Champions League profitieren Jahr für jahr die gleichen Vereine: Ballack, Cole von Chelsea und Iniesta von Barcelona.

Von der Champions League profitieren Jahr für jahr die gleichen Vereine: Ballack, Cole (Chelsea) und Iniesta (Barcelona) am CL-Halbfinals, Mai 2009.

Diesen Dienstag geht es also wieder richtig los in der Champions League. Das Finale wird am 19. Mai 2012 in München ausgetragen. Es wird das 213. Spiel im laufenden Wettbewerb sein. Dazu kommen noch die 481 Partien, die in der Europa League gespielt werden. Macht insgesamt 694 Europacup-Partien in 10 Monaten – ein Irrsinn.

«Willst du gelten, mach dich selten» raten Grossmütter ihren Enkelinnen, denn so sollen diese für eifrige Werber interessant bleiben. Was man oft haben kann, verliert den Reiz, so die These. Bei der UEFA hält man herzlich wenig davon. Mehr und mehr soll es sein. Für die erste Champions League 1992/93 qualifizierten sich gerade mal 8 Mannschaften, zwei Jahre später waren schon 16 zugelassen, 1998 bereits 24 und seit dem darauf folgenden Jahr 32

Die daraus resultierende Flut an Spielen ist kaum erträglich. In der Königsklasse duellieren sich stets die gleichen Vereine, die auch die nationalen Meisterschaften fast exklusiv untereinander ausmachen. War ein Spiel zwischen zwei europäischen Schwergewichten vor einigen Jahren noch eine Affiche mit Seltenheitswert, an die man sich gerne und lange erinnerte, ist es heute kaum noch jemandem möglich, die vielen Begegnungen etwa zwischen Chelsea und Barcelona der richtigen Saison und der richtigen Phase zuzuordnen.

Darüber hinaus entpuppten sich die von Michel Platini grossspurig angekündigten «Reformen» als Makulatur. Diesen Versprechungen an die Adresse der Kleinen verdankte der Franzose 2007 seine Wahl zum UEFA-Präsidenten, und tatsächlich wurde die Qualifikation für die Meister einiger mittelgrosser Verbände mit dem «Champions Weg» vereinfacht. Für den Konsumenten hingegen war es eine Verschlimmbesserung: Es kommt nun zu Partien wie BATE Borissow gegen Viktoria Plzeň, während gleichzeitig als Zugeständnis an die Grossen 22 der 32 Plätze schon vor der Qualifikation vergeben sind, 13 davon an Vertreter der Top-5-Ligen. Es spielen also auch dieses Jahr wieder die ewig gleichen Teilnehmer mit, gespickt mit einigen chancenlosen Exoten, was die Gruppenphase etwa so spannend macht wie den Ausgang eines Spiels der Harlem Globetrotters.

Die Champions League ist für die grössten Vereine essentiell. Nur dank den massiven Einnahmen können sie sich die besten Spieler leisten und garantieren so, dass sie auch nächstes Jahr wieder dabei sein werden. Damit geht die Schere zwischen den Dauerteilnehmern und dem breiten Rest der Ligakonkurrenz jedes Jahr weiter auf. Um die Phalanx zu durchbrechen, braucht es schon einen Scheich wie Mansour bin Zayed bin Sultan Al Nahyan bei Manchester City. Der Rest hat keine Chance, an den Geldtopf Champions League zu kommen. Um ganz sicher zu gehen, forderte die mittlerweile aufgelöste G-14, der Zusammenschluss der wichtigsten europäischen Vereine, 2006 eine geschlossene Champions League mit den stets gleichen Teilnehmern. Noch drastischer sind die Auswirkungen auf kleine Ligen wie die unsere: Die vereinfachte Qualifikation kann dazu führen, dass ein regelmässiger Champions-League-Teilnehmer mit einem Budget operieren kann, das ihn nahezu uneinholbar macht.

Nicht nur die nationalen Meisterschaften spaltet die Champions League, auch europäisch sorgt sie für Langeweile. Vereine wie Ajax oder Benfica gehörten in den 90er-Jahren noch zur Elite, heute sind sie chancenlos im europäischen Vergleich. In den letzten 15 Jahren war Porto (in der skurrilen Saison 2003/04) der einzige Champions-League-Finalist, der nicht in einer der Top-5-Ligen spielt.

Diese Entwicklung ist bedenklich, und man sollte darauf hoffen, dass die Rechnung für die UEFA nicht aufgeht. Erst wenn die Einschaltquoten rückläufig sind, weil den Zuschauern die ewigen «Klassiker», «Derbys» und «Kämpfe der Titanen» zu Hals raushängen, wird ein Rückbau zum Thema werden. Er wäre aus zwei Gründen begrüssenswert: Fans können sich wieder auf spezielle, exklusive und seltene Partien freuen und in die nationalen Meisterschaften, namentlich die grossen Ligen, würde dank der Chancengleichheit die Spannung zurückkehren.

50 + 1 = kein Tschagajew

Mämä Sykora am Samstag den 10. September 2011


Zu Saisonbeginn übten sich die Xamax-Anhänger noch in Optimismus. Man freute sich auf die in Aussicht gestellten Millionen, mit denen man endlich wieder einmal ein Wort mitreden wollte im Titelkampf. Warnungen wurden in den Wind geschlagen, stets wurde darauf hingewiesen, dass Xamax ohne Retter Tschagajew praktisch zahlungsunfähig gewesen wäre. Tatsächlich waren gegen Xamax Ende Juni 2011 fünf Betreibungen im Wert von 1,5 Millionen Franken hängig, zudem wird aus Protokollen des Verwaltungsrat ersichtlich, dass Ex-Präsident Sylvio Bernasconi mehrmals für die Löhne aushelfen musste.

