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35 Milliarden Euro für Fernbeziehungen

Alexander Kühn am Samstag den 19. Mai 2012
Weltweiter Jubel: Barcelona-Fans feiern den Champions-League-Titel 2009. (Bild: Keystone)

Weltweiter Jubel: Barcelona-Fans feiern den Champions-League-Titel 2009. (Bild: Keystone)

Als Basler war man früher einfach FCB-Fan, als Berner unterstützte man die Young Boys und als Zürcher entweder GC oder den FCZ – je nachdem, zu welchem der beiden Clubs der Vater eine Affinität besass und was für ein Verhältnis man zum Vater hatte. Heute denken viele Fussball-Fans global und fiebern auch mit Vereinen, deren Stadien sie noch nie betreten haben.

Wie aus einer Studie des Champions-League-Sponsors Mastercard hervorgeht, kann man ein Drittel der Fussball-Supporter, nämlich 41 Millionen, als sogenannte Fans ohne Grenzen bezeichnen. Sie geben jedes Jahr 35 Milliarden Euro für ihre ausländischen Fussball-Liebschaften aus. Geld, mit dem man zehnmal die Münchner Allianz-Arena bauen oder 372-mal Real Madrids Torjäger Cristiano Ronaldo verpflichten könnte.

Die beiden Löwenanteile der 35 Milliarden Euro entfallen auf Ausgaben für Pay-TV (7,5 Milliarden) und die Reisen zu den Spielen inklusive Unterbringung (8,75 Milliarden).  25 Prozent der Anhänger ausländischer Equipen verfolgen die Partien ihrer fernen Lieblingsclubs tatsächlich auch live vor Ort. «Die zunehmende Mobilität und die Gelegenheit, weltweit einfacher und günstiger zu reisen, ermöglichen es den Fans auch ausländische Vereine anzufeuern. Neue Medienkanäle erlauben es den Supportern, ohne grossen Aufwand an Informationen über ihren Lieblingsverein zu gelangen und Kontakt zu anderen Fans im Ausland zu pflegen, was wiederum den Fans ohne Grenzen ein tieferes Gefühl von Zugehörigkeit zum jeweiligen Club vermittelt», erklärt Prof. Dr. Sascha Schmidt, der Leiter des Institute for Sports, Business & Society der European Business School im deutschen Oestrich-Winkel.

Das Aufkommen von globalen Spitzenspielern und -trainern mit Prominentenstatus führe überdies Fans aus unterschiedlichen Ländern zusammen, über Sprach- und Kulturgrenzen hinweg, hält Schmidt fest. Von den in der Mastercard-Studie untersuchten Fans ohne Grenzen gehören elf Prozent dieser Kategorie an, sie lassen sich unter dem Sammelbegriff Star Followers führen. Sie haben nicht einen bestimmten Lieblingsverein, sondern sind von einem Spieler oder einem Trainer begeistert. Diesen Personen bleiben sie auch bei einem Clubwechsel verbunden. So liefen zum Beispiel mit dem Transfer von Cristiano Ronaldo von Manchester United zu Real Madrid zahlreiche Bewunderer des Portugiesen ins Lager des spanischen Rekordmeisters über. Die Liste der beliebtesten ausländischen Clubs führt der FC Barcelona (29 Prozent) vor Real Madrid (10 Prozent) und Manchester United (8 Prozent) an.

Weitere Untergruppen der Fans ohne Grenzen sind die sogenannten Highlight Fans – sie machen rund zwei Drittel der Fans ohne Grenzen aus – und die Regional Affinity Fans, die meist eine enge Verbindung zur Heimatstadt ihres Lieblingsvereins besitzen. Sie decken etwa zwölf Prozent der ganzen Gruppe ab. Von ihnen besuchen 55 Prozent regelmässig die Region ihres Clubs. Diese Supporter entsprechen innerhalb der Fans ohne Grenzen am ehesten dem traditionellen Fussball-Anhänger.

Für Puristen stellt sich nun die Frage, ob man tatsächlich ein echter Fan eines Clubs sein kann, wenn man diesen nur aus dem Internet, dem Fernsehen oder den Zeitungen kennt. Irgendwie, so könnte man sagen, ist es doch, als wäre man ernsthaft der Meinung, in eine Hollywood-Schönheit verliebt zu sein, die man im realen Leben noch nie zu Gesicht bekommen hat.

