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Keine Kaffeefahrt nach Auschwitz, bitte!

Alexander Kühn am Mittwoch den 21. März 2012
Oliver Bierhoff vor einem Plakat der deutschen Mannschaft, Juni 2010 in Südafrika.

Der Manager der deutschen Mannschaft hat dem Zentralrat der Juden in Deutschland vor der EM in Polen und der Ukraine ein «Kamingespräch» angeboten: Oliver Bierhoff vor einem Plakat der deutschen Mannschaft, Juni 2010 in Südafrika.

Knapp drei Monate vor dem Beginn der Euro 2012 in Polen und der Ukraine sinnen die Gralshüter des deutschen Fussballs noch immer darüber nach, wie sich ihre Nationalmannschaft in den einst von Wehrmacht und SS unterjochten Gebieten zu benehmen hat. Dabei haben die DFB-Oberen mit ihrem Eiertanz um den vom Zentralrat der Juden in Deutschland gewünschten Besuch im Konzentrationslager Auschwitz schon jetzt mehr Schaden angerichtet, als Bundestrainer Joachim Löw und seine Spieler im Sommer wieder gutmachen können.

Teammanager Oliver Bierhoff sagt zwar, er fände es prinzipiell eine gute Sache, wenn die Sportler die zur Gedenkstätte umgewandelte Todesfabrik besuchen würden, zu einer verbindlichen Zusage konnte sich der Europameisterschütze von 1996 aber noch nicht durchringen. Stattdessen brüskierte er den Zentralratsvorsitzenden Dieter Graumann mit dem Angebot eines «Kamingesprächs». Eine gehörige, wenn auch unfreiwillige Geschmacklosigkeit, wie Graumann zurecht befand: «Meine Grosseltern sind in Auschwitz vergast und verbrannt worden. Und Herr Bierhoff schlägt nun vor, die deutschen Nationalspieler sollen in Polen am Kaminfeuer über den Holocaust sprechen.»

Natürlich kann man dem DFB zugute halten, dass er sich seit Jahren gegen jede Form von Rassismus engagiert, etwa mit der Verleihung des Julius-Hirsch-Preises, der nach einem von den Nationalsozialisten ermordeten Nationalspieler benannt ist und besondere Verdienste um Demokratie, Menschenrechte und den Schutz von Minderheiten honoriert. Bierhoff und seine Vorgesetzten hätten in der Diskussion um den Auschwitz-Besuch aber von Anfang an klar Stellung beziehen müssen. Ein Nein zu Graumanns Vorschlag wäre dabei bei entsprechend sensibler Argumentation ebenso denkbar gewesen wie ein Ja. Das schlimmste aber ist jenes Jein, dass die Vertreter des grössten europäischen Sportverbandes nun formuliert haben. Fahren die DFB-Fussballer nicht nach Auschwitz, das 550 Kilometer von ihrem EM-Quartier in Danzig entfernt liegt, stehen sie als Ignoranten da, begeben sie sich an den Ort des Schreckens, haftet der Aktion etwas Erzwungenes an. Auf Befehl trauern, das kann man nicht.

Der aus einer polnisch-jüdischen Familie stammende Autor Henryk M. Broder stellte im «Spiegel» mit Recht die rhetorische Frage, was die Fussballer in Auschwitz denn tun sollen: «Schwören, dass es ihnen leidtut? Erklären, dass so etwas nie wieder passieren darf?» Broder ist deshalb der Meinung, dass die Sportler auf dem Gelände hinter dem Tor mit der berüchtigten Aufschrift «Arbeit macht frei» nichts verloren hätten. Es sei denn, sie kämen als Privatpersonen und aus dem ehrlichen Antrieb heraus, den Toten und Geschundenen die Ehre zu erweisen. Ohne Fotografen, Kameraleute und Journalisten im Schlepptau. Tatsächlich wäre eine von den Medien eskortierte Klassenfahrt nach Auschwitz wohl mehr geschmacklos als hilfreich. Dass einige der Spieler noch nicht einmal deutsche Wurzeln haben, sei hier nur am Rande erwähnt.

So wenig die Mitglieder der DFB-Auswahl selbst mit dem Holocaust zu tun haben, so sehr sollte den Deutschen gerade in Polen an einem sauberen Auftreten ihrer Schlachtenbummler gelegen sein. Nicht auszudenken, was für eine Schande es wäre, sollten sich die deutschen Anhänger noch einmal so daneben benehmen wie am 4. September 1996, als sie bei einem Länderspiel in Zabrze ein Transparent mit der Aufschrift «Schindler-Juden, wir grüssen euch» entrollten. Zu diesem Zeitpunkt hätten die Täter längst nicht mehr auf den Rängen stehen dürfen, hatten sie doch schon während der Nationalhymne wie viele andere im Stadion auch den Arm zum Hitlergruss erhoben und zuvor widerwärtige Parolen à la «Wir fahren nach Polen, um Juden zu versohlen» oder «Hindenburg liegt gleich bei Auschwitz» skandiert. Hindenburg ist der alte deutsche Name der Stadt Zabrze, die nur rund 30 Kilometer vom Ort des grössten industriellen Massenmordes der Geschichte trennen.

Im Fokus des DFB sollte also nicht der verkrampfte Versuch stehen, Vergangenes medienträchtig zu betrauern, sondern im Fall der Fälle angemessen auf das Gegenwärtige zu reagieren. Sollte es an der Euro während einer Partie zu antisemitischen Pöbeleien kommen, gibt es für die deutschen Spieler nur eine passende Reaktion: sofort den Platz verlassen und nicht mehr aus der Kabine kommen. Ein solcher Schritt würde die rassistischen Provokateure in einer fussballbegeisterten Nation wie Deutschland wirksamer diskreditieren als jedes Lippenbekenntnis und jeder Besuch einer Gedenkstätte.

«Sich mit toten Juden zu solidarisieren, ist eine wohlfeile Übung. Man kann die Ermordeten weder noch einmal umbringen noch nachträglich retten. Aber falls jemand doch so etwas wie Verantwortung verspürt, was im Prinzip nicht verkehrt ist, sollte er sich mit denjenigen solidarisch erklären, die heute leben», findet Henryk M. Broder. Treffender kann man es nicht formulieren.

Warum nicht mal eine Frau?

Alexander Kühn am Samstag den 17. März 2012
Hat es im Fussball weit gebracht: US-Keeperin Hope Solo. (Bild: Reuters)

Hat es im Fussball weit gebracht: US-Keeperin Hope Solo. (Bild: Reuters)

Kein Job ist im modernen Fussball unsicherer als der des Cheftrainers. Der stete Wechsel auf der Kommandobrücke bringt mit sich, dass die Klubs bei der Besetzung des Trainerpostens bisweilen kreative Lösungen suchen müssen. Der Berliner Bundesligist Hertha BSC etwa holte im Februar den 73-jährigen Otto Rehhagel aus dem Ruhestand. Und auch der irische Verband setzt auf einen Coach, der sein offizielles Pensionsalter schon lange hinter sich hat. Sein Name: Giovanni Trapattoni. Sein Geburtsdatum: 17. März 1939 – also ein kappes halbes Jahr vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Merke: Das Rentenalter ist im Fussball so dehnbar wie Hubba-Bubba-Kaugummi.

