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Die Berner Trainerfrage

Thomas Kobler am Dienstag den 30. April 2013


Im November letzten Jahres begab sich der damalige FC-Thun-Trainer und Albtraum jedes vierten Offiziellen, Bernard Challandes, auf einen Ausweg aus der Krise, den man als Trainer nie beschreiten sollte: Er fragte seine Mannschaft, ob sie noch weiter mit ihm arbeiten wolle. Die Stimmung war damals so schlecht wie der Tabellenplatz, und die Mannschaft sagte – wie der Computer in den «Little Britain»-Sketchen: «No».

Von einem Tag auf den andern standen die Berner Oberländer ohne Übungsleiter und der Übungsleiter ohne Berner Oberländer da. Im überschaubaren Biotop der allzeitbereiten Super-(League-)Trainer fiel die Wahl nach sorgfältigem Auswahlverfahren (Meynsch?) auf Challandes’ ehemaligen Nachfolger beim FCZ: Urs Fischer. Das hatte sich in der Zürcher Praxis eine Zeit lang ganz ordentlich bewährt, und weil der Oberländer von Haus aus pragmatisch ist, und der Zürcher auf dem Markt war, fand man sich nach den üblichen Verhandlungsrunden (Iou oder Ney?). Kurze Zeit später machte sich das Zürcher Urgestein zum Rückrundenbeginn hin auf den Weg in die Berge.

Flüchtete vor den kalten Bergwinden ins zugige Stadion im Tal: Anatole Ngamukol trifft jetzt für GC, im Bild gegen YB. (Keystone, 16. Februar 2013)

Flüchtete vor den kalten Bergwinden ins zugige Stadion im Tal: Anatole Ngamukol trifft jetzt für GC, im Bild gegen YB. (Keystone, 16. Februar 2013)

Wie viel man sich in Thun von Fischers Verpflichtung versprach, zeigte der Verein, indem er mutig seinen besten Stürmer Anatole Ngamukol zu den Grasshoppers nach Zürich ziehen liess. Dass der Oberländer aufs Geld schaut, ist nichts Neues, aber dass ihm auch Handelsbilanzen so am Herzen liegen, war mir neu. Die zwischen den Ständen Bern und Zürich war nach diesem Deal zumindest nominell wieder ausgeglichen.

Als Fischer in Thun antrat, standen aus 18 Vorrundenpartien 18 Punkte zu Buche, das Tabellenende lag sieben Punkte dahinter und der vierte Europa-League-Platz 14 Punkte voraus. Diese Situation hatte wenigstens die Zielsetzung des Clubs für den neuen Trainer ziemlich vereinfacht: Klassenerhalt um jeden Preis (aber kosten darf es – wenn möglich – nichts)! Wie glücklich Urs Fischer über den Anatole-Verkauf war, ist nicht überliefert, aber zum Trost und als Ersatz im Sturm bekam er den Finnen Berat Sadik. Finnen, die Brasilianer des Nordens – und kältebeständiger sind sie auch.

Weil Kontinuität bei kleinen Vereinen die Quadratur des Kreises ist, versucht man sie in Thun erst gar nicht anzustreben. Man sieht sich wohl eher als Feuerwerksclub der Liga. Glänzende Höhepunkte und dunklere Zeiten wechseln sich in munterer Reihenfolge ab. Die Höhepunkte der bisherigen Saison waren die Thuner Goalgetter: Lustrinelli sprang als Interimstrainer ein, Anatole traf in der Vorrunde, was die Fans nach seinem Abgang etwas schwarz sehen liess, und unter Fischer hat der weiter unten am Aarelauf oft verkannte Provinz-Ronaldo Marco Schneuwly gerade wieder rechtzeitig zu alter Treffsicherheit gefunden. Was die Fans mittlerweile wieder träumen und Res Gerber aufatmen lässt.

Thun träumt also süss, aber beim Kantonsrivalen sieht es weiterhin ziemlich düster aus – und noch scheint alles weiter den Bach runter zu gehen. Bauer schlägt Dame, ist man versucht zu denken, wenn man Berner ist. Dass die Städter, in ihrem jugendlichen, namensgebenden Übermut, den Oberländern aber ausgerechnet mit dem von ihnen geschassten Trainer entgegentreten wollen, ist eine dieser fantastischen Wendungen, die dieses Spiel so unbeschreiblich machen. (Notiz an mich: Vergeude ich sinnlos meine Zeit?)

FCB oder GC bei den Titeln ist eine spannende Frage, aber Thun vor YB mit Challandes mitten drin ist eine herrlich pikante. Gift oder Heilmittel – die ewige Trainerfrage. Welches von beiden wird Bernard Challandes im Berner Tauziehen sein?

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