
Lange ists her: Hertha-Coach Lucien Favre und Sportdirektor Michael Preetz vor einem Auswärtsspiel in Frankfurt am 11. August 2007. (Foto: Reuters)
Während Lucien Favre mit Borussia Mönchengladbach von Sieg zu Sieg eilt, steht sein Intimfeind Michael Preetz bei Hertha BSC vor den Trümmern einer von Streitigkeiten und seltsamen Personalentscheidungen geprägten Herrschaft als Manager. Preetz’ viel zitierter Ausspruch, dass niemand in Berlin dem im Spätsommer 2009 entlassenen Trainer Favre nachzutrauern brauche, liest sich heute wie ein schlechter Witz. Für die Fans des Klubs sogar wie blanker Hohn. Der jüngste Akt im Trauerspiel um die alte Dame Hertha BSC war die Verpflichtung des hilflosen Trainers Michael Skibbe. Dessen Bilanz: null Siege, null Unentschieden, fünf Niederlagen und ein einziges Törchen. Kostenpunkt: rund 900’000 Euro, bestend aus 250’000 Euro Ablöse, 150’000 Euro bereits überwiesenem Salär und 500’000 Euro Abfindung.
Vor der Verpflichtung des unglücklichen Skibbe hatte Preetz den als geradlining bekannten Markus Babbel davongejagt. Weil dieser den Verein nicht rechtzeitig über seinen für Sommer 2012 geplanten Abschied informiert habe, so die offizielle Version. Der inzwischen bei 1899 Hoffenheim tätige Babbel bestreitet die Anschuldigungen und wirft Preetz stattdessen vor, ihn im Verbund mit Hertha-Präsident Werner Gegenbauer gegenüber Mannschaft und Fans zum Stillschweigen über seine Pläne gezwungen zu haben. Er selbst habe seinen Vorgesetzten schon im November mitgeteilt, dass er Berlin verlassen wolle. «Ich habe sechs Wochen lang für den Verein nicht die Wahrheit gesagt», so Babbel. «Das ist nicht angenehm, das mache ich nicht gern.»
Obschon in diesem Fall Aussage gegen Aussage steht, ist man als neutraler Beobachter geneigt, Babbels Geschichte zu glauben. An der Glaubwürdigkeit von Preetz nagt die alte Fehde mit dem sonst in ganz Deutschland verehrten Favre, an jener von Präsident Gegenbauer das Zerwürfnis mit dem ehemaligen Hertha-Manager Dieter Hoeness, der den Klub Ende der Neunzigerjahre aus dem Dornröschenschlaf geküsst, sich nach Gegenbauers Geschmack aber zu sehr ins Rampenlicht gedrängt hatte. Das Ende der Zusammenarbeit mit Hoeness und die Installierung von Preetz war wohl Gegenbauers Kardinalfehler, es sieht aus, als könnte er schon bald im zweiten Abstieg innerhalb von drei Jahren gipfeln.
Favre formulierte die Problematik auf der Medienkonferenz nach seiner Entlassung in Berlin überaus treffend: «Hertha BSC hat die Trennung von Hoeness nicht verkraftet.» Es spricht für den Romand, dass er den früheren Bayern-Star würdigte, obwohl dieser in einer Reihe wichtiger Personalfragen nicht auf seine Wünsche eingegangen war. Für Preetz aber war Favres Analyse eine Ohrfeige, die er bis heute nicht vergessen hat. Momentan aber hat der Manager der Hertha andere Sorgen: Er braucht so schnell wie möglich einen einen neuen Trainer, einen Mann, der sofort Erfolg hat. Offenbar soll der Wunschkandidat Holger Stanislawski heissen. Ob sich die jüngst in Hoffenheim geschasste Symbolfigur des FC St. Pauli im Intrigenstadel Hertha BSC wohl fühlen wird, ist zweifelhaft. Es sei denn, Preetz springt über seinen Schatten und akzeptiert Stanislawski als Kapitän auf der Brücke der lecken Fregatte.
Es ist anzunehmen, dass sich die Führungscrew der Hertha in den kalten Winternächten im Tabellenkeller der Bundesliga insgeheim wünscht, Favre nie entlassen zu haben. Die Geduld, die Preetz in der Abstiegssaison 2009/10 mit dem trotz seines Namens farblosen Friedhelm Funkel hatte, hätte er besser dem früheren Meistermacher des FC Zürich entgegengebracht. Für diesen hätte ein neuerlicher Abstieg der Herthaner übrigens einen positiven Nebeneffekt: Er würde dann seinen Wunschspieler Raffael, mit dem er schon in Zürich grosse Erfolge feiern konnte, zu weit günstigeren Konditionen bekommen.
Hertha BSC würde den Fall in die Zweitklassigkeit wohl nicht mehr so leicht verkraften wie vor zwei Jahren, als es dank Babbel und viel Geld gelang, den Betriebsunfall umgehend zu korrigieren. Steigt der Klub ab, müsste er sich sogar mit dem aufstrebenden 1. FC Union um die Vorherrschaft in Berlin streiten. Die Unioner, die im Osten der Stadt zu Hause sind, verfügen zwar über weniger finazielle Mittel und spielen statt im pompösen Olympiastadion in der von den eigenen Fans renovierten Alten Försterei, sie besitzen aber das, was dem grossen Lokalrivalen fehlt: eine Führung mit Herz und Sachverstand.