So ist es kein Wunder, kursieren diverse Namen, wenn die Frage erörtert wird, wer denn nun neuer FCZ-Trainer werden soll. Gut denkbar ist sogar, dass ein Mann mit GC-Vergangenheit den Zuschlag bekommt, Murat Yakin oder Rolf Fringer zum Beispiel. Einige Fans wünschen sich derweil den beim 1. FC Köln als Manager gescheiterten Oberlehrer Volker Finke auf der Trainerbank des FC Zürich. Der zählt immerhin auch bald 63 Lenze und könnte im Fall seines neuerlichen Versagens frühpensioniert werden. Ein Tabu steht aber wie ein Findling trutzig in der Fussball-Landschaft: das Engagement einer Frau als Chefcoach einer Profi-Mannschaft. So fortschrittlich sich der Fussball gibt, jener Manager, der einer Frau ins Amt hilft, wird so schnell keinen anderen Job mehr bekommen, wenn das Experiment scheitert.

Dabei gibt es gerade in der Schweiz ein gutes Beispiel dafür, dass eine Trainerin einem Mann durchaus Beine machen kann. Im wahrsten Sinn des Wortes. Hinter den Erfolgen von Dario Cologna, dem alten und neuen Gesamtweltcupsieger im Langlauf, steht die Norwegerin Guri Hetland. Cologna sagt, er möge die unaufgeregte Art der Schweizer Cheftrainerin, die sich bei ihrem Amtsantritt noch die Frage gefallen lassen musste, ob sie tatsächlich in der Lage sei, die Swiss-Ski-Langläufer zu führen. Auch Novak Djokovic, die Nummer 1 der Tennis-Weltrangliste, schreibt einen grossen Teil seiner Erfolge weiblichem Einfluss zu: Er trainierte in seiner Kindheit mit Jelena Gencic, der langjährigen Mentorin von Monica Seles. «Sie hat die Standards für mich gesetzt und mir vermittelt, was es braucht, um ganz an die Spitze zu kommen», sagt Djokovic. Mit diesen Standards meint er vor allem seine aussergewöhnliche taktische Disziplin und die sorgfältige Beinarbeit.

Von der Übertrainerin zum Sündenbock: Silvia Neid nach dem WM-Aus ihrer deutschen Frauenelf gegen Japan. (Keystone)

Von der Übertrainerin zum Sündenbock: Silvia Neid nach dem WM-Aus ihrer deutschen Frauenelf gegen Japan. (Keystone)

Colognas Trainerin Guri Hetland bemerkte einmal, in ihren Augen spiele es keine Rolle, ob ein Mann vom gleichen oder vom anderen Geschlecht die Kommandos empfange. «Alle Athleten sind unterschiedlich. Es kann durchaus sein, dass ein Mann einer Frau ähnlicher ist als einem anderen Mann. Ich denke nicht, dass es auf das Geschlecht ankommt, sondern auf das Individuum.» Im Fussball dürfte sich dieser Gedanke noch nicht so bald durchsetzen. Dass der englische Fünftligist Grimsby Town vor rund drei Jahren mit der Frauen-Nationaltrainerin Hope Powell über ein Engagement verhandelte, muss man schon als Sensation werten. Müssig zu sagen, dass der Vertrag dann doch nicht zustande kam.

In Deutschland schien es lange Zeit noch am ehesten möglich, dass eine Frau irgendwann einmal den Cheftrainerposten bei einem Profiverein bekommt. Die Boulevardpresse feierte die Nationaltrainerin Silvia Neid dank den Erfolgen der DFB-Fussballerinnen als eine Art weiblicher Jogi Löw – bis im vergangenen Jahr an der Heim-WM die grosse Ernüchterung folgte. Die Deutschen scheiterten in den Viertelfinals mit 0:1 nach Verlängerung an Japan. Neid war auf einmal nicht mehr die Übetrainerin, sondern der Sündenbock. Das war nicht nur für sie selbst ein herber Rückschlag, sondern für alle Trainerinnen, die auf die fussballtechnische Emanzipation gehofft hatten. Und so werden Pensionäre und notorisch erfolglose Fussball-Lehrer auch in Zukunft den Vorzug gegenüber erfolgreichen Frauen bekommen. Denn des Europäers, Afrikaners und Lateinamerikaners liebste Sportart ist noch mehr als der Automobilrennsport eine Männerbastion, die kaum zu knacken sein wird.

Heutzutage wird man als Frau im Fussball nur dann wirklich berühmt, wenn man optisch das Zeug zum Covergirl hat – so wie die US-Nationalkeeperin Hope Solo. Die ist übrigens gerade als Jobsuche. Wenn auch (noch) nicht als Trainerin.

Canepas einzige Waffe heisst Bickel

Alexander Kühn am Mittwoch den 14. März 2012
Für alles gerüstet? FCZ-Präsident Canepa in der Waffenkammer der Schweizergarde. (Bild: Keystone)

Für alles gerüstet? FCZ-Präsident Canepa in der Waffenkammer der Schweizergarde. (Bild: Keystone)

Der FCZ sollte bei der Stadt Zürich Kulturfördergelder beantragen. Nicht weil er in dieser Saison besonders unterhaltsamen Fussball anbieten würde, sondern wegen der tragikomischen Rolle seines Verwaltungsrats. Der setzte auf Druck der Sponsoren die Entlassung von Trainer Urs Fischer durch und zeigte so, wie viel die Treueschwüre von Präsident Ancillo Canepa gegenüber Fischer unter dem Strich wert waren: nämlich nichts. Canepa, der sich gerne in der Rolle des starken Mannes beim Stadtclub sonnt und am Rande des Europa-League-Ausflugs nach Rom ein wenig gar eitel im Zeughaus der Schweizer Garde posierte, steht zwar nicht ohne Job, dafür aber mit radikal abgesägten Hosenbeinen da. Er ist vielleicht noch der grössere Verlierer als Fischer, da er zuvor die Nibelungentreue zum Coach beschworen und für den Fall von dessen Absetzung mit dem eigenen Rücktritt gedroht hatte.

Bernard Challandes, der den FC Zürich 2009 zum bislang letzten Meistertitel geführt hatte, kommentierte die Entwicklung im «Tages-Anzeiger» äusserst treffend: «Was mich vielerorts stört, ist der Einfluss von Leuten im Umfeld der Clubleitung. Sie erlauben sich sogar, sich in taktische Belange einzumischen. Es fehlt die Demut zu sagen: Wir sind Sponsoren, wir sind Fans, wir sind Freunde, aber wir sind keine Trainer.» Im Klartext heisst das, dass die grauen Eminenzen beim FCZ den Entscheid über Fischers Schicksal besser dem ausgewiesenen Fachmann Fredy Bickel überlassen hätten. Wohin es führt, wenn fussballtechnische Dilettanten das Kommando führen, hat schon der Lokalrivale GC erfahren.

