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Pass Maradona, Tor Caniggia

Fabian Ruch am Mittwoch den 20. November 2013
Der Brasilianer Romario und der Italiener Paulo Maldini kämpfen um den Ball, 17. Juli 1994. (Keystone/Thomas Kienzle)

Es gibt Spiele, die man nie vergisst: Der Brasilianer Romario und der Italiener Paulo Maldini kämpfen während des WM-Finals 1994 um den Ball, 17. Juli 1994. (Keystone/Thomas Kienzle)

Heute möchte ich über Erinnerungen an Fussball-Weltmeisterschaften schreiben. Die erste WM, die ich bewusst wahrnahm, war jene 1986 in Mexiko, da war ich acht Jahre alt. Ich fieberte mit den Brasilianern mit, der Viertelfinal gegen Frankreich gilt ja als eines der besten Spiele der Geschichte. Leider verschoss Zico, diese wunderbare Nummer 10, in der regulären Spielzeit einen Elfmeter, und riesengross war meine Trauer nach dem Abgang der Brasilianer im Elfmeterschiessen. Ich beschloss als spontane Trotzreaktion, mein erstes Panini-Album nicht mehr füllen zu wollen, obwohl bloss noch wenige Kleber fehlten – und obwohl ich vorher wochenlang auf dem Pausenplatz und in der Badi akribisch um die Maradonas und Platinis, bärtigen Ungarn und glitzernden Länderwappen gefeilscht hatte.

Vier Jahre später, an der WM 1990 in Italien, flossen dann sogar bittere Tränen, als Brasilien ausgerechnet gegen den Rivalen Argentinien (ja: Pass Maradona, Tor Caniggia) bereits im Achtelfinal ausschied (0:1). Ich wollte damals als spontane Trotzreaktion vom Balkon im 3. Stock unserer Wohnung springen, wie meine Mutter erzählt, weil ich so untröstlich und traurig war – und die Laune besserte sich keineswegs auf, als wenige Stunden später Deutschland gegen Holland siegte. Ich war (und bin es manchmal immer noch) nämlich einer dieser Schweizer, die an einem leichten Deutschlandkomplex leiden und Land, Leute, Bundesliga zwar supertoll finden, aber die Schadenfreude über ein Scheitern der Deutschen (möglichst spät und spektakulär) lustvoll pflegen können.

Fussballweltmeisterschaften sind nicht nur für Kinder eine grosse Sache, jeder Fan verbindet spezielle Erinnerungen mit ihnen. Mein schönstes Erlebnis fand 1994 in Los Angeles statt. Als Höhepunkt einer knapp dreiwöchigen WM-Reise mit meinem Vater durch die USA besuchten wir den Final, wo sich Brasilien gegen Italien im Elfmeterschiessen durchsetzte. Der Ball, den Roberto Baggio bei seinem Penalty weit übers Tor schoss, ist angeblich bis heute nicht gefunden worden. An den Endspielen 1998 und 2002 litt ich dann mit den Brasilianern vor dem TV mit. 1998 war die 0:3-Niederlage gegen Frankreich, ausgerechnet einen Tag vor dem Einrücken in die Rekrutenschule, Grund für ein gepflegtes Besäufnis, 2002 führten Ronaldos zwei Tore auf dem Weg zum 2:0-Sieg gegen Deutschland zum legendären Bild mit dem geschlagenen deutschen Wundertorhüter Oli Kahn am Torpfosten.

Derzeit steht die WM 2022 in Katar heftig in den Negativschlagzeilen. Vor wenigen Tagen hiess es mal wieder, die vielen Arbeiter aus Drittweltländern würden in Katar wie Sklaven gehalten. Sie bauen die zahlreichen Attraktionen, Bauten und Stadien im Land auf, verdienen kaum etwas, werden ausgebeutet und mies behandelt, schreiben Menschenrechtsorganisationen. Die Arbeits- und Wohnbedingungen seien hundsmiserabel. Natürlich gab und gibt es regelmässig vor Weltmeisterschaften kritische Berichte übers Austragungsland, weil beispielsweise die Kosten explodieren. Der Weltverband FIFA wäre jedoch nicht falsch beraten, wenn er die ohnehin fragwürdige WM-Vergabe 2022 noch einmal überprüfen würde.

Denn es ist in jeder Hinsicht ziemlich ungewöhnlich, den grössten und beliebtesten Sportanlass der Welt ausgerechnet im Kleinstaat Katar auszutragen. Die unerträgliche Hitze im Sommer ist dabei nur ein Grund. Ich besuchte vor Jahren Hakan Yakin in Katar, als er dort spielte. Es war auch im Herbst noch derart heiss, dass die Trainings und Spiele erst sehr spät am Abend stattfanden. Am Tag hielt sich niemand draussen auf. Und sollte die WM 2022 in den europäischen Winter verlegt werden, hätte das ein gewaltiges Terminchaos zur Folge. Zudem wäre das rechtlich ein Problem.

Immerhin: Die FIFA-Idee, mit der WM in bisher unberücksichtigte Regionen gehen zu wollen, ist löblich. Allerdings ist zu offensichtlich, warum das schwer- und einflussreiche Katar den Zuschlag erhielt. Und: In Australien fand auch noch nie eine Weltmeisterschaft statt. Auf eine WM 2022 in diesem herrlichen Land könnte man sich bereits jetzt freuen.

Was sind Ihre ersten oder schönsten oder bittersten Erinnerungen an Weltmeisterschaften? Wie erlebten Sie die Turniere in der Jugend? Und was wäre ein geeignetes Austragungsland für die WM 2022?

Portugal und Ronaldo gehören einfach an die WM

Fabian Ruch am Mittwoch den 13. November 2013

Die Schweiz hat sich souverän für die WM 2014 qualifiziert – und bestreitet am Freitag ein Testspiel in Seoul gegen Südkorea, das nun wirklich bloss hartgesottene Fussballfans interessiert. Es gibt ja ohnehin ein paar Länderspieltermine, die sind ziemlich überflüssig. Jene in den nächsten Tagen gehören zwingend dazu.

Einerseits.

Andererseits finden von heute bis nächsten Mittwoch nebst bedeutungslosen Testbegegnungen auch die letzten Qualifikationsspiele für die Weltmeisterschaft statt. In den Playoffs (oder Barrage, wie man in der Schweiz sagt) werden die elf letzten Teilnehmer ermittelt. Wir betätigen uns für einmal als Wettempfehlungsblog und wagen Prognosen (die nur leicht sympathiegefärbt sind…).

Mexiko (gegen Neuseeland) und Uruguay (gegen Jordanien) setzen sich in den interkontinentalen Duellen gegen krasse Aussenseiter durch. Mexiko verfügt über sehr starke junge Akteure und gehört an die WM, wenn man das so schreiben darf. Und Uruguay mit den zwei Weltklassestürmern Luis Suarez und Edinson Cavani ist an der Weltmeisterschaft gleichfalls ein interessanter Farbtupfer. Insbesondere in Brasilien. Ältere Menschen und Fussballfreaks wissen Bescheid.

In Europa stehen derweil vier Playoffpaarungen auf dem Programm. Kroatien ist gegen das unangenehme Island deutlich favorisiert. Zwischen Rumänien und Griechenland stehen die Chancen 50:50, die biederen, aber stabilen Griechen sind jedoch erfahrener. Beide Länder sind – so ehrlich darf man sein – eher unattraktive WM-Teilnehmer. Was umso bitterer ist für all jene Romantiker (wie mich), die gerne alle Superstars an einer Weltmeisterschaft dabei hätten. Natürlich: Wales mit Gareth Bale wird sich leider kaum einmal qualifizieren, aber dass einer der drei besten Fussballer im nächsten Sommer nicht dabei sein wird, ist sehr schade. Entweder Cristiano Ronaldo oder Zlatan Ibrahimovic wird die WM ja als prominenter Zuschauer verfolgen, weil Portugal und Schweden in der Barrage aufeinandertreffen. Wir glauben an das zuletzt schwächelnde Portugal, weil die Schweden sehr stark von Ibrahimovic abhängig sind, im Mittelfeld über weniger Klasse als der Kontrahent verfügen und auch in der Defensive alles andere als überzeugend agieren.

