
Das Spiel ist aus: Über die mit 8,5 Mio. Fr. verschuldete AC Bellinzona wurde der Konkurs eröffnet. (Bild: Keystone)
Der Fussball ist ein Spiegelbild der Gesellschaft! Kaum ein Satz wird so gerne zitiert wie dieser, wenn es darum geht, die Sünden, Fehler und Abgründe im mit Abstand grössten und beliebtesten, wichtigsten und grossartigsten Sport zu erklären.
Aber ist es wirklich so einfach?
Vermutlich schon, ja, und das ist nicht unbedingt ein beruhigendes Zeichen. Der Niedergang der AC Bellinzona jedenfalls zeigt mal wieder, was alles schief laufen kann im Fussball, wenn Inkompetenz auf Schlaumeierei trifft – und Grössenwahnsinniges im Sinn hat. Die Ziele und Erwartungen im Verein waren viel zu hoch, die Ausgaben korrespondierten schon lange nicht mehr mit den Einnahmen. Aber irgendwie geht es in den meisten Fussballklubs ja immer weiter. Besonders im Tessin. Da sind die Verträge noch ein bisschen komplizierter, die Anwälte ausgefuchster, die Funktionäre durchtriebener, die Regeln lockerer.
In der Super League hängen immer noch mehrere Vereine am Bankkonto vermögender Geschäftsleute, wobei die Brüder Andy und Hans-Ueli Rihs, welche die gesamte Misswirtschaft der unsäglichen Phase 3 bei den Young Boys in den letzten drei Jahren fast schon klaglos finanzierten, und Sions Zampano Christian Constantin die prominentesten Geldgeber sind. Und eigentlich ist es ja wunderbar, wenn tadellose Wirtschaftsgrössen wie Andy Rihs sich im Fussball engagieren und eigenes Geld zur Verfügung stellen, damit irgendwann ein Titel gewonnen werden kann – oder ein Stadion verkauft. Die Uefa aber will mit ihrem Financial-Fairplay-Ansatz dafür sorgen, dass Fussballvereine bald schon – grob erklärt – nur noch so viel ausgeben dürfen, wie sie einnehmen. Sonst können die Teams beispielsweise nicht am Europacup teilnehmen.
Dieses edle Projekt ist grandios zum Scheitern verurteilt. Erstens gibt es zu viele Schlupflöcher wie überdimensionierte Werbeverträge, mit denen Investoren ihre Clubs weiter nach Lust und Laune alimentieren können. Und zweitens müsste die Uefa ja bei strenger Handhabe der Regeln nahezu alle Spitzenklubs ausschliessen. Es sei denn, die Finanzmentalität der meisten Verantwortlichen ändert sich fundamental.
Bayern München und vielleicht Arsenal sind die einzigen kontinentalen Topvereine, welche unter den Financial-Fairplay-Umständen in den letzten zehn Jahren immer an der Champions League hätten teilnehmen dürfen. Spanische Vereine dagegen stecken mit Milliarden Franken im Minus, begünstigt durch lasche Behörden, unterstützt von dubiosen Politikern, gefördert von Steuererlassen, Schuldenschnitten, Geschenken. Viele Clubs röcheln in der Primera Division auf dem Sterbebett. Auch Barcelonas hohe Spielkultur tanzt nur auf Pump, und Real Madrid kann sich Stars wie Cristiano Ronaldo vor allem dank umstrittener Bauprojekte leisten.
In Italien sieht es nicht viel besser aus. Und Mäzene wie Inter Mailands Massimo Moratti haben teilweise insgesamt weit über eine Milliarde Franken in ihr Spielzeug gesteckt! Immerhin: Moratti wurde 2010 endlich Champions-League-Sieger und hat es damit seinem Vater, der als Inter-Präsident 1964 und 1965 im Meistercup triumphiert hatte, gleichgetan. Die Familienehre ist hergestellt. Koste es, was es wolle.
