
Geben sich cool: Antonio Cassano (l.) und Mario Balotelli beim Training. (Bild: Keystone, 25. Mai 2012)
Der aktuelle Wettskandal, der die Italiener derzeit beschäftigt, bietet einige Parallelen zu 2006, als das Land kurz vor der WM in Deutschland von einem Skandal um Spielabsprachen und Beeinflussung von Schiedsrichtern erschüttert wurde, der als «Calciopoli» in die Geschichte einging. Fünf Teams hätten infolgedessen zwangsrelegiert und/oder mit Punktabzügen bestraft werden sollen, eine Liga tiefer fiel schliesslich nur Juventus.
Schon damals wurde dadurch die Vorbereitung der Azzurri auf ein grosses Turnier erheblich gestört, vor allem, weil nicht nur Offizielle, sondern auch eine ganze Reihe Schiedsrichter und Fussballprofis unter Verdacht standen. Bestraft wurde indes vor allem einer: Luciano Moggi, der Juve-Manager und Wettpate, dem fast schon die Rolle eines Einzeltäters zukam. Mit Ausnahme von Schiedsrichter Massimo De Santis wurde kein einziger der berühmten Verdächtigen bestraft.
Derzeit läuft es ziemlich ähnlich ab wie damals. Jeden Tag tauchen neue Namen von Stars auf, die angeblich in den aktuellen Wettskandal verstrickt sein sollen. Zuerst durchsuchten fünf Polizisten das Zimmer von Domenico Criscito im Hauptquartier des Nationalteams – wobei man sich fragen darf, wie gross die Chance ist, dass einer belastende Dokumente ins Trainingscamp mitnimmt –, kurz darauf veröffentlichte die «Gazzetta dello Sport» Akten, die Leonardo Bonucci verdächtigen. Und natürlich durfte auch der Wirbel um den als Zocker bekannten Gianluigi Buffon nicht fehlen, der mit einer Aussage zu einem suspekten Remis in einer Serie-B-Partie noch zusätzlich Öl ins Feuer goss: «Wenn zwei Mannschaften Unentschieden spielen wollen, ist das ihre Sache. Manchmal sagt man: Zwei Verletzte sind besser als ein Toter.» Einigen genügte dies bereits als Schuldeingeständnis, die Polizei überlegt sich nun ebenfalls, Buffon demnächst zu verhören.
Im Falle Criscitos haben die Verantwortlichen schnell reagiert und den Verteidiger aus dem EM-Kader gestrichen, Trainer Cesare Prandelli dachte gar laut über einen EM-Verzicht nach: «Wenn es unserem Fussball helfen würde, dass wir nicht zur Europameisterschaft fahren, dann wäre es kein Problem. Es gibt wichtigere Dinge.» Auch er will – wie viele andere direkt Betroffene – nicht als derjenige gelten, der Ermittlungen behindert, um dadurch vielleicht sogar ebenfalls als Verdächtiger zu gelten.
Nach all diesen Querelen und den ständigen Beteuerungen, man werde alles daran setzen, die Sache restlos aufzuklären, denn daneben sei die EM ja nun wirklich nicht wichtig, ist nun Demetrio Albertini, dem Chef des italienischen EM-Teams, doch noch der Kragen geplatzt. «Wir haben es so satt!», liess er die Welt wissen. Auch Prandelli tat seinen Unmut über die Vorgehensweise der Ermittler kund und fragte, warum man nicht die EM abwarten könne, um Monate oder Jahre zurückliegende Ereignisse zu untersuchen. Die Frage ist sicherlich berechtigt, an einer EM ist schliesslich auch die Fluchtgefahr ziemlich gering.
Was die Folgen des Skandals sein werden, ist noch nicht absehbar. Ich schätze mal, dass ihm neben dem bereits verhafteten Lazio-Captain Stefano Mauri noch ein paar No-names zum Opfer fallen, während es bei keinem Nationalspieler zu einer Anklage kommt. Der Wirbel hätte dann lediglich die Vorbereitungen der Azzurri gestört, was eine ähnliche «Jetzt erst recht!»-Stimmung auslösen kann wie schon 2006. Auch damals wurde kaum vom Geschehen auf dem Platz berichtet, wie am Freitag gegen Russland (0:3) vermochte Italien auch 2006 in Tests gegen die Schweiz und die Ukraine nicht zu überzeugen – und wurde schliesslich doch verdienter Weltmeister. Wer sie bis jetzt nicht auf der Rechnung hatte für die kommende EM, spätestens jetzt sollte man gewarnt sein. Wer weiss, vielleicht sind die ganzen Skandalgeschichten gar nur ein Spielchen der italienischen Medien, um ihre Jungs zu Höchstleistungen anzuspornen.
Mämä Sykora (36) ist Steilpass-Blogger, Chefredaktor beim Fussballmagazin «Zwölf» und Präsident der Alternativliga Zürich. Seit frühster Jugend begeistert ihn alles, was mit dem runden Leder zu tun hat. In seiner Freizeit tritt er noch immer gerne selber dagegen.
