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Künstler, lasst den Fussball in Frieden!

Alexander Kühn am Samstag den 4. August 2012
(Bild: Screeshot SF)

Fasst die Spiele der Super League rappend zusammen: Räpper Schmed. (Bild: Screenshot SF)

Haben Sie sich auch schon gefragt, was zum Geier dieser merkwürdige Rapper mit dem Zettel und der Mütze soll, der nach den Super-League-Übertragungen des Schweizer Fernsehens jeweils herumhampelt und das Spiel in ein paar Sekunden zusammenfasst? Hat der Zuschauer zuvor nicht mit eigenen Augen gesehen, was passiert ist? Und reicht es nicht, wenn er sich die wichtigsten Szenen später im «Sportpanorama» noch einmal anschauen kann? Offenbar nicht: Sport und Kultur müssen nach dem Willen der TV-Strategen auf Teufel komm raus zusammengepfercht werden. Sauglatt muss die Sportberichterstattung sein, auch wenn die Zusatzleistung kein Schwein interessiert.

Dabei sollte sich doch langsam herumgesprochen haben, dass Musik und Fussball in etwa so gut zusammenpassen wie Bismarckhering und Vanillepudding. Die wenigen Ausnahmen – «You Never Walk Alone» oder «Football´s Coming Home» etwa – bestätigen nur die Regel. Ganz furchtbar lang ist sie, die Liste der grauenhaften Kinder, die den Zwangsvermählungen der beiden Pole menschlicher Vergnügung entsprungen sind. Gott – oder wenigstens der Papst – möge uns davor bewahren, dass sie noch länger wird.

Da gibt es den erbärmlichen Gesang der deutschen Nationalmannschaft unter der Ägide von Udo Jürgens vor der WM 1990, bei dem man sich eine Berliner Mauer aus Oropax herbeiwünscht, oder die katzfalschen Klagelaute des jungen Franz Beckenbauer aus den finsteren Siebzigern, als auch Heintje die akustische Toleranz von Mensch und Tier auf die Probe stellte. Schon beim blossen Gedanken zieht es einem die Gedärme zusammen. Zugegeben: Das sind Extrembeispiele, aber viel besser sind auch die Vereinshymnen, die bis heute durch die Stadionlautsprecher dudeln, nicht.

Mein Lieblingsclub Dynamo Dresden pflegt mit «Der zwölfte Mann» immerhin noch ein wenig das Liedgut der untergegangenen DDR. Ein platter Schlager ist das Stück, mit einem noch platteren Text, aber irgendwie rührend unprätentiös. Einen Ehrenplatz im Olymp der musikalischen Scheusslichkeit hat der FC Bayern verdient. In München beschränkt man sich nicht darauf, deutscher Rekordmeister zu sein, man möchte auch auf dem Gebiet der akustischen Gemeinheiten führend sein. Und so haben die Bayern gleich zwei Lieder, mit denen sie Freund und Feind bei ihren Spielen triezen können: «Stern des Südens» und «FC Bayern, Forever Number 1». Letzteres Kunstwerk ist sogar noch als sogenannte Klassikversion verfügbar – ein Tritt ins Trommelfell. Das lässt sich erst nach der fünften Mass Bier vom Stadion-Caterer halbwegs ertragen. Vielleicht sind die Bayern ja deshalb so reich.

Wegen all der Unbill, die ich durch die Zusammenführung von Musik und Fussball schon erfahren habe, bin ich kürzlich auch beim Zeitunglesen gehörig zusammengezuckt. Der deutsche Sänger Jan Delay, so war in einer Agenturmeldung zu lesen, habe für seinen Herzensclub Werder Bremen eine ganz tolle Hymne komponiert. Sie liege bereits fertig in der Schublade und warte sehnlichst auf ihre Veröffentlichung. Diese werde aber erst erfolgen, wenn Werder wieder richtig geilen Fussball spiele. Im letzten Jahr waren die Bremer nämlich nur Neunter. Ich hoffe sie werden 2012/13 höchstens Zehnter. Denn leider fehlt der Welt ein Mann wie Gottlieb Theodor Pilz aus Wolfgang Hildesheimers «Lieblosen Legenden», der seine Aufgabe darin sah, Künstler von unnötigen Werken abzuhalten.

PS. Ich bin mir durchaus bewusst, dass mancher Leser auch diesen Beitrag, obwohl nur Spott und keine Kunst, unnötig finden wird. Doch unliebsame Texte haben gegenüber unliebsamer Musik einen entscheidenden Vorteil. Sie sind so still wie ein Fisch in der Tiefkühltruhe.

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21 Kommentare zu “Künstler, lasst den Fussball in Frieden!”