Denn darum geht es doch auch dem Fussballfan am Ende: Um Titel. Um Pokale. Um Siegesfeiern, Emotionen, Erfolge. Die allermeisten Chelsea-Fans stört der unsägliche Menschenhändler und Klubbesitzer Roman Abramowitsch längst nicht mehr. Hauptsache, er zahlt. Und: Chelsea wird Meister. Oder sogar Champions-League-Sieger. Dank Milliardeninvestitionen des russischen Chefs. Bei Manchester City wiederum haben Scheichs nach jahrzehntelanger Erfolglosigkeit mit ihren Ölmillionen für den rasanten Aufschwung gesorgt und einen Verliererclub zu einem Gewinnerclub hochgezüchtet. Das zählt für den fiebernden Anhänger. Und nicht positive Bilanzen, wirtschaftliche Vernunft, finanzielle Stabilität. Es ist wie: Kredit vor Sparbuch.
So ist das nun mal. Manchmal ist der Fussball halt ein Spiegelbild der Gesellschaft.
Und was will uns dieser Artikel nun sagen? Das sich die Clubs noch mehr verschulden sollen? Das es gut und toll ist einen Abramowitsch oder illustre Scheichs zu suchen, die mit ihren Millionen oder gar Milliarden die Clubs dann schon wieder sanieren und gleichzeitig Mannschaften aufbauen, zu denen die Fans keinen Bezug mehr haben, da keine “eigenen” Spieler mehr in der Mannschaft sind?
Wenn das die Zukunft sein soll, ja dann gute Nacht schöner Fussball.
hmm…, schuld an der neuerlichen misere im tessiner fussball ist nur der gotthard. er verhindert, dass sich unsere lateinischen landsleute am einwandfreien finanzgebahren – sagn’ mer mal – von den bayern und deren präsident ein beispiel nehmen könnten. ein dickes festgeldkonto bringt wahrscheinlich den cl-titel dies jahr und ein dickes vontobel-konto womöglich eine entschlackungskur in einer dafür besonders geeigneten institution.
nein, der unverstellte blick nach süden und auf die serie a verführt und blendet unsere südschweizer lokalmatadoren so wie uns wintergeschädigte die verheissungen italienischer strände und ihrer schönheiten. dass dabei alleine die mailänder wirtschaftskraft die des ganzen tessins bei weitem übersteigt, wird dann von den geblendeten regelmässig übersehen. und im norden verstellt der berg den blick. was für eine falle.
Gegen modernen Fussball! Fans schauen sehr wohl nicht nur auf den Rasen. Die Farben zählen und damit soll man sich identifizieren können. Die oben genannten Clubs haben schon lange keine Fans mehr sonder nur Konsumenten ohne Seele.
Danke! Ist ja immer wieder lustig, wie 80% der Leute ihren Verein bereits nach einer kurzen Baisse wieder verlassen. Oder welcher Otto-Normalbürger supportet heute denn noch Liverpool, den CL-Sieger von 2005? Klar, sollte sich der Erfolg wieder einstellen, tauen sie ihre “Liebe” zum Verein wieder auf und waren schon ewig LFC-Fan.
Genau jene Fans würden im Falle der Durchsetzung der neuen Regeln einfach zum nächstbesten Verein weiterziehen. Die schätzungsweise 20% wahren Fussballfans in unserer Gesellschaft jedoch, die wären wahrscheinlich den Obrigkeiten auf ewig dankbar. Dankbar dafür, dass sie endlich wieder etwas ehrlicheren FUSSBALL geboten bekommen.
In diesem Sinne stimmt das Fazit eben schon, der Fussball ist ein Spiegelbild unserer geldgeilen Gesellschaft.
Herr Ruch, sie mögen recht haben, Geld macht den Fussball kaputt. Jedoch unterstellen Sie Roman Abramowitsch Menschenhandel. Gibt es hierzu irgendwelche Beweise?