Was meinen Sie, liebe Steilpass-Leser: Gibt es so etwas wie die grosse Fussball-Liebe aus der Distanz? Können diese sportlichen Fernbeziehungen so intensiv sein, wie die Verbindung zum lokalen Verein, bei dessen Partien man Woche für Woche in der Kurve steht? Diskutieren Sie mit!

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22 Kommentare zu “35 Milliarden Euro für Fernbeziehungen”

  1. Boris sagt:

    Möchte noch ein anderes Beispiel nennen. Weil ich schon etwas älter bin, gefiel mir der FCZ bereits in den 70-ziger Jahren. Ab 1981 blieben die Erfolge für die nächsten 20 Jahre aus. In dieser Zeit wurde ich oftmals bemitleidet, den ich wechselte nicht zum erfolgreicheren GC wie so manche.
    Deshalb – ein Fan “war” für mich damals jemand, der einer Mannschaft auch “treu” blieb, wenn sie keinen Erfolg hatte. Typisch übrigens für die heutige Zeit, dass ihr den Betrag von 35 Milliarden erwähnt – als habe dies eine Aussagekraft, ob jemand Fan sei oder nicht!
    Der andere Punkt ist, dass ich Ausländer bin. Natürlich interessiert mich deshalb ebenfalls, was in “meinem Heimatland” fussballerisch passiert. Bei mir ging es sogar soweit, dass ich in meiner Jugend eigentlich in jedem europäischen Land eine Lieblingsmannschaft hatte. Ob ich ein “echter Fan” oder ein “unechter” war, interessierte mich überhaupt nicht und interessiert mich sogar bis heute nicht.
    Man(n) und auch Frau sollen Spass haben und diejenigen welche unter Minderwertigkeitskomplexen leiden – sollen für die erfolgreichsten Mannschaften die Daumen halten oder Geld ausgaben (falls sie genügend davon besitzen). Meinen Segen haben sie (ohne ihn zu brauchen), denn ich sehe das Ganze nicht mehr allzu ernst – es ist ja auch nur ein Spiel!

  2. Stefan sagt:

    Als ich 1979 als kleiner Winterthurer ein grosser Servette-Fan wurde, war das tatsächlich meine erste Fernbeziehung. Meine Schulfreunde gaben sich tatsächlich nur mit GC (buuuuh!), YB oder vielleicht auch dem FCW ab. Aber schon damals faszinierten Fussballteams aus der Ferne. Mein Lieblingsklub in England war Everton, meine Eltern brachten mir von einem London-Trip einen Everton-Schal mit, den ich dann stolz zum Servette-Leibchen in der Schule trug.

    PS: Meine Fernliebe zu Servette hält übrigens an.

  3. roger sagt:

    totale kuenstliche welt, die fans sind vielfach schlecht ausgebildete leute, die girls kennen keinen staubsauger mehr dafuer die fussballclubs .alle motzen ueber die riesenbonis der banker. jedoch die X dutzenden millionen salaer stoert hier niemand.
    es gibt auch fast keine wohltaetigkeits spiele oder sonstige soziale fonds. kenne ich jedenfalls nicht.
    finde es schade das aus diesem sport eine riesengeld maschine wurde ohne skruppel und kein fans meckert.

    • Ulf Meier sagt:

      “die girls kennen keinen staubsauger mehr dafuer die fussballclubs”
      Ich vermute ich weiss, wer hier schlecht ausgebildet ist.. ganz ganz schwach, dieser kommentar.

  4. Karin Gut sagt:

    … 372-mal Cristiano Ronaldo verpflichten, lol, …
    Wenn sich ein paar Zehntausend Fernbeziehungsfans übers Internet zusammentun würden, könnten sie sich ihren eigenen iFC leisten.

  5. Hardy sagt:

    Das gibt es und dies ist absolut möglich. Ich lebe in Asien und hier kann man das sehr gut beobachten. Es gibt sie zu tausenden die Fern-Fanclubs und Fern-Anhänger der grossen Vereine ManU, Madrid, Barca.. etc. Fans die nach verlorenen Soielen gar Tränen vergiessen können und im Erfolgsjubel genau gleich überborden wie der Fan in der Kurve.

