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Zwischen Tschernobyl und Champions League

Alexander Kühn am Mittwoch den 7. November 2012
Blaues Wunder in der Königsklasse: BATE Borissow ärgert mit einem Etat von 8 Millionen Dollar die Grossen Europas.

Blaues Wunder in der Königsklasse: BATE Borissow ärgert mit einem Etat von 8 Millionen Dollar die Grossen Europas.

Weissrussland als gelobtes Land zu bezeichnen, wäre ein wenig gar zynisch. Die frühere Sowjetrepublik leidet gleichermassen unter ihrem autokratischen Staatschef Alexander Lukaschenko wie unter den Spätfolgen der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl. Fussballerisch bietet die letzte Diktatur Europas aber ein erstaunliches Beispiel dafür, dass man auch ohne das ganz grosse Geld den ganz Grossen auf die Füsse treten kann: BATE Borissow.

Das Champions-League-Überraschungsteam, das seinen Namen einer Fabrik für Auto- und Traktorelektronik verdankt und die Meisterschafts-Heimspiele in einem Stadion für lediglich 5402 Zuschauer austrägt, ist das Fussballprojekt mit dem besten Preis-/Leistungsverhältnis in Europa. Ein Anti-Red-Bull-Salzburg sozusagen. In der laufenden Saison schaffte es BATE sogar, den grossen Bayern eine Niederlage beizubringen. Mit einem Etat, der bei Real Madrid wohl gerade für die Deckung des Haargelbedarfs der ersten Mannschaft reichen würde. Er soll bei 8 Millionen Dollar liegen.

Obwohl es für Borissow in der Partie nach dem 3:1-Triumph über die Bayern eine 0:3-Niederlage gegen den FC Valencia setzte, befinden sich die Weissrussen vor der heutigen Revanche gegen die Spanier noch immer auf Kurs Richtung Achtelfinals. Der Vorstoss unter die besten sechzehn Europas wäre ein weiterer Meilenstein für BATE-Präsident Anatoli Kapski. Der Chef des gleichnamigen Unternehmens führt den Verein mit ebenso strenger Hand wie Lukaschenko sein Land, allerdings mit weitaus besseren Ergebnissen. Mitte der Neunziger Jahre übernahm er den heutigen Favoritenschreck als Zweitligisten; mit zäher Energie sowie einem gut strukturierten Nachwuchssystem, einer langfristigen Ausrichtung und dem Anspruch, kostendeckend zu arbeiten, formte er ein kleines Fussball-Wunderland.

Er spielte schon beim FC Barcelona: Alexander Hleb ist der Star im Team der Unbekannten.

Er spielte schon beim FC Barcelona: Alexander Hleb ist der Star im Team der Unbekannten.

Betrachtet man den Kader von BATE Borissow, fällt auf, dass mit dem Brasilianer Maycon, dem Serben Marko Simic und dem Armenier Zaven Badoyan lediglich drei Ausländer zum Kader des erst 35-jährigen Trainers Viktor Gontscharenko zählen. Angeführt wird das Heer der im Westen Unbekannten von Alexander Hleb, der unter anderem die Trikots des FC Barcelona und des FC Arsenal trug. Gontscharenko, dessen Vater wie jener Hlebs bei den Aufräumarbeiten in Tschernobyl gesundheitliche Schäden erlitt, geniesst das volle Vertrauen Kapskis. Dessen Maximen lauten: 1. Vertraue deinem Coach. 2. Verfalle nicht in Panik. Sechs Meistertitel in Folge sind der Beweis dafür, dass der Präsident die Dinge richtig sieht. Eine moderne Arena für 15’000 Zuschauer ist sein nächstes Projekt.

Mit 35 Jahren schon Sieger über die Bayern: BATE-Trainer Viktor Gontscharenko ist der Stratege hinter den Erfolgen.

Mit 35 Jahren schon Sieger über die Bayern: BATE-Trainer Viktor Gontscharenko ist der Stratege hinter den Erfolgen.

Trainer Gontscharenko schwärmt von der Einheit seines Teams und von den gesunden Beziehungen zwischen den Menschen, die bei BATE engagiert sind. «Wir sind in einem ständigen Prozess des Forschritts», so der frühere Verteidiger. «Dieser betrifft unser Trainingsgelände, das Stadion, die Mannschaft, die Entwicklung innerhalb des Teams.» Den Erfolg verdanke der weissrussische Champion dem grossen Hunger nach neuen Erkenntnissen und dem Eifer der Spieler.

