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Favres Feind ist am Ende

Alexander Kühn am Mittwoch den 15. Februar 2012
Lange ists her: Hertha-Coach Lucien Favre und Sportdirektor Michael Preetz vor einem Auswärtsspiel in Frankfurt am 11. August 2007. (Foto: Reuters)

Lange ists her: Hertha-Coach Lucien Favre und Sportdirektor Michael Preetz vor einem Auswärtsspiel in Frankfurt am 11. August 2007. (Foto: Reuters)

Während Lucien Favre mit Borussia Mönchengladbach von Sieg zu Sieg eilt, steht sein Intimfeind Michael Preetz bei Hertha BSC vor den Trümmern einer von Streitigkeiten und seltsamen Personalentscheidungen geprägten Herrschaft als Manager. Preetz’ viel zitierter Ausspruch, dass niemand in Berlin dem im Spätsommer 2009 entlassenen Trainer Favre nachzutrauern brauche, liest sich heute wie ein schlechter Witz. Für die Fans des Klubs sogar wie blanker Hohn. Der jüngste Akt im Trauerspiel um die alte Dame Hertha BSC war die Verpflichtung des hilflosen Trainers Michael Skibbe. Dessen Bilanz: null Siege, null Unentschieden, fünf Niederlagen und ein einziges Törchen. Kostenpunkt: rund 900’000 Euro, bestend aus 250’000 Euro Ablöse, 150’000 Euro bereits überwiesenem Salär und 500’000 Euro Abfindung.

Vor der Verpflichtung des unglücklichen Skibbe hatte Preetz den als geradlining bekannten Markus Babbel davongejagt. Weil dieser den Verein nicht rechtzeitig über seinen für Sommer 2012 geplanten Abschied informiert habe, so die offizielle Version. Der inzwischen bei 1899 Hoffenheim tätige Babbel bestreitet die Anschuldigungen und wirft Preetz stattdessen vor, ihn im Verbund mit Hertha-Präsident Werner Gegenbauer gegenüber Mannschaft und Fans zum Stillschweigen über seine Pläne gezwungen zu haben. Er selbst habe seinen Vorgesetzten schon im November mitgeteilt, dass er Berlin verlassen wolle. «Ich habe sechs Wochen lang für den Verein nicht die Wahrheit gesagt», so Babbel. «Das ist nicht angenehm, das mache ich nicht gern.»

Obschon in diesem Fall Aussage gegen Aussage steht, ist man als neutraler Beobachter geneigt, Babbels Geschichte zu glauben. An der Glaubwürdigkeit von Preetz nagt die alte Fehde mit dem sonst in ganz Deutschland verehrten Favre, an jener von Präsident Gegenbauer das Zerwürfnis mit dem ehemaligen Hertha-Manager Dieter Hoeness, der den Klub Ende der Neunzigerjahre aus dem Dornröschenschlaf geküsst, sich nach Gegenbauers Geschmack aber zu sehr ins Rampenlicht gedrängt hatte. Das Ende der Zusammenarbeit mit Hoeness und die Installierung von Preetz war wohl Gegenbauers Kardinalfehler, es sieht aus, als könnte er schon bald im zweiten Abstieg innerhalb von drei Jahren gipfeln.

Favre formulierte die Problematik auf der Medienkonferenz nach seiner Entlassung in Berlin überaus treffend: «Hertha BSC hat die Trennung von Hoeness nicht verkraftet.» Es spricht für den Romand, dass er den früheren Bayern-Star würdigte, obwohl dieser in einer Reihe wichtiger Personalfragen nicht auf seine Wünsche eingegangen war. Für Preetz aber war Favres Analyse eine Ohrfeige, die er bis heute nicht vergessen hat. Momentan aber hat der Manager der Hertha andere Sorgen: Er braucht so schnell wie möglich einen einen neuen Trainer, einen Mann, der sofort Erfolg hat. Offenbar soll der Wunschkandidat Holger Stanislawski heissen. Ob sich die jüngst in Hoffenheim geschasste Symbolfigur des FC St. Pauli im Intrigenstadel Hertha BSC wohl fühlen wird, ist zweifelhaft. Es sei denn, Preetz springt über seinen Schatten und akzeptiert Stanislawski als Kapitän auf der Brücke der lecken Fregatte.

Es ist anzunehmen, dass sich die Führungscrew der Hertha in den kalten Winternächten im Tabellenkeller der Bundesliga insgeheim wünscht, Favre nie entlassen zu haben. Die Geduld, die Preetz in der Abstiegssaison 2009/10 mit dem trotz seines Namens farblosen Friedhelm Funkel hatte, hätte er besser dem früheren Meistermacher des FC Zürich entgegengebracht. Für diesen hätte ein neuerlicher Abstieg der Herthaner übrigens einen positiven Nebeneffekt: Er würde dann seinen Wunschspieler Raffael, mit dem er schon in Zürich grosse Erfolge feiern konnte, zu weit günstigeren Konditionen bekommen.

Hertha BSC würde den Fall in die Zweitklassigkeit wohl nicht mehr so leicht verkraften wie vor zwei Jahren, als es dank Babbel und viel Geld gelang, den Betriebsunfall umgehend zu korrigieren. Steigt der Klub ab, müsste er sich sogar mit dem aufstrebenden 1. FC Union um die Vorherrschaft in Berlin streiten. Die Unioner, die im Osten der Stadt zu Hause sind, verfügen zwar über weniger finazielle Mittel und spielen statt im pompösen Olympiastadion in der von den eigenen Fans renovierten Alten Försterei, sie besitzen aber das, was dem grossen Lokalrivalen fehlt: eine Führung mit Herz und Sachverstand.