  1. manu sagt:

    Nein, nein, nein. Das kann man so nicht stehen lassen! Ich hab an dieser Stelle bereits vor Monaten meine Liebe zu “Mexico Mi Amor” kundgetan.
    Aber nicht nur dieses Juwel der Musikgeschichte macht das Fanleben besser. Welcher Kunstliebhaber könnte der Dänischen Nationalmannschaft und ihrem “vi er røde vi er hvide” widerstehen? Und die Nöggi Hymne “Numme GC” macht die selten gewordenen Heimsiege grad doppelt so süss.
    Wo in aller Welt kämen wir hin, wenn denn Kunst nur noch gut oder gar wichtig sein dürfte…

  2. Nino sagt:

    Jedem Club seine Hymne finde ich gut. Vor den Spielen müsste man den Zuschauern sogar noch mehr Entertainment bieten, so wie ich das aus den USA kenne, das ist alleine den Eintritt wert. Die Sportschau ohne Rapper finde ich auch gut, mit Rapper nur peinlich und schmerzlich, da fällt auch mir einfach nur das Herz in die Hose und meine Eingeweide beginnen sich zu verkrampfen.

  3. chris sagt:

    schmed ist super…

  4. Ian sagt:

    haha, herrlich.

    also dieser räpper bei SF ist echt schlimm. nicht seine künstlerische performence ansich, sonder das format. verspühre echt fremdscham.

    und da gibts noch so ein schlag in die magengrube des gehörgangs und zwar “hamburg meine perle” vom HSV, gaaaaaaanz schlimm!!!!! da steht dann so ein typ unten auf dem rasen mit gitarre und mikro vor der fankurve und trälert dieses grauenhafte lied. und das schlimmste, mit gefühlten 200dB wird der gästesektor dammit malträtiert

    • siegmaennchen sagt:

      ….das ist doch der song, in dem die gästekurve ganz laut HA HA HA HSV mitsingt. Immer noch topaktuell, das liedchen…

  5. Elvis Caíno sagt:

    Wie recht du hast mit Nöggis Lied, werter manu. Eines der adequatesten Lieder das je zum Thema komponiert wurde.
    In diesem Sinne: “Di Andre singed sicher au nöd schlächt, aber s’nützt nä nüt, aber s’nützt nä nüt,….”

  6. Henry sagt:

    Fussball braucht die Hymnen. Was wäre ein Dortmund-Spiel ohne “Leuchte auf mein Stern Borussia”. Irgenwie sollten die Leute vor dem Spiel doch auch unterhalten werden, diese Kultur fehlt im Schweizer Fussball. Was jedoch SF DRS mit dem Rapper bietet, passt zur unsäglichen Berichterstattung mit diesen Möchtegern-Komikern als Moderatoren.

  7. Carlo sagt:

    … da lob ich mir den FC Augsburg, der die Heimtore seines Klubs jeweils mit der Eingangsmelodie zur «Augsburger Puppenkiste» bejubelt – sonst keine Musik. Reicht doch, oder?

  8. Thomas Läubli sagt:

    Der Titel ist falsch. Es muss heissen: «Entertainer, lasst den Fussball in Frieden!» Und denen, die das geschrieben haben, rufe ich zu: «Hört auf, uns Künstler zu Entertainern zu degradieren, und nennt die Sachen beim richtigen Namen!»

  9. Reto Markofer sagt:

    …ich warte nur noch darauf, dass Sascha Ruefer im Duett mit Monika Fasnacht vor einem Nati-Spiel a capella die Nationalhymne singt.

    • ena5 sagt:

      Du sprichst mir aus dem Herzen! Ich hasse nichts mehr als singende Moderatoren! Das ist einfach oberpeinlich. Noch peinlicher als die Hymnen von Fabienne Louves, Sarah Connor oder Sarah Jane! Vorsicht, Nerv-Moderatrice Steffi Buchli hat in LA Gesangsstunden genommen bei der Gesangstrainerin von Rihanna. Die Bevölkerung nahm schon genügend Anteil an ihrem Rückentatoo und den extravaganten Outfits an jedem Käfer-Fest. Ich wette, bald foltert sie uns mit einem Gesangsauftritt. Ihr erster Versuch auf Radio Energy (“Somethin in the water”) ging schon mal voll in die Hosen!

  10. M.Liechti. sagt:

    WAS HABEN SIE SCHON WIEDER FÜR EIN PROBLEM MIT DEM FC.BAYERN UND DEM STERN DES SÜDENS.ABER NEID MUSS MAN SICH ERARBEITEN.DER ERFOLGREICHE TRADITIONSCLUP WIRD IMMER EINE ANGRIFFSFLÄCHE FÜR ZUKURZGEKOMMENE BLEIBEN.LIEBE GRÜSSE AUS DEM SCHÖNSTEN BUNDESLAND.
    M.LIECHTI

    • bulivo sagt:

      Vielleicht mal kurz Caps-Lock drücken..vielen Dank!

      Neid? Auf was denn? Alle möglichen Vize-Titel?

  11. Lars Grossniklaus sagt:

    SFDRS würde das Geld für den Rapper lieber in Libero Vision investieren. So würden sie es evtl. mal mit einem vernünftigen Sportbericht klappen, bei welchem nicht einfach nur Musik unterlegt wird sondern auch detailiert die taktische Ausrichtung der Mannschaften untersucht wird. Aber das bleibt wohl eher ein Wunschtraum.