Ronaldo gehört einfach an die WM nach Brasilien, so ist das. Und auch die Fussballweltmacht Frankreich muss zweifellos dabei sein und wird die Ukraine bezwingen. Frankreich steckt nach schwierigen Jahren wieder in einer positiven Entwicklung und wurde im Sommer mit dem grossartigen Strategen Paul Pogba (Juventus) U-20-Weltmeister. Pogba ist längst Nationalspieler und eines der vielen Talente Frankreichs. Die Ukraine dagegen hat den Generationenwechsel verpasst, und offen ist, zu was die alte Garde noch fähig ist. Mit Andrei Jarmolenko von Dynamo Kiew, der zuletzt auch gegen den FC Thun in der Europa League brillierte, haben die Ukrainer derzeit bloss einen Akteur von gehobener individueller Qualität.

In Afrika stehen unterdessen die Rückspiele der fünf Playoffbegegnungen an. Die Grössen Ghana (6:1 im Hinspiel gegen Ägypten), Nigeria (2:1-Sieg in Äthiopien) und auch die Elfenbeinküste (3:1 gegen Senegal) dürften durch sein. Und Kamerun, wo Weltstar Samuel Eto’o den gefühlt 23. Rücktritt vom Rücktritt gab, steht nach dem 0:0 im Hinspiel in Tunesien ebenfalls vor der WM-Qualifikation. Algerien schliesslich verlor zwar beim überraschend starken Burkina Faso 2:3, wird diesen Rückstand aber im Heimspiel korrigieren können.

Und so stehen in einer Woche die 32 WM-Teams fest. Wen wir aus den unterschiedlichsten Gründen neben Schweden an der Weltmeisterschaft vermissen werden: die Türkei (wegen den vielen Türken in der Schweiz, die jetzt im nächsten Sommer nicht mitfiebern dürfen), Polen (wegen Robert Lewandowski), Irland (wegen seiner singenden Fans), Dänemark (wegen seiner fröhlichen Fans), Kanada (wegen seiner Grösse), Südafrika (wegen seiner politischen Bedeutung in Afrika), China (wegen seiner politischen Bedeutung in der Welt), Thailand (weil es ein so schönes Reiseland ist), Jamaika (weil Jamaika).

Und was glauben Sie, wer setzt sich in den Playoffspielen durch? Welches Land hätten Sie gerne noch an der WM gesehen? Würden Sie lieber auf Cristiano Ronaldo oder Zlatan Ibrahimovic an der Weltmeisterschaft verzichten?

Der FCB wackelt – wer profitiert?

Fabian Ruch am Mittwoch den 6. November 2013
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Wirkt zurzeit immer wieder ein bisschen Ratlos: Marco Streller, Captain des FC Basel hier im Champions-League-Spiel gegen Steaua Bukarest. (Keystone/Salvatore di Nolfi)

Auch ich habe mich getäuscht. Vor der Saison dachte ich, dass der FC Basel locker zum fünften Mal in Serie Meister werden würde (und eigentlich denke ich das ja immer noch). Zu überlegen scheint das Kader des Champions zu sein, zu stark ist das Team, zu weit enteilt ist der Primus in seiner Entwicklung der nationalen Konkurrenz. Gemessen an seinen Möglichkeiten könnte der FCB mit einem Zehn-Punkte-Polster an der Spitze liegen.

Und jetzt? Sind 14 Spieltage absolviert, und die ersten fünf Teams sind bloss durch fünf Punkte getrennt! Es herrscht Hochspannung an der Tabellenspitze. Der FCB ist – natürlich – Erster. Aber er ist nur Leader, weil die härtesten Rivalen zu unkonstant sind. Und nicht, weil er so dominant ist, wie die meisten Beobachter annahmen. YB beispielsweise ist trotz einer miesen Serie von sieben sieglosen Partien (mit bloss drei Punkten) nach zuletzt zwei Erfolgen wieder bis auf drei Zähler an den FCB herangerückt.

Basel schwächelt, Basel wackelt, Basel minikriselt. Man liest und hört vieles, von internen Querelen, von Unstimmigkeiten zwischen Trainer Murat Yakin und dem Vorstand, zwischen Yakin und Captain Marco Streller, zwischen Yakin und den Degen-Zwillingen. Trotz prächtiger Bilanz ist der Ende Saison auslaufende Vertrag mit dem Coach bisher nicht verlängert worden. Glaubt man den Medienberichten und den Aussagen gut informierter Kreise, brennt es gerade ein bisschen beim FCB. Noch aber wirkt die glitzernde Champions League derzeit auch ein wenig als Kitt im Betrieb. Auf grell erleuchteter Bühne will jeder brillieren. Der zuweilen langweilige Ligaalltag aber gestaltet sich in diesen Wochen mühsam für die Basler.

Dennoch bleibe ich dabei: Nur der FC Basel entscheidet, wer Meister wird. Und die grosse Frage ist ohnehin: Wer könnte den Dominator denn überhaupt gefährden, falls dieser noch stärker ins Straucheln gerät? GC verfügt über eine bemerkenswerte Stabilität und ist eingespielt, doch die Mannschaft erzielt wenig Tore und hat eher mässige Alternativen im Kader, wenn Stammkräfte ausfallen. Zudem sind die Zuschauerzahlen in Zürich, auch das muss mal wieder geschrieben werden, einfach himmeltraurig. YB derweil verfügt zwar nach wie vor über reichlich Potenzial und eine grosse Fangemeinde, befindet sich aber mal wieder im Umbruch – und ist eine Wundertüte.

Eine Mischung aus GC und YB wäre, so schrieb die «Schweiz am Sonntag» zuletzt treffend, der Superrivale Basels. Tatsächlich wären die breit besetzten Young Boys, verstärkt mit Veroljub Salatic, Stéphane Grichting sowie Izet Hajrovic und versehen mit der Ordnung von GC und dessen Stärke bei Standards, ein Team, welches den FCB gefährden könnte.

Den Baslern fehlt derzeit schlicht ein Gegner, an dem sie sich reiben können, der ihnen auf Augenhöhe begegnet, der sie zu Bestleistungen zwingt. Oft reicht es dem Serienmeister, mit halber Kraft den nächsten Arbeitssieg in der Super League einzufahren. Einige FCB-Leistungsträger deuteten in den letzten Wochen an, es sei nicht immer einfach, sich auf Partien in der Liga mit der gleichen Intensität vorzubereiten wie auf Festspiele in der Königsklasse. Man kann sie verstehen. Zumal es ja auch so reicht, die Gegnerschaft in Schach zu halten.

Der Schweizer Meister wird nächste Saison mit allergrösster Wahrscheinlichkeit direkt für die Champions League qualifiziert sein. Das sollte für GC und YB Ansporn genug sein. In beiden Vereinen wird man in der Winterpause bestimmt versuchen, auf dem Transfermarkt aktiv zu werden. Für die Young Boys wäre es dabei geradezu fahrlässig, würden sie den an Thun ausgeliehenen Topskorer Josef Martinez nicht zurück nach Bern beordern. Diese Möglichkeit besitzen sie ja.

Der Rest der Liga wird kaum in den Titelkampf eingreifen können. Luzern und St. Gallen halten beachtlich mit, in diesen Vereinen wird tadellos gearbeitet, aber es fehlt beiden Mannschaften letztlich an Klasse, um den FCB über 36 Runden herausfordern zu können. Sion und Zürich schliesslich hätten starke Teams, sind aber enttäuschend in die Spielzeit gestartet. Sie rangeln derzeit mit den erstaunlichen Punktesammlern aus Thun und Aarau um die Plätze im Mittelfeld. Das ist enttäuschend. Eigentlich sollten sie auch oben mitspielen – und diese nicht restlos überzeugenden Basler konkurrieren.

Wer kann dem FC Basel in dieser Saison gefährlich werden? Oder spazieren die Basler auch mit mässigen Leistungen zum nächsten Titel? Welches Team in der Super League hat sie bisher besonders enttäuscht?

