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Entdeckungen und Enttäuschungen

Mämä Sykora am Donnerstag den 21. Juni 2012

Gruppenphase abgeschlossen, Zeit für ein erstes Fazit der EM 2012: Mit Ausnahme vom einmal mehr grandios gescheiterten Russland stehen alle grossen Namen in der K.-o.-Runde, und das auch zu Recht. Von den Ausgeschiedenen hätten lediglich die erstaunlichen Kroaten ebenfalls einen Platz unter den letzten Acht verdient, den sie einer anderen Gruppe wohl auch erreicht hätten.

Hier nun also meine ersten Gewinner und Verlierer der diesjährigen EM:

Die alten Männer

epa03267107 Ukrainian Andriy Shevchenko verabschiedet sich bei den Fans nach dem Gruppenspiel gegen Frankreich, 15 Juni 2012. (Bild: EPA)

Andriy Shevchenko verabschiedet sich bei den Fans nach dem Gruppenspiel gegen Frankreich, 15 Juni 2012. (Bild: EPA)

Die Zeiten, in denen man an Endrunden noch junge Talente entdecken konnte, sind ohnehin längst vorbei. Bisher trumpften in Polen und der Ukraine sowieso vor allem die älteren Herren auf: Andrea Pirlo (Ita, 33), Georgios Karagounis (Gre, 35), Olof Mellberg (Swe, 34), Christian Wilhelmsson (Swe, 31), Steven Gerrard (Eng, 32), Darijo Srna (Kro, 30) und sogar für ein Spiel wenigstens Andriy Shevchenko (Ukr, 36). Für einige davon der letzte schöne Frühling ihrer Karrieren.

Petr Jiráček

Milan Baros umarmt Petr Jiracek (v.)nach dessen Tor gegen Polen, 16. Juni 2012. (Bild: AP Photo)

Milan Baros umarmt Petr Jiráček (v.) nach dessen Tor gegen Polen, 16. Juni 2012. (Bild: AP Photo)

Nach einem sehr bescheidenen Start beim VfL Wolfsburg, wo er seit Anfang Jahr unter Vertrag ist, erwartete man vom Mittelfeldspieler ebenso wenig wie von der gesamten tschechischen Mannschaft. Seine Einsatzfreude und seine Power kompensierten aber selbst den Ausfall von Tomáš Rosický, dem einzigen Klassespieler in ihren Reihen, und mit zwei Toren schoss er Tschechien ins Viertelfinale. Kein Wunder, will ihm Felix Magath nun auch noch die zweite Entdeckung, Theodor Gebre Selassie, im Verein zur Seite stellen. Auch ein weiterer Wolfsburger vermochte zu überzeugen: Der unermüdliche Kroate Mario Mandžukić.

Die fehlenden Schwalben
Nach einer weiteren Saison Champions League mit Schwalben, unendlichen Verzögerungen, vorgetäuschten Verletzungen und dergleichen ist die EM-Endrunde dieses Jahr geradezu ein Segen! Obwohl es um noch viel mehr geht, muss man sich nur in bescheidenem Ausmass über Schauspielereien und sich am Boden wälzende Fussballer ärgern. Selbst notorische Taucher halten sich heuer vornehm zurück. I like!

Portugal

epa03263277 Portuguese players Pepe (C), Miguel Veloso (L) and Joao Moutinho celebrate Pepe's goal during a Group B match of the UEFA EURO 2012 at Arena Lviv Stadium, in Lviv, Ukraine, 13 June 2012.  EPA

Pepe (M.), Miguel Veloso (l.) and João Moutinho feiern ein Tor, 13 Juni 2012. (Bild: EPA)

Begeisternd spielte Portugal an der Heim-EM 2004, auch wenn man im Finale grandios versagte. Die neu gewonnenen Sympathien verspielte man in den folgenden drei grossen Turnieren umgehend wieder – mit stetem Lamentieren, Fallenlassen, Simulieren und überhartem Spiel. Dass es auch anders geht und das erst noch sehr erfolgreich, zeigte die Mannschaft nun unter Paulo Bento. Souverän qualifiziert in der Todesgruppe mit klugem, schnellem und ansehnlichem Spiel. Bravo!

Bestrafung bei Nachlassen
So regelmässig musste die Phrase, dass ein Nachlassen jederzeit bestraft werden kann, schon lange nicht mehr bemüht werden wie an dieser EM. Die Mannschaften liegen nahe beieinander, wer auch nur kurz einen Gang zurückschaltet, wird sofort bestraft. Portugal gab gegen Dänemark einen 2-Tore-Vorsprung her, Deutschland kam trotz Überlegenheit gegen Holland ins Zittern, als sie etwas Gas wegnahmen, Italien liess nach der starken ersten Halbzeit gegen Kroatien nach und die Tschechen retteten gegen Griechenland auch nur mit Glück den Sieg über die Zeit. Das ist erfreulich, weil die Spiele so über 90 Minuten spannend bleiben.