Warum der «Blick» Murat Yakin verteufelt

Alexander Kühn am Samstag den 11. Februar 2012
Murat Yakin während eines Spiels gegen Lausanne, 3. August 2011. (Bild: Keystone)

Plötzlich spielt sich der «Blick» als oberster Sittenrichter auf: Murat Yakin während eines Spiels gegen Lausanne, 3. August 2011. (Bild: Keystone)

Weil sich Murat Yakin vor dem Spiel gegen den FC Zürich über die negative Berichterstattung der «Neuen Luzerner Zeitung» ärgerte und an einer Medienkonferenz zu deren Reporter sagte, er solle weniger Medikamente konsumieren, steht der Trainer des FC Luzern am Pranger. Der «Blick», dessen Journalisten markigen Sprüchen sonst durchaus nicht abgeneigt sind, spielt in der Komödie um die sarkastische Bemerkung die Rolle des obersten Sittenrichters. Der Sportchef der Zeitung schrieb von einer «verletzenden Entgleisung» und konstatierte gleich noch, die sportliche Tendenz beim FCL sei negativ. «Blick»-Kolumnist Kubilay Türkyilmaz, jahrelang ein grosser Fürsprecher Yakins, wirft seinem früheren GC-Teamkollegen derweil vor, er halte sich für unantastbar und beleidige jene Menschen, die wirklich auf Medikamente angewiesen sind.

Yakin, der Selbstherrliche? Yakin, der Erfolglose? Beide Male ist die Antwort ein deutliches Nein. Murat Yakin ist ein Mann mit Stil und Manieren, Journalisten und Spielern begegnet er gleichermassen respektvoll. Ob das Gegenüber nun ein Star seiner Zunft ist oder nicht, spielt keine Rolle. Für ihn zählen der Mensch und die Leistung auf dem Platz. Und genau hier liegt in der Affäre zwischen dem «Blick» und dem FCL-Coach wohl der Hund begraben. Yakin hat in Luzern nämlich den inzwischen zum FC Sion transferierten Stürmer Cristian Ianu kaltgestellt, weil der Rumäne nicht in sein System passte. Und Ianu ist der Schwager von «Blick»-Kolumnist Türkyilmaz…

Man darf sich also durchaus die Frage stellen, ob der wahre Grund für die Kampagne gegen Yakin nicht viel eher diese familiäre Verstrickung ist als der Spruch gegen den Luzerner Journalisten, mit dem sich der Coach inzwischen längst versöhnt hat. Zumal der «Blick» Yakin wegen seines offen bekundeten Interesses am Trainerjob beim FC Basel gleich auch noch mangelnde Loyalität gegenüber dem FCL vorwirft, was mit der Medikamenten-Bemerkung nun wirklich nichts zu tun hat und auch sonst eine gewagte These ist. Im Oktober schrieb Türkyilmaz übrigens noch eine Kolumne mit dem Titel «Muri muss zum FCB!», in welcher er Yakin eine «perfekte Trainerkarriere» sowie einen hervorragenden Umgang mit jungen Spielern attestierte und ihm riet, die erste Gelegenheit zum Wechsel nach Basel zu ergreifen.

Das war allerdings bevor Türkyilmaz’ Schwager beim FC Luzern endgültig aus den Traktanden fiel – und bevor Murats Bruder Hakan in Bellinzona einen mit zwei Millionen Franken dotierten Sechsjahresvertrag als Spieler und Botschafter für den Tessiner Fussball unterzeichnete. Der Botschafter des Tessiner Fussballs war bis dahin Türkyilmaz selbst. Nun sieht der 62-fache Internationale auch seinen Status als bedeutendster Fussballer in der Geschichte der AC Bellinzona gefährdet.

Dass Geschichten aus dem Leben der Yakin-Brüder medial breitgetreten werden, selbst wenn es sich um Nichtigkeiten wie den Spruch gegen den Reporter der «Neuen Luzerner Zeitung» handelt, liegt daran, dass die beiden zu den wenigen Charakterköpfen im Schweizer Fussball zählen. Eine Schlagzeile zieht bedeutend mehr Leser an, wenn man sie mit dem Namen Yakin anreichern kann. Und wer würde sich ernstlich darüber aufregen wollen, wenn der Trainer eines anderen Klubs sich eine ähnliche Bemerkung wie Murat Yakin erlauben würde? Dem sympathischen FCB-Coach Heiko Vogel hätte man sie in der allgemeinen Euphorie um die Basler Erfolge in der Champions League wohl noch als humoristisches Verdienst angerechnet.

Abschliessend noch eine Bemerkung zur eingangs angeführten Behauptung, der FC Luzern zeige unter Yakin negative Tendenzen. Die Zentralschweizer stehen in der Super League trotz des Remis gegen den neu formierten FCZ noch immer auf Platz 2. Besser ist nur der FC Basel, von dessen Strukturen Yakin in Luzern nur träumen kann. Und wenn im Fussball-Business noch so viele Protagonisten lügen mögen, die Tabelle tut es nicht.

Vom Bösewicht zum Charmeur

Alexander Kühn am Mittwoch den 8. Februar 2012


«Stillos bis zum bitteren Ende: Vogel drohte Köbi Kuhn sogar mit Prügel!» Mit diesen Worten erklärte der «Blick» den langjährigen Captain Johann Vogel nach seinem Rauswurf aus der SFV-Equipe im Frühling 2007 zum Bösewicht Nummer 1 im Schweizer Fussball. Ein Ruf, der Vogel lange nachhing. Das Comeback bei den Grasshoppers hat aus dem einstigen Sündenbock nun aber eine Art Liebling der Presse gemacht. Selbst im «Blick» durfte Vogel grossformatig strahlen und bemerken, er fühle sich wie ein junges Reh.