Offensichtlich war es Bernasconi leid, ständig seine Privatschatulle öffnen zu müssen, hat er doch eher vorgehabt, mit dem Verein Geld zu verdienen, und nicht als Mäzen aufzutreten wie sein Vorgänger Facchinetti. Und weil kein anderer Interessent bereitstand, verscherbelte Bernasconi den Verein an den windigen Geschäftsmann Bulat Tschagajew aus zweifelhaftem Umfeld. Eine Opposition gab es nicht. Die Abstimmung über den Verkauf endete mit dem Ergebnis 297’994 zu 3.

Tschagajew räumte die wenigen Hoffnungen, dass er vielleicht ja doch ein vernünftiger Vereinsboss sein könnte, schnell aus der Welt. Ein kurzer Überblick über sein bisheriges Schaffen:

  • In der Halbzeit des Cupfinals stürmt Tschagajew die Kabine und droht den Spielern, sie alle umzubringen. Nach dem Spiel behauptet er, das Spiel sei gekauft gewesen.
  • Bei der Heimpremiere gibt es auf der Videowand kyrillische Texte und tschetschenische Volkstänze. Einige verdiente Spieler wie Nuzzolo werden gratis abgegeben, der neue Goalie nach einem Spiel entlassen.
  • Bis zum Transferschluss holt Xamax diverse Spieler aus Spanien zu absurd hohen Löhnen, wie es sie hierzulande noch nie gegeben hat. Victor Sanchez etwa kassiert über 2 Millionen im Jahr.
  • Nach dem 0:2 gegen Basel entlässt Tschagajew den gesamten Trainerstab und zwei Spieler. Präsident Rudakow wird kurz darauf gefeuert. Sein Nachfolger Satujew ist ein abgewiesener Asylbewerber. Auch der eben erst eingestellte Medienverantwortliche wird rausgeworfen.
  • Der neue Trainer Caparros fliegt nach 5 Spielen, ebenfalls mit dem gesamten Staff. Erstmals regt sich bei den Fans leiser Protest.
  • Nach der anhaltenden Kritik von Fans, Aktionären und Politikern droht Tschagajew damit, zurückzutreten und der Stadt Neuenburg den Verein zu schenken.
  • Nur kurz darauf will er hingegen plötzlich mit dem Verein wegziehen, nach Genf oder Lausanne. Die Fans reagieren mit einem Boykott des nächsten Heimspiels.

Bulat Tschagejew ist als Vereinsboss untragbar. Der Weg des Traditionsvereins ist vorgezeichnet: Irgendwann, vielleicht schon bald, wird der Tschetschene die Lust an seinem neuen Spielzeug verlieren. Selbst wenn er wie angekündigt den Verein verschenken sollte, stünden seine Nachfolger vor einem Scherbenhaufen. Die Löhne der Entlassenen müssen weiter bezahlt werden, die aktuellen Spieler verdienen unbezahlbare Unsummen. Geldgeber mit hehreren Absichten als Tschagajew sind für Schweizer Vereine nur sehr schwer zu finden. Entweder man lässt sich dann wieder auf einen Investor ein, oder es droht – wie vor dem Verkauf – der Konkurs und der Fall in eine tiefere Liga. Vom Scherbenhaufen zum noch grösseren Scherbenhaufen.

In einer Zeit, in der jeder Multimillionär von einem eigenen Fussballklub träumt, braucht es geeignete Mittel, um Zustände wie in Neuenburg zu verhindern. Schweizer Vereine gibt es für ein Butterbrot, Tschagajews gibt es Hunderte. Ideal für die Schweiz wäre deshalb die «50+1-Regel», wie sie in der Bundesliga angewendet wird. Nach dieser Regel ist es Investoren nicht möglich, die Stimmenmehrheit zu übernehmen. Das bringt zwar der Bundesliga finanzielle Nachteile gegenüber dem Rest der Top-5-Ligen, in denen viele Vereine dank Investoren ihre Budgets gewaltig aufstocken konnten, aber mit denen braucht sich unsere Super League nicht zu messen. So eine Regel wirkt zumindest abschreckend auf viele dubiose Investoren und zwingt damit die Vereine, wieder zu lernen, kleine und gesunde Schritte einzuplanen. Ein Abstieg ist nicht das Schlimmste, das passieren kann. Sondern die Zustände nach einer Amtszeit wie diejenige von Tschagejew.

Nati-Fans und die verlorene Sexyness

Mämä Sykora am Mittwoch den 7. September 2011

Nicht einmal 17’000 Zuschauer wollten nach den zuletzt höchst bescheidenen Auftritten das Spiel der Schweiz gegen Bulgarien sehen. So einen dürftigen Aufmarsch gab es bei Pflichtspielen der Nati in bedeutungsvollen Partien schon lange nicht mehr. Es scheint ganz so, als habe die unattraktive Spielweise von Hitzfelds Truppe der Beliebtheit in der Bevölkerung arg geschadet. Die Nati ist nicht mehr sexy.

Wer schon Nati-Spiele besucht hat, der weiss, dass sich das Publikum in keinster Weise mit dem bei Vereinsspielen vergleichen lässt. Spielt der FCB im Joggeli, steht hinter dem Tor eine eingeschworene Fankurve, die Gegner bringen ebenfalls ihre langjährigen Supporter mit, der Rest der Tribünen ist besetzt mit teilweise ebenfalls lautstarken Sympathisanten oder Fans, einer Handvoll VIPs sowie einigen wenigen, die sich aus reinem Interesse das Spiel als neutrale Zuschauer ansehen.