Liebeserklärung an Typen wie Zlatan

Fabian Ruch am Mittwoch den 30. Oktober 2013
PSG-Spieler Zlatan Ibrahimovic feiert einen Sieg gegen Olympique Lyon, 12. Mai 2013.

Spieler mit Kanten und Ecken faszinieren immer: PSG-Spieler Zlatan Ibrahimović feiert einen Sieg gegen Olympique Lyon, 12. Mai 2013. (Keystone/Guillaume Horcajuelo)

Zuerst Zico, bald Walter Zenga (obwohl Goalie), Careca, Beat Sutter, später Romário, Pep Guardiola, Fernando Redondo (sogar, obwohl Argentinier), Eric Cantona und David Ginola, der unverwüstliche Javier Zanetti (ja, ja, ein Gaucho), dann vor allem Ronaldo, der mit den Zähnen, und bald Ronaldo, der mit dem Haargel, aktuell Mario Götze (obwohl Bayern) und natürlich Neymar, der Brasilien nächstes Jahr bitteschön zum Weltmeister schiessen soll: Meine Liste der Lieblingsfussballer ist lang und vielfältig, jeder hat halt Helden der Jugend und Kicker des Vertrauens. Idole, Vorbilder, Ikonen.

In meiner kunterbunten Liste, in der selbstredend absolut keine Gewähr auf Vollständigkeit herrscht, sind auch Franzosen und Argentinier sowie Akteure von Bayern und Barcelona dabei, obwohl mir diese Teams nicht ans Herz gewachsen sind. Es geht um Sympathie, und die kann bei einem Fussballer nicht verloren gehen, bloss weil er den Verein wechselt oder eine unpassende Nationalität besitzt. Es sind stilprägende Sechser dabei, wie es Guardiola und Redondo waren, weil ich auch so stark und passsicher und smart hätte spielen wollen (und es in meiner Vorstellung auf 100-mal tieferem Niveau natürlich auch tat …).

Mit der Zeit gefielen mir Fussballer immer wie mehr, die nicht geformt sind; die nicht auf die erste Frage mit «wie gesagt» antworten; die nicht als Traumschwiegersöhne gelten; die eigene Meinungen vertreten, auch mal für Unruhe sorgen, zuweilen einen Skandal verursachen. Ich mag spannende, interessante, vielleicht manchmal verrückte, wilde Spieler. Spinner und Exzentriker, wie es Paul Gascoigne, Stefan Effenberg, Mario Basler und Marcelinho waren. Leider sterben sie in dieser glattgebügelten Fussballwelt der Phrasen und Managerkontrolle und Bussenkataloge langsam aus.

Ich finde es toll, wenn einer wie Kevin-Prince Boateng keine Angst hat, sich mit aller Macht gegen den Rassismus zu stellen – und die unverständlichen, dummen Pfiffe und Affenlaute in italienischen Stadien eben nicht wie 99,9 Prozent der Spieler, Schiedsrichter, Trainer, Journalisten und Fans still akzeptiert. Das ist Charakterstärke.

Ich gebe es zu: Ich mag Bad Boys wie Trainer José Mourinho, selbst wenn sie möglicherweise für die meisten Menschen als Ekel gelten. Stefan Effenberg und sogar Lothar Matthäus (das bleibt unter uns) waren und sind mir lieber als Jürgen Klinsmann und Philipp Lahm. Zlatan Ibrahimović spricht mich deutlich stärker an als Lionel Messi. Selbst wenn Lahm wie Messi absolute Weltklasse verkörpern. Ich finde es sogar faszinierend, den mit immer gröberen Eskapaden gepflasterten Weg eines ziemlich freakigen Typen wie Mario Balotelli zu verfolgen. Mein Toleranzpegel ist da sehr hoch, ich mag es jedem gönnen, wenn er das Gefühl hat, er müsse seine Garage mit 14 Ferrari füllen und oben in der 23-Zimmer-Villa 200 Geliebte haben.

Zlatan Ibrahimović hätte in meinen Augen sogar 100 Ferrari und 1000 Frauen verdient. Es ist ein Riesenglück für uns, diesem sensationellen Fussballer und Typen zusehen und zuhören zu dürfen. Zur Lektüre sei das «Spiegel»-Interview vor ein paar Wochen empfohlen. Der bosnische Schwede schiesst ja mittlerweile alle drei Tage ein Tor des Jahres. Mal mit der Hacke, mal aus 30 Metern in den Winkel, mal mit einem Fallrückzieher. Ibrahimović schert sich einen Dreck um Konventionen, spricht und spielt, wie er will und was er will. Er attackiert selbst seinen früheren Trainer Guardiola, der (eigentlich) einen Heiligenschein besitzt. Er ist ein Anti-Konzeptfussballer und damit ein Graus für die Matchplan-Fanatiker unter den Coaches, die gerne jede Sekunde der Partie kontrollieren und jeden Laufweg ihrer Akteure wie Schachfiguren bestimmen möchten.

Ibrahimović ist anders, er ist einmalig und in keine Schablone zu pressen und dermassen stark, dass er jede Mannschaft automatisch besser macht. Er wurde fast immer Meister in den letzten Jahren, egal wo er auch spielte – und er wechselte oft den Club. Es ist wirklich jammerschade, ist der Stürmer bereits 32 Jahre alt. Andererseits: Er wird irgendwie immer besser.

Zlatan, der ehemalige Fahrraddieb aus dem Ghetto von Malmö, wäre heute vielleicht im Gefängnis, wie er selber einräumt, wenn er nicht mit derart viel fussballerischem Sondertalent ausgestattet worden wäre. Seine spektakuläre, attraktive, mitreissende Spielweise ist einzigartig, und vielleicht besitzt er im Jahr 2013 sogar die Chance, Weltfussballer zu werden. Verdient hätte er es. Sonst gucken Sie im Internet mal ein Best-of seiner schönsten Tore der letzten Monate an (unten ist ein Beispiel zu sehen). Und: Ibra hat seine Wurzeln nie verleugnet, er ist immer noch derb, direkt, dominant.

Zu Ibrahimovićs Ehren wurde in Schweden ja das Verb «zlatanera», auf Deutsch am ehesten «zlatanieren», ins Wörterbuch aufgenommen. Es stehe für «etwas mit Kraft dominieren», teilte die schwedische Sprachakademie mit. Wir schlagen gleich noch das Wort «Ibrakadabra» als Synonym für Fussballzauber vor.

Zlatan zlataniert also die Fussballwelt. Wir verneigen uns vor ihm und seiner Kunst und sind traurig, verpasst er die WM 2014, weil Schweden und Portugal in der Barrage aufeinandertreffen. Haargel-Ronaldo, der andere Liebling, muss ja zwingend dabei sein im nächsten Sommer in Brasilien.

Kann die Fifa, falls Schweden scheitert, Ibrahimovićs Team nicht mit einer Wildcard ausstatten?

Wer waren Ihre Lieblinge in der Jugend? Welche Fussballer schätzen Sie heute? Und wie stehen Sie zu Exzentrikern wie Zlatan Ibrahimović?

Marcel Koller ist die beste Lösung als Nationaltrainer

Fabian Ruch am Mittwoch den 23. Oktober 2013
Marcel Koller: Der 52-Jährige weiss, wie ein Nationaltrainer funktionieren muss. (Reuters)

Marcel Koller: Der 52-Jährige weiss, wie ein Nationaltrainer funktionieren muss. (Reuters)

Ottmar Hitzfeld wird respektiert, aber nicht geliebt. So war das schon immer. Der Deutsche ist ein erfolgreicher Coach, ein Titeltrainer, er hat die Champions League gewonnen, mit Dortmund und Bayern, er ist ein reich dekorierter Meistermacher in der Schweiz und in Deutschland. Und doch gilt er als nüchtern, als sachlich, zuweilen als bieder.

