
Gibt bei den Bayern die Richtung vor: Pep Guardiola, Trainer der Münchner. (Bild: Tobias Hase/Keystone)
Am Freitag startet die Bundesliga in die Rückrunde, und natürlich werden die Bayern mit grossem Vorsprung Meister. Trotz Langeweile an der Tabellenspitze in dieser Saison ist die Bundesliga aber für mich insgesamt weiter die attraktivste Liga der Welt. Doch darum geht es hier jetzt nicht. Ich möchte noch einmal die Arbeit von Pep Guardiola bei Bayern München thematisieren. Der Startrainer hat den Verein in den letzten Monaten ja in vielerlei Hinsicht modernisiert, verändert, verbessert.
Dennoch finde ich nach wie vor: Guardiola geht in München ein hohes Risiko ein. Oder besser: Bayern geht mit Guardiola ein hohes Risiko ein.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich finde Guardiola derzeit den spannendsten Trainer der Welt, er ist innovativ, interessant, anders, er geht eigene Wege und schreckt auch nicht davor zurück, teilweise sehr unkonventionelle Ideen in die Tat umzusetzen – auch wenn die halbe Fussballwelt zuschaut und es besser zu wissen glaubt. Und selbst wenn der frühere Titelhamsterer bei Barcelona in München scheitern sollte, wird er noch am gleichen Tag den nächsten Arbeitgeber auswählen dürfen. Guardiola war ein smarter, kluger Taktgeber im Mittelfeld, und er ist als Coach ein Denker und Lenker und Fussballgenie geblieben.
Aber: Guardiola wird – nach allem, was man weiss – niemals seine Ideale opfern, um Erfolge zu präsentieren. Er ist ein sturer Kopf, der lieber scheitert, als sich zu verbiegen.
Deshalb ist sein Engagement, das auch ein Experiment ist, bei Bayern München derart unterhaltsam. Es gibt in der Fussballwelt ja vielleicht keinen traditionelleren Fussballverein als den FCB aus dem konservativen Freistaat Bayern. Auch Jürgen Klinsmann und Louis van Gaal strebten viele Veränderungen an, wollten ihren Einfluss jedoch über den Trainerbereich ausdehnen – und mussten gehen. Der Verein ist längst Weltklasse, aber er wird letztlich immer noch geführt von ehemaligen Clubhelden, die wie der aktuelle Präsident Uli Hoeness in den letzten Jahrzehnten sensationelle Arbeit leisteten und Bayern München als Weltmarke etablierten. Sie lassen sich ungern belehren, wenn es um Fussball geht. Mit dem Engagement des feurigen Querdenkers Matthias Sammer als Sportvorstand sowie vor allem mit der Verpflichtung von Guardiola haben die Clubverantwortlichen immerhin bewiesen, neue Wege gehen zu wollen.
Die Frage aber ist: Wie weit sind sie bereit, ihre Vereinsideale zu vergessen und Macht abzugeben – und einem Trainer zu folgen, der Schritt für Schritt vieles umstellt, was Bayern München zu einer pokalfressenden Bestie gemacht hat?
Es ist ja so: Bayern München hat letzte Saison das Triple gewonnen, mehr geht auch für Guardiola nicht. Aus Sicht des Vereins. Aus Sicht Guardiolas geht mehr. Viel mehr: Das Triple gewinnen – mit schönem Fussball. Bayern München aber ist im Fussball seit langem der Inbegriff des hässlichen 1:0-Sieges. Dank eines späten Tores. Oft nach einem Eckball. Oder einem Freistoss. Und es gibt den Bayern-Dusel, den kennt in Deutschland jedes Kind.
Guardiola will kein Glück, er will Glorie. Er fordert und fördert das schöne Spiel. Er schiebt Spieler hin und her, wechselt das System oft mehrmals während einer Partie, ihm ist kein Gedanken zu wild, und wenn er irgendwann Torhüter Manuel Neuer (ein ausgezeichneter Fussballer) als falsche Neun aufstellen sollte, würde das wohl auch nicht mehr überraschen. Namen und Verdienste sind dem Coach egal, man darf jetzt gespannt sein, wie es beispielsweise mit Bastian Schweinsteiger weitergeht. Der deutsche Nationalspieler ist kein Guardiola-Spielertyp wie es Mario Götze, Thiago oder Toni Kroos sind.
Pep Guardiola mag spielstarke, elegante Feinfüsser, die den Ball laufen lassen. Tick, tack, tick, tack. Kurze Pässe, immer und immer wieder. Er würde am liebsten elf Guardiolas oder Götzes oder Philipp Lahms aufstellen. Der Trainer wird, diese Prognose sei gestellt, eher früher als später auch den überragenden Dribbler und ewigen Egoisten Arjen Robben radikal verändert haben – oder verkauft.
Die nächsten Monate jedenfalls werden für Guardiolas Arbeit in München entscheidend sein, im Frühling werden die Titel gewonnen. Und für Bayern geht es einzig darum, den Status als bestes Team der Welt zu verteidigen. Scheitert München im Achtelfinal der Champions League an Arsenal oder auch im Viertelfinal, wird das Murren beginnen. Möglicherweise wird Guardiola dann seine Vorstellungen einer Bayern-Mannschaft, die spielt wie es einst die Kurzpassexperten Barcelonas unter ihm taten, nicht mehr so bedingungslos umsetzen können.
Der zurückhaltende Spanier wird dann in Deutschland in die Kritik geraten. Er wird ganz viele Ratgeber kennenlernen, die nur darauf warten, ihre Tipps medial zu verbreiten. Aber Guardiola ist keiner, der seine Ideen verrät. Entweder er schafft Bayern. Oder die Bayern schaffen ihn.
Was glauben Sie? Wird Pep Guardiola bei Bayern München Erfolg haben? Oder wird er mit seiner kompromisslosen Spielidee in Deutschland letztlich scheitern?