Die Nati hingegen zieht ein völlig anderes Publikum an, das sich – stark vereinfacht freilich – in wenige Gruppen unterteilen lässt:

  • Gruppen von jungen Männern mit ein paar weiblichen «Anhängsel», die sich nicht selten mit einheitlichen, selbstgedruckten T-Shirts kleiden mit Aufdrucken wie «Kampftrinker Diepoldsau» oder «Pfadilager 2004 Hergiswil». Diese Gruppe ist dankbarer Abnehmer von den gratis ausgeteilten Fanutensilien wie Fahnen oder lustigen Hüten und Mützen mit Sponsorenlogos. Erstaunlich ist, dass diese Mützen nach dem Spiel nicht entsorgt werden, sondern bis zum nächsten Spiel verstaut werden, so dass man heute noch unzählige sieht, die bereits vor Jahren verschenkt wurden. Charakteristisch für diese Gruppe ist, dass sie gleich nach Anpfiff versucht, die zwei, drei Schlachtgesänge, die es für die Nati gibt, anzustimmen, um dies kurz darauf wieder einzustellen, weil niemand der Sitznachbarn mitzieht, meist begleitet von zornigen Ausrufen wie «Möched mal Schtimmig!» oder «Was sind dänn ihr für laschi Seck?».
  • Die Familiengruppe, oft mit Vater, Mutter, den Kindern und dazu auch gleich noch den Nachbarskindern und der Tante. Der Papa ist hier noch der unbestrittene Anführer und wird stets mit Fragen bedrängt, die er den Unwissenden geschmeichelt beantwortet, wenngleich nicht immer alles korrekt ist («Senderos spielt bei Manchester United», «Hakan Yakin ist verletzt», «Der 8er? Das ist Huggel») Wenn es niemand besser weiss, wird man auch nicht hinterfragt.
  • Pärchen und kleinere Gruppen, von denen viele ein Schweizer Retro-Shirt tragen mit Namen wie «Steini» oder «Tormaschine» hintendrauf, oder dann zumindest jenes rote T-Shirt mit dem Text der Nationalhymne aufgedruckt. Viele dieser Vertreter sind über weite Strecken der Partie damit beschäftigt, mit dem Handy Fotos zu schiessen, nur um später zuhause festzustellen, dass der grossen Distanz wegen die Spieler darauf kaum zu erkennen sind. Wenn genug geknipst ist, werden den Daheimgeblieben SMS oder noch besser MMS geschrieben, die Neid hervorrufen sollen («Hammerstimmig da! Hopp Schwiiz!»).
  • Und dann gibt’s noch ein paar wenige, die sich das Spiel aus aufrichtigem Interesse anschauen. Sie verwerfen nach misslungenen Aktionen die Hände und rufen aus, während rundherum fröhlich Fahnen geschwenkt werden. Es sind meist diejenigen, die auch in den Stadien anzutreffen sind, wenn nicht gerade die Nati spielt.

Es ist an sich eine tolle Sache, wenn die Schweizer Nati so viel Volk anzieht. Einige mögen sich vielleicht noch an die Prä-WM-1994-Zeit erinnern, als die Tribünen ausser bei attraktiven Gegnern spärlich besetzt waren. Wer heute aber ein Nati-Spiel besucht, braucht eine gute Portion Gelassenheit, um sich nicht tierisch über die unqualifizierten Zwischenrufe aufzuregen. Ich habe aus einem Spiel gegen Israel gelernt, bei dem Vertreter der ersten Gruppe unablässig höchst rassistische Tiraden in Richtung Schiedsrichter und Gegner abfeuerte, so dass ich mich zum Eingreifen gezwungen sah. Nach angedrohten Schlägen musste ich den Rest der Partie im Stehen oberhalb der Tribüne verfolgen. Seither versuche ich, alles um mich auszublenden und nur das Spiel zu schauen.

Das Nati-Publikum ist nun mal ein Event-Publikum. Es gibt keine wirkliche Fangruppe, die wie bei den Vereinen Woche für Woche Schlachtgesänge einüben kann. Die Zuschauer reisen an und erwarten, dass es im Stadion so tönen wird, wie sie es aus dem Fernsehen kennen. Für viele ist es eine Enttäuschung, dass es ausser bei gelegentlichen «Hopp Schwiiz»-Rufen sehr ruhig ist. Vielleicht haben deshalb viele bereits wieder genug davon und wenden sich Anderem, Lustigerem zu. Ob das nun gut oder schlecht ist, soll jeder für sich entscheiden. Ich persönlich wäre nicht traurig darüber, wenn das Nati-Publikum weiter ausgedünnt würde.

Die Nati verdeutschen

Mämä Sykora am Montag den 5. September 2011

In 5 Wochen weiss man, ob der Schweiz noch zwei Play-off-Partien bevorstehen oder ob die Spieler getrost den Sommerurlaub 2012 planen können. Zumindest liefen die Begegnungen vom Wochenende ganz im Sinne der Schweizer. Montenegro unterlag den bislang punktelosen Walisern, mit Bulgarien kassierte auch der zweite Konkurrent um den Barrage-Platz eine Niederlage. Nun ist die Rechnung denkbar einfach: Drei Siege in Serie, dann kann man schon mal die DVDs bestellen mit den Matches des Play-off-Gegner.

Bulgarien, Wales und Montenegro sind die Gegner, die Nummern 51, 117 und 19 – vor einem Jahr noch 74 – der Weltrangliste. Die geforderten drei Siege liegen also zumindest im Bereich des Machbaren. Doch zwei Dinge trüben die Hoffnung: der schwache Formstand der Nationalspieler, namentlich der Auslandprofis, und vor allem die unter Hitzfeld augenfällige Unfähigkeit der Mannschaft, nominell schwächere Mannschaften zu dominieren.

