Wenn Mönchengladbachs Trainer Lucien Favre aufgeregt ist, dann schaut er wie ein Hamster, der weiss, dass er gleich eine schmerzhafte Behandlung beim Tierarzt hinter sich bringen muss. Gestern war Monsieur Favre besonders aufgeregt. Denn im Playoff-Hinspiel der Champions League gegen Dynamo Kiew erfüllten sich seine schlimmsten Befürchtungen. Das Spiel der Borussia fiel nach einer furiosen Startphase mit dem 1:0 durch Alexander Ring in sich zusammen. Die Stabilität ging flöten, die guten Aussichten auf das Erreichen der Gruppenphase ebenso. Statt 1:0 hiess es am Ende 1:3.
«Wir haben unser Rückgrat verloren», hatte Favre am Wochenende bedeutungsschwanger gesagt – dass er richtig lag, wird den Perfektionisten schmerzen. Mit dem Rückgrat meinte Favre die Erfolgsachse Dante – Neustädter – Reus. Jene Spieler, die vor ihren Transfers zu Bayern München, Schalke 04 und Borussia Dortmund massgeblich daran beteiligt waren, dass die Gladbacher überhaupt an der letzten Runde der Qualifikation zur europäischen Königsklasse teilnehmen dürfen.
Wer Favre gestern während der TV-Übertragung des ZDF beobachtete, musste leiden. Nach dem zweiten Gegentreffer wippte der Romand unruhig auf der Bank hin und her, um kurz darauf aufzustehen und mit schwindender Überzeugung Anweisungen an sein Personal zu geben. Auf eine vergebene Chance rund 20 Minuten vor Schluss reagierte er nur noch mit einem entnervten Kopfschütteln. Favre quälte, was jeder sehen konnte: Seine Mannschaft hat mit dem Spanier Alvaro Dominguez, dem Schweizer Granit Xhaka und dem Holländer Luuk de Jong zwar ein neues Rückgrat bekommen, dieses ist aber noch nicht ins Teamgefüge eingewachsen.
Das Beispiel von Favre, an dessen Fähigkeiten längst keiner mehr zweifelt, zeigt, wie hart eine Mannschaft und einen Trainer der Verlust eines oder mehrerer Schlüsselspieler treffen kann. Selbst wenn der Coach alles richtig macht und an die Stelle des alten ein neues, qualitativ ebenfalls hochwertiges Rückgrat einpflanzt, hat er einen übermächtigen Feind: die Zeit. Die Umstellung einer Mannschaft geht nicht von heute auf morgen vonstatten. Bei Borussia Mönchengladbach ebenso wenig wie beim FC Basel oder dem FC Luzern. Während Heiko Vogel in Basel trotz der gestrigen 1:2-Niederlage gegen Cluj weiter fest im Nest sitzt und den Neuaufbau des FCB vorantreiben kann, sind die Tage von Murat Yakin als Chefcoach des FCL viel zu früh gezählt.
Die Luzerner, die mit dem Problem kämpfen, Burim Kukeli und Nelson Ferrerira verloren sowie Dimitar Rangelov noch nicht integriert zu haben, folgten bei der Trennung von Yakin wohl mehr dem Druck der Fans und einem nervösen Aktionismus als sachlichen Überlegungen. Dass die hohen Ansprüche des früheren Nationalspielers keine vernünftige Zusammenarbeit mehr erlaubten, ist wenig plausibel. Ein Trainer, der einen Verein mit den Möglichkeiten des FCL zur Vizemeisterschaft und fast zum Cupsieg führte, kann in der Sommerpause nicht mir nichts, dir nichts ein schlechter Coach werden. Ein Traumtänzer schon gar nicht.
Etwas mehr Geduld und Verständnis für die schwierige Trainertätigkeit – her mit der Moralkeule! – wäre angebracht. Auch in Luzern, wo die neue Arena die Strukturen und Ressourcen des Clubs in verklärtem Licht erscheinen lässt. Bleibt zu hoffen, dass Yakins Nachfolger, der ruhige und oft unterschätzte Ryszard Komornicki, mehr Kredit geniesst als bei seinem ersten Engagement in der Zentralschweiz. Vor elf Jahren dauerte seine Amtszeit gerade einmal fünf Spiele. Auch er, diese Prognose sei gewagt, wird eine Weile brauchen, eher er dem FC Luzern ein neues Rückgrat eingesetzt hat.