Wäre Fischers Entlassung Bickels Wille gewesen, hätte sie einen weit weniger schalen Nachgeschmack. Die Trennung vom Trainer mag in der Sache einigermassen nachvollziehbar sein, ihre Art und Weise und der Zeitpunkt sind es aber nicht. Ich zitiere noch einmal Bernard Challandes: «Der FCZ hat im Winter fünf Stammspieler verloren. Glauben die Leute, man könne in einer Woche eine neue Mannschaft aufbauen?» Dass Fischer seinen Vertrag als Chefcoach nach einem 0:4 gegen GC bekam, ist ebenso paradox wie die Tatsache, dass er nun nach einem 1:0-Sieg über Lausanne gehen musste. Mitten in einer Saison, in der es nur noch um die goldene Ananas geht.

Wie kaum ein anderer Sport sitzt der Fussball im goldenen Käfig der Sponsoren. Sie stellen die finanziellen Mittel für die anvisierten Höhenflüge zur Verfügung, wollen in einem zunehmend angespannten wirtschaftlichen Umfeld aber auch mitbestimmen, wenn es um die sportlichen Belange geht. Das ist vielleicht sogar gut gemeint, richtet aber gewöhnlich einigen Schaden an und fordert Opfer, die eigentlich nicht nötig wären. Das abrupte Ende der Ära Fischer liesse sich nur dann noch ein wenig rechtfertigen, wenn der FCZ noch in dieser Saison seinen Nachfolger ins Amt hieven würde, damit dieser schon am Team für die kommende Spielzeit basteln kann. Zumindest offiziell plant der Stadtclub aber, die missratene Saison unter Fischers bisherigem Assistenten Harald Gämperle zu beenden. Den Auftakt zu dessen Amtszeit bildete am Dienstag übrigens ein trainingsfreier Tag.

Die Hoffnung der FCZ-Fans heisst in diesen Tagen wie so oft Fredy Bickel. Der Mann, der einst von GC kam und anschliessend YB und den FCZ nach gefühlten hundert Jahren der Stagnation wieder an die nationale Spitze führte, hat sich auf dem Hometrainer, wo er sich gewöhnlich Videobänder von potenziellen Verstärkungen ansieht, sicher schon Gedanken über die Besetzung der frei gewordenen Planstelle gemacht. Die Auswahl an Trainern ist auf dem Schweizer Markt aber nicht gerade überbordend. Der am meisten genannte Name ist der von Rolf Fringer. Der frühere Schweizer Nationalcoach wäre mit seiner besonnenen Art eine gutes Gegengewicht zum temperamentvollen Rumpelstilzchen Canepa.

Eine mutige Variante wäre die einstige GC-Symbolfigur Heinz Herrmann. Der Rekordinternationale führte einst den FC Vaduz in die Super League und lieferte dort wie schon in der Nachwuchsabteilung des FC Basel hervorragende Arbeit ab, ehe er dem deutschen Weltmeister Pierre Littbarski Platz machen musste. Vladimir Petkovic, der bei YB äusserst attraktiven Fussball spielen liess, scheiterte zuletzt beim türkischen Erstligisten Samsunspor ebenso wie Uli Forte in St. Gallen. Bleiben die ketzerische Idee, Ciriaco Sforza von den Grasshoppers abzuwerben, und die von Bickel und Co. wohl ebenso wenig ins Auge gefasste Lösung, Gilbert Gress von der Arbeitslosigkeit zu erlösen. Dann hätten zumindest die Pressekonferenzen beim FCZ hohen Unterhaltungswert. Womit wir wieder bei den Kulturfördergeldern wären.

FCZ-Präsident Ancillo Canepa äussert sich übrigens am heutigen Mittwoch nach eineinhalb Tagen Anlauf zu den Hintergründen von Fischers Entlassung.

Die Geisterjäger von Dresden

Alexander Kühn am Samstag den 10. März 2012
Verkaufen massenhaft Geistertickets (v.l.): Torhüter Benny Kirsten, Captain Cristian Fiél, Verteidiger Romain Brégerie. (Bild: SG Dynamo Dresden)

Verkaufen massenhaft Geistertickets (v.l.): Torhüter Benny Kirsten, Captain Cristian Fiél, Verteidiger Romain Brégerie. (Bild: SG Dynamo Dresden)

Am Sonntag empfängt der Neunte der 2. Bundesliga den Vierzehnten. Das sieht auf den ersten Blick wenig aufregend aus, und doch ist die Partie zwischen Dynamo Dresden und dem FC Ingolstadt eine ganz besondere. Dynamo rechnet nämlich damit, alle 32’066 Tickets verkaufen zu können, obwohl die Karten gar nicht zum Betreten des Stadions berechtigen. Dieses ist nach einem drakonischen Urteil des Deutschen Fussball-Bundes für alle Fans gesperrt – als Reaktion auf die schweren Ausschreitungen beim Pokalspiel in Dortmund im vergangenen Herbst.

Die Solidarität der friedlichen Fans hilft den von ihren Hooligans geplagten Dresdnern nun bei der finanziellen Schadensbegrenzung. Um das Geisterspiel gegen Ingolstadt ist eine regelrechte Euphorie entstanden. An jedem der bisherigen Verkaufstage fanden rund 6000 der eigentlich nutzlosen Tickets einen Abnehmer. Es sieht ganz so aus, als könnte der Schatzmeister am Wochenende eine Tafel mit der Aufschrift «ausverkauft» ans Kassenhäuschen hängen. Für den K-Block, wo die treuesten Anhänger stehen, gibt es schon jetzt keine Karten mehr.

Die Geistertickets sind in vier Kategorien unterteilt: Stehplatz, Sitzplatz, VIP-Bereich und Gästeblock. Naturgemäss sind die Stehplätze am begehrtesten, weshalb ein Teil des Stadions nun virtuell umgezont wurde. «Die Geisterticket-Inhaber werden gebeten, die Sitzschalen, nachdem sie das Stadion nicht betreten haben, im hochgeklappten Zustand zu belassen und sich gefälligst nicht hinzusetzen. Vielen Dank!», ist auf diesen Karten zu lesen. Das Geisterticket berechteige zudem dazu, im Stadion keine Wurst zu essen und kein Bier zu trinken. Es ist der genüssliche Spott eines Vereins, der selbst dann weit mehr Fans mobilisiert als der Grossteil seiner Konkurrenten, wenn er gar keine Gegenleistung anbieten kann. Auf der Website von Dynamo lässt sich im sogenannten Geisterspiel-Ticker verfolgen, wie sich der Verkauf entwickelt.

Die auf den Geist gehen: «Ghostbusters», 1984.

Die auf den Geist gehen: «Ghostbusters», 1984.

Der Erfolg der Aktion hat viel mit dem gespannten Verhältnis zum DFB zu tun. Dynamo und der mächtige Verband, das ist eine Geschichte von Ablehnung, Bestrafung und Trotz. Spätestens seit die Fussballweisen aus Frankfurt am Main den achtfachen DDR-Meister zum Ende der Saison 1994/95 wegen finanzieller Unregelmässigkeiten in die damals drittklassige Regionalliga Nordost zwangsrelegierten, kocht im Osten Deutschlands bei jeder Sanktion die Volksseele. Zumal der Verband den Vereinen aus der ehemaligen DDR bei der Überführung ins Haifischbecken des bundesdeutschen Ligabetriebs kaum Hilfestellungen geleistet hatte. Auch ehemalige Spieler wie Ulf Kirsten, dessen Sohn Benny bei den Dresdnern im Tor steht, bemängeln, dass der DFB mit ungleichen Ellen misst, wenn es um die Ahndung von Fanvergehen geht. Wie stark sich Dynamo gegen Gewalt und Rassismus engagiert, findet kaum Erwähnung, Negatives schlachtet die Boulevardpresse genüsslich aus.

