Logo

Warum nicht mal eine Frau?

Alexander Kühn am Samstag den 17. März 2012
Hat es im Fussball weit gebracht: US-Keeperin Hope Solo. (Bild: Reuters)

Hat es im Fussball weit gebracht: US-Keeperin Hope Solo. (Bild: Reuters)

Kein Job ist im modernen Fussball unsicherer als der des Cheftrainers. Der stete Wechsel auf der Kommandobrücke bringt mit sich, dass die Klubs bei der Besetzung des Trainerpostens bisweilen kreative Lösungen suchen müssen. Der Berliner Bundesligist Hertha BSC etwa holte im Februar den 73-jährigen Otto Rehhagel aus dem Ruhestand. Und auch der irische Verband setzt auf einen Coach, der sein offizielles Pensionsalter schon lange hinter sich hat. Sein Name: Giovanni Trapattoni. Sein Geburtsdatum: 17. März 1939 – also ein kappes halbes Jahr vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Merke: Das Rentenalter ist im Fussball so dehnbar wie Hubba-Bubba-Kaugummi.

So ist es kein Wunder, kursieren diverse Namen, wenn die Frage erörtert wird, wer denn nun neuer FCZ-Trainer werden soll. Gut denkbar ist sogar, dass ein Mann mit GC-Vergangenheit den Zuschlag bekommt, Murat Yakin oder Rolf Fringer zum Beispiel. Einige Fans wünschen sich derweil den beim 1. FC Köln als Manager gescheiterten Oberlehrer Volker Finke auf der Trainerbank des FC Zürich. Der zählt immerhin auch bald 63 Lenze und könnte im Fall seines neuerlichen Versagens frühpensioniert werden. Ein Tabu steht aber wie ein Findling trutzig in der Fussball-Landschaft: das Engagement einer Frau als Chefcoach einer Profi-Mannschaft. So fortschrittlich sich der Fussball gibt, jener Manager, der einer Frau ins Amt hilft, wird so schnell keinen anderen Job mehr bekommen, wenn das Experiment scheitert.

Dabei gibt es gerade in der Schweiz ein gutes Beispiel dafür, dass eine Trainerin einem Mann durchaus Beine machen kann. Im wahrsten Sinn des Wortes. Hinter den Erfolgen von Dario Cologna, dem alten und neuen Gesamtweltcupsieger im Langlauf, steht die Norwegerin Guri Hetland. Cologna sagt, er möge die unaufgeregte Art der Schweizer Cheftrainerin, die sich bei ihrem Amtsantritt noch die Frage gefallen lassen musste, ob sie tatsächlich in der Lage sei, die Swiss-Ski-Langläufer zu führen. Auch Novak Djokovic, die Nummer 1 der Tennis-Weltrangliste, schreibt einen grossen Teil seiner Erfolge weiblichem Einfluss zu: Er trainierte in seiner Kindheit mit Jelena Gencic, der langjährigen Mentorin von Monica Seles. «Sie hat die Standards für mich gesetzt und mir vermittelt, was es braucht, um ganz an die Spitze zu kommen», sagt Djokovic. Mit diesen Standards meint er vor allem seine aussergewöhnliche taktische Disziplin und die sorgfältige Beinarbeit.

Von der Übertrainerin zum Sündenbock: Silvia Neid nach dem WM-Aus ihrer deutschen Frauenelf gegen Japan. (Keystone)

Von der Übertrainerin zum Sündenbock: Silvia Neid nach dem WM-Aus ihrer deutschen Frauenelf gegen Japan. (Keystone)

Colognas Trainerin Guri Hetland bemerkte einmal, in ihren Augen spiele es keine Rolle, ob ein Mann vom gleichen oder vom anderen Geschlecht die Kommandos empfange. «Alle Athleten sind unterschiedlich. Es kann durchaus sein, dass ein Mann einer Frau ähnlicher ist als einem anderen Mann. Ich denke nicht, dass es auf das Geschlecht ankommt, sondern auf das Individuum.» Im Fussball dürfte sich dieser Gedanke noch nicht so bald durchsetzen. Dass der englische Fünftligist Grimsby Town vor rund drei Jahren mit der Frauen-Nationaltrainerin Hope Powell über ein Engagement verhandelte, muss man schon als Sensation werten. Müssig zu sagen, dass der Vertrag dann doch nicht zustande kam.