Hitzfelds Image wird sich nicht mehr ändern. Und der 64-Jährige lebt ja ausgezeichnet damit. Kaum einer geniesst im Fussballgeschäft einen besseren Ruf, kaum einer hat sich in den letzten Jahrzehnten besser verkauft. Hitzfeld ist unbestritten als Trainer, anerkannt als Experte, begehrt als Sponsor. Und er ist smart. Stets war er mit den einflussreichen Journalisten befreundet oder zumindest verbunden. Hitzfeld kann es sich sogar leisten, eine Partnerschaft mit dem Ringier-Verlag einzugehen und für den «Blick» Kolumnen zu schreiben. Man stelle sich einmal vor, Joachim Löw würde in Deutschland mit der «Bild» zusammenarbeiten! Es gab in der Schweiz zwar kritische Voten zum umstrittenen Deal Hitzfelds mit Ringier, aber bald war Ruhe. Hitzfeld steht über den Dingen. Würde er auch noch von den Fans verehrt werden, wäre das beinahe schon wieder verdächtig für die Journaille.

Dieser Ottmar Hitzfeld also beendet im nächsten Sommer seine glanzvolle Trainerkarriere. Er hat richtig entschieden. An der WM 2014 in Brasilien kann er seiner Tätigkeit als Schweizer Coach die Krone aufsetzen. Und danach? Kommt eine EM-Qualifikation, klar, doch weil 24 von 53 Uefa-Mitgliedsländern 2016 an der Europameisterschaft in Frankreich dabei sein werden, dürfte die sportliche Brisanz der Ausscheidung geringer sein.

Es ist fraglich, ob Hitzfeld noch einmal Motivation und Kraft gefunden hätte, diese hochbegabte Nationalmannschaft weiterzuentwickeln. Er hat das erkannt und kann sich jetzt – ohne Rücksicht nehmen zu müssen – auf die WM-Expedition konzentrieren.

Wer aber ist der perfekte Nachfolger Hitzfelds?

Die Antwort kann nur Marcel Koller heissen.

Koller ist ein kleiner Bruder im Geiste Hitzfelds. Ruhig, souverän, erfahren. Und auch erfolgreich, natürlich nicht auf dem Niveau Hitzfelds, aber als Meister mit St. Gallen und GC geniesst der ehemalige Schweizer Nationalspieler viel Respekt. Koller kennt Land, Leute, Liga. Ein Experiment mit einem teuren, prominenten ausländischen Trainer wäre diesmal die falsche Lösung. Und ein tüchtiger Nachwuchstrainer des Schweizerischen Fussballverbandes – wie Hitzfeld-Assistent Michel Pont oder U-21-Coach Pierluigi Tami – wäre zwar fachlich bereit, aber würde kaum die Aura besitzen, um Hitzfeld ersetzen zu können. Das Ansehen von Christian Gross schliesslich ist beschädigt, seine Arbeitsmethoden gelten als veraltet.

Selbstverständlich gäbe es andere fähige Kandidaten. Aber Basels Murat Yakin beispielsweise ist zu jung für das Amt eines Nationaltrainers, er steht vor einer interessanten Laufbahn, die ihn eher früher als später in die Bundesliga führen wird. Dort ist Lucien Favre bei Gladbach mit Erfolg tätig, und er wäre eine spannende Besetzung als Nationaltrainer, weil er Fussballspieler besser machen kann. Aber die Stärken des zuweilen eigenwilligen Favre sind besonders ausgeprägt, wenn er täglich mit den Spielern arbeiten und auf Fehler in einer Partie sofort reagieren kann. Als Nationaltrainer hätte der Romand keinen so straffen Zugriff auf seine Akteure.

Andere Fussballlehrer, die gehandelt werden, besitzen nicht im Ansatz das Format Hitzfelds oder auch Kollers. Deshalb ist dieser Marcel Koller die beste Lösung als Nachfolger Ottmar Hitzfelds. Koller hat zwar in der Vergangenheit mehrmals erklärt, er würde gerne wieder ins Tagesgeschäft zurück und einen Club trainieren. Die Möglichkeit, das überaus talentierte Schweizer Team zu übernehmen, ist aber gleichfalls enorm faszinierend für ihn. Und vielleicht einmalig.

Marcel Koller hat zuletzt als Nationaltrainer Österreichs tolle Arbeit geleistet. Er hat die Auswahl verbessert und sich gegen massive Widerstände in den Medien und bei den mächtigen Medienexperten durchgesetzt. Der 52-Jährige weiss also, wie ein Nationaltrainer funktionieren muss. Zudem, und das ist eine weitere Parallele zu Hitzfeld, ist er mit den wichtigsten Zürcher Medien durchaus in gutem Kontakt. Und auch das kann nicht schaden.

Wer ist für Sie der beste Nachfolger Ottmar Hitzfelds? Und warum? Und: Können Sie Hitzfelds Rücktritt von der Trainerbühne verstehen?

Brasilien ist WM-Favorit, Belgien Geheimfavorit

Fabian Ruch am Mittwoch den 16. Oktober 2013

Knapp acht Monate dauert es noch bis zum WM-Start in Brasilien. Es ist Zeit, ein Ranking der fünf aktuell stärksten Nationen zu erstellen. Kolumbien und die Schweiz sind die gefährlichen Aussenseiter, die es bis in den Halbfinal schaffen können, aber hier nicht unter den Top 5 rangieren. Und auch grosse Fussballnationen wie England, Frankreich oder Portugal werden im nächsten Sommer nicht zu den Favoriten gehören – wenn sie überhaupt alle an der WM dabei sein werden.

Rang 5: Italien

Mario Balotelli im Zweikampf mit dem Tschechen Tomáš Sivok, 10. September. (AP/Massimo Pinca)

Mario Balotelli im Zweikampf mit dem Tschechen Tomáš Sivok, 10. September. (AP/Massimo Pinca)

Die Italiener unter dem smarten Trainer Cesare Prandelli sind souverän, aber ohne zu brillieren durch die Qualifikation spaziert – in einer unangenehmen Gruppe mit Tschechien, Dänemark, Bulgarien und Armenien. Die Mannschaft ist defensiv stark, das sind italienische Auswahlen ja immer, sie hat ein paar griffige Balleroberer im Team – und verfügt in der Offensive über tolle Akteure. Wenn Mario Balotelli im nächsten Sommer sein Genie ein paar Wochen über seinen Wahnsinn stellt, ist den Italienern sogar der ganz grosse Coup zuzutrauen.

Rang 4: Argentinien

Lionel Messi schiesst einen Penalty gegen Paraguay, 10. September 2013. (AP/Jorge Saenz)

Lionel Messi schiesst einen Penalty gegen Paraguay, 10. September 2013. (AP/Jorge Saenz)

Wer Lionel Messi im Team hat, muss gut sein. Der Superstar hat seine Leistungen im Nationalteam stabilisiert, und mit einem WM-Titel nächstes Jahr, ausgerechnet im Land des riesigen Rivalen, könnte er sich mit den skeptischen Fans in der Heimat versöhnen – und unsterblich werden. Neben Messi figurieren in der Offensive weitere Weltklasseakteure wie Sergio Agüero, Gonzalo Higuain und Ezequiel Lavezzi. Das Problem ist die Verteidigung, die im Tempofussball des Gegners zuweilen Mühe bekundet.

Rang 3: Belgien

Eden Hazard ist vor dem Kroaten Domagoj Vida (l.) am Ball, 11. Oktober 2013. (EPA/Antonio Bat)

Eden Hazard ist vor dem Kroaten Domagoj Vida (l.) am Ball, 11. Oktober 2013. (EPA/Antonio Bat)

Die belgische Mannschaft ist der – nicht mehr ganz so geheime – Geheimfavorit. Die 25 Nationalspieler besitzen laut der Fachwebsite Transfermarkt.ch im Schnitt (!) einen Marktwert von fast 18 Millionen Franken – und sind damit wertvoller als Italiens Akteure. Das Team Belgiens ist jung, talentiert, spielstark, die meisten Leistungsträger sind längst Grössen in der Premier League und anderen Eliteligen. Von Torhüter Thibaut Courtois (21 Jahre, Atletico Madrid, Marktwert 31 Millionen Franken) über Abwehrchef Vincent Kompany (27, Manchester City, 44 Millionen), Spielmacher Axel Witsel (24, Zenit St. Petersburg, 40 Millionen) und Edeltechniker Eden Hazard (22, Chelsea, 53 Millionen) bis Stürmer Romelu Lukaku (20, Everton, 30 Millionen) stehen überragende Akteure in der Auswahl. Und das sind nur die fünf bekanntesten Namen – selbst auf der Ersatzbank sitzen ausgezeichnete Spieler. Besonders für ein so kleines Land wie Belgien.