Dass die Fans dem finanziell notorisch klammen Klub aus der Patsche helfen, hat bei Dynamo Tradition. Als in der Saison 2003/04 die Suche nach einem Abnehmer für den Werbeplatz auf dem Trikot stockte, kauften die Anhänger fleissig Hemden mit der Aufschrift «Brustsponsor». So kamen 150’000 Euro zusammen. Geld, das wie Einnahmen aus diversen Spendenaktionen und Benefizspielen in den langen Jahren der Unterklassigkeit das Überleben der Sportgemeinschaft Dynamo sicherte. Die neue Vereinsführung ist nun auf gutem Weg, die Altlasten, die zu einem grossen Teil unter der chaotischen Herrschaft des hessischen Baulöwen Rolf-Jürgen Otto in den Neunzgerjahren enstanden, abzutragen. Sportlich ist die von Manager Steffen Menze und Trainer Ralf Loose umsichtig zusammengestellte Mannschaft auf bestem Weg. Der Klassenerhalt steht zehn Runden vor Saisonende praktisch fest. Kann Dynamo die entwicklungsfähige Mannschaft zusammenhalten, ist mittelfristig auch die 1. Bundesliga ein realistisches Ziel. Den Besitzern der TV-Rechte wäre dies mehr als recht: Den Dresdner Aufstieg in die 2. Bundesliga sahen im Mitteldeutschen Rundfunk rund eine Million Zuschauer.

Die Wunde von Bern

Alexander Kühn am Mittwoch den 7. März 2012

Als Christian Gross im Sommer 2011 seinen Job bei den Young Boys antrat, waren die Ziele klar definiert: Die Berner sollten endlich wieder Titel gewinnen und dem FC Basel den Rang als Nummer 1 des Landes ablaufen. Nach dem tristen 0:0 in Lausanne, das die «Berner Zeitung» als «grausames Fehlpassfestival» bezeichnete, ist nun aber sogar die Rolle als Nummer 1 im eigenen Kanton gefährdet. Der FC Thun, dessen Budget sich zu jenem der Young Boys in etwa so verhält wie ein Primarlehrer-Gehalt zum Salär eines Investment-Bankers, liegt bei einem Spiel weniger nur noch einen Verlustpunkt zurück.

Sollten die Thuner zum Ende der Saison tatsächlich vor YB stehen, können die Spieler von Christian Gross im Sommer statt in der Aare im Spott aus dem Oberland baden. Den jüngsten 1:0-Erfolg über Servette verdankt der FC Thun übrigens Christian Schneuwly. Dieser ist eine Leihgabe der Young Boys und hat in der laufenden Saison in 19 Spielen schon fünf Tore erzielt und sieben Assists gegeben. Sein Bruder Marco wechselte ebenfalls von YB ins Oberland und traf bis zum Servette-Spiel in jeder seiner inzwischen vier Partien im FCT-Trikot.

Noch ist es zu früh, endgültig den Stab über Christian Gross zu brechen. Zu viel hat der Zürcher in seiner Karriere schon erreicht, zu wenig lange dauert seine Amtszeit in Bern. Man kann aber mit Fug und Recht festhalten, dass die Nullnummer in Lausanne nicht am schlechten Zustand des Rasens lag, wie YB-CEO Ilja Kaenzig suggerierte, sondern an der Zusammenstellung des Kaders. Der schwache Auftritt, «Folterfussball» in den Augen eines Fans im Stadion, war nicht der erste seiner Art. Das ideenlose YB ist weit eher die Regel als das leidenschaftliche, das beim 2:2 gegen den FCB am 16. Februar sogar den Sieg verdient gehabt hätte.

In der letzten Transferperiode haben die Young Boys mit der Verpflichtung des teuren Argentiniers Raul Bobadilla von Borussia Mönchengladbach zwar den grössten Paukenschlag gesetzt, weiter sind sie deswegen noch lange nicht. Statt einem Knipser hätten sie wohl besser einen Ideengeber eingekauft. An denen fehlt es in Bern. Doch Fantasie galt unter Christian Gross noch nie besonders viel. Mit Bobadilla gab es in den letzten beiden Spielen genau null Tore, die persönliche Quote des Argentiniers steht bei einem Treffer in 443 Spielminuten. Ob er zu Emmanuel Mayuka passt, muss sich erst noch weisen. In Lausanne tat er es jedenfalls nicht. Bei Mayuka ist die Euphorie des Afrika-Cup-Triumphes mit Sambia erst einmal verpufft. Vielleicht hätte YB ihn nach seiner Rückkehr besser gleich spielen statt feiern lassen.

Während ein Fan im YB-Forum zur Erörterung von Christian Gross’ Zukunft ein sogenanntes Entlassungs-Toto eingerichtet hat, wünschen sich andere schon seinen Vorgänger Vladimir Petkovic zurück. Unter dem schweizerisch-kroatischen Doppelbürger gewannen die Young Boys zwar auch keine Titel, sie erwarben sich aber immerhin den Ruf, attraktiven Fussball zu spielen. Durchschnittlich 2,18 zu 1,38 Tore und 1,95 Punkte pro Spiel stehen aus dieser Epoche zu Buche. Das ist mehr als Gross von seinem Wirken im Stade de Suisse behaupten kann: Er steht bei 1,39 zu 0,96 Toren und 1,52 Zählern pro Match. Nach den Stationen Basel (1,99 Punkte/2,07:1,20 Tore zwischen 1999 und 2009) und Stuttgart (1,86 Punkte/1,94:1,36 Tore zwischen Dezember 2009 und Oktober 2010) manifestiert sich auch statistisch ein Abwärtstrend bei Gross. Gleiches gilt für YB: Wie der «Blick» unter dem Titel «Das mieseste YB seit 7 Jahren!» genüsslich aufführt, war selbst der ungeliebte Gernot Rohr in der Saison 2005/06 mit 1,70 Punkten im Schnitt besser.

Petkovic wäre nach seiner Freistellung beim türkischen Erstligisten Samsunspor Ende Januar für YB übrigens wieder verfügbar. Das im Entlassungs-Toto abgegebene Votum, Gross werde am 17. Oktober 2012 gefeuert, weil es an diesem Datum im Jahr 2005 auch schon Bidu Zaugg erwischte, dürfte sich trotzdem nicht erfüllen. Denn bei den Young Boys bilden der CEO und der Chefcoach eine Einheit. Ilja Kaenzig weiss genau, dass er sein eigenes Scheitern eingesteht, wenn er die Zusammenarbeit mit Gross beendet, schliesslich war er die treibende Kraft bei dessen Inthronisierung. Zudem würde die Entlassung des mit einem Vertrag bis Sommer 2014 ausgestatteten Fussball-Lehrers eine beträchtliche Stange Geld kosten.