Vielen werden noch die grässlichen Spiele in der letzten WM-Qualifikation gegen Lettland in Erinnerung sein, und bestimmt werden sich alle noch an die entscheidende WM-Partie gegen Honduras erinnern: 2:0 hätte man gewinnen müssen, ein 0:0 schaute heraus mit einem Chancenplus für die limitierten Zentralamerikaner. Nur Hitzfeld sah «eine offensiv spielende Mannschaft» und zählte «ungefähr 25 Torchancen», was die Frage aufwarf, wie er bloss durchs Mathematik-Studium hat kommen können.

Der riesige Unterschied zwischen der Nati unter Köbi Kuhn und der aktuellen Ausgabe ist nicht nur mit dem Wegfallen einiger Leistungsträger zu begründen, sondern viel mehr im Auftreten der Mannschaft. Köbi Kuhn wagte und gewann mit einer offensiven Grundaufstellung, mit dem Mut zum Risiko und mit einem temporeichen Spiel, das eben gerade jene mittelmässigen Mannschaften oft überforderte. Die Spieler liefen auf im Wissen, jeden Gegner besiegen zu können und sie waren bereit, das Spieldiktat zu übernehmen und mit viel Aufwand und stetigen Versuchen, den Ball in die Gefahrenzone zu tragen, Fehler zu provozieren und diese auch auszunutzen.

Von dieser Spielweise ist rein gar nichts übrig geblieben. Selbst bescheidene Mannschaften wie Malta, Liechtenstein oder Lettland haben kaum Mühe, gegen das statische, berechenbare und langsame Spiel der Schweizer zu bestehen. Ratlosigkeit und fehlendes Selbstvertrauen dominieren, hinzu kommt dieser von Hitzfeld eingeimpfte «Safety first»-Gedanke, den die Spieler anscheinend selbst dann nicht ablegen können, wenn es die Umstände zwingend verlangen würde. Wie damals gegen Honduras, wie jetzt im Schlussspurt der EM-Quali.

Vorbild für die Schweiz sollte unser nördlicher Nachbar sein. Noch vor nicht allzu langer Zeit pflegte die deutsche Elf einen zwar sehr erfolgreichen, aber für Fussballästheten eher quälenden Stil. Mittlerweile aber spielt sie erfrischenden Offensivfussball, sucht stets den Weg zum Tor und nimmt viel Risiko. So viel Risiko, dass man gegen Österreich eben nicht 1:0, sondern 6:2 gewinnt.

Klar hat Deutschland die deutlich besseren Einzelspieler und kann sich deshalb so viel Risiko leisten. Doch eine dicke Scheibe des neuen Fussballs seines Heimatlandes sollte sich Herr Hitzfeld spätestens jetzt gönnen. Es ist zwar immer einfach, offensiven Fussball zu fordern, weil sich durch die Anwesenheit des Gegners einiges verkompliziert und unser Angriff momentan wahrlich keine Furcht verbreitet. Aber zumindest sollte der Zuschauer erkennen, dass Hitzfeld begriffen hat, dass drei Siege nur mit Mut zum Risiko zu erringen sind. Eine Qualifikation für die EM wird nach dem schwachen Start nicht mehr zwingend erwartet; die Bereitschaft, alles dafür zu geben, hingegen schon. Ein zweites Honduras darf es nicht geben, denn damit hätte Hitzfeld auch noch den letzten kleinen Kredit verspielt.

Bleib nicht hier, Xherdan Shaqiri!

Mämä Sykora am Mittwoch den 31. August 2011

Was kann ein solcher Spieler in der Schweiz noch lernen? – Xherdan Shaqiri freut sich über seinen Treffer zum 2:2 gegen Sion, 6. August 2011. (Bild: Keystone)

Lange blieb die Zukunft des FCB-Jungstars ungewiss, beinahe täglich verlängerte sich die Liste der angeblich interessierten Vereine. Gestern nun vermeldete der «Blick» Shaqiris Verbleib in Basel. Auch wenn der Treueschwur vorerst nur bis zur Winterpause gilt, ist die Freude bei Vereinsführung und Fans verständlicherweise gross. Doch ist es der richtige Entscheid?

Wir kennen Dutzende von Beispielen von Schweizer Jungtalenten, die zu früh den Sprung in eine grosse Liga gewagt haben und erbarmungslos gestrandet sind. Die Träume platzten, die Ersatzbank war der Alltag und die Karriere kam ins Stocken. Doch während sich Ben Khalifa, Gavranovic, Seferovic, Zambrella, Frank Feltscher – und wie sie alle sonst noch heissen –  schon nach ein paar wenigen gelungenen Super-League-Auftritten in ein Auslandabenteuer stürzten, das zum Scheitern verurteilt war, sieht die Situation bei Shaqiri deutlich anders aus: Er ist bei Basel und in der Nationalmannschaft eine immens wichtige Stütze und nicht bloss ein aufstrebendes Talent, sammelte Erfahrungen in der Champions League sowie Titel in den nationalen Wettbewerben und wurde 2011 zum «Credit Suisse Player of the Year» gewählt. Er ist deutlich mehr als ein Spieler, der für sein Alter schon sehr gut ist.

