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Die grossen Verlierer der Saison 2010/11

Annette Fetscherin am Freitag den 27. Mai 2011

Seit zwei Tagen ist sie entschieden, eine der spannendsten Meisterschaften der Schweizer Fussballgeschichte. Bittere Tage für die grossen Verlierer der Saison 2010/11. Denn die Hitchcock-Schlussphase forderte auch grosse Opfer:

1. Der FC St. Gallen: Buchstäblich in letzter Sekunde lassen sich die Ostschweizer von Bellinzona überholen. Unter Tränen erklären die Spieler den Abstieg: «Es tut mir leid für die Fans, die haben das nicht verdient.» Doch so richtige Emotionen findet man nur bei den Spielern und beim Trainer. Bei der Führungsetage Peischl/Früh? Fehlanzeige!

2. Die Basler Hooligans im Letzigrund: Seit den kriegsähnlichen Zuständen beim Spiel FCZ gegen FCB kämpfen Verkäufer an den Wurstständen mit Angstzuständen. «Fans» mag ich diese Idioten nicht nennen, die Aktion verdient es nicht einmal, hier weiter kommentiert zu werden.

3. Die AC Bellinzona: Nach dem zerpfiffenen Spiel gegen den FC St. Gallen verliert man im Tessin die Nerven. Doch statt Stärke zu zeigen und sich aufzurappeln, bemitleidet man sich selbst. Wenn Spieler in dieser Weise gegen Schiedsrichter randalieren, muss das härter bestraft werden!

4. Jérôme Laperrière: Jeder macht Fehler, er aber hat sich für seinen Bock in Bellinzona den denkbar blödsten Moment ausgesucht. Familienferien im Tessin werden für den Westschweizer in der näheren Zukunft kein Genuss mehr sein.

5. Silvan Aegerter: Sein Aussetzer im Spiel gegen St.Gallen könnte den FC Zürich die Meisterschaft gekostet haben. Nach wie vor nicht richtig erklärbar für einen Spieler mit dieser Erfahrung. Darüber kann die Gold-Frisur fürs Meisterschaftsfinale nicht hinwegtäuschen.

6. Der FC Luzern: «Vermurkst» trifft die Rückrunde des Wintermeisters nur ansatzweise. Ein FCL-Mitarbeiter fragt mich vor dem Spiel gegen Basel: «Wieviele kassieren wir wohl heute?» In der Zentralschweiz rechnet man offensichtlich schon in Gegentoren! Einziger positiver Aspekt der zweiten Saisonhälfte aus Luzerner Sicht: Dass sie jetzt endlich vorbei ist!

7. Walter Stierli: Seine Popularität sinkt innerhalb weniger Tage von 100 auf (fast) 0. Die Entlassung von Rolf Fringer und die darauf folgende Medienhetzkampagne stürzt den FC Luzern und seinen Präsidenten erst so richtig ins Elend.

8. Nick Proschwitz: Vom Super-League-Überflieger zum ungewollten Anhängsel. Kurz nachdem der FC Luzern die Verpflichtung von Nick Proschwitz bekannt gegeben hat, ist der Knipser bei den Zentralschweizern schon nicht mehr unerwünscht. «Wenn wir gewusst hätten, dass Murat Yakin kommen wird, hätten wir ihn wohl nicht geholt», diese Aussage von FCL-Präsident Walter Stierli ist ein Schlag in die Magengrube des Deutschen. Unfair!

9. Moreno Costanzo: Aus Versehen knallt der St. Galler den Verein seines Herzens ab. Als sein Schuss immer länger wird und schliesslich hinter Daniel Lopar landet, ist ihm der seelische Schmerz förmlich anzusehen. Meine Frage: Muss/soll er in diesem Spiel unbedingt in der Startelf von YB stehen? Professionalität in allen Ehren, aber in dieser Situation kann der junge Spieler nur verlieren!

10. Die Fans: Ausgerechnet jetzt, wo wir uns so schön an die knisternde Spannung in dieser Meisterschaft gewöhnt haben, muss sie zu Ende sein. Ein paar zusätzliche sommerliche Fussballnächte hätten wir mit Handkuss genommen! Nun aber müssen wir erst mal sechs Wochen auf die Super League verzichten. Was werden Sie, liebe Leser am meisten vermissen?

«Salatic, er war gut!»