Im sonntäglichen «Sportpanorama» des Schweizer Fernsehens kriegte sich Moderator Matthias Hüppi derweil vor lauter Wohlwollen kaum mehr ein, als er den 94-fachen Internationalen nach dem mit 0:1 verlorenen Heimspiel gegen den FC Thun zum Studiogespräch empfing. Johann Vogel selbst, der früher eher mit dem Etikett «Stinkstiefel» als mit dem Gütesiegel «Sympathieträger» versehen worden war, zeigte sich – wie so oft in den letzten Woche – von seiner besten Seite.

Er lächelte, gab witzige Antworten, bestach mit treffenden Analysen. Und er überraschte mit einer grossen Portion Ehrlichkeit, als er zugab, wie sehr ihm die Zeit bei den Blackburn Rovers zugesetzt hatte. Damals musste er zweimal täglich trainieren, kam wegen Mobbings aber nur in der Reservemannschaft zum Einsatz. Es scheint, als sei aus Johann Vogel in den zweieinhalb Jahren Wettkampf-Abstinenz ein neuer Mensch geworden. Als hätten sich die Verbissenheit und das Gefühl, dass ihm jeder Böses wolle, in einen lausbubenhaften Charme verwandelt. Vogel, der am 8. März 35 Jahre alt wird, wirkt jünger und gelöster als zu seinen sportlichen Glanzzeiten, in denen er noch für den PSV Eindhoven oder die AC Milan und nicht für die GC-Juniorenntruppe, Ausgabe 2012 spielte. Kurz und gut: Er ist irgendwie richtig sympathisch geworden.

Allein dem Rotwein, von dem er während seines Timeouts als Fussballprofi gerne einmal ein Gläschen getrunken habe, kann Johann Vogels neues Gesicht nicht zuzuschreiben sein. Der Wein wäre dann ein echter Zaubertrank und Vogel kein Genfer, sondern ein Gallier. Dass der aus dem Ruhestand Zurückgekehrte heute so positiv wahrgenommen wird, hat wohl mehr damit zu tun, dass er niemandem mehr etwas beweisen muss, sondern einfach aus Freude am Fussball auf dem Platz steht. Und diese Freude strahlt er eben auch aus.

Vogel kommt bei seinem Comeback zudem entgegen, dass der Sportfan seine Feindbilder irgendwann einmal doch liebgewinnt und sie vermisst, wenn sie nicht mehr da sind. Dies ist im Fussball genauso wie im Tennis. Viele, die den Rackets zertrümmernden und Schiedsrichter beleidigenden John McEnroe einst für seine schlechten Manieren verurteilt haben, sehen sich heute genau wegen dieser Extravaganzen seine Spiele auf der Seniorentour an und entdecken nebenbei positive Seiten, die ihnen vorher gar nicht aufgefallen sind. Selbst den verbissenen Ivan Lendl mochten die Leute, als sich dessen Karriere dem Ende zuneigte.

Der FCB muss in die Bundesliga

Alexander Kühn am Samstag den 4. Februar 2012
Es darf ein bisschen weniger als die Champions League sein: Basel gegen Bayern mit Yapi, Schweinsteiger und Huggel (v.l.) im September 2010. (Bild: Keystone)

Es darf ein bisschen weniger als die Champions League sein: Basel gegen Bayern mit Yapi, Schweinsteiger und Huggel (v.l.) im September 2010. (Bild: Keystone)

Mein Blog-Kollege Mämä Sykora hat in seinem letzten Beitrag völlig zurecht festgehalten, dass der FC Basel in der zweiten Phase der Fussball-Meisterschaft und wohl auch in Zukunft hierzulande unantastbar sein wird, ihm Ende Saison aber die Stars wie Xherdan Shaqiri oder Granit Xhaka davonlaufen werden, weil sich diese nicht länger in der Super League langweilen wollen. Der FCB hat im Gegensatz zu vielen Vereinen, die im Europacup mitspielen, weder strukturelle noch finanzielle Schwierigkeiten, dafür aber ein gewaltiges Standortproblem: Der St.-Jakob-Park steht schlicht und einfach ein paar Kilometer zu weit südlich.

So muss Basel als Klub mit europäischen Ansprüchen statt im Fussball-Schlaraffenland Deutschland in einer Liga spielen, in der die meisten Vereine schon froh sind, wenn sie ihren monetären Verpflichtungen nachkommen können und das Stadion wenigstens zu einem Viertel füllen. Xamax hat die Pleite bereits ereilt, und sein Chef macht nun im Gefängnis einen Hungerstreik, Servette flatterte in dieser Woche wegen unbezahlter Rechnungen eines Putzinstituts eine Konkursandrohung ins Haus. Das klingt mehr nach Tragikomödie als nach einer super Liga, was Super League übersetzt ja heissen sollte.

Es liegt auf der Hand, dass der FC Basel unter den gegebenen Umständen nicht mehr wachsen kann. Das Haus, in dem der Schweizer Meister sitzt, ist für ihn zu klein geworden. Spätestens seit dem Einzug in die Achtelfinals der Champions League schaut der Kopf des FCB-Riesen zum eingerissenen Dach des Super-League-Pavillons heraus. Kein international begehrter Fussballer, den nicht wie Alex Frei oder Marco Streller eine spezielle Liebe mit dem FCB verbindet, wird jemals aus einer der grossen europäischen Ligen nach Basel wechseln. Trotz des Stammplatzes in der Champions League und selbst dann nicht, wenn Ex-Präsidentin Gigi Oeri dem Verein ihr gesamtes Milliarden-Vermögen zur Bezahlung der Spielerlöhne überlassen würde. Die Super League ist ein Sprungbrett, aber kein Auffangbecken für starke Fussballer. Mit den Besten Europas kann der FCB auf Dauer nur mithalten, wenn er jedes Jahr wieder neue Überflieger vom Kaliber Shaqiris produziert oder sein Glück in einer neuen und deutlich attraktiveren Meisterschaft versuchen darf.