  6. Mike Müller sagt:

    Genau das Beispiel mit der Hollywood-Schönheit beweist ja: Wir sind alle Fans von Gruppen wie z.B. Clubs oder Personen, die wir nicht wirklich kennen. Warum sind so viele Asiaten z.B. Fan von Roger Federer? Waren sie je in der Schweiz? Haben sie Roger je kennen gelernt? Also. Und die Fans eines FC Zürich oder FC Basel? Kennen sie ausser der Stadt auch die Spieler? Und überhaupt: Ist es nicht ebenso fraglich, wenn man einen Club unterstützt, dessen Spielernamen man nicht mal kennt und dessen Spiele man nie besucht, der gerade aber einen Titel holt und aus derselben Region wie man selbst stammt? Dann sind mir die Fans, die nicht in der gleichen Stadt wohnen, diese aber regelmässig besuchen und die Namen der einzelnen Spieler und die Geschichte des Clubs kennen, lieber.

  7. Rudi Buschbrenner sagt:

    Herr Kühn, als Basler war, ist und bleibt man FCB-Fan! Wir sind keine Dresdner Event-Fans!!!!! Aber Gratulation zum interessanten Blog – übrigens, diese Woche fand ein äusserst interessanter Cupfinal statt…..

    • manu sagt:

      …über den man hier, wie auch auf allen anderen Sportseiten ganz viel lesen konnte. Für mich ist der Steilpass nicht dann besonders iinteressant, wenn er die aktuellsten Tagesthemen verfolgt, sondern vor allem dann, wenn er sich Nischenthemen oder (fussball-)philosophischen Fragen widmet.

      Und zum Glück sind Basler FCB-Fans…Lokalkolorit macht das Ganze ja grad spannend.

  8. Diego Armando sagt:

    Dies sind keine echten Fans. Ein echter Fan fühlt sich mindestens zu einem Verein vom eigenen Land hingezogen. Man kann allenfalls Sympatie für andere Vereine empfinden. GC for ever!

    • Heinz Nacht sagt:

      Was für ein armseeliger Kommentar von anonymer Seite, welcher von absoluter Ignoranz zeugt! Wer sind Sie, sich anzumassen, ob jemand ein echter Fan ist oder nicht? Als langjähriger Celtic Fan kann ich Ihnen sagen, dass es, dies nur als Beispiel, welches ich am besten kenne, weltweit sehr viele und absolut grossartige Celtic Fans gibt! Die Fussballfeste, die jeweils anlässlich internationaler Spiele stattfinden, können Sie sich in Ihrer Voreingenommenheit gar nicht vorstellen. Schauen Sie sich zum Beispiel nur mal die Bilder vom Uefa-Cup Final 2003 in Sevilla an! Denken Sie, dass da 100’000 Schotten nach Spanien rüber gereist sind und sonst niemand? Nein, nein, mein Lieber, das waren Celtic Fans aus ganz Europa! Und die identifizieren sich mit diesem Club genauso wie die “Einheimischen”, kennen alle Lieder, haben Fanmagazine abonniert, sind regelmässige Kunden der Celtic-Shops, haben ein Abo für “Channel 67”, treffen sich regelmässig in ihren Heimatländern und -städten zum gemeinsamen “Public Viewing” und reisen regelmässig an Celtic Spiele, seis im Celtic Park oder auswärts, in der schottischen Liga oder in europäischen Spielen. Ausserdem wird immer für die anderen Celtic Fans geschaut. Wenn Celtic in der Schweiz spielt (zum Beispiel vor ein paar Jahren in Grenchen am Uhrencup), schaut der schweizer Celtic Supporter Club für Tickets für die anreisenden Fans aus allen Himmelsrichtungen, teils sogar in Unkenntnis der anreisenden Fans. Man ist Celtic Fan und vertraut sich. Und es klappt immer! Jeder kommt zu seinem Billet und umgekehrt zu seinem Geld! DAS ist wahres Fantum, nicht Feuerwerk abbrennen und Gegner verkloppen!