Rang 2: Deutschland

Philipp Lahm feiert an der EM in Polen einen Treffer, 22. Juni 2012. (EPA/Bartlomiej Zborowski)

Philipp Lahm feiert an der EM in Polen einen Treffer, 22. Juni 2012. (EPA/Bartlomiej Zborowski)

Die Deutschen sind richtig stark, selbst wenn sie nach wie vor die Grossmeister der Selbstzerfleischung sind – und in den Medien aufgeregt debattieren, ob Torjäger Stefan Kiessling nicht ins Nationalteam gehört. Oder ob der Dortmunder Mats Hummels mit seiner Kritik am Verband übers Ziel hinausgeschossen hat. Oder ob der zuweilen hüftsteife Per Mertesacker die Anforderungen an einen modernen Innenverteidiger erfüllt. Natürlich gibt es Fragezeichen, gerade in der Defensive, dennoch ist Deutschland einer der grossen WM-Favoriten. Im Tor steht mit Manuel Neuer die vielleicht weltbeste Fachkraft, und die Offensive ist mit Spitzenkönnern wie Mario Götze, Mesut Özil, Marco Reus, Toni Kroos oder Thomas Müller herausragend besetzt. Und: Die Führungsspieler Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger und Sami Khedira sind reifer geworden. Sie sind bereit für den grossen Triumph.

Rang 1: Brasilien

Neymar erzielt einen Treffer gegen Australien. Goalie Schwarzer ist chancenlos, 7. September 2013. (AP/Felipe Dana)

Neymar erzielt einen Treffer gegen Australien. Goalie Schwarzer hat das Nachsehen, 7. September 2013. (AP/Felipe Dana)

Gastgeber, Rekordweltmeister, Confed-Cup-Sieger, dazu begabt und formstark: Es gibt eine Menge Gründe, die an der nächsten WM für Brasilien sprechen. Selbst wenn der Druck gewaltig sein wird. Die Mannschaft ist prächtig besetzt, das ist die Seleçao ohnehin immer. Aber diesmal stimmt die Balance. In der Defensive stehen mit Thiago Silva und David Luiz die zwei wohl besten Innenverteidiger der Welt zur Verfügung, und der erste Ersatz Dante ist vielleicht der drittbeste zentrale Abwehrspieler. Auch die Aussenverteidiger Dani Alves und Marcelo sind – in der Vorwärtsbewegung – Weltklasse. Ins defensive Mittelfeld hat Trainer Luiz Felipe Scolari, der schon 2002 mit Brasilien Weltmeister wurde, zur Absicherung mit Luiz Gustavo und auch Paulinho giftige Zweikämpfer eingebaut. Die Offensivabteilung um den grossartigen Neymar sowie die spielfreudigen Oscar und Lucas schliesslich ist schlicht exzellent. Der Torhüter wird nicht besonders fangsicher sein, aber dieses Brasilien braucht keinen überragenden Goalie. Die Frage ist einzig: Wer gibt den Angreifer? Fred, am Confed-Cup überzeugend, ist nicht kombinationssicher. Vielleicht startet einer der vielen prominenten Sturmkandidaten wie etwa Alexandre Pato, wieder in Brasilien bei Corinthians engagiert, im nächsten Frühling ja noch durch.

Sie vermissen Weltmeister Spanien? Derzeit ist die jahrelang beste Nationalmannschaft der Welt auf der Suche nach Stabilität, es fehlt trotz guten Stürmern an einem echten Torjäger – und die Helden wie Xavi und Andrés Iniesta werden nach einer langen, anstrengenden Saison im klimatisch herausfordernden Brasilien (mit teilweise sehr hoher Luftfeuchtigkeit) möglicherweise an ihre physischen Grenzen stossen.

Und wer ist Ihr WM-Favorit? Was trauen Sie Weltmeister Spanien im nächsten Sommer zu? Was kann die Schweiz erreichen?

Shaqiri ist im Zentrum noch stärker

Fabian Ruch am Mittwoch den 9. Oktober 2013
Shaqiri während eines Spiels gegen Island. (Keystone)

Xherdan Shaqiri muss mehr zum Einsatz kommen: Shaqiri während eines Spiels gegen Island. (Keystone)

Am Freitag oder spätestens am Dienstag wird sich die Schweizer Nationalmannschaft für die WM 2014 in Brasilien qualifizieren. Das ist schön. Und es ist die Basis für weitere Höhenflüge dieser talentierten Auswahl. Für die junge, freche, forsche Equipe ist in den nächsten Jahren viel möglich.

Xherdan Shaqiri ist das perfekte Sinnbild des Nationalteams. Der Offensivspieler ist bereits sehr gut, aber noch nicht am Ende der Entwicklung angelangt.

Shaqiri ist vieles, er ist spielstark und schnell, schussgewaltig und selbstbewusst. Und auch geduldig, aber zielstrebig, sonderbegabt, aber lernwillig. Seinen Wechsel zu Bayern München im Sommer 2012 durfte man als mutig, vielleicht sogar als verwegen bezeichnen. Möglicherweise war er auch falsch, weil ein junger, aufstrebender Fussballer wie Shaqiri in jedem Pflichtspiel im Einsatz stehen sollte. In den grossen Spielen der Bayern muss der 21-Jährige zu oft auf der Ersatzbank Platz nehmen – er darf dann in Freiburg, gegen Mainz oder mal im DFB-Pokal ran.

Das ist zu wenig, und vielleicht wäre – wie in diesem Blog bereits im Sommer gefordert – ein Transfer zu Wolfsburg, Leverkusen oder Schalke schlauer für die Entwicklung Shaqiris gewesen. Einerseits. Andererseits hat der frühere Basler möglicherweise doch vieles richtig gemacht. Bei Bayern spielt er im derzeit besten Clubteam der Welt, er trainiert täglich mit Superstars, und seit der smarte Coach Pep Guardiola im Sommer den Champions-League-Sieger übernommen hat, wird Shaqiri tatsächlich stärker gefördert. Shaqiri – klein, passbegabt, quirlig – ist ein perfekter Pep-Spieler. Am Samstagabend stand Shaqiri sogar im Spitzenkampf in Leverkusen (1:1) in der Startformation. Er war gut, teilweise brillant, vergab aber auch beste Gelegenheiten – und bleibt in der internen Hierarchie vorerst hinter den Weltgrössen Franck Ribéry und Arjen Robben. Freiburg und Mainz und DFB-Pokal: ja. Barcelona, Dortmund und ZSKA Moskau: leider nein.

Der polyvalente Shaqiri, auch als Aussenverteidiger oder Stürmer einsetzbar, ist am Flügel zwar schon sehr stark, doch es gibt eine Position, auf der er noch besser ist: Er ist derart spielfreudig und fussballintelligent, dass er im Zentrum des Aufbaus agieren sollte. Auch das ist an dieser Stelle schon gefordert worden. Bei Bayern ist die Konkurrenz, etwa durch Mario Götze, Toni Kroos, Thomas Müller, Thiago oder Bastian Schweinsteiger zwar riesig, und doch ist es nicht ausgeschlossen, dass sich Shaqiri mit seiner Klasse einen Platz im Zentrum erobern könnte.