Eine Alpenliga zusammen mit Österreich wurde immer wieder einmal angeregt und kam auch in den Kommentaren zu Mämäs letztem Blogbeitrag zur Sprache. Für den FCB wäre der Zusammenschluss aber keine Option. Die österreichischen Klubs leiden an den gleichen Gebrechen wie jene in der Schweiz. Es fehlt an TV-Geldern, Zuschauerzuspruch und fähigen Machern. Zudem gibt es zwischen der Schweiz und Österreich im Fussball keine Rivalität wie im Skisport. Und historisch gewachsene Animositäten sind schliesslich das Salz in der Suppe. Duelle zwischen Basel und Rapid Wien, das hat ein Leser ganz richtig bemerkt, würden sehr schnell ihren Reiz verlieren. Ganz anders wäre es aber, wenn sich der FC Basel um die Aufnahme in den deutschen Meisterschaftsbetrieb bewerben würde. Schon die zweite Liga, der Klubs mit einem Zuschauerschnitt über 25’000 wie Eintracht Frankfurt, Fortuna Düsseldorf, der FC St. Pauli und Dynamo Dresden angehören, wäre punkto Stadien und Attraktivität ein Quantensprung im Vergleich zur Super League.

Gäbe es nicht die hohen sportrechtlichen Hürden für einen Grenzübertritt des FCB, müsste sich Klubchef Bernhard Heusler eigentlich sofort um die Eingliederung in den Deutschen Fussball-Bund bewerben. Man kann sogar davon ausgehen, dass sich die Klubs der Bundesliga über den Zuzug aus Helvetien freuen würden. Sie hätten dann ein Team in ihren Reihen, das Manchester United im Gegensatz zu Schalke 04 und den Bayern bezwingen konnte. Den Fussball-Fans im Süden Deutschlands wäre die Adoption der Basler erst recht. Der badische Fussball ist nämlich ziemlich auf den Hund gekommen: Der SC Freiburg steht als Tabellenletzter am Abgrund zur zweiten Liga, der Karlsruher SC, der 1993 im Uefa-Cup den FC Valencia mit 7:0 vom Platz fegte, muss sogar damit rechnen, seinen Platz im Bundesliga-Unterhaus zu verlieren. Der FC Basel hätte also ein grosses Einzugsgebiet, das erst dort endet, wo die Einflusssphären des VfB Stuttgart und von Eintracht Frankfurt beginnen.

Sollten die Basler partout nicht auf den Titel des Schweizer Meisters verzichten wollen, würde sich eine Regelung anbieten, die im Tennis vor dem Beginn der sogenannten Open-Ära angewendet wurde. Der Titelverteidiger eines Grand-Slam-Turniers musste erst im Endspiel antreten. Nachdem sich die Herausforderer um den zweiten Platz im Final geprügelt hatten. So könnte der FCB in der Bundesliga spielen und jeweils nach dem Ende der regulären Saison ein Playoff gegen den Gewinner der Super League austragen. Die Spiele könnten in wechselnden Stadien stattfindet. Jenes in Neuenburg zum Beispiel wird ja sonst vorerst nicht mehr gebraucht.

Mehr Respekt vor Ballack, bitte!

Alexander Kühn am Mittwoch den 1. Februar 2012
Auf der langen Bank: Michael Ballack in Leverkusen, 28. September 2011. (Bild: Reuters)

Auf der langen Bank: Michael Ballack in Leverkusen, 28. September 2011. (Bild: Reuters)

In Deutschland neigt sich die Karriere des einstigen Weltstars Michael Ballack einem beschämenden Ende zu. Ballack, dem Bayer Leverkusens Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser öffentlich Versagen vorwirft, hat eigentlich nur noch zwei Möglichkeiten. Erstens: Er sitzt seinen bis zum Sommer laufenden Vertrag in Leverkusen trotz der Schmähungen ab und flüchtet dann zu einem anderen Klub. Zweitens: Er wirft den Bettel komplett hin und darf dann wenigstens über Bayer sagen, was er will, ohne dass man ihm vorwerfen kann, er wolle seinen Abgang provozieren.

Während des Winter-Transferfensters hat sich kein Verein ernsthaft um den langjährigen Captain der deutschen Nationalelf bemüht, nicht einmal der VfL Wolfsburg, der sonst alles zusammenkaufte, was nicht niet- und nagelfest war. Ein weiteres Indiz dafür, wie gering das Ansehen des einstigen Fussball-Messias inzwischen ist. Das einzige Transfergerücht zu Ballack stammt von einer Regionalzeitung namens «Mannheimer Morgen». Das Blatt berichtete, der 35-Jährige stehe auf dem Wunschzettel des spanischen Erstligisten Real Mallorca. Auf der Insel zu enden, die deutschen Pensionären, nicht aber deutschen Fussballern als das Paradies schlechthin gilt, wäre eine weitere Demütigung für den Sachsen, der unter Bundestrainer Joachim Löw auf seinen 98 Länderspielen sitzenblieb und die 100 nicht mehr vollmachen darf.

Spielt Ballack inzwischen wirklich so schwach, wie die Verantwortlichen in Leverkusen monieren, oder wirken bei ihm solide Leistungen einfach schlechter, weil er die Latte im Verlauf seiner Laufbahn so hoch gelegt hat? Die Datenbank des Fachmagazins «Kicker» jedenfalls spricht für die zweite These, sie stellt Ballack ein durchaus solides Zeugnis aus. Mit einem Notenschnitt von 3,71 ist er der zweitbeste Mittelfeldakteur von Bayer Leverkusen – noch vor dem aktuellen Nationalspieler Simon Rolfes – und die Nummer 7 in der gesamten Klub-Hitliste.