  9. Franz Melliger sagt:

    Die Diskussion um den echten Fan ist genauso alt wie sinnlos. Jeder definiert das halt anders. Ich halte es so, dass das Fantum etwas ist, das Freude machen soll. Somit soll sich diesbezüglich jeder verhalten, wie er will.
    Das Argument der fehlenden Nähe von gewissen Fans finde ich übrigens ein sehr schlechtes. Denn auch Nähe ist ja sehr willkürlich. Wieso sollte jemand, der aus Basel ist, dem FCB viel näher sein als ein Zürcher? Denn wenn nah z.B. bedeutete, dass man Beziehungen zum Club hat (man ist z.B. mit Spielern befreundet), dann wäre auch in der Kurve kaum einer ein Fan.

    Soll finde ich es also einfacher, wenn jeder einfach macht, was ihm Freude bereitet.

  10. manu sagt:

    Möglich ist es sicherlich, die Liebe wählt ja öfters seltsame Wege.
    Es ist allerdings viel schöner und sehr viel persönlicher einen lokalen Club zu unterstützen, vor allem da ein TV-Spiel bekanntermassen das Gezeigte verfälschen kann.

  11. Thomas Paine sagt:

    Da ging aber der FC Liverpool vergessen. Ich glaube er ist einer der beliebtesten Vereine der Welt bei ausländischen Fans. Vorallem in Skandinavien, aber auch im Gesamt-asiatischen Raum oder in Mitteleuropa gibt es viele Liverpool-Fans, die noch nie an der Anfield Road waren.
    Und übrigens: Wenn man mal in den Ferien in Südamerika bei einem Topspiel der höchsten argentinischen oder brasilianischen Liga im Stadion dabei war, kommt man nicht dran vorbei, Fan zu werden.

  12. Marcel Senn sagt:

    Hallo Alexander, wie wärs denn wieder mal mit ein paar Nachhilfestunden in Mathe – die Allianz Arena hat rund 340 Mio gekostet – und 35 Mrd sind rund 103 mal mehr – also entspricht eine Allianz Arena rund dreidreiviertel Ronaldos – alles klar??

  13. dano sagt:

    Mein Vater hat mich in den 70ern jedes Jahr anlässlich des englischen Cupfinals vor den TV gesetzt, mit der Bemerkung, dass es sich dabei um den besten Fussball der Welt handelt; so bin ich zu meinem Lieblingsverein Man Utd gekommen. Heute bin ich der Meinung, dass die Premier League vielleicht nicht der beste, aber gewiss der attraktivste Fussball bietet. Der United bin ich – in guten und in schlechten Zeiten – treu geblieben!

  14. Erich sagt:

    Na ja, ich kenne nur das! 1967 habe ich mir in ganz Europa meine Lieblingsclubs ausgesucht und bin allen noch treu, mit einer einzigen Ausnahme. Nicht mal der Club in der Schweiz (FC Lugano) war in meiner unmittelbaren Nähe.

  15. Marco sagt:

    Hey, warum heute so ein komisches thema? Schreib doch was ueber die bayern”…………. Hahaha

  16. Peter Steiner sagt:

    La Roma, non si discute, si ama!

    Seit 30 Jahren der AS ROMA treu!

    Gruss

    Peter

  17. Estaban sagt:

    Naja…Ich konnte dies garnicht selber bestimmen, da mir vieles von meinem Vater mitgegeben wurde. Ich bin in Bern geboren und mein Vater hat mich immer mit zu den YB-Matches genommen und so wurde ich ein YB-Anhänger. Da mein Paps seit dem 2. Weltkrieg ein grosser Unterstützer des Katalanismus ist, verfolgen mich die Geschichten um Gamper, Suárez, Kubala oder Cruyff noch heute und ich bin immer noch ein Barça-Mitglied. Meine Liebe zu West Ham kam ebenfalls von meinem Vater und seinen Geschichten von Hurst, Morre und Lampard Senior. Boca Juniors-Supporter wurde ich durch meinen argentinischen Teil meiner Familie…

  18. Bryan sagt:

    Mein Lieblingsverein kickt auf der andern Seite des Atlantiks am Pazifischen Ozean.

    Ich versuche mindestens 1x im Jahr eine Reise dorthin zu machen und mir ein paar Spiele live vor Ort anzuschauen.

    Anosten ist es heutzutage kein Problem sich via Netz genau so mit einem Klub zu informieren und identifizieren wie “lokale” Leute, sei es mit Live Streams, Message Boards, Highlights etc.