Er mag erst 19 Jahre alt sein, und doch ist er bereits ein fertig gereifter Super-League-Spieler. Hier wird er nicht mehr viel lernen können. Er kennt die Gegenspieler mit ihren Stärken und Schwächen. Er weiss, wie er sich durchsetzen kann auf diesem Niveau. Was er nun braucht, ist ein allwöchentliches Messen mit Profis von anderem Kaliber. Mit dem FCB wird er dies lediglich in sechs Champions-League-Partien können. Ein Wechsel nach Deutschland, England oder Italien hätte ihm diese Herausforderungen regelmässig ermöglicht.

Gerade für Shaqiri wäre eine solche Veränderung ideal gewesen. Damit er sich zu einem Weltklassespieler entwickeln kann, muss er möglichst früh lernen, dass seine Art und Weise, Fussball zu spielen, auf einem höheren Level nicht immer gleich gut funktioniert wie im hiesigen Championat. So konnte er sich beispielsweise schon in den zwei letzten Spielen an der U-21-EM gegen Tschechien und Spanien nicht mehr so gut entfalten wie gegen die schwächeren Vorrundengegner. Ständig lief er auf die Gegner auf und verlor so erstaunlich viele Bälle, nicht gewohnt, solche Gegenwehr zu erleben.

Mindestens im nächsten halben Jahr verpasst er nun eine gute Chance, an solchen Aufgaben zu wachsen. Er hat das Können – das Talent sowieso – um auch eine Ebene höher bestehen zu können. Mit einem Verbleib in der Schweiz riskiert er, seine Spielweise zu spät an eine andere Gangart anzupassen, weil er sie schlicht zu wenig kennt. Auch wenn es verständlich ist, dass ein so junger Spieler gerne noch im vertrauten Umfeld bleiben möchte, wäre es für ihn hilfreich gewesen, den Absprung nach der erfolgreichen U-21-EM zu wagen. So hätte er in der Vorbereitung schnell gemerkt, was gegen bessere Gegenspieler plötzlich nicht mehr funktioniert, sich anpassen können und sich im Idealfall gleich einen Stammplatz erkämpfen können (zumindest wenn er sich nicht gleich Bayern, Milan oder Manchester United ausgesucht hätte).

Nun heisst es für ihn also doch wieder Thun und Xamax statt Juventus oder Dortmund. Zumindest bis Ende Jahr. Doch in der Winterpause werden deutlich weniger Transfers getätigt, zudem dürfte es potenzielle Interessenten abschrecken, dass Shaqiri für sie im Europacup nicht spielberechtig wäre. Dass er in der Schweiz auffällt, wissen alle Scouts. Es braucht schon überragende Auftritte in der Champions League, damit vielleicht doch einer im Winter schon zugreift. In diesem Fall stiesse Shaqiri zu einer bereits eingespielten Mannschaft und ihm bliebe kaum Zeit, sich einzuleben. Wenn nicht, bleibt er bis Ende Saison in der Schweiz und verliert damit ein ganzes Jahr, in dem er hier nichts Neues lernen wird, während er im Ausland bei einem geeigneten Verein einen grossen Schritt hätte machen können.

Keine Qual der Wahl für Hitzfeld

Mämä Sykora am Montag den 29. August 2011

Theoretisch zumindest ist die Qualifikation für die EM 2012 noch machbar für die Schweiz. Sollte nämlich Montenegro eines seiner beiden nächsten Spiele verlieren, reicht der Schweiz im direkten Duell am letzten Spieltag am 11. Oktober ein 2:0-Sieg. Voraussetzung dafür ist selbstverständlich, dass zuvor Bulgarien und Wales ebenfalls besiegt werden.

Gründe, optimistisch zu sein, gibt es derzeit wenige. Absolut ohne Not und trotz unterirdischen Leistungen verlängerte der Schweizerische Fussballverband den Vertrag mit Denkmal Hitzfeld um zwei Jahre, ohne die wegweisenden Partien abzuwarten. Zwar lieferte die Nati in der Folge gegen England eine ihrer unter Hitzfeld höchst raren guten Partien ab, nun folgt das erste Finale gegen Bulgarien. Doch der derzeitige Zustand der Truppe lässt nichts Gutes erahnen.

Die erfahrenen Auslandprofis bildeten in den letzten Jahren das Gerüst der Mannschaft. Zwar gehörten nur wenige zu den unumstrittenen Leistungsträgern in ihren Vereinen, doch immerhin kamen die meisten regelmässig in grossen Ligen zum Einsatz. In dieser Spielzeit hingegen sieht es für die Schweizer im Ausland sehr düster aus:

  • Benaglio droht nach einigen Fehlgriffen die Ersatzbank
  • Senderos sass in der Europa League und an diesem Wochenende nur auf der Bank, Djourou ist weiterhin sehr verletzungsanfällig und kassierte gegen Manchester United eben mal 8 Tore.
  • Die Aussenverteidiger Ziegler und Lichtsteiner versuchen sich neu bei Juventus und haben auf ihren Positionen starke Konkurrenz von Grosso und De Ceglie bzw. Motta und Sørensen
  • Marco Padalino kam in der letzten Saison zu einem einzigen Teileinsatz in der Liga und ist nun mit Sampdoria in die Serie B abgestiegen. Das reichte dennoch für ein Aufgebot.
  • Auch Gelson spielt mit Leicester nicht mehr erstklassig, ebenso wie Frankfurts Pirmin Schwegler und Brescias Berardi.
  • Welchen Stellenwert Blerim Dzemaili in seinem neuen Verein Napoli haben wird, wird sich erst noch weisen. Mit Gargano und Donadel hat er ebenfalls starke Konkurrenz.
  • Barnetta hat sich eben verletzt und fällt lange aus
  • Eren Derdiyok kämpft mit Stefan Kiessling um den einen Platz in Leverkusens Sturmzentrum und liegt momentan wieder im Hintertreffen.