Während der Komiker Matze Knop in der Rolle von Schalke-Trainer Huub Stevens schon witzelt, Ballack solle doch ins «Dschungelcamp» gehen, empört sich der frühere Bayern-Profi und Nationalspieler Mehmet Scholl über die Demontage des einstigen Fussball-Denkmals. «Was mit Ballack passiert, ist eine Frechheit», sagte Scholl gegenüber der «Bild»-Zeitung. Dabei sei er durchaus kein Vertrauter des Gescholtenen. «Ich finde es einfach unpassend, dass seine grossartige Karriere mit vielen Titeln auf den aktuellen Ist-Zustand reduziert wird», so der ARD-TV-Experte, der 1996 mit Deutschland Europameister wurde.

Scholl trifft mit seiner Kritik den Kern der Sache. Ballack hat sowohl für Bayer Leverkusen als auch für den Deutschen Fussball-Bund mehr geleistet als jeder andere Spieler der letzten 15 Jahre. Ihn schlecht zu machen, ist so, als würde man hierzulande den vierfachen Skisprung-Olympiasieger Simon Ammann nach durchschnittlichen Sprüngen in der Luft zerreissen. Ohne Ballack wäre der deutsche Fussball in der ersten Hälfte des vorigen Jahrzehnts in eine tiefe Depression verfallen, der er wohl nicht mehr so schnell entronnen wäre. Wäre der Motor des deutschen Spiels 2002 im WM-Final gegen Brasilien nicht gesperrt gewesen, hätte das DFB-Team vielleicht gar seine vierte WM-Krone gewonnen.

Als Liebhaber des deutschen Fussballs würde ich den verdienten Kämpen Ballack auch in der kommenden Saison gerne in der Bundesliga sehen – und noch zweimal im Trikot der Nationalelf. Die Marke von 100 Länderspielen wäre ein würdiger und verdienter Abschluss seiner grossen Laufbahn. Und bevor Ballack nach Mallorca geht, soll er lieber noch einmal im Osten Deutschlands seine Pässe schlagen. Dort würde man ihn sicher mit offenen Armen empfangen. Beim Zweitligisten Dynamo Dresden genauso wie bei seinem ersten Profiverein, dem heute drittklassigen Chemnitzer FC.

YB hat Bobadilla aus Angst geholt

Alexander Kühn am Samstag den 28. Januar 2012
Raul Bobadilla in Bern, 27. Januar 2012. (Bild: Keystone)

Hauptsache nicht zum FC Luzern: Raul Bobadilla in Bern, 27. Januar 2012. (Bild: Keystone)

In der Meisterschaft fast schon aussichtslos zurück und im Schweizer Cup am abstiegsgefährdeten Challenge-League-Klub FC Winterthur gescheitert: Die Halbzeit-Bilanz der ersten YB-Saison unter Trainer Christian Gross ist ernüchternd. Das Einzige, was den Bernern noch bleibt, ist die Hoffnung auf den Trostpreis Vizemeisterschaft. So würden sie wenigstens ihr Gesicht wahren. Um Platz 2 streiten sich die Young Boys mit dem FC Luzern, der in der Tabelle vier Zähler vor ihnen liegt. So ist es wohl kein Zufall, sondern ein Zeichen ganz unbernerischer Nervosität, dass der neu verpflichtete YB-Hoffnungsträger ein Spieler ist, der eigentlich schon fast beim FCL unterschrieben hatte: Raul Bobadilla.

Die Berner Führungscrew konnte den Stürmer auf keinen Fall dem direkten Konkurrenten überlassen. Als Luzerns Präsident Walter Stierli vollmundig verkündete, sein Klub habe das Geld für Bobadilla zusammen, war dies für die Young Boys die Einladung, selbst zuzuschlagen. Zuvor hatte im Stade de Suisse wohl niemand so recht daran geglaubt, dass es möglich sein würde, einen Spieler vom Kaliber des Argentiniers zu verpflichten. Luzern schaute in die Röhre. Trotz seines Trainers Murat Yakin, der Bobadillas Karriere bei Concordia Basel einst lanciert hatte und weiss, wie man mit dem eigenwilligen Torjäger umgehen muss, und ihn zu Bestleistungen treiben kann.

War bei Gladbach nicht mehr erwünscht: Bobadilla feiert sein Tor gegen Mainz, 28. August 2009.

War bei Gladbach nicht mehr erwünscht: Bobadilla feiert ein Tor gegen Mainz, 28. August 2009.

Die sportliche Partnerschaft zwischen Yakin und Bobadilla wäre wohl wieder eine fruchtbare geworden. Dass der Mann, dem die Kölner Boulevard-Zeitung «Express» wegen seiner Eskapaden den Übernamen «Rüpel Raul» verlieh, mit dem Hardliner Gross langfristig auskommen wird, darf man dagegen zumindest in Zweifel ziehen. Die Gladbacher verbannten Bobadilla im Dezember 2010 übrigens trotz Stürmermangels in die Reservemannschaft, weil er im Bundesliga-Spiel gegen Hannover 96 den am Boden liegenden Sergio Pinto getreten und danach den vierten Offiziellen als Hure bezeichnet hatte. Nach dem leihweisen Wechsel zu Aris Saloniki wurde Bobadilla vom neuen Trainer Lucien Favre zwar begnadigt, zum mehr als einer Kurzarbeiter-Rolle reichte es dem einstigen Topstürmer der Borussia aber nicht mehr.

In Bern dürfte Bobadilla rund eine Million Franken pro Saison verdienen. Eine schöne Stange Geld, die zudem das Gehaltsgefüge kräftig durcheinander wirbelt. Bringt der neue Star in Gelb-Schwarz keine Leistung, ist schlechte Stimmung in der Kabine programmiert. Mit der Verpflichtung Bobadillas erhöht sich auch der Erfolgsdruck, der ohnehin schon gross war, auch wenn die Verantwortlichen im Stade de Suisse gerne das Gegenteil behaupten. Spitzenverdiener wie Gross und Bobadilla holt man nicht, wenn man mit Platz 3 oder 4 zufrieden ist. Wie der FC Basel oder die Bayern in Deutschland ist auch das neue YB mit CEO Ilja Kaenzig zum Erfolg verdammt. Als Kaenzig seinen Posten antrat, gab er das auch noch freimütig zu. «Wir wollen nicht nur 95 Prozent», so seine Ankündigung in einem Interview im August 2010.