Ganz sicher aber könnte Shaqiri im Nationalteam im 4-2-3-1-System von Ottmar Hitzfeld als offensiver Zentrumsspieler aufgestellt werden. Seine unberechenbare, rasante, draufgängerische Spielweise würde das Aufbauspiel der Auswahl im Zentrum merklich beleben. Hitzfeld setzt Shaqiri am rechten Flügel (mit vielen Freiheiten) ein, Shaqiri darf oft in die Mitte rücken. Aber Shaqiri wäre im Zentrum (mit allen Freiheiten) noch wirkungsvoller, torgefährlicher, besser. Der Weg zum gegnerischen Tor wäre kürzer, und mit seinem präzisen Schuss, seiner grossartigen Übersicht und seiner schnellen Übersetzung wäre Shaqiri für die Gegner schwierig unter Kontrolle zu bringen. Selbstverständlich kann er auch als Flügelspieler ein ganz Grosser werden. Doch als Nummer 10 wäre er ein atemberaubender Spektakelmacher.

Noch hat es kein Trainer gewagt, Xherdan Shaqiri auf dessen Lieblingsposition – als Regisseur – aufzustellen. Im Schweizer Nationalteam spielt dort mit Granit Xhaka ein grossartiger Stratege, der allerdings ein paar Meter weiter hinten noch stärker ist und sich dort auch wohler fühlt. Im zentralen, defensiven Aufbau stehen jedoch mit den drei Napoli-Akteuren Gökhan Inler, Valon Behrami und Blerim Dzemaili oder auch Pirmin Schwegler bereits hervorragende Akteure. Und dahinter warten weitere Fussballer, die in grossen Ligen engagiert sind, auf ihre Chance. Aus diesem Grund dürfte Shaqiri vorderhand weiter als Flügelspieler aufgestellt werden. Im Nationalteam. Und bei den Bayern.
Für die Fussballfans ist das irgendwie schade.

Was denken Sie? Auf welcher Position ist Xherdan Shaqiri am stärksten? Wo sollte er im Nationalteam spielen? Und: Setzt er sich bei den Bayern schon diese Saison durch?

Marco Streller muss mit der Nati nach Brasilien!

Fabian Ruch am Mittwoch den 2. Oktober 2013
streller

Wie wärs mit einem Comeback? Doppeltorschütze Marco Streller freut sich über seinen zweiten Treffer für die Schweiz zum 3:1 gegen Österreich am 13. Oktober 2007. (Bild: Eddy Risch/Keystone)

Der FC Basel verlor zwar am Dienstagabend in der Champions League gegen Schalke 0:1, ist aber unbestritten das mit Abstand beste Schweizer Team. Das zeigte sich auch in den ersten Wochen dieser Saison eindrücklich. Und eigentlich ist es unglaublich, spielt der Captain und beste Stürmer des FCB nicht mehr im Schweizer Nationalteam. Marco Streller ist als Nationalspieler zurückgetreten, klar, aber es ist nicht derart viel Geschirr zerschlagen worden, um eine Rückkehr zu verhindern.

Denn: Marco Streller wäre mit seiner Klasse, Erfahrung und Persönlichkeit ein grosser Gewinn für das Nationalteam. Er ist derzeit der beste Schweizer Stürmer und war vielleicht noch nie so stark wie heute.

Die Schweiz besitzt ja einige talentierte Angreifer, deren Karrieren ins Stocken geraten sind. Als beste Beispiele seien Eren Derdiyok und Nassim Ben Khalifa erwähnt. Sie wären heute in der Nationalmannschaft Leistungsträger, hätten sich die Prognosen bewahrheitet, die vor ein paar Jahren aufgestellt worden waren. Derdiyok (in Leverkusen) und Ben Khalifa (bei GC) aber versuchen gerade mühevoll, ihre Laufbahnen neu zu lancieren.

Jene Stürmer, die in den letzten Monaten ins Nationalteam aufgeboten wurden, sind jung und begabt, müssen sich aber steigern. Haris Seferovic, Josip Drmic, Innnocent Emeghara, Mario Gavranovic und Admir Mehmedi sind noch nicht so gefestigt wie Streller. Drmic überzeugte zuletzt, muss sich jedoch bei Nürnberg noch einen Stammplatz erkämpfen. Emeghara ist schnell und ein idealer Konterstürmer, aber mit seinen spielerischen Mängeln im 4-2-3-1-System von Nationalcoach Ottmar Hitzfeld als Angreifer nicht die geeignete Wahl. Gavranovic schliesslich besitzt wie Drmic ausgezeichnete Anlagen, wurde aber beim FC Zürich wegen Fehlverhaltens suspendiert. Seine Karriere gleicht ebenfalls einer Achterbahn. Wie jene von Mehmedi. Dieser rappelt sich beim SC Freiburg nach seinem missglückten Abenteuer in Kiew gerade wieder auf.

Am weitesten aller Nationalteam-Sturmkandidaten ist Seferovic. Er ist noch talentierter, besser, schussstärker als seine Konkurrenten und hat seine Klasse auch beim neuen Arbeitgeber Real Sociedad San Sebastian bereits unter Beweis gestellt. Aber Seferovic ist gerade mal 21 Jahre alt, er ist noch im Lern- und Reifeprozess. Das kann gerade bei Stürmern länger dauern. Derdiyok, Ben Khalifa, Mehmedi und Gavranovic wissen Bescheid.

GRUPPENPHASE, UEFA CHAMPIONS LEAGUE, SAISON 2013/14, FC BASEL, FCB,  CHELSEA FOOTBALL CLUB, CHELSEA FC,

In grosser Form: FCB-Captain Streller feiert den Sieg über Chelsea an der Stamford Bridge am 18. September 2013. (Keystone)

Auch Marco Streller hat in seiner langen Karriere Brüche zu verzeichnen gehabt. Heute aber ist der Basler wertvoll wie nie. Er ist enorm routiniert, kann junge Spieler führen und inspirieren – und ist immer noch torgefährlich. Zudem besitzt die Schweiz ja Akteure aus der zweiten Reihe, die wie Xherdan Shaqiri gerne den Abschluss suchen. Streller wäre als kluger Passgeber und ideale Anspielstation, die Räume öffnen kann, die perfekte Ergänzung. Er ist ein grossgewachsener, technisch feiner Akteur, der die Bälle gut halten und verarbeiten kann. Ein Stürmer- und Spielertyp wie er fehlt im Nationalteam.

Marco Streller agiert als Champions-League-Teilnehmer auf höchstem Niveau. Ein kleines Fussballland wie die Schweiz kann es sich im Prinzip nicht leisten, auf einen Angreifer wie ihn zu verzichten. Und solange der Schweizerische Fussballverband nicht (wirklich) alles versucht hat, um Streller von einem Comeback zu überzeugen, ist das ausserordentlich schade. Insbesondere im Hinblick auf die sich abzeichnende WM-Teilnahme würde Streller als Figur, Führungsspieler und vor allem Stürmer ein belebendes Element sein. Vor und während einer Weltmeisterschaft ist die Auswahl mindestens einen Monat zusammen. Der lockere, gleichwohl fokussierte Streller wäre mit seiner Erfahrung eine Unterstützung für die Mannschaft – selbst wenn diese von jungen Secondos dominiert wird, die andere Typen als Streller sind. Oder vielleicht genau deshalb. Es gibt ausserdem im Nationalteam keinen derart erfolgreichen Spieler mit so vielen Titeln (6-mal Schweizer Meister, 3-Mal Cupsieger mit Basel) wie den 32-Jährigen, der früher auch in der Bundesliga spielte und Meister mit Stuttgart wurde.

Und: Streller ist auch als Einwechselspieler wirkungsvoll. Das war am letzten Mittwoch in Thun zu sehen, als der Basler Captain zuerst geschont worden war, nach seiner Einwechslung beim Stande von 0:0 aber sofort der dominierende Spieler auf dem Kunstrasen war – und den FCB noch zum 2:0-Erfolg führte.

Aus diesen Gründen wäre ein Comeback von Marco Streller im Nationalteam sinnvoll. Seine Fähigkeiten und seine Art würden der Auswahl gut tun.

Wer, liebe Fussballfreunde, ist für Sie der beste Schweizer Stürmer? Warum stagnieren so viele Angreifer in jungen Jahren? Und: Sollte Marco Streller ein Comeback im Nationalteam geben und an der WM dabei sein?