In Deutschland schien es lange Zeit noch am ehesten möglich, dass eine Frau irgendwann einmal den Cheftrainerposten bei einem Profiverein bekommt. Die Boulevardpresse feierte die Nationaltrainerin Silvia Neid dank den Erfolgen der DFB-Fussballerinnen als eine Art weiblicher Jogi Löw – bis im vergangenen Jahr an der Heim-WM die grosse Ernüchterung folgte. Die Deutschen scheiterten in den Viertelfinals mit 0:1 nach Verlängerung an Japan. Neid war auf einmal nicht mehr die Übetrainerin, sondern der Sündenbock. Das war nicht nur für sie selbst ein herber Rückschlag, sondern für alle Trainerinnen, die auf die fussballtechnische Emanzipation gehofft hatten. Und so werden Pensionäre und notorisch erfolglose Fussball-Lehrer auch in Zukunft den Vorzug gegenüber erfolgreichen Frauen bekommen. Denn des Europäers, Afrikaners und Lateinamerikaners liebste Sportart ist noch mehr als der Automobilrennsport eine Männerbastion, die kaum zu knacken sein wird.

Heutzutage wird man als Frau im Fussball nur dann wirklich berühmt, wenn man optisch das Zeug zum Covergirl hat – so wie die US-Nationalkeeperin Hope Solo. Die ist übrigens gerade als Jobsuche. Wenn auch (noch) nicht als Trainerin.

« Zur Übersicht

28 Kommentare zu “Warum nicht mal eine Frau?”

  1. Seppi sagt:

    Gerade erst wurde Hope Solo ja von der FIFA verboten für eine Männer-Mannschaft zu spielen.
    Dies finde ich nicht nur wegen Hope Solo bedauerlich.
    Wieso sollen Frauen nicht in Männermannschaften spielen, wenn sie das Zeug dazu haben?
    Würde dem Fussbal sicher nur gut tun.

    • Hans Peter sagt:

      Und dann dürfen Männer auch in Frauenmannschaften spielen, wenn sie das Zeug dazu haben? Würde dem Frauenfussball sicher gut tun.

    • Remo Nydegger sagt:

      Sie haben das Zeug dazu eben nicht, auch Hope Solo nicht (die treffenderweise nicht wegen ihrer Fähigkeiten, sondern hauptsächlich wegen ihres Äusseren berühmt wurde).
      Das soll jetzt bitte nicht als chauvinistisches Macho-Gehabe missverstanden werden, Frauen sind uns Männern in vielen Belangen weit voraus. Der Frauenfussball hingegen ist dem Männerfussball 30+ Jahre hinterher und oftmals auf tiefstem Niveau.

    • Alex S sagt:

      Das ist der Punkt: Sie haben eben nicht das Zeug, um in Männermannschaften zu spielen, da muss man sich nichts in die Tasche lügen.
      2006 oder 2007 hat einmal die deutsche Nationalmannschaft der Frauen – damals immerhin amtierende Weltmeisterin – gegen die A-Jugend des VfB Stuttgart gespielt und sie sind knapp zweistellig auseinandergenommen worden.
      Die körperlichen Unterschiede sind viel zu gross und gerade was die Leistungen der weiblichen Torhüter während der letzten WM angeht, so waren diese fast durch die Bank peinlich bis amüsant, das reicht nicht einmal für das Niveau von männlichen Jugendmannschaften.

  2. Mäse sagt:

    Interessaner Ansatz. In einer Sportart, bleiben wir bei den Männern, wo noch nicht einmal Schwule akzeptiert werden, noch wird über das Thema Homosexualiät offen gesprochen, sehe ich leider keine grosse Chance für eine Frau, Fuss zu fassen. Das wäre ja fast ‘noch schlimmer’ als ein schwuler Mitspieler, da wäre man wenigsten noch ‘unter Männern’.

    Für mich persönlich wäre es eine Bereicherung zu sehen, wie eine Frau ein Team von Selbstdarstellern managed. Ich denke, die Herren kämen glatt neu zur Welt 🙂 und dass FRauen was von Fussball verstehen, kann man in grösseren Nationen wie den USA oder Deutschland sehr wohl sehen.
    Bei den Schiedsrichtern/innen hat’s ja geklappt, was fehlt ist eine breitere Bewegung an Interessentinnen.

    Zum Thema Hape Solo, da würd ich sagen, dass ein Mix von Männern und Frauen auf dem Spielfeld wahrscheinlich nicht klappen könnte, auch nicht auf der Torwartposition. Zu gross sind die athletischen Unterschiede, die man auch nicht mit Technik etc. wegzaubern könnte.

    Hoffen wir, dass eines Tages eine Frau ein Team einer höheren Liga coachen kann, das wäre echt mal ein Fortschritt.