Basel darf seine historische Chance nicht verkaufen

Alexander Kühn am Mittwoch den 25. Januar 2012

In jeder Beziehung Gold wert: Die FCB-Stars Xherdan Shaqiri (l.) und Granit Xhaka.

Gladbachs Sieg über die Bayern hat gezeigt, dass sich der FCB vor dem Champions-League-Duell mit den Münchnern nicht zu fürchten braucht. Aber nur, wenn er sein Team zusammenhält.

Lucien Favre schnappte Basel in seiner Zeit beim FCZ zweimal den Meistertitel vor der Nase weg. In der legendären Finalissima vom 13. Mai 2006 sogar auf besonders schmerzhafte Weise, als schon die vierte Minute der Nachspielzeit lief. Am Freitag erwies der Romand den Baslern aber einen grossen Dienst, indem er ihnen mit Borussia Mönchengladbach vor Augen führte, dass Bayern München in den Achtelfinals der Champions League beileibe kein übermächtiger Gegner ist.

Die Generation der leidenschaftlich Unerschrockenen

Die Bayern liessen bei der 1:3-Niederlage im Borussia Park erkennen, dass sie mit schnellem und respektlosem Spiel ihre liebe Mühe haben. Mit jener Art Fussball also, die auch der FCB aufziehen kann. Vor allem dank seines ebenso genialen wie respektlosen Kraftwürfels Xherdan Shaqiri. Der 20-jährige Shaqiri gehört wie sein Teamkollege Granit Xhaka (19) oder die beiden Gladbacher Patrick Herrmann (20) und Marco Reus (22) zur Generation der leidenschaftlich Unerschrockenen, die es nicht kümmert, ob ihr Gegenspieler ein Unbekannter oder ein Weltstar ist.

Ohne den Spielwitz und die gesunde Frechheit des Duos wäre der Schweizer FCB gegen den deutschen FCB krasser Aussenseiter. Deshalb darf Basel seine beiden Juwelen auf keinen Fall im Winter ziehen lassen. Auch dann nicht, wenn Galatasaray Istanbul sein Angebot für Shaqiri noch einmal in die Höhe schraubt und sich für Xhaka ein Interessent findet, bei dem das Geld lockerer sitzt als beim HSV, der wohl erst im Sommer zuschlagen möchte. Shaqiri und Xhaka zu verkaufen, hiesse auch eine historische Chance zu verschachern. Wer weiss, wann der FC Basel das nächste Mal ihn einem Achtelfinal der Champions League steht.

Wir sind kein Selbstbedienungsladen!

Bis jetzt widersteht FCB-Präsident Bernhard Heusler der Verlockung des schnellen Geldes vorbildlich. Es ist zu hoffen, dass er dieser Linie treu bleibt, bis sich das Transferfenster schliesst. In den grossen europäischen Ligen passiert dies am kommenden Dienstag, in der Türkei einen Tag später. Wenn der FCB stark bleibt, ist dies auch ein Signal für die Zukunft. Die Botschaft wäre die folgende: Wir sind ein finanziell kerngesunder Verein mit internationalen Ansprüchen, kein Selbstbedienungsladen. Ein überstürzter Abgang wie jener von Christian Giménez, der 2005 unmittelbar vor der Champions-League-Qualifikationspartie gegen Werder Bremen zu Olympique Marseille wechselte, scheint heute nicht mehr denkbar.

Basel befindet sich in diesem Winter auch in einer komplett anderen Situation als der ambitionslose FCZ, der gut daran tat, Admir Mehmedi und Ricardo Rodriguez abzugeben. Während der Marktwert der beiden Zürcher Nationalspieler wohl ausgereizt war, könnten die Aktien von Shaqiri und Xhaka noch einmal gehörig in die Höhe schnellen, wenn es den Baslern mit ihrer Hilfe gelingt, nach Manchester United auch den FC Bayern auf den Favoriten-Friedhof der Champions League zu verbannen. Der FCB hat beim Verhandeln noch lange keine Eile: Shaqiris Vertrag läuft bis Ende Juni 2014, Xhakas Kontrakt sogar noch ein Jahr länger.

Ist Thorsten Fink grössenwahnsinnig?

Alexander Kühn am Samstag den 21. Januar 2012
Thorsten Finke hat mit dem HSV Grosses vor: Fink während eines Spiels gegen Wolfsburg,

Thorsten Fink hat mit dem HSV ganz Grosses vor: Fink während eines Spiels gegen Wolfsburg, 22. Oktober 2011. (Bild: Keystone)

Wenn die Bundesliga ein Märchenschloss wäre und der Hamburger SV das schlafende Dornröschen, dann würde Trainer Thorsten Fink der Part des heldenhaften Prinzen zufallen. Fink, der mit dem FC Basel zweimal Schweizer Meister wurde, hat sich nämlich fest vorgenommen, den HSV schon bald zur ersten Meisterschale seit 1983 zu führen. Damals rannte noch Wolfsburgs Chefcoach Felix Magath für die Hanseaten dem Ball hinterher, im Tor stand Uli Stein, der Franz Beckenbauer drei Jahre später an der WM in Mexiko als Suppenkasper bezeichnen sollte, und der Manager hiess Günter Netzer.