Es ist Zeit für eine Fusion in Zürich

Fabian Ruch am Mittwoch den 25. September 2013
Die Zürcher Veroljub Salatic, Anatole, Roman Buerki, Caio und Nassim Ben Khalifa, von links, feiern den Treffer zum 2:1 im Fussball-Super-League-Spiel zwischen den Berner Young Boys und dem Grasshopper-Club aus Zürich, am Sonntag, 25. August 2013, im Stade de Suisse in Bern. (KEYSTONE/Peter Schneider)

Nach dem Nein zum Stadion muss die Fusion der beiden Zürcher Super-League-Clubs wieder diskutiert werden: Die GC-Spieler Salatic, Anatole, Bürki, Caio und Ben Khalifa (v. l.) feiern einen Treffer, 25. August 2013. (Keystone/Peter Schneider)

Zürich erhält also kein eigenes, hübsches, passendes Fussballstadion. Die Reaktionen auf das bittere Abstimmungsergebnis am Sonntag waren hart, teilweise polemisch, und wenn sich der Rauch verzogen hat, wird man festhalten müssen: Es ist ziemlich peinlich, dass in der Finanzmetropole Zürich, wo der Fussballweltverband Fifa zu Hause ist, immer noch keine echte Fussballarena steht. Die Schadenfreude im Rest des Landes ist riesig. Dort entstehen überall wunderbare Stadien ohne lästige Leichtathletikbahn, aber mit netten VIP-Logen, in denen Einnahmen generiert werden können.

Zürich schafft das nicht. Es ist eine Fussballtragödie, und es geht jetzt hier nicht darum, ob sich die Steuerzahler mit 60, 80, 150 oder 220 Millionen Franken an einem Neubau beteiligen müssen. Es geht darum, dass die Fussballstadt Zürich ihre (offenbar eher bescheidenen) Kräfte endlich bündeln sollte, um gemeinsam in die Zukunft zu gehen. GC ist nach Verlustpunkten Leader und spielt einen tollen Fussball, hat eine starke Mannschaft und blickt auf sehr erfolgreiche Monate zurück, lockte aber am Sonntag gerade mal rund 5000 Zuschauer zum Heimspiel gegen Thun an. Wie viele wären in einer passablen Fussballarena gekommen?

FCZ Torschuetze Spieler Mario Gavranovic, Mitte rechts, jubelt mit seinem Mitspieler Amine Chermiti, Mitte links, zum 1:0 Goal beim Fussball Meisterschaftsspiel der Super League zwischen dem FC Zürich und dem BSC Young Boys am Sonntag, 14. Juli 2013, im Letzigrund Stadion in Zuerich. (KEYSTONE/Ennio Leanza

Eine Zürcher Mannschaft aus den besten Spielern von GC und FCZ wäre schwer zu schlagen: FCZ-Spieler Mario Gavranovic (M.) feiert mit Amine Chermiti (vorne links) und weitern Mitspielern ein Tor, 14. Juli 2013. (Keystone/Ennio Leanza)

Das weiss niemand. Tatsache aber ist: Zürich ist zwar reich, schön, gross, aber die Konkurrenz im Unterhaltungsbereich ist enorm attraktiv. Es gibt sehr viele Möglichkeiten, sich in der Stadt zu vergnügen. Neu ist diese Erkenntnis nicht, aber sie ist umso aktueller geworden. Wenn man in Bern lebt, fragt man sich schon lange, warum GC und FCZ auf eigene Faust weitermachen und Jahr für Jahr Millionen verbrennen. Gut, Verluste einfahren kann man auch, wenn man der einzige Club der Stadt ist – wie in Bern. Aber das ist ein anderes Thema. Spitzenfussball ist teuer. Und in Zürich darf man (mal wieder) die Frage aufwerfen, ob ein Verschmelzen der beiden Marken nicht sinnvoller wäre.

Natürlich gibt es Traditionen, selbstverständlich sind beide Clubs stolz auf ihre Vergangenheit, und vermutlich wird es immer Fussballliebhaber geben, die den Rekordmeister GC und den FC Zürich irgendwie finanziell unterstützen werden. Vielleicht ist die Vorstellung einer Fusion auch naiv. Als Fussballromantiker ist sie zudem schmerzhaft, weil es so viele schöne Erinnerungen an GC und den FC Zürich gibt. Aber eine Fusion wäre: konsequent, gut, richtig.

Und die Zeit ist reif dafür. Spätestens seit Sonntag.

Die Vorstellung eines riesigen, mächtigen, potenten Zürcher Vereins ist reizvoll – und bedrohend für die Konkurrenz. Man stelle sich beispielsweise nur kurz eine Auswahl aus den aktuell besten Akteuren von GC und Zürich vor. Mit dem stärksten Torhüter der Liga, der wohl stabilsten Abwehr, einem stilprägenden Mittelfeld mit physisch überragenden Balleroberern und spielerisch grossartigen Technikern – und mit einem ausgezeichneten Sturm. Der FC Basel hätte wieder einen ernsthaften Rivalen. Man könnte die besten Kräfte bündeln und die stärksten Nachwuchsakteure im zweiten Team reifen lassen. Zudem wäre man auf allen Ebenen – sportlich und wirtschaftlich, personell und politisch – besser und wirkungsvoller aufgestellt. Und so könnte die Schmach, kein eigenes Fussballstadion zu haben, koordiniert bekämpft werden.

Denn die Stadt Zürich ist offensichtlich zu klein für zwei Fussballspitzenvereine.

Was denken Sie? Ist eine Fusion zwischen GC und dem FCZ ein naiver Vorschlag? Ist die Konkurrenz zwischen den Vereinen zu gross? Und warum ist die Fussballbegeisterung in Zürich so bescheiden?

Gute Noten für Thun, YB und GC – der FCZ bisher ungenügend

Fabian Ruch am Mittwoch den 18. September 2013

Nach drei Wochen Ligapause (wegen Länderspielen und Cup) nimmt die Super League am Wochenende ihren Spielbetrieb wieder auf – gleich mit einer englischen Woche und drei Runden innerhalb von acht Tagen. Vorher nehmen wir die zehn Mannschaften unter die Lupe und verteilen Noten im Zwischenzeugnis. Dabei wird auch Rücksicht auf die Möglichkeiten der Teams genommen und darauf geachtet, wie sie ihr Potenzial ausgeschöpft haben.

1. Thun            5,5

Thuns Trainer Urs Fischer gestikuliert an einem Super League Spiel. 14. April 2013. (Keystone/Marcel Bieri)

Thuns Trainer Urs Fischer gestikuliert an einem Super League Spiel. 14. April 2013. (Keystone/Marcel Bieri)

Die Thuner werden seit Jahren unterschätzt. Sie sind wie moderne Gallier, die sich gegen grössere Mächte erfolgreich zur Wehr setzen. So gesehen ist Sportchef Andres Gerber mit smarten Transfers der Schweizer Asterix. Und die Rolle von Obelix übernimmt – nun, ja – Trainer und Verbalvorkämpfer Urs Fischer  (figurentechnisch sei der Vergleich entschuldigt). Im beschaulichen Berner Oberland fallen zudem Fussballer, die bei bösen Gegnern in der Nachbarschaft nicht in Fahrt gekommen sind, offenbar immer wieder in eine Art Zaubertrank. Nach drei fünften Rängen in Serie überzeugten die Thuner in den ersten Wochen dieser Saison auch europäisch und qualifizierten sich souverän für die Europa League. Und in der Super League spielten sie mit Topskorer Josef Martinez ansprechend bis ausgezeichnet. Wären sie nicht mehrmals krass von den Schiedsrichtern benachteiligt worden, würden sie möglicherweise sogar als Tabellenführer grüssen.

2. YB              5,25

YB-Spieler Yuya Kubo feiert einen Treffer, 4. August 2013. (Keystone/Wlater Bieri)

YB-Spieler Yuya Kubo feiert einen Treffer. 4. August 2013. (Keystone/Walter Bieri)

Wochenlang waren die Young Boys unter dem neuen Lehrer Uli Forte beeindruckend unterwegs, es sah nach einer Bestnote im Saisonstart aus. Doch die 6 wurde letztlich  deutlich verpasst, weil es in Spitzenspielen gegen GC und in Basel (je 1:2) mal wieder Niederlagen setzte. Dennoch: Nach Rang 7 letzte Saison ist YB auf gutem Weg, den Klassenbesten FCB herausfordern zu können – dank verbesserter Defensive mit dem neuen Abwehrchef Steve von Bergen und einigen spektakulären Offensivkräften wie dem jungen Japaner Yuya Kubo.