    • Pedro sagt:

      ja ja, bei den Schiedsrichter/innen hat es geklappt….
      Ich habe noch nie einen maennlichen Schiedsrichter gesehen, der einen Torhueter nach einem gehaltenen Penalty ein high five gegeben hat. Deshalb: keine Nicoles mehr die Pfeiffen!!!

      • siga sagt:

        Da sag ich bloss: Lieber High Five als Stinkefinger..

      • Mäse sagt:

        Pedro – es gibt nicht nur in der Schweiz Schiedsrichterinnen 🙂 und ich habe nicht behauptet, dass diese alle auch gut sind. Ihre männlichen Pendants sammeln die Loorbeeren auch nicht gerade massenhaft, und dies weltweit. Ich kenne aber Schiedsrichter, die Spiele in die ‘richtige’ Bahn geleitet haben, auch weltweit 🙂 So schlimm ist dann Nicoles gimme 5 auch wieder nicht, wenn auch deplaziert. Aber das war der Stinkefinger eines gewissen Refs auch.

        • Pedro sagt:

          Oh, nein lieber Mäse. Busaccas Reaktion ist fuer mich verstaendlich, scliesslich war es ein “Angriff” auf seine Person (und vielleicht noch die Mutter). Aber was sich die Petignat geleistet hat geht nicht mehr unter unparteiisch.

          • Mäse sagt:

            Auch für mich ist Busaccas Reaktion verständlich, ich müsste sowas jeden Match machen 🙂 ich weiss schon warum ich nie Schiedsrichter sein könnte.

  3. manu sagt:

    Leider ist dies wohl wahrlich nur ein utopischer Traum, da im Fussball immer noch eine seltsame Art von traditionellem Machismo herrscht. Es wäre aber wirklich mal an der Zeit den Versuch zu wagen; wer weiss, vielleicht würde manch einer der harten Kerls seine Schauspielerei etwas zurücknehmen…
    Tragischerweise würde eine tatsächliches Engegment einen solchen Medienzirkus mit sich bringen und jede Handlung der Trainerin würde unter allen Aspekten durchleuchtet werden, so dass ein Erfolg stark erschwert wäre.

  4. Ernst Baumann sagt:

    Ihr Gedanke ist sicher ganz im Sinne der Gattin des FCZ Präsidenten. Und dieser lässt sich ja gerne alles diktieren: Stehplätze von seinen pyromanen Südkürvler; Spielweise durch die Verwaltungsräte – wieso also nicht eine Trainerin ausgewählt durch seine Gattin? Aber noch wichtiger wäre es vielleicht die Greisen an der Spitze der Fussballverbände durch attraktive Powerfrauen zu ersezten. Eine Revolution gesteuert von “oben” würde vermutlich mehr bewegen.

    • FCZ-Andy sagt:

      Ja hallo Herr Baumann. Was hat das mit dem Thema hier zu tun? Wenn Sie über den FCZ lästern wohlen, ok. Ich teile ja ab und zu auch mal aus, aber wenigstens mit Niveau. Woher Sie all diese Infos über das Ehepaar Canepa haben, ist mir sehr schleierhaft! Oder könnte es sein, dass Sie unter dem Ehebett der Canepas jeweils lauschen gehen?

  5. Thierry Emanuel sagt:

    Die Frauen haben von uns Männer alles ünernommen. Sie Tragen unsere Klamotten, unsere Schuhe, Sie machen unsere Jobs sind Tram, Lastwagen oder Zugführerinnen. Sie wollen ums verrecken unseren Männersport Fussball spielen auch wenn sie dabei noch so schlecht verschwitzt und kaputt aussehen (erinnert mich irgendwie an meine Turnstunden). Aber da ist nicht alles. sie haben von uns Männer auch die schlechten Eigenschaften übernommen. Liebe Frauen bitte bitte lasst uns Männern doch noch wenigstens die schlechten Eigenschaften……und den Fussball.

    • Belle sagt:

      Ach die armen Männer, die Frauen nehmen ihnen auch wirklich alles weg! Und was ist mit männlichen Eiskunstläufern, Männern, die sich in einem Kosmetik-Studio wachsen lassen, Männern in der Aerobic-Klasse, Männer, die Männer-Röcke tragen etc? Bewegen die sich in einer klassisch männlichen Umgebung? Darüber zu diskutieren, ob es überhaupt noch Frauen- bzw. Männerjobs oder Sportarten gibt ist sowieso müssig. Jeder soll doch bitte schön machen was ihm/ihr gefällt. Und zu Ihrem Beitrag muss ich nun noch bemerken, dass fussballspielende Männer auch nicht besonders umwerfend aussehen, da Sportreiben nun mal dazu führt, dass man schwitzt und kaputt aussieht, egal ob Mann oder Frau!