Das ist eine scherzhafte Umschreibung, es geht um Abramowitschs Transferpolitik, nicht um Zwangsprostituierte oder dergleichen 😉
Genau diese Einstellung führt dazu, dass sich viele vom Fussball abwenden. Wer kann sich schon für eine Mannschaft begeistern, wenn diese zusammen gekauft ist und die Söldner nur auf eine noch besser bezahlte Stelle warten? Viele und ich behaupte die meisten wünschen sich die Zeiten zurück, wo eine Manschaft noch ein Herz hatte und die Entwicklung der einzelnen Spieler mitverfolgt werden konnte.
Dieser Artikel spricht den Kern des Problems gar nicht an… Die sogenannten Geldgeber legen das Geld oftmals gar nicht auf den Tisch. Sie sprechen nur Garantien für die Klubs aus, mit welchen diese dann höhere Schulden bei den Banken eingehen können. Weiter werden die Spieler mit hohen Gehältern langfristig an die Vereine gebunden, wobei nur schon die Löhne nicht mit den ordentlichen Einnahmen bezahlt werden können, selbst wenn dabei der Champions League Titel herausspringt. Wendet sich dann einer der sogannten Geldgeber vom Klub ab, gibt es nur zwei Möglichkeiten: Konkurs oder einen neuen Geldgeber finden, was die Abhängigkeit noch mehr erhöht. Dieses Muster erinnert doch stark an die momentane Finanzkriese. . Vor dem Ausbruch hat auch jeder gesagt: “Lasst die Länder doch mehr Schulden machen. Dies ist ja nicht so schlimm, da diese ja eh nicht bankrott gehen können.”
“In der Super League hängen immer noch mehrere Vereine am Bankkonto vermögender Geschäftsleute,…”
Wie bitte? Mehrere? – Nein: alle!
Im und mit dem Fussball machen ein paar wenige Kohle auf Kosten vieler. Per saldo funktioniert der Schweizer Spitzenfussball nur mit Mäzenen und Staatshilfe. Was Herr Ruch nämlich verschweigt: Die Klubs bedienen sich auch beim Staat. Der soll nämlich Fussballstadien hinstellen (aber, seufz, gefälligst solche ohne Zugluft und Leichtathletikbahn…), Billettsteuern erlassen, Stadionmieten halbieren, Hooligans im Zaum halten, nach dem Bankrott die Sauerei aufräumen…
Die Medien haben gar kein Interesse, genau hinzuschauen. Die Liga noch viel weniger. In der ChL gibts Clubs, die ihre Spieler vom RAV bezahlen resp. mitbezahlen lassen. Warum wird der Pleitier Giulini nicht näher angeschaut? Gabs da Gläubigerbevorzugungen? Spielerlöhne, die im Voraus bezahlt wurden? Am Schluss erhalten wieder alle die Lizenz – und in spätestens einem Jahr gibts einen neuen Konkurs.
Mit solch einer Argumentationslinie kann immer alles gerechtfertigt werden. Es ist die sattsam bekannte Argumentationslinie für die nicht nur wir Schweizer, aber gerade wir Schweizer sehr bekannt sind. Sie ist geprägt durch Wegschauen, Weghören und Nichtstun und wird heuchlerisch damit begründet, dass man halt realistisch sein müsse, weil die Welt so sei wie sie sei. Dann müssen wir uns aber auch nicht wundern, wenn in anderen Zusammenhängen, die Courage sich zu widersetzen ebenfalls fehlt. Die Welt ist aber nicht einfach nur so wie sie ist, sondern auch, weil mein zulässt, wie sie ist.
Es ist so wie überall. Der Markt bestimmt die Regeln. Der Fussballer möchte während seiner kurzen aktiven Zeit bei möglichst bekannten Vereinen spielen. Dem gegenüber stehen die Vereine, die ihren Sponsoren Erfolge bringen müssen um diese zu halten. Es wird aber auch niemand zu etwas gezwungen. Und so gehen dann bei den Erfolglosen die Lichter aus. Sentimentalitäten sind hier wohl fehl am Platz.