Der einzige Berner Aufsteiger des Frühjahrs 2012 ist bezeichnenderweise ein Akteur, der bei Gross durchs Sieb gefallen ist: François Affolter. Der Verteidiger geniesst beim Bundesligisten Werder Bremen trotz noch schwankender Leistungen das Vertrauen von Trainer Thomas Schaaf. Wie der Schweizer Nationaltrainer Ottmar Hitzfeld, der Affolter nach dessen Patzern beim 1:3 gegen Argentinien in Schutz nahm und sogar noch lobte, glaubt Schaaf an das Potenzial und die Stärken des früheren YB-Juniors, der das Fussball-ABC einst beim FC Biel erlernte.

Alles, nur nicht Spanien!

Alexander Kühn am Samstag den 3. März 2012
Andres Iniesta jubelt über sein 1:0 im WM-Finale.

Spanien braucht mehr ernstzunehmende Gegner: Andres Iniesta jubelt über sein 1:0 im WM-Finale.

Vor dem Länderspiel zwischen Deutschland und Frankreich waren die Rollen klar verteilt. Hier die furchteinflössende Offensivmaschine von Bundestrainer Joachim Löw, die den Holländern Ende letzten Jahres eine 3:0-Ohrfeige verpasst hatte, dort die instabilen Franzosen, deren Nationalcoach Laurent Blanc den Gegner als Vorbild für seine Elf preist. Das Resultat spricht eine andere Sprache: Frankreich setzte sich mit 2:1 durch. Überaus verdient, absolut ungefährdet. Und das ist gut so! Nicht aus kleinstaatlicher Schadenfreude an der deutschen Niederlage, sondern deshalb, weil sich der Kreis der Titelanwärter an der Euro 2012 nun um eine Mannschaft erweitert hat.

Je grösser das Heer der potenziellen Königsmörder ist, desto besser. Denn nichts ist langweiliger als Fussball-Veranstaltungen, bei denen immer die Gleichen gewinnen. Das Motto an der Euro in Polen und der Ukraine heisst mehr denn je: Alles, nur nicht Spanien! Alles, nur kein Europameister, der sämtliche Spiele in der Knockout-Runde mit 1:0 gewinnt. Alles, nur kein Europameister, der mit klinischer Präzision einen verheerenden Schnitt in der gegnerischen Abwehr setzt und sich dann mit der Verwaltung des Resultats zufrieden gibt. Alles, nur kein Europameister, der zwar perfekt, aber langweilig spielt.

Die Spanier stehen im Verdacht, ein Team zu sein, das für Monotonie und Langeweile sorgt. Wider besseres Können. Sie sind nicht nur amtierender Welt- und Europameister, sondern auch Querpass-Könige. Bis sie nach dem unspektakulären Marsch zum Titel an der WM 2010 in Südafrika das Gegenteil bewiesen haben. In einem Ernstkampf, in dem es um Sein oder Nichtsein geht, nicht in einem Testspiel. Das jüngste 5:0 gegen Venezuela ist deshalb kein Gradmesser.

Frankreich rennt wie im WM-Final 1998

Bislang schien es so, als hätten nur die Deutschen die Möglichkeiten, um den Spaniern in die Parade fahren. Dazu vielleicht noch die nie zu unterschätzenden Italiener. Jetzt ist auf einmal auch Frankreich eine Option. Weil die Mannschaft des 98er-Weltmeisters Laurent Blanc über ein ganzes Arsenal von erstklassigen Individualisten auf dem Feld verfügt. Und weil die Franzosen nach der Revolte gegen den inzwischen geschassten Nationaltrainer Raymond Domenech nicht nur kleidungsmässig wieder eine Einheit sind. Die Equipe Tricolore hat den Glauben an sich, die Spielfreude und die Leidenschaft wiedergefunden. Gegen die Deutschen waren die Spieler so fokussiert wie einst die Elf, die im WM-Final 1998 die favorisierten Brasilianer 3:0 bezwang.

Das Signal ist klar: Wer sich vor dem Favoriten nicht versteckt, sondern das Schicksal in die eigenen Füsse nimmt, kann jeden schlagen. Auch die Deutschen, die in der EM-Qualifikation alle ihre Partien gewannen, und auch die Spanier, die mit Ausnahme des letztlich folgenlosen 0:1 gegen die Schweiz in Südafrika seit 2006 keine Turnierbegegnung mehr verloren haben.

4 x 1:0 = Weltmeister…

Deutschland wird den enttäuschenden Auftritt gegen Frankreich verkraften und an der Euro 2012 mit breiter Brust auftreten. Trotz der Pfiffe, die es in Bremen gegen die eigene Mannschaft gab. Trotz der nervösen Feststellung der «Bild»-Zeitung, Joachim Löws junge Mannschaft sei noch zu grün für den ganz grossen Erfolg. Vielleicht war das 1:2 in der Hansestadt sogar der sprichwörtliche Schuss vor den Bug im rechten Moment. Punkto Talent sind die Deutschen noch besser als bei den Triumphen an der WM 1990 und der EM 1996. Bastian Schweinsteiger und Philipp Lahm werden der Equipe jene Routine und Sicherheit geben, die gegen die Franzosen fehlte.

Der Fussball und die grossen Turniere brauchen Mannschaften, die in der Lage sind, die technisch und taktisch exzellenten Spanier mit Mut und Offensivkraft zu fordern. Mannschaften, die vor dem Furia roja nicht in Ehrfurcht erstarren und einen offenen Schlagabtausch provozieren. Nur wo Fehler passieren, kann es auch Spektakel geben. Der WM-Achtelfinal Deutschland – England (4:1) war so ein Spiel. Die Partien Spanien – Holland (1:0), Spanien – Paraguay (1:0) und Spanien – Portugal (1:0) waren dagegen so öd wie diese Auflistung. Nicht nur wegen den Spaniern, aber auch wegen ihnen. Tore und Dramatik sind das Salz in der Fussball-Suppe, nicht Kurzpässe im Mittelfeld.

Der Fluch auf dem U-17-Weltmeister

Alexander Kühn am Mittwoch den 29. Februar 2012


Im Alter von 20 Jahren steht ein Fussballer gewöhnlich erst am Beginn seiner Profilaufbahn. Das ist auch bei Nassim Ben Khalifa nicht anders. Mit einer kleinen Ausnahme: Ben Khalifa hat zu Beginn dieser Saison schon seine zweite Karriere in Angriff genommen. Nach den Stationen GC, VfL Wolfsburg und 1. FC Nürnberg sucht er nun bei den Young Boys nach einem Weg, sein enormes Potenzial abzurufen. So wie er es im November 2009 getan hat, als er mit den Schweizer U-17-Junioren in Nigeria sensationell zum Weltmeistertitel und in die Notizblöcke grosser Klubs aus dem Ausland stürmte. Der Wechsel nach Wolfsburg, wo der Druck wegen der fehlenden Fussballkultur weit geringer ist als anderswo in der Bundesliga, schien eigentlich ein vernünftiger Schritt zu sein. Und selbst wenn Ben Khalifa nicht nach Deutschland gewollt hätte, wäre er wohl transferiert worden, da die finanziell klammen Grasshoppers im Februar 2010 stark am Verkauf interessiert waren.