😀
Gerade am Samstag über diesen “Motivationsübung” der italienischen Behörde für die Azzurri mit einigen ItalienerInnen besprochen.
Wäre witzig, wenn nach, hoffentlich, gewonnener EM einige Länder mehr zu solch unorthodoxen Mitteln greifen.
Würde aufjedenfall die Wettpaten vorsichtiger werden lassen
Zu einfach Herr Sykora… Zudem wurden im aktuellen Wettskandal effektiv Fussballpieler in UH gesteckt, was 2006 nicht geschah. Das ist ein riesiger Unterschied, wie auch der, dass diesesmal im Morgengrauen das Italienische Hauptquartier “besucht” wurde und das Zimmer von Criscito stundenlang (wie gross dieses Zimmer wohl sein mag?) durchsucht wurde. Uebrigens: wer hat eigentlich die TV-Stationen benachrichitgt, dass das Hauptquartier von der Polizei durchsucht wird? Was machten all diese Medienleute bereits um diese Uhrzeit dort vor dem Eingang? Und wer versorgt die Zeitungen täglich mit Infos zu den einzelnen Untersuchungen? Wer spielt die abghörten Telefongespräche den Medien weiter? Das ist meiner Meinung nach auch ein Skandal! Schon merkwürdig das Ganze… Dass Spiele manipuliert wurden, steht allerdings ausser Frage…
Tja und wenn mich meine Erinnerung nicht komplett im Stich lässt, dann war doch 1982 auch etwas ähnliches gewesen…
Der Skandal war 1980 kurz vor der EM im eigenen Land, und wie diese dann verlief ist bekannt. Italien wurde nur Vierter aber noch viel schlimmer die Zuschauer blieben den Stadien fern. Die spielerisch wohl schlechteste EM aller Zeiten und wäre es nicht für die englischen Hooligans gewesen keine einzige Schlagzeile wert.
Richtig. Damals wurde Paolo Rossi, der an der WM 1978 die Entdeckung gewesen gewesen war, gerade noch rechtzeitig wieder die Strafe (auf 2 Jahre, April 1982 abgessessen) reduziert, so dass er an der WM spielberechtigt war. Er war ursprünglich zu drei Jahren Sperre verknurrt worden, wegen eines angeblich geschobenen Spiels der AC Perugia. In den Vorrundenspielen war er ein Ausfall. Bearzot hielt trotz des Medienwirbels an ihm fest, und er schoss Italien zur Weltmeisterschaft. .
Und hat Italien damals nicht in der Vorbereitung gegen eine unterklassige italienische Mannschaft blamabel verloren? Dass sich die Geschichte wiederholt, ist eine Plattitüde, aber manchmal trotzdem wahr.
Ja, daran habe ich auch als erstes gedacht: “Das wird nur gemacht, damit die Spieler, analog 2006, bis in die Haarspitzen motiviert sind!” oder: “Der “italienische” Aberglaube treibt nun aber sehr seltsame Blüten”… Der Unterschied zu 2006 sehe ich aber in der Defensive der Azzurri – diese ist anders als 2006, nicht wirklich stabil. Am Freitag war das ziemlich erschreckend zu sehen, wie die Russen durch die Reihen kamen… aber nichts desto trotz, Italien muss man auf der Rechnung haben!
hmm…, alte chinesische buchmachel-weisheit.
Mann kann die Skandale von 2006 nicht mit heute vergleichen. Damals waren vor allem Funktionäre involviert heute sind es hauptsächlich die Spieler. Das lässt keinen kalt. Noch grösser ist der Unterschied der Mannschaften. Italien war für mich schon vor dem Skandal 2006 der Favorit auf den WM Titel. Man hatte eine gute Mannschaft mit mindestens sechs Spielern die internationale Klasse hatte. Vor der WM 2006 wurden Holland auswärts mit 3:1 und Deutschland zu Hause mit 4:1 geschlagen. Von solchen Resultaten kann die jetzige Truppe nur träumen. Italien fährt nach der Vorrunde wieder nach Hause.
Ich glaube nicht an solchen Parallelen. Das Team hat nun auch eine ganz andere Dynamik als diejenigen von 2006 oder 1982. Damals waren es jeweils Rudelhaufen welche sich auf jeden Ballbesitzer stürzten und ausserordentlich effizient ihre Tore schossen. Mit Spielern welche extrem Teamorientiert auftraten.
Nun sind es zum Grossteil Extrovertierte. Je mehr Tätovierungen die Spieler haben, desto besser. Einzig das Mittelfeld kann überzeugen. Hinten fehlen Spieler wie Zambrotta oder Grosso die bei der WM in der Form ihres Lebens waren, von der Innenverteidigung ganz zu schweigen.
Also wie Cassano selber mal sagte, wenn er nicht Fussballer geworden wäre, dann wäre er jetzt im Knast. Scheinbar schaffen einige Spieler beides.