      • siga sagt:

        Oh MANN Thierry, du lebst wirklich noch im letzten Jahrhundert.
        Die Frau soll gefälligst schön aussehen, und das war’s dann auch schon. Es könnte dir mangels Selbstvertrauen halt schon übel ergehen, wenn Frau statt unterlegen gleichberechtigt wäre.
        Und zur Übernahme schlechter Eigenschaften: Du willst doch nicht sagen, schlechtes Verhalten sei typisch männlich und die Frau besässe gar kein solches, ausser sie schaut’s denn bei euch ab?!
        Echt von gestern, dieses Denken.

  6. Bruno Martmer sagt:

    Da gibts ja ganz interessante Kommentare und ich würde behaupten, dass wir da ein Problem mit der Multikulte-Gesellschaft bekommen können. Ich lebe in Südamerika und das wäre hier unmöglich. Bei uns in der Schweiz spielen so viele Nationalitäten, die sich ganz einfach keine Frau als Trainerin vorstellen können. Leider ist es so in vielen Teilen dieser Welt und das wird sich auch nicht so schnell ändern. Es würde Spieler geben, die gegen die Trainerin spielen. Nicht, weil sie nicht kompetent ist, nein, weil sie eine Frau ist. Sie muss zehn mal besser sein als ein Mann und der kleinste Misserfolg wird ihr zum Verhängnis. Ich habs ja gewusst, dass das in die Hosen geht und ähnliche Sprüche wären an der Tagesordnung. Unsere Nationalmannschaft spielt auch nicht unbedingt attraktiv, aber man hat wenigstens Geduld mit dem Trainer und den jungen Spielern. Will mir gar nicht vorstellen, wenn eine Frau als Trainerin, solche Spiele wie gegen Luxenburg zu verantworten gehabt hätte. Sie würde heute auf dem Mond wohnen, wo sie hingeschossen worden wäre.

  7. David sagt:

    Fußball ist Männersport, ganz einfach.

  8. Pedro sagt:

    Nehmen sie diesen Blog nochmals raus, wenn bei Dynamo Dresden eine Frau eine ganze Saison an der Seitenlinie stand.

  9. Schmuerzel sagt:

    Sorry, liebe Damen, nehmt euch an der eigenen Nase. Ihr muesstet eben an die Meisterschaftsspiele der Frauenliga gehen.
    Wenn nur 100-250 zuschauer den Spielen beiwohnen, wird der Frauenfussball niemals ernst genommen und ihr werdet
    noch eine Ewigkeit solche Kommentare lesen muessen.

  10. Nino sagt:

    Das wäre ein gewagtes Projekt, die Frage ist, wer stellt die erste Frau ein? Hat sie Erfolg, dann könnten die nächsten Frauen folgen, bleibt der Erfolg aus, dann scheitert das Projekt. Ich persönlich liebe (weibliche) Frauen, Fussball (wie Eishockey) ist eher eine harte Männerdomäne, da wird es schwierig für eine Frau nicht männlich (so wie Silvia Neid..) zu wirken und nebst dem Erfolg auch noch ihre weiblichkeit zu erhalten. Ich denke das Frauen das könnten, aber ich stehe auf feminine Frauen.

    • Franz sagt:

      Es geht nur mit der Quotenregelung: Bis spätestens 2020 müssen die Hälfte der SL-Klubs von Frauen trainiert und gecoacht werden. Linksgrün soll sofort eine entsprechende Motion einreichen. Darüber hinaus wird jeder Profiklub verpflichtet, mindestens 5 Positionen in der Anfangsaufstellung mit Frauen zu besetzen. Dem männlichen Chauvinismus im Fussball ist endlich energisch entgegenzutreten.

      • Nino sagt:

        @Franz: …das kannst du ja nicht ernst gemeint haben, zudem halte ich von Quotenregelungen allgemein nichts!

  11. Peter Müller sagt:

    es gab ja letzthin diesen Artikel im Tagi über eine Trainerin: http://www.tagesanzeiger.ch/leben/gesellschaft/Alles-hoert-auf-ihr-Kommando/story/20953469

  12. Auguste sagt:

    hmm…, Ich denke die zeit ist noch nicht reif dafür. einige der grossen spielerinnen sind immer noch aktiv. aber wer weiss, wenn sie mal die eigenen stollenschuhe an den nagel hängen, dann könnte ich mir schon vorstellen, dass die eine oder andere als trainerin die karriere fortsetzt. ob von einer männer- oder frauenmannschaft ist eigentlich egal.

    hier zum spass ein artikel, den ich anlässlich der frauen-wm in deutschland schrieb:

    Esel mit Pferdeschwänzen?