Annette Fetscherin am Freitag den 20. Mai 2011

Willkommen im Steilpass, Annette Fetscherin! Die Sportjournalistin wird ab heute ein Mal pro Woche bloggen. Sie nimmt uns mit in die Schweizer Stadien und vor allem dorthin, wo der Fan keinen Zutritt hat: Aufs Spielfeld, wo sie Interviews führt, und in die Katakomben, wo sich nur Stars, Funktionäre und Berater tummeln. Sie erzählt uns, was Frauen beim Fussball gefällt, was nervt und warum ein Teil der weiblichen Fans auf den Rängen gelegentlich besser schweigt. Heute geht es darum, warum Sportjournalistinnen im Ausgang öfters mal schräg angeschaut werden.

Annette Fetscherin (27) ist seit 9 Jahren mit Mikrofon und Kamera für verschiedene TV-Sender im Einsatz. Seit 2008 arbeitet sie als Moderatorin, Journalistin und Produzentin bei Teleclub und besucht mehr Fussballspiele als andere Leute ihre Wäsche wechseln.

Annette Fetscherin (27) ist seit 9 Jahren mit Mikrofon und Kamera für verschiedene TV-Sender im Einsatz. Seit 2008 arbeitet sie als Moderatorin, Journalistin und Produzentin bei Teleclub und besucht öfter Fussballspiele als andere Leute ihre Wäsche wechseln.

Nach dem Zürcher Derby: Es fängt an mit harmlosem Smalltalk. Meine Kollegin kommt direkt aus Bern vom Knüller YB-Sion. Wir tauschen einige News aus den Stadien aus und ziehen die ersten misstrauischen Blicke auf uns. Frauen, die über Fussball reden? Nun gut, es war Zürcher Derby, da gibt’s doch das eine oder andere weibliche Geschöpf im Stadion. Die armen Hühner, die ihre Männer begleiten müssen. Doch es kommt besser.

«Wen hattest du in der Pause?», fragt sie mich. Rechts vor uns sitzt eine GC-Anhängerin mit einem Cabanas-Shirt. Er hat es ihr wohl mal geschenkt und seither hat es keine Waschmaschine mehr von innen gesehen. Vielleicht riecht es ja noch nach ihm.

Ich, nichtsahnend: «Salatic, er war gut!». Da wird der Blick der Cabanas-Frau schärfer. Wie sie es verstanden hat, will ich lieber gar nicht wissen. Wir reden natürlich darüber, wen wir in der Pause zum Interview hatten.

Aber meine Kollegin macht die Situation nicht besser und sagt: «Er ist immer gut.» Sie meint natürlich seine Redequalitäten. Es ist ja tatsächlich nicht selbstverständlich, dass ein Spieler in der Halbzeitpause ein einziges vernünftiges Wort über die Lippen kriegt. Fünfundvierzig Minuten rennen, dann hochemotional vom Platz stapfen und auch noch die schlauen Fragen der Fernsehjournalistinnen beantworten.

Item. Wenn Blicke töten könnten. Es wird ungemütlich. Meine Kollegin lenkt das Gespräch auf neutrales Terrain und erkundigt sich nach dem Schiedsrichter. – Wenn wir nicht mehr weiter wissen, reden wir übers Wetter oder über den Schiedsrichter. Da sind Männer und Frauen gleich.

«Alain Bieri, er war gut.» Jetzt schnellen die Augen des älteren Herrn neben uns herüber. Er trägt einen FCZ-Schal. Ich sehe auf zwei Meter Distanz, wie die wenigen Hirnzellen glühen. Er teilt unsere Meinung offensichtlich nicht: «Hatte sie in der 69. Minute eine Gurkenmaske auf den Augen? Das war ja so was von klar keine rote Karte gegen Teixeira. Der Schiri war eine Niete, wie immer.» Auch sein FCZ-Freund verdreht die Augen. In einer Sprechblase über seinem Kopf erscheint: «Blondine und dann noch über den Schiedsrichter reden.»

Ich gebe zu, ich weiss, dass ich für einfach Gestrickte alle Attribute einer Fussballbanausin aufweise und überlege mir, ob ich weiter provozieren soll. Aber eigentlich will ich nur gemütlich den Arbeitstag ausklingen lassen und lass es bleiben. Er war nämlich gut.