  12. Hans sagt:

    Da fehlt aber noch ein weiteres Highlight:
    Buenos Dias Argentina von Udo Jürgens mit der deutschen Fussball-Nationalmannschaft von 1978:
    http://www.youtube.com/watch?v=vY7nwHy1yUg

  13. AJ sagt:

    Klar, als YB-Fan muss ich ja sowas schreiben: aber mit “Hüt hei si wiedermau gwunne” von Züri West gibt es doch auch in der Schweiz eine vernünftige (Sieges-)Hymne. Sie wurde im Wankdorf letzthin leider nicht mehr so häufig gespielt, wie auch schon…. :/

    Was den SF-Rapper betrifft, da ist jedes Wort darüber eines zuviel.

  14. Jack Stoffel sagt:

    In den 1960er Jahren gabs beim FC Basel einen ziemlich guten Stürmer namens Frigerio, der, wenn ich mich recht erinnere, nebenbei auch sang. In der sonntagnachmittäglichen Sportsendung auf dem damaligen Mittelwellen-Radiosender “Puuremünschter” wurde ab und zu eine italienische Schnulze von ihm abgespielt – speziell dann, wenn er wieder mal getroffen hatte. Ich kann mich auch dunkel an einen YB-Song erinnern: “Häbed ech am Bänkli, häbed ech am Bänkli, YB macht ech iez es Gschänkli…” – Mir sind solche Episoden immer noch lieber als dieses stupide Schlachtgebrüll mit Vernichtungsvokabular in den Stadien. Nur böse Menschen haben keine Lieder!

  15. Thomas Paine sagt:

    You’LL never walk alone, bitte 🙂

    Bei “Künstler und Fussball” kommen mir immer Freestyle Football und Soufiane Touzani in Sinn, der beides (meist auch mit passender Musik) verbindet. Einfach mal auf youtube eingeben und geniessen!

  16. ena5 sagt:

    Artikel stilistisch schön geschrieben, aber inhaltlich zu wenig objektiv. Beckenbauers “Gute Freunde kann niemand trennen” stammt von Mitte der 60er-Jahre. Auch wenn Franz kein Stimme hatte wie Jürgen Marcus, ist die Melodie ein Stimmungsgarant auf jeder Fussballparty! Wirklich extrem schlecht gesungen hat nur Gerd Müller (“Dann macht es bumm!”). Kevin Keegans “Head over Heels in Love” von 1979 ist einer meiner Lieblingssongs. Smokie-Frontman Chris Norman hat diesen auf Kevins Leib geschrieben. Wunderschöne Melodie – auf Deutsch gecovered von Schlagersuperstar Chris Roberts mit “Hals über Kopf verliebt”. Wer diesen Song doof findet, der soll sich zu Hause experimentellen Modern Jazz anhören auf DRS2!

    Kühns Beispiel von “Wir sind schon auf dem Brenner” anno 1990 ist nun wirklich die schlechteste Nummer aus der gesamten Serie singender DFB-Nationalteams von 1974 “Fussball ist unser Leben” bis 1994 “Far Away in America” mit den Village People. Jack White produzierte u.a. Weltstars wie David Hasselhoff, Tony Marschall oder Vicky Leandros und über Peter Alexander (“Mexico mi Amor” 1986″) brauchen wir erst gar nicht zu reden. Der hatte mehr Talent in seinem kleinen Finger als heutige Entertainer am ganzen Körper. Wer “Buenos Dias Argentina” von 1978 doof findet, dem ist nicht mehr zu helfen. Hunderte Guggenmusiken können sich nicht irren! Buenos Dias Argentina ist die meistverkaufte Single von Weltstar Udo Jürgens! Sind die Käufer alle blöd? Besonders gefällt mir auch 1982 “Olé Espagna” von Plopper Michael Schanze. Eine Kopfballstaffete hat er im Studio mit der ganzen Mannschaft hinbekommen. Da war der Loddar noch ganz jung und süss…

    Weitere tolle Fussballersongs sind von 1860er-Legende Rudi Radenkovic “Bin i Radi oder König”. 1965 hat er davon 400’000 Platten verkauft und kam bis auf Platz 5 der Hitparade! Auch der Berti Vogts hat sich mit Disco-King Ilja Richter mal versucht.

    Sehr gute Hymnensänger der letzten 15 Jahre waren Ivan Zamorano, Tony Adams und natürlich Buffon. Bitte wieder mehr singende Fussballer!

  17. siegmaennchen sagt:

    In Winterthur hat sich der Song “Fuscht id luft” vom Rapper Fogel von der Tribut-FCW-CD zur Hymne entwickelt…. Der entsprechende Video auf youtube ist auch ein Renner. Beinhaltet zB die schöne Zeile “D gägner hand schnägge a dä holzfüess”. Hörts euch am besten mal live an im einzigen Fussballstadion des Kantons Zürich.
    Ansonsten anregender Artikel, aber der Vollständigkeit halber muss man auf die unschlagbare Sammlung von Pascal Claude aufmerksam machen, anzuören auf der Website vom ZWOELF ww.zwoelf.ch