Meine Freundin drehte sich auf dem Badetuch um, blinzelte über den Rand der Sonnenbrille zu mir rüber und sagte: «Für mich als Laie sind Spiele mit den Spaniern vor allem etwas: langweilig.» Sie hat recht. Die Equipe von Vicente del Bosque betreibt als Offensivfussball getarnten Defensivfussball auf höchstem Niveau. Oder wie der «Spiegel» kürzlich titelte: Tiki-Takanaccio.
Solange wir den Ball besitzen, können die anderen keine Tore schiessen, lautet die spanische Maxime. Weil im Sport der Erfolg über allem steht, ist das legitim. Ob nach 90 Minuten, nach fünf Sätzen oder nach 42,195 Kilometern – der Pokal zählt, nicht der Weg dorthin.
Der Sport, die Börse, das Leben … Zum Glück besteht alles aus Zyklen, grossen und kleinen. Heute Abend geht die vierjährige Fussballherrschaft der Spanier zu Ende. Ob sie ihren Titel verteidigen oder mit hängenden Köpfen vom Rasen watscheln, spielt dabei keine Rolle. Sieg oder Niederlage beeinflussen einzig die Geschwindigkeit ihres Niedergangs.
In seinem kleinen Buch mit dem Titel «Glück» schreibt Wilhelm Schmid, Philosoph der Lebenskunst: «Das erfüllte Leben ist das Atmen zwischen den Polen des Positiven und Negativen. Mit dem, was gut tut, neuen Atem zu schöpfen, gerade in einer problematischen Zeit, in der das Leben eng wird – und auf einer Höhe des Lebens gut vorbereitet zu sein, dass es noch andere Zeiten geben wird.»
Auf die anderen Zeiten sind die Spanier nicht vorbereitet. Der Geschmack des Verlierens ist ihnen fremd geworden. Das Beste, was Iniesta, Torres und Konsorten darum passieren kann, ist eine Ohrfeige, eine deutliche Niederlage. Spanien 0 – Italien 4. Eine Klatsche, die teuflisch brennt und eine rote Backe hinterlässt: «Hola, wacht auf, entwickelt euch weiter!»