3. GC              5,25

GC-Keeper Roman Bürki gilt als bester Goalie der Liga. 25. August 2013. (Keystone/Peter Schneider)

GC-Keeper Roman Bürki gilt als bester Goalie der Liga. 25. August 2013. (Keystone/Peter Schneider)

Viele sehen die Grasshoppers vermutlich nicht so positiv. Aber: Die Mannschaft hat bereits in den ersten Runden bewiesen, dass die letzte Erfolgssaison kein Zufall war. GC ist gut organisiert, solid, hat mit Roman Bürki den besten Goalie der Liga – und ist schwierig zu bezwingen. Auch im Europacup gelangen gegen Lyon und Fiorentina grösstenteils ordentliche Spiele. Doch gerade in diesen vier Begegnungen wurde das grösste Manko von GC offensichtlich: Es fehlt an einem Torjäger. Nur neun Treffer erzielten die Zürcher in sechs Ligaspielen, das ist enttäuschend. Die überragende Defensive dagegen liess erst vier Tore zu.

4. St. Gallen     5,25

St.-Gallen-Spieler Goran Karanovic (l.) köpfelt den Ball. 29. August 2013. (Keystone/Alexander Zemlianichenko)

St.-Gallen-Spieler Goran Karanovic (l.) köpfelt den Ball. 29. August 2013. (Keystone/Alexander Zemlianichenko)

St. Gallen fing sich nach relativ schwachem Beginn rasch auf, ist aber immer noch eine kleine Wundertüte. Das Potenzial wird wohl nicht ausreichen, um vorne mitzuspielen, zumal die Zusatzbelastung durch die Europa League zum Problem werden könnte. In den letzten Wochen aber überzeugten die Ostschweizer sehr. Und Stürmer Goran Karanovic schöpft seine Möglichkeiten unter Coach Jeff Saibene endlich aus. Er ist auf bestem Weg, zum Überflieger dieser Saison zu avancieren.

5. Luzern         4,75

Der FCL Cheftrainer Carlos Bernegger ruft bei einem Super League Spiel gegen den FC Basel aus. 24. August 2013 (Keystone/Sigi Tischler)

Der FCL Cheftrainer Carlos Bernegger ruft bei einem Super League Spiel gegen den FC Basel aus. 24. August 2013 (Keystone/Sigi Tischler)

Carlos Bernegger ist – nach allem was man so hört, sieht und liest – ein exzellenter Trainer. Seine Handschrift ist bei den Auftritten Luzerns zu erkennen, doch mit der 1:4-Niederlage vor der Ligapause in St. Gallen verspielte der FCL eine noch bessere Note. Wie die St. Galler könnten die Luzerner letztlich im Mittelfeld der Liga steckenbleiben, weil Basel, YB und auch GC wohl stärker sind. Behalten die Verantwortlichen aber die Ruhe, ist es Bernegger zuzutrauen, das Team in der Spitzengruppe zu etablieren. Möglicherweise fehlt der Mannschaft jedoch ein echter Skorer. Oder trifft der Australier Oliver Bozanic derart konstant weiter?

6. Basel           4,5

Basels Mohamed Salah setzt zum Schuss an. 1. September 2013. (Keystone/Georgios Kefalas)

Basels Mohamed Salah setzt zum Schuss an. 1. September 2013. (Keystone/Georgios Kefalas)

Die Basler haben den Schaden aus ihrem fast schon traditionellen Langsamstart in Grenzen gehalten – dank des mühevollen 2:1-Siegs gegen YB Anfang September. Der prächtig besetzte Primus hat selten überzeugt, er schleppte sich von Runde zu Runde, die herausragenden Akteure wie Mohamed Salah und Valentin Stocker retteten teilweise mit Geniestreichen das Team. Aber drei Punkte Rückstand auf den Leader YB sind akzeptabel, die Champions League wurde problemlos erreicht. Wenn der FCB sogar in dieser mittelmässigen Verfassung nicht zu distanzieren ist, sollte das der nationalen Konkurrenz zu denken geben.

7. Aarau          4

Aaraus Davide Calla (vorne) und Remo Staubli freuen sich über einen Treffer. 4. August 2013. (Keystone/Peter Schneider)

Aaraus Davide Callà (vorne) freut sich über einen Treffer. 4. August 2013. (Keystone)

Der Aufsteiger zahlte teilweise Lehrgeld, kassierte in sieben Begegnungen satte 17 Gegentore, hat sich aber stabilisiert. Die Aarauer sind gemessen an den bescheidenen Erwartungen an sie allemal genügend. Nicht weniger. Aber auch nicht mehr. Und das könnte zum Problem werden, denn irgendwann wird die Aufstiegseuphorie vorbei sein – und der FC Aarau sich im Niemandsland der Rangliste wiederfinden.

8. Zürich          3,75

FCZ-Stürmer Mario Gavranovic feiert nach einem Treffer. 14. Juli 2013. (Keystone/Ennio Leanza)

FCZ-Stürmer Mario Gavranovic feiert nach einem Treffer. 14. Juli 2013. (Keystone/Ennio Leanza)

Sein bemerkenswertes Offensivpotenzial hat der FCZ bisher nicht ausgeschöpft, er schoss erst acht Tore in sechs Begegnungen. Das ist schwach. Und in der Abwehr leisteten sich die Zürcher einige Fehler, aber sie haben sich gesteigert. Insgesamt jedoch reichen die Vorstellungen nicht aus, um als genügend eingestuft zu werden. Und im Europacup flog der FCZ sofort raus. Das passt zum verbesserungswürdigen Bild, das er in den ersten Wochen abgab.

9. Sion             3

FC Sions Dario Vidosoic (rechts) erkämpft sich den Ball im Spiel gegen den FC Wohlen. 15. September 2013. (Keystone/Alexandra Wey)

FC Sions Dario Vidosoic (rechts) versucht den Ball vor Joel Kiassumbua vom FC Wohlen zu erreichen. 15. September 2013. (Keystone/Alexandra Wey)

Ein Tor in sieben Partien, das ist natürlich ein Witz. Es reichte immerhin zum ersten Saisonsieg. Dieses 1:0 in Aarau soll der Startschuss zu einer Siegesserie sein. Man darf ein grosses Fragezeichen dahinter setzen. Der planlose Sion-Macher Christian Constantin hat im Sommer mal wieder fast das ganze Kader ausgewechselt, und noch passt gerade im Mittelfeld und im Angriff wenig zusammen. Die herausragende Abwehr aber ist mit bloss vier Gegentoren in sieben Spielen die beste der Liga. Sie wird den FC Sion vor dem Totalabsturz bewahren. Doch selbst der eigene Anhang wendete sich zuletzt von der Mannschaft (oder besser: von CC) ab.

10. Lausanne   2,5

Lausannes Trainer Laurent Roussey gibt seinen Spielern Tipps. 3. August 2013. (Keystone/Jean-Christophe Bott)

Lausannes Trainer Laurent Roussey gibt seinen Spielern Tipps. 3. August 2013. (Keystone/Jean-Christophe Bott)

Nur ein Wunder kann die Lausanner vor dem Abstieg retten. Sie haben das mit Abstand schwächste Team der Liga, da kann selbst der tüchtige Trainer Laurent Roussey nicht mehr herausholen. Dem schlauen Coach aber ist es zuzutrauen, dass Lausanne nicht bereits in der Winterpause völlig abgeschlagen ist. Es wird in den nächsten Monaten wieder jede Menge 0:0, 1:0 und 1:1 auf der schwach besuchten Lausanner Pontaise geben.

 

Und wie sieht Ihre Notengebung aus? Verdient ein Team die Bestnote? Wer war bisher – gemessen an den Erwartungen – genügend? Wer enttäuschte?