Finks Aussage ist mutig, gerade in Deutschland, wo die Medien eine weit aggressivere Rolle spielen als in der vergleichsweise beschaulichen Schweiz und eine unvorsichtige Aussage für einen Trainer leicht zum Boomerang werden kann. Grössenwahnsinnig ist sie nicht. Obwohl der HSV in dieser Spielzeit noch nicht einmal das Abstiegsgespenst ganz vertrieben hat. Wer nicht an sich glaubt, der kann auch nichts gewinnen. Diese Maxime vertritt Fink von A bis Z. Das tat er auch schon in Basel. Der Champions-League-Triumph des FCB über Manchester United ist eine Spätfolge davon. Auch die Entwicklung von Spielern wie Granit Xhaka, Fabian Frei oder Xherdan Shaqiri hat viel mit Fink zu tun. Sie alle wissen, dass sie sich vor niemandem verstecken müssen. Auch vor Wayne Rooney nicht.

In Hamburg, das wusste Thorsten Fink bei seinem Abgang aus der Schweiz genau, ist Grosses möglich. Der HSV und Fink besitzen trotz der Probleme in dieser Saison alles, um in der europäischen Königsklasse Fuss zu fassen: ein grosses Einzugsgebiet, viel Tradition, treue Fans, ein erstklassiges Stadion, eine fähige Führungsetage und in Klaus-Michael Kühne einen potenten Geldgeber. Der 74-jährige Logistikunternehmer mit Wohnsitz am Zürichsee sagt, er betrachte sein Engagement in Hamburg nicht als Geschäft. Er sei ein Fussballfanaktiker, hänge mit dem Herz am HSV und wolle ihm deshalb zum Erfolg verhelfen. Ein Mann mit einer solchen Begeisterungsfähigkeit passt zu Fink, dessen gutgelaunte Dynamik so ansteckend ist, dass er in seiner Basler Zeit die anfangs naserümpfende Schweizer Journalisten-Gilde im Sturm für sich einnehmen konnte.

Die Spieler des HSV, die in der ersten Saisonphase oft ratlos vor Kameras und Mikrofonen standen, um das Ausbleiben der Erfolge zu erklären, lehnen sich dank der positiven Energie ihres Trainers plötzlich weit aus dem Fester. «In Hamburg entsteht etwas Grosses, da ist richtig Zug drin», sagte Captain Heiko Westermann der «Welt». «Mit dem HSV ist wieder zu rechnen. Wir setzen uns die höchsten Ziele.»

Für das Gelingen des Hamburger Vorhabens spricht, dass sich der Klub in der Winterpause nicht zu einer blindwütigen Einkaufstour à la VfL Wolfsburg hinreissen liess, sondern sich still und heimlich um die Verpflichtung jener Spieler bemüht, die Finks Team wirklich weiterbringen. Einer von ihnen ist der Basler Granit Xhaka. Dass er den U-17-Weltmeister, den er zum Nationalspieler formte, wohl erst im Sommer bekommt, ist dabei nebensächlich. Fink will Xhaka, und Xhaka will in die Bundesliga zu seinem grossen Förderer. In absehbarer Zukunft werden sich die beiden finden, genauso wie der Hamburger SV und der Erfolg.

Schade, kann man Gigi Oeri nicht klonen

Alexander Kühn am Mittwoch den 18. Januar 2012
Gigi Oeri im Pool mit dem FCB

Rot-blaues Bad im Erfolg: Gigi Oeri mit den Yakin-Brüdern Murat (v.) und Hakan nach dem Gewinn des Meistertitels 2002 in Basel. (Bild: Toto Marti/RDB)

Während Sions Präsident Christian Constantin gegen sämtliche Autoritäten des Weltfussballs zusammen Krieg führt und Neuchâtel Xamax im Begriff steht, sich in seine Einzelteile aufzulösen, ist ein kluger Kopf mit ein paar Tränen von der Schweizer Fussballbühne verschwunden: Gigi Oeri. Mit der Übergabe des FCB-Präsidiums an ihren bisherigen Vize Bernhard Heusler endete die Regentschaft der langjährigen Basler Sonnen(bank)-Königin am Montag auch formell. Oeri, die sich schon 2009 aus dem operativen Geschäft zurückzog, verdient für ihr zwölfjähriges Engagement beim FC Basel auch aus dem Zürcher Fussball-Feindesland eine Laudatio.

Merci, Frau Oeri! Auch für den Sieg des FCZ im Champions-League-Spiel bei der AC Milan am 30. September 2009, als Hannu Tihinen mit seinem unvergesslichen Hackentrick zum goldenen 1:0 traf. Hätte die Grande Dame den FC Basel mit ihrem Geld und ihrem Enthusiasmus nicht auf ein für Schweizer Klubverhältnisse neues Niveau gehoben, wäre in Zürich nie jene trotzige Dynamik entstanden, die den FCZ aus seinem Dornröschenschlaf weckte. Gigi Oeri hat nicht nur ihren Verein weitergebracht, sondern den gesamten Schweizer Fussball. Den FCB-Triumph über Manchester United, gewissermassen ihr Abschiedsgeschenk, hat sie sich redlich verdient.

Um den FC Basel muss einem dank der grossen Kompetenz des neuen Präsidenten Bernhard Heusler nicht bange sein, wohl aber um eine Reihe anderer Schweizer Klubs, allen voran natürlich Xamax und Sion. Dort sind mit Bulat Tschagajew und Christian Constantin zwei Figuren am Drücker, die wie Diktatoren handeln und den Stolz weit über die Vernunft stellen. Typisch männlich, ist man geneigt zu sagen. Eine Prise von Oeris weiblicher Umsicht täte Constantin gut, Tschagajew bräuchte wohl einen ganzen Futtertrog davon, um wieder zu Sinnen zu kommen.

