Dass der FC Basel an der Spitze der Tabelle liegt, überrascht niemanden. Ebenso wenig erstaunt es, dass Alex Frei die Torschützenliste überlegen anführt. Doch die meisten Assists hat nach 16 Runden nicht etwa einer der üblichen Verdächtigen wie Hakan Yakin oder Goran Obradovic auf dem Konto, sondern Marco Streller, 30 Jahre alt – und so gut wie noch nie.
Über Strellers Qualitäten wurde über all die Jahre viel gesagt, geschrieben und gestritten. Der schlaksige Hüne, kein sehr eleganter Spieler, hatte lange Zeit Mühe, die in ihn gesetzten Erwartungen zu erfüllen. Ihm wurden sein trotz seiner Grösse mangelhaftes Kopfballspiel und seine ungenügende Chancenauswertung vorgeworfen. So war er in seiner Bundesligazeit, auch wegen schweren Verletzungen, die meiste Zeit nur Ergänzungsspieler, das gleiche galt in der Schweizer Nati.
An seine Nati-Zeit hat er freilich nicht nur gute Erinnerungen. Noch heute kommt den meisten Leuten beim Namen Streller als erstes jener verschossene Elfmeter gegen die Ukraine im WM-Achtelfinale 2006 in den Sinn. Für einige scheint dies bereits zu genügen, um ihn als Versager zu klassieren, ungeachtet der Tatsache, dass in jenem Spiel Cabanas und der viel gelobte Barnetta ebenfalls vom Punkt scheiterten. Dass aber Streller, wie oft von seinen Anhänger behauptet wird, nur wegen dieser Aktion von den Nati-Fans ausgepfiffen wurde, ist auch nicht ganz korrekt. Denn in der Folge glänzte er im roten Dress nur selten mit totaler Einsatzbereitschaft und die Kaltblütigkeit vor dem Tor blieb bescheiden.
Ein Übriges taten dann einige unbedachte Äusserungen über die Medien. Wenige Tage vor der EM 2008 verkündete Streller, nach der Endrunde nie mehr für die Nati auflaufen zu wollen, nur um zwei Wochen später wieder vom Rücktritt zurückzutreten. Zur gleichen Zeit gab er das Bild eines schlechten Verlierers ab, als er nach einem Spiel bei Xamax (2:2) mitten im packenden Saisonfinale die Schuld für den ungenügenden Auftritt lediglich beim Kunstrasen suchte. Die Pfiffe, so unnötig sie waren, warum zumindest teilweise nachzuvollziehen, und damit sollte ein hochbezahlter Profi auch umgehen können, ist es doch die einzige Möglichkeit der Zuschauer, ihren Unmut zu bekunden.
Heute, so scheint es, ist «Pipi» Streller ein anderer Mensch. Er wirkt gelassener, ruhiger. Er hat vieles erreicht, braucht niemandem mehr etwas zu beweisen, und er hat auch auf dem Feld eine neue Position gefunden, die seiner Spielweise besser entgegen kommt. Er ist kein Dribbler und auch kein Sprinter, deshalb kommt er als Vorbereiter viel besser zur Geltung denn als Strafraumstürmer. Wer Streller in der diesjährigen Champions League gesehen hat (etwa in Bukarest, siehe Bildstrecke), der rieb sich mehr als einmal verdutzt die Augen nach dessen wunderbaren Zuspielen.
Zusammen mit Alex Frei bildet er wohl eines der gefährlichsten Sturm-Duos, die je in unserer Liga aktiv waren. Man merkt es Streller an, wie wohl er sich am Rheinknie fühlt. So richtig aufgeblüht ist er erst, als die Last, der ganzen Schweiz gefallen zu müssen, von ihm abgefallen ist. Er weiss, was er kann, und es ist ihm nun endlich gelungen, das Image des «Jammeris» abzulegen und als das rüberzukommen, was er ist: ein ebenso sympathischer wie fröhlicher Fussballer mit Bodenhaftung. Es ist höchste Zeit, dass die Fussballschweiz den Ukraine-Penalty aus dem Gedächtnis streicht. Der «neue» Marco Streller hätte ihn sowieso locker reingemacht.