Rosig sieht es lediglich bei Inler und Klose aus. Hitzfeld hat zwar einst verkündet, er baue lediglich auf Spieler, die in ihren Vereinen zum Stamm gehören, diese Bedingung gilt freilich längst nicht mehr. Es wird aufgeboten, was irgendwie noch vertretbar ist. In der Not erhielt gar der eben erst wiedergenesene Granit Xhaka – noch ohne Einsatz in dieser Saison – ein Aufgebot. Und Innocent Emeghara hat – obwohl er letzthin einen Hattrick für GC erzielte – nun schon mehrfach gezeigt, dass er internationalen Ansprüchen einfach nicht genügt.

Fragte man sich früher zu Recht, wieso unter Hitzfeld die sonst so erfolgreichen Spieler ihre Leistung einfach nicht abrufen können, überlegt man beim aktuellen Aufgebot, ob das wirklich die besten Spieler sind, die für die Nati infrage kommen. Klar, ein Hakan Yakin ist immer ein Thema. Was Hitzfeld von ihm hält, weiss man mittlerweile nur zu genau.

Doch wer, ja wer hätte den sonst die Ehre verdient, mal das Natidress überzustreifen? In fremden Ligen braucht man gar nicht erst zu suchen. Der Luzerner Nelson Ferreira vielleicht als Barnetta-Ersatz? YB-Neuzugang Nuzzolo vielleicht? Oder gar der junge und vielseitige Andrist vom FC Thun? Ist Servette-Powermann Vincent Rüfli eine Option? Oder ist schon die Zeit gekommen für FCZ-Talent Ricardo Rodriguez? Was denken Sie? Wen sollte Hitzfeld nicht übergehen?

Die Ausrede Doppelbelastung

Mämä Sykora am Samstag den 27. August 2011
Wer wird bei schlechten Leistungen als Erster die Ausrede Doppelbelastung bemühen?

Welcher Trainer wird bei schlechten Leistungen seiner Mannschaft als erster von Doppelbelastung sprechen? Thorsten Fink (FC Basel), Urs Fischer (FC Zürich) oder Laurent Roussey (FC Sion)?

Die Europacup-Saison geht nun richtig los, die Gruppen der Champions League und der Europa League sind ausgelost. Basel, Zürich und Sion vertreten in diesem Jahr unser Land und versuchen, den aktuellen 14. Rang in der UEFA 5-Jahres-Wertung zu verteidigen, der zwei Champions-League-Teilnehmer ermöglichen würde. Die Chancen stehen gut, immerhin sind vom direkten Konkurrenten Schottland schon alle Mannschaften ausgeschieden.

Bei den qualifizierten Schweizer Vereinen freut man sich selbstverständlich auf die Partien gegen die grossen Vereine wie Manchester United, Lazio Rom und Atletico Madrid. Aber auch auf unsere heimische Liga hat das Engagement der drei Klubs im Europacup seine Auswirkungen. Man braucht kein Prophet zu sein, um erahnen zu können, welches Wort die Trainer und Präsidenten dieser Vereine bei nahezu jedem missratenen Auftritt in der Super League in die Mikrofone stammeln werden. Doppelbelastung. Das Zauberwort, das anscheinend jede schwache Leistung in nationalen Wettbewerben legitimiert.

36 Meisterschaftsspiele bestreitet jeder Super-League-Verein in einer Saison. Dazu kommen maximal 6 Cupspiele, wobei bis zu den Achtelfinals lediglich bessere Testpartien anstehen, kommen doch die Gegner meist aus tiefen Ligen. Sollten die Schweizer Vereine wie erwartet in der Gruppenphase des Europacups die Segel streichen, wären das noch 6 Partien obendrauf. Macht insgesamt maximal 48 Spiele in einer Saison, wobei nach dem Jahreswechsel der normale Super-League-Alltag einkehrt.

So als Vergleich: Manchester United absolvierte in der letzten Saison 60 Pflichtspiele. Bei anderen Vertretern der grösseren Ligen sah es nicht viel anders aus. Trotz der Doppelbelastung schaffte es der englische Meister, auch in den nationalen Wettbewerben glänzend abzuschneiden. Selbst nach bescheideneren Auftritten war die Doppelbelastung nie ein Thema. Klar, die Topteams der grossen Ligen haben ein breiteres Kader, was die Rotation vereinfacht, aber dafür ist die Konkurrenz auch stärker besetzt. Ein Ersatzteam reicht auch dort nicht, um in der Meisterschaft vorne mitspielen zu können. Die Voraussetzungen sind nahezu dieselben wie bei den europäisch vertretenen Teams hierzulande. Richtige Topteams spielen gar auch im Frühjahr noch europäisch, während sich die Schweizer Profis erst mal eine zweimonatige Winterpause gönnen. Bestens ausgeruht geht es also ins Titelrennen. Wenn da die Doppelbelastung als Ausrede für schwache Darbietungen herhalten muss, ist das absurd. Genauso gut könnte ein missratener Saisonstart mit dem nervenaufreibenden Finale der Saison zuvor begründet werden.

Ein weiteres, oft bemühtes Argument ist die Belastung durch die Strapazen der Auswärtsfahrten im Europacup. Nun, die Schweiz ist ein winziges Ländchen, derart kurze Fahrtwege wünschten sich bestimmt viele in ausländischen Ligen. Nur schon innerhalb Russlands, Deutschlands oder Spaniens ergeben sich jede Woche Strecken, die weiter sind, als gewisse Reisen an Europacup-Auswärtsspiele. Wer am Mittwoch spielt, ist am Donnerstag zurück nach einer Nacht in einem komfortablen Hotel und muss am Samstag wieder in die Hosen steigen. Bis dahin sollte auch der letzte Reisemuffel ausgeruht sein, zumal es ja nur gerade 3 (mit Qualifikation 5) Auswärtspartien sind.