Anders als die meisten ihrer männlichen Pendants hat sich Gigi Oeri nur sehr zurückhaltend ins Tagesgeschäft ihres Klubs eingemischt. Und wenn sie es doch einmal tat, hatten ihre Entscheidungen Hand und Fuss. So etwa bei der Trennung von Trainer Christian Gross, der in Basel ganz offensichtlich seinen Zenit überschritten hatte. Oeri erkannte zudem schon im Sommer 2009 das enorme Potenzial eines gewissen Thorsten Fink, der nach der Entlassung beim deutschen Zweitligisten FC Ingolstadt 04 von den Schweizer Fussball-Weisen mit grosser Skepsis empfangen wurde.

Ein Nase für den Fussball zu haben, ist kein männliches Privileg. Auch Gigi Oeri besitzt eine solche Nase, was oft aber weit weniger das Thema war als die solariumbraune Farbe der selbigen. Dass Oeri auch mit ihrer Schwäche für Kleidungsstücke, um die sie afrikanische Stammesfürsten oder Winnetou beneiden würden (siehe Bildstrecke), den Spott vieler Nicht-FCB-Fans über Jahre auf sich gezogen hat, ist kein Wunder. Spätestens seit sie 2002 nach dem Gewinn der Meisterschaft in einem rot-blauen Froschmannanzug zu den Basler Spielern in den Whirlpool stieg, muss ihr das klar gewesen sein. Das Einschiessen auf Oeris Extravaganzen zeigt aber auch, für wie wichtig die Spötter ihre Rolle erachteten. Manch einer hätte sich wohl insgeheim in seinem Klub eine Führungspersönlichkeit ihres Kalibers gewünscht.

Der Transfersieger des Winters heisst FCZ

Alexander Kühn am Samstag den 14. Januar 2012

Trotz Admir Mehmedi, Ricardo Rodriguez und Dusan Djuric im Team hat der FC Zürich vor der Winterpause fast kein Bein vor das andere gebracht. Ohne die drei Leistungsträger müsste es nach logischen Gesichtspunkten im Frühling noch schwieriger werden. Doch Fussball ist keine Mathematik und der FCZ, auch wenn das paradox klingen mag, der grosse Sieger dieser Transferperiode. Sportchef Fredy Bickel hat Mehmedi, Rodriguez und Djuric nicht nur zu ausgezeichneten Preisen verkauft, sondern gleichzeitig auch die Bedingungen dafür geschaffen, dass die Mannschaft endlich ein neues Gesicht entwickeln kann.

Ein Schnitt war bei den als Meisterkandidat in die Saison gestarteten Zürchern dringend nötig, das beweist schon der Blick in die Tabelle, in welcher sie noch hinter Aufsteiger Servette und dem FC Thun mit Ex-FCZ-Trainer Bernard Challandes stehen. In solchen Situationen muss entweder ein Trainerwechsel her, was beim FCZ offenbar nicht infrage kommt, oder es braucht einen Neustart innerhalb der Mannschaft.

Hinter den grossen Namen der drei Transferierten wird sich in der Rückrunde keiner mehr verstecken können, und Chefcoach Urs Fischer darf diesen Frühling schon als Casting-Wettbewerb für die kommende Saison nutzen. Reservisten können sich aufdrängen, Akteure mit auslaufenden Verträgen um einen neuen Kontrakt oder einen neuen Arbeitgeber spielen. Angesichts der Entwicklungen bei Xamax und Sion ist der Abstieg längst keine ernsthafte Bedrohung mehr, der Meistertitel bei 17 Zählern Rückstand auf den FC Basel auch nicht. Wenn es mit der Europa League noch klappen sollte, ist das ein netter Bonus, richtig böse wird aber auch niemand, falls der FCZ nicht nach Bratislava, Maribor oder Krakau reisen kann.

Zeit und Geld zu haben, ist eine Konstellation, die ein Sportchef nicht allzu oft in seiner Karriere vorfindet. Fredy Bickel, der den FCZ einst aus der über zwei Jahrzehnte dauernden Depression befreite, wird dies auch wissen und in den kommenden Monaten darüber nachdenken, wie er aus dem blutleeren FC Zürich der Vorrunde wieder eine Equipe formen kann, die nächste Saison Meister wird, wenn sich der Branchenleader FC Basel ein paar Aussetzer leisten sollte.

Die kolportierten 17 Millionen Franken, die der FCZ durch die Winterverkäufe eingenommen hat, sind für Schweizer Verhältnisse viel Geld. Und 17 Millionen sind wohl auch deutlich mehr als der tatsächliche Marktwert von Mehmedi, Rodriguez und Djuric, bei allem Respekt für deren Künste. Schon für einen Bruchteil dieser Summe könnte der FCZ zwei frühere Publikumslieblinge zurückholen. Zum einen Daniel Gygax, zum anderen Almen Abdi. Gygax geniesst in Luzern bei Trainer Murat Yakin zwar hohes Ansehen, hat aber nie ein Geheimnis aus seiner Liebe zum FC Zürich gemacht, er wäre überdies der Charakterkopf, der dem Team zuletzt so sehr fehlte. Für Abdi ist Udinese alles andere als ein Traumverein, seiner Rückkehr steht aber im Weg, dass bei der Trennung 2009 zwischen seinem Lager und dem FCZ viel Geschirr zerschlagen worden ist.

Als der FCZ 2006 Meister wurde, war er noch nicht wirklich besser als der FC Basel. Die Zürcher zeichnete damals neben dem schönen Fussball der Marke Lucien Favre aber eines besonders aus: Teamgeist und Leidenschaft. Nicht umsonst fiel das entscheidende 2:1 in der Finalissima durch Iulian Filipescu in buchstäblich letzter Sekunde, in der legendären 93. Minute, nach der sogar das Klubmagazin des FC Zürich benannt ist. Diese Erinnerung sollte Anreiz genug sein für die kommenden Aufgaben, auch wenn der FCB zurzeit noch übermächtig scheint.

Welche Spieler könnten dem FCZ weiterhelfen? Wer vom aktuellen Kader wird im Frühling besonders stark spielen?