Die russische Nonchalance

epa03268888 Alan Dzagoev of Russia reacts after missing a chance during the Group A preliminary round match of the UEFA EURO 2012 between Greece and Russia in Warsaw, Poland, 16 June 2012.  EPA

Der Russe Alan Dzagoev vergibt eine Torchance gegen Griechenland, 16 Juni 2012. (Bild: EPA)

Ein wahrlich unmögliches Team. Nach dem Startfurioso gegen Tschechien ergaben sie sich in Selbstgefälligkeit, taten gegen Polen nach dem 1:1 nur noch das Nötigste, im falschen Glauben, dass sie den Griechen ohnehin haushoch überlegen seien. Fussballerisch waren sie das vielleicht, doch ungefährlich, ideenlos und unmotiviert. Eine Unaufmerksamkeit reichte für das verdiente Aus. Schade um einen viel versprechenden Viertelfinal gegen Deutschland, den verwöhnten und leichtsinnigen Russen tut es hoffentlich gut.

Holland ist keine Enttäuschung

Viele Buchmacher sahen Holland als Titelanwärter, die Spieler selbst ohnehin. Zwar standen sie vor zwei Jahren im WM-Final, doch selbst in Südafrika konnten sie mich nicht ganz überzeugen, zumal ausser Brasilien kein grosses Team aus dem Weg geräumt wurde. Das Gefälle im Team ist gross, die Abwehr wacklig und der Sturm berechenbar. Und dass eine noch so glorreiche Quali mit Spielen gegen Ungarn, Finnland, Moldawien usw. nichts aussagt, ist hinlänglich bekannt. Das 0:3 gegen Deutschland gab einen besseren Eindruck, was von Oranje zu erwarten ist. Das Resultat: Aus in der Vorrunde und für mich eine gewonnene Wette.

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8 Kommentare zu “Entdeckungen und Enttäuschungen”

  1. Karl Eigenmann sagt:

    Das beste Team, gegen das die Holländer 2010 gewannen, war sicher nicht Brasilien!

    Eigentlich kann man zur Vorrunde ja sagen: “Im Osten so gut wie nichts Neues!”, denn dass die Russen die Mannschaft gewordene In­kon­s­tanz verkörpern, ist ja ebenso wenig neu wie, dass die Tschechen soliden Fussball spielen, die Italiener nach einem Führungstreffer nicht mehr richtig spielen, die Holländer sich selbst überschätzen, die Franzosen sich ständig streiten, die Deutschen sich selbst stark reden (und es auch glauben) und die Griechen überraschen (sich selbst wohl am meisten?), der Fussball der Spanier wird je länger je mehr durchschaut (selbst von den Europäern) und die Portugiesen den Russen bezüglich Inkon­s­tanz nacheifern – für mich bleiben nur die Engländer eine Wundertüte (langweilig gegen die Franzosen, sensationell gegen die Schweden und wieder langweilig gegen die Ukraine), vermutlich aber nur bis zum ersten 11m-Schiessen… Trotzdem bleibt es spannend. Italien, insbesondere Prandelli besitzt am meisten meiner Sympatien, denn wer gleich mit zwei dem Wahnsinn nahen Genies (Bolatelli und Cassano – ihre Tore gegen Irland haben das wohl klar gezeigt) antritt, der soll dafür belohnt werden, in diesem Sinne: Forza Italia… Cheers und noch viel Vergnügen…

  2. micha sagt:

    Was fehlt, ist der Einfluss der Schiedsrichter-Fehlentscheidungen auf den Turnierverlauf. Dänemark hätte gegen Deutschland einen Elfmeter zugesprochen erhalten müssen (Foul Badstuber im Strafraum), ebenso Kroatien gegen Spanien (Foul Ramos). Mit grosser Wahrscheinlichkeit würde Ihre bisherige Turnierbilanz dann etwas anders ausfallen.

    • Mario sagt:

      Ganz und gar nicht:

      1. Hätten diese Elfmeter zuerst noch verwertet werden müssen.
      2. Und wieso wird beim lamentieren über Schiedsrichterentscheide davon ausgegangen, dass die Resultate nach den Elfmetern fix wären und z.b. Spanien nicht doch noch Tore geschossen hätte?

      Es gibt nicht mehr oder weniger Fehlentscheide an dieser EM, es gibt sie an jedem Turnier, in jeder Meisterschaft, so ist Fussball…

  3. marius sagt:

    6 der 8 viertelfinalisten haben die erste begegnung gegeneinander gespielt. frankreich-england, deutschland-portugal und italien-spanien. die andere beide teilnehmer stellen denn auch die einzigen überraschungen dar. vielleicht weil polen und russland zuerst nicht gegeneinander gespielt haben? ich weiss nicht ob das zufall ist, aber wenn man gegen ein grosses team ein unentschieden spielt, ist man definitiv im vorteil. und am ehesten erreicht man dies beim ersten spiel.

    • Mäsi sagt:

      Ich kenne ein Team, das vor 2 Jahren im ersten Spiel sogar einen Grossen besiegt hat – und es trotz diesem immensen Vorteil noch vergeigt hat. 😉

      • marius sagt:

        sehr zu meiner freude übrigends. ich habe ja nicht gesagt es sei eine garantie. spanien hatte die anderen ja danach geschlagen. also wer trotz so einer ausgangslage rausfliegt ist definitiv selber schuld.

  4. Hans vom Hübel sagt:

    Mein absolutes Highlight: Waldemar “Waldi” Hartmann im SF EM-Studio, als er völlig unbedarft dem Salzgeber eine reinwürgt, indem er den Walliserdialekt mit dem Sächsischen vergleicht. 😀

    Auf dem Platz ist bislang nichts Überraschendes und auch nichts Überragendes passiert.

    Die Schiris pfeifen gut und beim Anblick von Gockel Ronaldo krieg’sch Plack!