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9 Kommentare zu “Zwischen Tschernobyl und Champions League”

  1. de Philippe sagt:

    Arsenal, Herr Kühn, nix Chelsea. Hleb war bei Stuttgart (beim ersten Mal) richtig gut, danach nur noch kürzer mal bei Arsenal. Das hat sogar Philippe Senderos geschaft.

  2. Mike S. sagt:

    Hleb spielte nie bei Chelsea. Es ist wohl Arsenal gemeint.

    Und es ist einfach eine Mannschaft aufzubauen, wenn man nationale keine Konkurrenz hat. Das einzige Problem ist die ständige Änderung zwischen Favorit (nationale Liga) und Aussenseiter (Champions League).
    Wenn man sich die Spielweise anschaut, sieht man dass bei BATE vor allem Standards, Doppelpässe und das Verteidigen des eigenen Strafraums trainiert werden. Die Spieler werden sich nicht gegen dieses monotone Training wehren, sonst schickt sie Lukaschenko in ein Straflager.

  3. Franz sagt:

    Geografisch scheint da einiges durcheinandergeraten zu sein. Tschernobyl liegt in der Ukraine, zwar an der Grenze zu Weissrussland, aber näher bei Kiew als Minsk, die Hauptstadt von Weissrussland. Borissow liegt ganz in der Nähe von Minsk. Kiew wäre also viel stärker betroffen von der AKW-Katastrophe als Borissow.

    • Peter Meier sagt:

      Da der Wind nach Norden wehte, ist Weissrussland viel stärker von der Belastung betroffen als Kiew und Umgebung. Er schreibt ja auch von Weissrussland, und nicht von Borissow. Warum kommentierst du etwas, was du nicht gelesen hast?

      • Franz sagt:

        OK. Auch Österreich war betroffen, nebenbei gesagt. Und natürlich die Ukraine. Nur ist das kein Thema, wenn über Dynamo Kiew geschrieben wird. Oder wenn dort die EM stattfindet.

  4. Pat Znuk sagt:

    Ich denke, man sollte mit Budgetangaben über Vereine vorsichtig sein. Oft stimmen diese nicht oder können gar nicht stimmen, wenn man sich dann jeweils die Teams anschaut. Das gilt wohl für Bate (Budget: 8 Mio. Dollar mit Hleb im Team?!) sowie auch für Apeol letztes Jahr. Richtig scheint mir, dass diese Clubs in der CL immer noch aus relativ wenig relativ viel machen. Wenigstens eine Spielzeit lang. Aber so tief, wie die Budgets angegeben werden, sind sie meiner Meinung nach in der Realität auch wieder nicht. Die guten Spieler spielen auch in Zypern oder Weissrundland nicht, weil da die Sonne scheint und die Menschen so freundlich sind.

  5. Paul Summermatter sagt:

    Ganz üble Recherche. 8 Mio. sind ein Witz wenn Hleb in Stuttgart nahe 4 Mio erhielt.

    Auch die Geschichte mit dem neuen 15’000 er Stadion. Bate Borisov spielt im Nationalstadion von Minsk mit 40’000 Zuschauer mit 400 m Tartanbahn – und wenn die Bayern geschlagen werden ist die Stimmung dort Spitze.

    Nur weil Hr. Kuhn keinen Spieler in der Russischen oder Weissrussischen Liga kennt heisst das noch lange nicht, dass das Nobodys sind. Fussballtradition haben die Weissrussen seit langer Zeit und Sie gelten auch als relativ grosse Sportnation.
    Die Einteilung von Fussballnationen in “Nobodys” von jemandem aus der Schweiz ist ein ganz grosser Witz.

    • Nicolas sagt:

      würde der lieber Hr. Kuhn nur die Weiss-/Russischen Liga nicht kennen, wäre dieser Steilpass-Blog viel angenehmer zu lesen, oder allgmein alle Artikel aus seiner Feder… dieses Wissen hätte man einfach durch allgemeinwissen, UDSSR war eine starke Sportnation, wettmachen können und sonst hätte Google keine Minute gebraucht um passable Antworten auszusupcken.

    • Daniel sagt:

      Schwacher Blog!!!! Schuster bleib bei Deinen Leisten.