Wäre alles nach Plan gelaufen, würde Ben Khalifa heute Abend im Stade de Suisse als Leistungsträger der Schweizer Nationalmannschaft zum Testspiel gegen Argentinien auflaufen. In der Realität zählt er aber nur zum Heer der Zuschauer – dem argentinischen Superstar Lionel Messi zwar räumlich ganz nah, sportlich aber in einer anderen Galaxis. Das Nationalteam ist für Ben Khalifa derzeit Zukunftsmusik, selbst den Stammplatz bei YB hat er erst einmal verloren, da Trainer Christian Gross ihm zu Beginn dieses Jahres den international erfahrenen Raul Bobadilla vor die Nase setzte.

Im Sommer hatte sich Gross noch vehement für Ben Khalifas Verpflichtung stark gemacht. Doch der Fussball-Lehrer mit dem markanten Glatzkopf verzweifelte ebenfalls an der Diskrepanz zwischen Leistung und Talent bei Ben Khalifa. Die Ansprüche an einen Spieler mit derart exzellenten Anlagen seien extrem hoch, das erschwere dem jungen Mann den Alltag erheblich, bemerkte Gross. Vielleicht habe er Ben Khalifa, der nach einem Jahr ohne Ernstkampf nach Bern kam, auch zu stark forciert. Für den goldenen Mittelweg ist es nun wohl fürs erste zu spät. Spätestens seit dem 0:2 gegen den FC Luzern tickt auch für Gross die Wankdorf-Uhr. Experimente kann sich der Trainer kaum mehr leisten, er wird wohl vermehrt auf sein bewährtes Stratosphären-Pingpong mit hohen und langen Bällen setzen. Ben Khalifa passt schlecht in dieses Konzept.

Dass eine grosse Portion Talent und früher Ruhm eine schlechte Kombination sein können, zeigt sich längst nicht nur im Fussball. Auch der Tennisspieler Roman Valent, der 2001 das Juniorenturnier von Wimbledon gewann, bei den Grossen aber nie über Rang 300 hinauskam, kann ein Lied davon singen. Der grosse Coup auf der Nachwuchsstufe war für ihn ebensowenig wie für Ben Khalifa eine Triebfeder, sondern eine Hypothek. Ein Ausnahmetalent ist bei ausbleibenden Leistungen stets selbst sein härtester Kritiker. Der Teufelskreis aus Rückschlägen und Selbstzweifeln ist programmiert.

Durchbrechen lässt sich der Teufelskreis nur mit Geduld. Und mit der Bereitschaft, die Vergangenheit ruhen zu lassen. Auch ein Spieler, der schon einmal ganz oben stand, darf und muss Fehler machen, um zu reifen und sich zu stabilisieren. Nicht nur eine halbe Saison lang, sondern eine ganze. Die Karriere eines jungen Spielers verlaufe nicht immer linear, hat Christian Gross mit Recht bemerkt. Nun muss er die kluge Bemerkung nur noch in die Tat umsetzen. Ansonsten droht Ben Khalifa das zweite Grounding. Der Leihvertrag mit dem VfL Wolfsburg läuft im Sommer aus. Es lässt sich leicht denken, dass der Spieler lieber in der Super League spielen würde als in der tristen VW-Stadt im Reserveteam zu versauern. Ein Trainer ist nicht nur für die Geschicke seines Klubs verantwortlich, sondern auch für jene der Spieler. Er darf die Wörter «fördern» und «überfordern» nicht verwechseln. Auch bei einem Ausnahmetalent nicht.

Ein Hoch auf Heiko Vogels Geburtshelfer

Alexander Kühn am Samstag den 25. Februar 2012
Heiko Vogel

Seine Erfolge sind der verdiente Lohn für die FCB-Führung: Heiko Vogel. (Foto: Keystone)

Basels Trainer Heiko Vogel müsste in diesen Tagen eigentlich eigenhändig einen grossen Sack Läckerli mit einer Dankeskarte auf die Post tragen. Empfänger: Frank Arnesen, Sportchef Hamburger SV, Sylvesterallee 7, 22525 Hamburg. Arnesen ist neben FCB-Präsident Bernhard Heusler und dessen Sportkoordinator Georg Heitz der wichtigste Geburtshelfer von Vogels Karriere. Weil er dem FC Basel im vergangenen Oktober den damaligen Chefcoach Thorsten Fink ausspannte und weil er gleichzeitig darauf verzichtete, auch Vogel nach Hamburg zu locken. Ohne diese beiden Voraussetzungen wäre Heiko Vogel vielleicht ein ganzes Trainerleben lang die treue Nummer 2 geblieben, die ihren Chef glänzen lässt, ihr grosses Potenzial aber niemals unter Beweis stellen kann.

Als Fink weg war, besassen Heusler und Heitz den Mut, auf die interne Lösung Vogel zu setzen. Obwohl viele vom grossen FC Basel einen ebenso grossen Namen erwartet hatten. Heute verfügt Heiko Vogel über einen solch grossen Namen, auch und gerade in Deutschland. Wer den Bayern eine Niederlage beibringt, der ist jemand. Wenn er dieses Kunststück mit einem Klub aus der lange belächelten Schweizer Super League schafft, erst recht. Beim Rückspiel in München wird Vogel ebenso im Fokus stehen wie der künftige Bayern-Spieler Xherdan Shaqiri. Wenn sich ein bedeutender Klub in Deutschland in Zukunft nach einem neuen Trainer umsehen muss, wird der Wundertäter aus dem Basler St. Jakob-Park bestimmt nicht zuunterst auf der Wunschliste stehen.

Als Vogel im Sommer 2009 in Thorsten Finks Schlepptau nach Basel kam, war diese Entwicklung noch nicht einmal zu erahnen. Bei der Präsentation des neuen Trainertrios am 9. Juni jenes Jahres galt das Interesse der anwesenden Medienleute praktisch ausschliesslich dem international bekannten Fink und ein wenig noch Konditionstrainer Nikola Vidovic, einem ehemaligen Kickbox-Champion von entsprechend imposanter Gestalt. Der Dritte im Bunde, ein freundlicher kleiner Herr mit kupferfarbenen Haaren und wachen Augen, stand etwas verloren im Presseraum des St. Jakob-Parks. Wäre er nicht als Co-Trainer Heiko Vogel vorgestellt worden, hätte ihn manch einer vielleicht ganz übersehen.

Diese kleine Episode zeigt, wie sehr sich Entscheidungsträger und Journalisten im Fussball-Business bisweilen von Äusserlichkeiten in die Irre führen lassen. Wer still und leise seinen Dienst tut, und sei es noch so gut, dringt nur schwer ins Bewusstsein der Beobachter vor. Ein auffälliger Mann wie Fink, der zudem auf eine erfolgreiche Spielerlaufbahn zurückblicken kann, bekommt leichter einen Job als einer vom Schlage Vogels, dessen Charisma sich einem erst mit der Zeit erschliesst. Oft ist der zweite Mann aber genauso gut wie die Galionsfigur.

Heiko Vogel ist ein Beispiel hierfür, Joachim Löw ebenso. Der frühere Spielertrainer des FC Frauenfeld war in seiner Zeit als Jürgen Klinsmanns Assistent das taktische Hirn des Weltmeisters von 1990. Als er nach der WM 2006 selbst zum Bundestrainer aufstieg und das Spiel der DFB-Elf auf hohem Niveau stabilisierte, erkannte Fussball-Deutschland seine Bedeutung Schritt für Schritt. Heute würde im Land des dreifachen Weltmeisters niemand mehr Klinsmann an Löws Stelle setzen wollen. In Basel, wo der ausgezeichnete Fachmann Fink sich grosse Verdienste erworben hat, dürfte man mit Vogel sogar noch zufriedener sein.