Wer sich in der Schweizer Liga für Europa qualifiziert hat, der verfügt nachweislich über Qualität im Team. Mit geschickter Rotation und gezielten Ergänzungen muss es möglich sein, die paar wenigen Extrapartien locker wegzustecken. Was deutlich schwieriger scheint, ist es, die Spieler vor und nach einer Partie gegen einen von Europas Grossen wieder für Partien gegen Thun, Xamax und Lausanne zu motivieren. Aber das, liebe Trainer, ist Eure Aufgabe und hat nichts, aber auch gar nichts mit der Doppelbelastung zu tun, sondern lediglich mit der Einstellung. Spart Euch also bitteschön die Ausrede mit der Doppelbelastung und seht zu, dass sich Eure Jungs auch gegen Ligakonkurrenten anstrengen, als ginge es gegen Milan oder Barça. Oder zumindest Udinese oder Atletico.

Hoffen auf Eto'os Debakel

Mämä Sykora am Mittwoch den 24. August 2011


Kennen Sie Dario Conca? Der 28-jährige offensive Mittelfeldspieler aus Argentinier gewann 2010 mit Fluminense die brasilianische Meisterschaft, deren erste seit 26 Jahren. Er war dabei bester Vorlagengeber, wurde zum besten Spieler der Liga gewählt, sowohl von der Fachpresse wie auch von den Spielern und Trainern. Zudem gewann er die Wahl zur herausragendsten Persönlichkeit in Brasiliens Fussball. Keine Frage, um so einen Spieler buhlen alle grossen Klubs. Dario Conca stiess sie alle vor den Kopf und wechselte im letzten Monat zu Guangzhou Evergrande, das soeben in die erste chinesische Division aufgestiegen war. Die Belohnung: 30 Millionen Franken Lohn in 30 Monaten.

Und jetzt auch noch Samuel Eto’o. Absurde 23 Millionen Franken im Jahr verdient der Kameruner bei seinem neuen Arbeitgeber Anschi Machatschkala aus Dagestan. Finanziert wird der Verein vom russischen Milliardär Suleiman Kerimow, der für die ultranationalistische Partei LDPR des populistischen Skandalpolitikers Wladimir Schirinowski im Unterhaus gesessen ist.

Ausgerechnet dahin verabschiedet sich nun Eto’o. Ausgerechnet er, der sich stets gegen den grassierenden Rassismus ist den Stadien einsetzte, der seine Familie nicht mehr in die Stadien mitnehmen wollte wegen diesen Ausfälligkeiten, wechselt nun zu einem Verein, dessen Anhänger berüchtigt sind als Rechtsextremisten und Rassisten. Eto’os künftiger Teamkollege Roberto Carlos verliess beispielsweise vor einigen Wochen entnervt das Spielfeld, nachdem eine Banane in seine Richtung geflogen war.

Und das ist beileibe nicht der einzige Makel an seinem neuen Engagement: Aufgrund der Instabilität der Region trainiert die Mannschaft in der Nähe von Moskau und wird nur für die Heimspiele nach Dagestan eingeflogen. Und was noch tragischer ist für die Fussballfans: Der vielleicht beste Stürmer der Welt wechselt auf seinem Zenit – 37 Tore erzielte er in der letzten Saison für Inter – zu einem seelenlosen Verein im Nirgendwo, der zwar in einer aufstrebenden Liga spielt, aber fernab vom Fokus der Fans und dem Glamour der Champions League.

«Ich werde rennen wie ein Schwarzer, um zu leben wie ein Weisser», ist ein viel zitierter Satz von Eto’o, den er bei seiner Ankunft in Barcelona fallen liess. Sein Ziel hat er erreicht. Er gewann alles, was es zu gewinnen gibt auf Vereinsebene und verdiente so gut, dass es locker für seinen aufwändigen Lebensstil reichte. Mal kaufte er kurzerhand seinen Nationalmannschaftskollegen Uhren im Wert von fast 2 Millionen Franken, in Mailand wohnte er in einem Luxushotel für 3000 Franken pro Nacht.

Dennoch: Am Geld mangelte es weder ihm noch Dario Conca. Bislang kannte man in der Fussballwelt viele Beispiele von Profis, die im Herbst ihrer Karriere noch ein lukratives Angebot aus einer sportlich unbedeutenden Liga etwa im arabischen Raum angenommen haben. Seit jedoch vielerorts Milliardäre bei Fussballvereinen eingestiegen sind und mit ihren Fantastilliarden wedeln, wechseln viele ohnehin schon bestens verdienende Stars im besten Alter ins fussballerische Niemandsland.

Da fragt man sich zu Recht: Haben die sie noch alle? Es ist schon fragwürdig genug, wenn es wie bei Manchester City lediglich ein äusserst grosszügiges Angebot braucht, um die besten Spieler von der Konkurrenz wegzulocken, aber jegliche sportlichen Ambitionen – und im Falle Eto’os sogar seine Ideale – fahren zu lassen, nur um sich jede Woche anstatt nur jeden Monat einen neuen Bugatti kaufen zu können, das ist – deutsch und deutlich gesagt – schlicht zum Kotzen.