Wie es andern geht, weiss ich nicht. Aber vom Calcio habe ich mich schon vor einigen Jahren verabschiedet. Dreckiges Spiel auf und neben dem Platz. Hoffentlich gehts bald heim zur Mamma!
Pffff und ich habe mich schon vor einigen Jahren von der Bundesliga verabschiedet minderwertiger Fussball auf dem Platz und minderwertige Aussagen neben dem Platz wie deine. Die deutschen fahren wieder mit nem leeren Nutella glas nachhause wie immer 😛
Hätte es noch einer Bestätigung: Horst liefert sie. Und du irrst dich, ich will “nur” fairen Sport, dein Germania-Bashing trifft weit neben das Gehäuse.
für jemanden der sich verabschiedet hat wissen sie aber sehr genau was da abläuft. ich habe beide ligen verfolgt und die serie a wurde erst vor dem letzten spiel entschieden, im gegensatz der bundesliga die bereits mitte april in den gähnmodus umstellte.
😀
Klaaaar… Verschwörungstheorie, jetzt oder nie!
Würde mich wirklich überraschen, wenn sie die Eier hätten, den gottgleichen Buffon aus dem Verkehr zu ziehen. Die Schadenfreude wäre bei mir gross, das muss ich eingestehen. Denn bei aller Sympathie für die Italiener: die Häufigkeit und Regelmässigkeit solcher Nachrichten aus Italien irritiert doch sehr. Aber ich mach’ mir keine Illusionen, soweit wird es nicht kommen.
hmm…, was sich in den italienischen spielerköpfen so abspielen könnte, wenn prandelli sie mit den worten: “…und jetzt geht raus und gewinnt das spiel!”, aus der kabine schickt:
– das war aber so nicht abgemacht!
– blufft er?
– auf wen gigi wohl gesetzt hat?
– mannschafts-toiletten ohne telefon gäbe es in einem italienischen stadion nicht – scheiss kommunisten!
– eine banane – ein königreich für eine banane!
– bloss nicht – der pferdekopf würde meine seidenlaken völlig ruinieren!
– wenn wir gewinnen, verliere ich kopf und kragen!
– verlieren wir, bringen uns die ultras um, gewinnen wir – die chinesen!
– was waren das noch für düstere zeiten, als man bei wetten noch verlieren konnte!
Der Erfolg des Teams nach den jeweiligen Skandalen Anfang der 80er und 2006 ist das eigentliche Problem der Italiener. Aufgrund der Titel rückte der Skandal jeweils direkt wieder in den Hintergrund und wurde daher wohl nie richtig aufgeklärt. Man kann im Interesse des Fussballs nur hoffen, dass es diesmal für die Italiener sportlich nicht so gut ausgeht wie damals.
Das Manipiliert wurde steht ausser Frage. Ein Lob den Italienern, dass sie versuchen knallhart aufzudecken. Da könnten die übrigen Länder noch lernen. Aber was mich stört……in Italien werden Spieler an den Pranger gestellt und Daten an die öffentlichkeit getragen die nicht war sind. Vor allem die rosa Zeitung hat es mal wieder ganz bös auf Juve Spiler abgesehen.
Diesen Fall mit dem von 2006 zu vergleichen ist Schwachsinn. Das Team ist komplett anders und hat sehr viele unerfahrene Spielern in den Reihen. Nun kommt noch hinzu, dass die Vorbereitung komplett ins Wasser viel. Angefangen beim tragischen Todesfall des Spielers von Livorno wo die Azzurri ein Stage hätten gehabt bis zum Erdbeben. Nun muss Prandelli noch die ganze Hintermannschaft betr. Verletzungen umkrempeln. Das wird wohl für Italien an diserr EM nichts werden. Schade!
Es besteht absolut kein Zusammenhang zwischen den Skandalen und den verdienten WM-Titeln der Italiener. Eher sollte man sich fragen, wieso solche alten Geschichten immer vor einem grossen und wichtigen Turnier hervorgehoben werden?!? Andere Ligen (auch 2. + 3. Divisionen) haben die selben Probleme, denn Wettskandale sind seit der Legalisierung ein weltweites Geschwür. Die Medien anderer Länder können einfach besser vertuschen resp. sind sind so “geil” auf Skandale usw. Zudem vor einigen Tagen ein “abgemachtes” 0:0 Spiel in der 2. Spanischen Liga, weil beide Teams mit einem Punkt aufsteingen resp. in der Relegation teilnehmen….90 Minuten nur Querpässe und kein Torschuss…..wie sauber ist den dieser Fussball (Geldmaschinerie) eigentlich?!?
…das einzige, was hervorzuheben ist, dass die italienische Justiz (ob zu recht oder unrecht) die einzige ist, die mit Hochdruck, Klarheit schaffen will. In Spanien und anderen Ländern, werden solche Angelegenheiten verschwiegen und dies der Liebe zum Ruhm und Medallien für das eigene Land. Doping von Sportlern, Überschuldungen von Clubs usw. das sollte mal von Land von neutraler Instanz verglichen werden, dann kämen viele auf die Welt zurück