Der Basler Champions-League-Held hatte wie Löw das Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Die Fans des FCB müssen sich aber nicht bei Fortuna dafür bedanken, dass Vogel auf der Trainerbank ihres Klubs sitzt, sondern bei Präsident Heusler und Sportkoordinator Heitz. Diese erkannten Vogels Qualitäten und widerstanden der Versuchung, einen berühmteren Mann zu präsentieren, um die Erwartungshaltung der Öffentlichkeit zu erfüllen. Mut ist ein grosser Teil des Erfolges im Fussball. Der FCB verkörpert ihn, bei seinen Einsätzen in der euopäischen Königsklasse genauso wie in der Vereinsführung. Vielleicht ist das Basler Märchen ja ein Ansporn für andere Klubs, internen Lösungen ein Chance zu geben.

Shaqiri und der Masochismus der Bayern

Alexander Kühn am Mittwoch den 22. Februar 2012
Shaqiri erzielt für Basel ein Tor, Dezember 2010.

Je schlechter es den Bayern ergeht, umso besser für Xherdan Shaqiri: Jubel nach einem Tor für Basel, Dezember 2010.

Wenn Xherdan Shaqiri heute Abend im Hinspiel des Champions-League-Achtelfinals gegen seinen zukünftigen Arbeitgeber FC Bayern über den Rasen des St.-Jakob-Parks wieselt, werden ihm nicht nur die Münchner Defensivkräfte ganz genau auf die Füsse schauen, sondern das ganze Stadion. Vom Schulkind auf der Tribüne bis zu Bayern-Präsident Uli Hoeness. Der Vergleich mit dem deutschen Rekordmeister ist für Shaqiri eine Art sportliche «Big Brother»-Veranstaltung, bei der er die Gelegenheit hat, im Kampf um einen Stammplatz im bayrischen Starensemble schon einmal tüchtig zu punkten und die Basler Fans von der uneingeschränkten Identifikation mit seinem aktuellen Klub zu überzeugen.

Kickt Shaqiri die Bayern aus der europäischen Königsklasse und bereitet ihnen die grösste internationale Blamage seit dem 0:4 im Europa-League-Spiel bei Zenit St. Petersburg vor vier Jahren, werden ihn die Münchner im Sommer besonders herzlich empfangen. Er wäre dann nicht das grosse Talent vom kleinen FC Basel, der in den Achtelfinals der Champions League am berühmten FC Bayern gescheitert ist, sondern der freudig erwartete Überläufer aus dem Lager eines gefürchteten Widersachers. Gewinner sind bei den Fussballweisen des FC Bayern hoch im Kurs, erst recht, wenn sie dem deutschen Rekordmeister schon einmal Schaden zugefügt haben. Nicht umsonst werben die Bayern gern die Schlüsselspieler der direkten Konkurrenz ab. Der Flirt mit dem Gladbacher Abwehrchef Dante ist das jüngste Beispiel hierfür.

Wer sich bei einem Klub wie den Bayern durchsetzen will, braucht nicht nur technische Fähigkeiten und Spielwitz, sondern auch eine besondere Aura. Erst recht, wenn es um die Vergabe der begehrten Plätze in der Offensive geht, für die Weltstars wie Mario Gomez, Arjen Robben, Franck Ribéry oder Thomas Müller zur Verfügung stehen. Bestimmt würde die Integration beim FC Hollywood Shaqiri leichter fallen, wenn er sich die Aura bei seiner Ankunft in Deutschland nicht erst aufbauen muss.

Das Worst-Case-Szenario für Shaqiri ist, dass die Bayern im kommenden Mai im eigenen Stadion die Champions-League-Krone gewinnen. Der alte Grundsatz «Never change a winning team» aus dem Mund des englischen Weltmeister-Trainers Sir Alf Ramsey würde es Trainer Jupp Heynckes und Manager Christian Nerlinger dann quasi verbieten, den arrivierten Flügelspieler Arjen Robben gegen den Springinsfeld Xherdan Shaqiri auszutauschen. Die Polemik im Falle des Misserfolgs würde die Stimmung rund um die Allianz Arena auf Monate hinaus vergiften.

Alex Frei sieht Shaqiris Zukunft ohnehin nicht im Offensivbereich. «Auf dem rechten Flügel wirst du eine gute Karriere machen. Entscheidest du dich aber dafür, linker Verteidiger zu spielen, wird dir eine Weltkarriere gelingen», rät er seinem Basler Teamkollegen im deutschen Fachmagazin «Kicker». Shaqiri wäre nicht der erste Spieler, der umfunktioniert würde. Der Norweger Jörn Andersen etwa war 1990 als Stürmer von Eintracht Frankfurt mit 18 Treffern der erste ausländische Torschützenkönig der Bundesliga. Als er Mitte 1995 in die Schweiz kam, um seine Karriere beim FCZ, Lugano und Locarno ausklingen zu lassen, wurde aus dem Stürmer Andersen ein Verteidiger.

Der Quell von Liebe und Leidenschaft

Alexander Kühn am Samstag den 18. Februar 2012

Fussball-Mannschaften sind wie Austern, Korianderkraut oder Gänseleber. Man liebt sie, oder man hasst sie. Doch was steht hinter den emotionalen Verstrickungen?

Grosse Emotionen: Alexander Schnetzler trifft am 30. Juli 2011 zum 4:3 n.V. im DFB-Pokal-Spiel Dynamo Dresden - Bayer Leverkusen. (Keystone)

Meine erste fussballtechnische Kindheitserinnerung sind die blauweissen GC-Trikots mit dem Werbeschriftzug des Autoherstellers Nissan auf der Brust. Alle meine männlichen Klassenkameraden trugen sie damals Mitte der Achtzigerjahre, nur ich nicht. Fussball, das war für mich als Sohn zweier Musiker ungefähr so wie Quantenphysik für einen Schimpansen. Kurz und gut: Ich verstand nicht das Geringste von der Leidenschaft meiner Mitschüler. Da ich auf dem Pausenplatz aber nicht abseits stehen wollte, musste auch ich ein Fussballtrikot haben. Welches es sein würde, das hielt ich für nebensächlich. Es wurde schliesslich eines des FC Zürich. Weil es so schön glänzte und ausserdem statt dem hässlichen Nissan-Aufdruck in hübscher Schrift für die Mineralquellen von Bad Lostorf Werbung machte. «Was, ein FCZ-Trikot? Die spielen doch in der Abstiegsrunde?», fragte der Verkäufer noch. Doch mir war es egal. Was wusste ein Sportartikelverkäufer schon über die Kleiderordnung auf dem Pausenplatz meiner Schule?