Ich liebe den Fussballer Eto’o, ich sehe keinem lieber bei der Arbeit zu. Doch ich wünsche ihm – so unschön das ist – dass sein Aufenthalt in Dagestan zum ganz grossen Debakel wird. Nicht nur, weil es meinen Augen ein völlig falscher Entscheid war, sondern ich hoffe insgeheim auf eine Warnwirkung für seine Kollegen, von denen bestimmt viele bald mit ebensolchen Verlockungen konfrontiert werden. Männer, Ihr verdient so gut wie kaum jemand auf dieser Welt. Lernt endlich, auch mal mit dem zufrieden zu sein, was Ihr habt und denkt daran, was Ihr als kleine Jungen wolltet: Trophäen sammeln mit den besten Klubs der Welt. Das ist besser als in der Einsamkeit 100 Bugattis zu besitzen.

Thorsten Fink: Laute Worte statt Spielkultur

Mämä Sykora am Montag den 22. August 2011


Zu seiner aktiven Zeit war Thorsten Fink kein Freund der Schönspielerei. Er war ein rustikaler Abwehrspieler, sehr solide, sehr einsatzfreudig, sehr erfolgshungrig. Bei Bayern, seiner bedeutendsten Station, gehörte er über Jahre zur Stammformation und sammelte Titel um Titel. Seine bitterste Niederlage fiel indes ebenfalls in diese Zeit: Beim Champions-League-Finale 1999 wurde er 10 Minuten vor Schluss für Lothar Matthäus eingewechselt und musste mitansehen, wie Sheringham und Solskjær die Partie doch noch zugunsten von Manchester United drehten.

Niederlagen lernte er auch bald als Trainer kennen. Mit Ingolstadt stieg er 2008 in die 2. Bundesliga auf, wurde aber nach einer sieglosen Serie in der Rückrunde entlassen. Trotz dieses bescheidenen Leistungsausweises holte ihn der FC Basel als Nachfolger von Christian Gross. Die Absicht war klar: Man wollte vom «Bayern-Gen» profitieren, Fink sollte den Spielern diesen unbändigen Siegeswillen einimpfen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten fand die Mannschaft doch noch zum Erfolg: Das Double im ersten Jahr, eine sensationelle Torausbeute, die Titelverteidigung im Jahr danach und die durch die günstige Auslosung (Debrecen, Tiraspol) ermöglichte Qualifikation für die Champions League.

Drei Titel in zwei Jahren, dazu auch heuer die Teilnahme an der Champions League – es scheint keinen Grund zu geben, an den Qualitäten von Thorsten Fink zu zweifeln. Zwar steht der FCB mit nur einem Sieg aus sechs Spielen gerade mal an drittletzter Stelle, ein Fehlstart kann aber immer ausgebügelt werden. Abgerechnet wird am Schluss, und einer wie Fink wird immer an den Meistertitel glauben.

Was hingegen nicht nur in dieser Spielzeit überrascht und enttäuscht, ist die Art und Weise, wie sein Team auftritt. Nach Gross wünschte man sich beim FCB Raffinesse und Offensivfussball, nach dem Zuzug der Tormaschine Alex Frei war die Umstellung auf einen Zwei-Mann-Sturm eine logische Konsequenz. Was im ersten Jahr bestens funktionierte, ist seither immer mehr ins Stocken geraten. Trotz des hochkarätigen Kaders tritt der FCB selten überzeugend auf. Einen guten Spielmacher vermochte Fink nicht an Land zu ziehen. Yapi zeigte zwar noch bei YB seine Möglichkeiten teilweise auf, im Basel-Spiel wirkte er oft wie ein Fremdkörper, nun fällt er gar lange aus.» Vom versprochenen prickelnden Spektakel ist die Mannschaft derzeit Lichtjahre entfernt, es sind meist Einzelaktionen der herausragenden Spieler Frei und Shaqiri, die Erfolgserlebnisse bringen.

Wenn seine Mannschaft wiederholt ihre Ideenlosigkeit im Angriff nicht verbergen kann und gleichzeitig defensive Mängel offenbart, reagiert Fink an der Seitenlinie wie ein Fan oder ein nach wie vor Aktiver. Er flucht, ruft aus, gestikuliert wild und es wirkt so, als würde er ob seiner Machtlosigkeit verzweifeln. Bis anhin hat die Klasse der Spieler und der neue Wind, den er reingebracht hatte, für die Differenz gereicht. Nun ist der Zeitpunkt gekommen, an dem es an Fink liegt, die Spielanlage zu verbessern, die Maschine wieder in Gang zu bringen. Er muss die von ihm gewünschten Neuzuzüge eingliedern können, er muss beweisen, dass auch ohne Spielmacher die ihm vorschwebende «Offensivpower» gezeigt werden kann.

Fink stehen die teuersten und wohl auch besten Kicker der Liga zur Verfügung. Klar, es kann immer passieren, dass man von einer «Durchschnittstruppe» wie dem FC Luzern in einem Spiel vorgeführt wird. Doch der schleichende Niedergang der Basler Spielkultur seit seiner Ankunft lässt wenig Hoffnung aufkommen, dass es ihm gelingen wird, das Ruder noch herumzureissen. Bald kommt noch die Doppelbelastung Champions League hinzu, nicht auszudenken was passieren wird, wenn ein Shaqiri doch noch abspringen würde. Ein «Trainerfuchs», wie es beispielweise Lucien Favre einer ist, ist Thorsten Fink bestimmt nicht. Es scheint ganz so, als wären seine besten Waffen – die Motivationsfähigkeit und die vorgelebte Winnermentalität – schon jetzt abgestumpft. Auch so gute Fussballer wie die FCB-Profis brauchen mehr als nur feurige Ansprachen. Es braucht ein Konzept, von den Transfers über die Eingliederung der Junioren bis zum Spielsystem. Unter Thorsten Fink ist davon beim FCB wenig zu sehen.