Er wusste ziemlich viel davon, wie sich später zeigte. Das FCZ-Shirt, zwar glanzvoll schimmernd, liess meine Popularität aber in den Keller sinken. Ich wurde in meinem neuen Gewand stets als Letzter gewählt, noch nach den dicken Kindern, nach denen mit dem Pflaster auf dem einen Brillenglas und nach den Mädchen, die gar kein Trikot besassen. Dass der FCZ wenig später dann tatsächlich auch abstieg, verschlimmerte die Misere. Aus Trotz hielt ich dem Klub dennoch die Treue, enttäuschte Liebe ist eben fast immer die heftigste. FCZ-Fan blieb ich bis zum Abschied des ehrwürdigen Präsidenten Sven Hotz im Dezember 2006. Der erste Meistertitel nach 25 vergeblichen Anläufen am 13. Mai jenes Jahres war gleichzeitig die Erfüllung meiner Träume und das Ende meiner Leidenschaft. Es war, als hätte ich eine jahrelang angehimmelte Frau geküsst und dann festgestellt, dass die Realität mit der idealisierten Vorstellung nur wenig zu tun hat. Inzwischen kann ich selbst das Zürcher Derby gegen GC vollkommen gelassen beobachten. Vielleicht sogar mit einem Funken mehr Sympathie für die Grasshoppers, deren Niedergang ich bedaure.

Heute schnellt mein Puls bei Fussballspielen nur noch in die Höhe, wenn Dynamo Dresden beteiligt ist. Jener Klub, dem ich mich in der Bundesliga-Saison 1991/92 mit Leib und Seele verschrieben habe. Wegen seines Namens (Dynamo war der einzige bedeutende Verein, der sich nach der Wiedervereinigung Deutschlands nicht von seinen Wurzeln distanzierte), wegen seiner Rolle als Stiefkind des deutschen Fussballs und wegen des notgedrungen kampfbetonten Spiels, das trotz aller Widerstände den Klassenerhalt sicherstellte. Wenn Dynamo gegen einen steinreichen Verein wie Bayern München oder die damals noch von Ottmar Hitzfeld trainierten Dortmunder gewann, war das für mich stets der ungemein befriedigende Beweis dafür, dass sich Herz gegen Geld doch durchsetzen kann. Dass sich ein Fan des FC Barcelona über den Gewinn der Champions League mehr freuen kann als ich über Dynamos Aufstieg in die 2. Liga, halte ich für unmöglich. Denn richtig tiefe Freude kann ein Fussball-Anhänger in meinen Augen nur dann empfinden, wenn er es gewohnt ist, regelmässig eins auf die Nuss zu bekommen.

Interessanterweise trennt sich die Welt der Fans dennoch in zwei Lager. Die einen unterstützen den Underdog und scheren sich im Grunde nicht um die Qualität des Spiels, die anderen schwärmen von den eleganten Spielzügen der grossen Stars, die in den Trikots von Barça, Bayern, Chelsea oder Manchester United über den Rasen schweben. Ihnen sind schöne Tore und atemberaubende Dribblings gewiss, kaum aber die grossen Emotionen, die den Fussball vom Tennis oder dem Kunstturnen so wunderbar abheben. Nicht umsonst ist vielen Menschen der EM-Triumph der dänischen Aussenseiter vor 20 Jahren noch immer näher als der mit klinischer Perfektion herauskombinierte WM-Sieg der spanischen Kurz- und Querpass-Armada vor zwei Jahren in Südafrika. Ich erinnere mich, dass ich den leidenschaftlichen Dänen 1992 im EM-Final ganz fest die Daumen gedrückt habe, obwohl sie dort gegen die Deutschen spielten, auf deren Seite ich gewöhnlich stand. Die Vollkommenheit des spanischen Tiki-Taka dagegen langweilt mich, so unobjektiv das auch sein mag.

Eine allgemein gültige Formel zur Erklärung von Abneigungen und Vorlieben im Fussball-Zirkus gibt es nicht. Ein Buch, in dem verschiedene Fussball-Fans in kurzen Episoden erklären, was ihr Herz für den Lieblingsklub entflammen liess, wäre aber eine wunderbare Sache. Deshalb an dieser Stelle ein Aufruf an Sie, liebe Mitglieder der «Steilpass»-Gemeinde: Erzählen Sie mir und den anderen Lesern, warum Sie Fan ihres Fussball-Teams sind und welche besonderen Erinnerungen Sie an dieses haben. Wie äussert sich Ihre Freude bei Siegen, wie der Frust bei Niederlagen?

Zum Schluss noch die Aufstellung meiner fünf schönsten Momente als Fussball-Fan:

1. Dynamo Dresden schafft im Mai 2011 durch ein 3:1 nach Verlängerung im Relegations-Rückspiel beim VfL Osnabrück nach sechs Jahren den Wiederaufstieg in die 2. Bundesliga. Weil ich zu Hause das Programm des MDR nicht empfangen kann, schaue ich das Spiel mit Kopfhörern auf der Redaktion und verheddere mich beim Jubeln heillos im Kabelsalat. Die Anwesenden zweifeln an meinem Geisteszustand, aber das ist mir egal.

2. Der FCZ, von dem ich dachte, dass er frühestens in meiner Zeit als AHV-Rentner wieder einen Meistertitel gewinnen würde, sichert sich am legendären 13. Mai 2006 durch ein 2:1 in Basel die Schweizer Fussballkrone. Als ich nach einer schlaflosen Nacht voller Jubel frühmorgens bei McDonald’s einen Big Mac bestellen will, versagt meine Stimme. Zum Klatschen beim Empfang der Mannschaft auf dem Helvetiaplatz reicht es aber locker.

3. Wieder Dynamo Dresden, diesmal aber im DFB-Pokal. Gegen den deutschen Vizemeister Bayer Leverkusen liegt Dynamo im Erstrundenspiel vom 30. Juli 2011 0:3 zurück. Ein 0:6 scheint näher als der Ehrentreffer. Dann schaffen die Spieler in den gelb-schwarzen Trikots vor den Augen des ungläubigen Publikums aber ein veritables Fussball-Wunder. Sie retten sich durch Tore von Sebastian Schuppan und Robert Koch in die Verlängerung. Dort schliesst der eingewechselte Verteidiger Alexander Schnetzler den entscheidenden Konter mit einem Lupfer der Marke Messi zum 4:3 ab. Es ist ein Spiel, wie es in einem Jahrzehnt höchstens einmal vorkommt.

4. Mit dem grossen Gilbert Gress an der Seitenlinie gewinnt der FC Zürich zu Pfingsten des Jahres 2000 im altehrwürdigen Berner Wankdorf den Cupfinal gegen Lausanne im Penaltyschiessen. Noch heute hängt in meinem Kleiderschrank das Trikot aus jener Saison mit einer persönlichen Widmung von Monsieur Gress. Infolge Besudelung durch Bratwurst- und Bierrückstände riecht es inzwischen etwas seltsam, ich befürchte aber, die Gress’sche Widmung könnte sich in der Waschmaschine in nichts auflösen.

5. Deutschland trifft im WM-Achtelfinal 1990 in Mailand auf den amtierenden Europameister Holland. Meine Sorgen, es könnte wie zwei Jahre zuvor bei der Euro eine Schlappe für die DFB-Elf setzen, was mir den Spott meiner Freunde eintragen würde, erweist sich als unbegründet. Obwohl sich Rudi Völler von Frank Rijkaard bespucken lassen muss und wie dieser die rote Karte sieht, gewinnt Deutschland 2:1. Der Triumph fühlt sich weit besser an als jener im Endspiel gegen die tapfer kämpfenden, bis auf Diego Maradona aber spielerisch limitierten Argentinier.