    Kein Zweifel, die „It-Frisur“ des Sommers ist der Pferdeschwanz. Woher ich das weiss? Es war einfach unübersehbar. Homare Sawa, Lotta Schelin, Alex Morgan und Elodie Thomis und noch viele andere, junge Frauen waren während der letzten vier Wochen der lebende Beweis dafür.

    Ich habe mich an meinen eigenen Rat gehalten und einige Spiele der Frauenfussball-WM am TV mitverfolgt und habe es nicht bereut – auch wenn die Torhüterinnen immer noch oft nicht ganz glücklich aussahen in ihren Aktionen und es für Frauen wahrscheinlich immer schwierig bleiben wird, den Ball aus dem Stand kraftvoll zu spielen. Es waren packende Spiele darunter und ein Finale, das reich war an Dramatik und gutem Sport. Ob nach dieser WM der Frauenfussball einen höheren Stellenwert im globalen Sportkalender einnehmen wird, wage ich zu bezweifeln. Aber das ist auch nicht entscheidend. Wichtig ist, dass jeder, der es wollte, sehen konnte, wie gut das Niveau in den letzten Jahren geworden ist und es auch im Frauenfussball eine Reihe herausragender Spielerinnen gibt. Alle zu nennen, würde den Rahmen des Blogs sprengen, aber für mich waren diese vier besonders bemerkenswert:

    Homare Sawa ist die grosse Spielerinnenpersönlichkeit dieser WM. Die 32-jährige, 164cm grosse Japanerin, mit Pferdeschwanz, Kapitänsbinde und der legendären 10 auf dem Rücken führte im Mittelfeld Regie, wie einst Günter Netzer und traf dabei auch ins Tor wie damals der grosse Michel Platini. Sie machte die Räume eng, wie eine Hausfrau mit Hang zu Polstergruppen und Deko-Sofakissen, hielt das schöne Kombinationsspiel der kleinen Japanerinnen im Fluss und wurde die Torschützenkönigin des Turniers. Ihre tödlichen Zuspiele, und besonders jenes, dass kurz vor Ende der Verlängerung zum Tor und zum Aus der deutschen Frauen schon im Viertelfinale führte, hätte Mann nicht besser spielen können. Im WM-Final traf sie zum wichtigen Ausgleich und führte ihre Mannschaft zum Titel. Was für eine Spielführerin! Ich verneige mich tief, Sawa-san.

    Unter den traditionell blonden Schwedinnen fiel der dunkelhaarige Pferdeschwanz von L8 (sprich: Lotta) Schelin allein der Farbe wegen schon auf. Aber die wahre Schönheit dieser torgefährlichen Angreiferin liegt in den raubvogelhaften, schmalen Gesichtszügen, dem scharfen Auge und den fliessenden Bewegungsabläufen, die selbst ein Rennpferd ins Grübeln bringen würden, könnte es über seine Motorik nachdenken. Wie sie sich da vorne auf die Bälle stürzte, gab einem eine Idee, wie Sturzflug in seiner horizontalen Version aussehen könnte. L8 dribbelte und schoss Tore, L8 brachte dem Team das Tanzen bei, L8 war sexy ohne Ende. Kurzum: „Lotta, Ihre Auftritte waren wunderbar!“ Ganz so, wie es sich für einen Star geziemt.

    Sie ist (noch) keine der Superstars, aber Alex Morgan bei ihren Sturmläufen aufs gegnerische Tor zuzuschauen war so schön, dass der Replay-Knopf auf meiner Fernbedienung wohl nicht ganz zu Unrecht daran dachte, sich mit Foltervorwürfen an Amnesty International zu wenden. Mit amerikanischer Unbeschwertheit, fliegendem Rossschwanz und Haarband plus farblich abgestimmtem Sport-BH in neonpink unter dem weissen US-Trikot schien sie, im Stil des grossen Mario Kempes über das Spielfeld zu gleiten. Und wenn sie nach einem Tor zurück lief, um sich feiern zu lassen, waren ihre Schritte von betörender Leichtfüssigkeit und ihr Lachen so ansteckend, dass in einigen Basler Labors Freudentränen flossen und bei der WHO der Angstschweiss ausbrach.

    Ihr Pferdeschwanz war etwas strubbelig, aber die am Hinterkopf zusammengebunden Rasta-Locken von Elodie Thomis hatten ihren ganz besonderen Charme. Die pfeilschnelle, dunkelhäutige Französin, die, sobald sie eingewechselt wurde, mit ihren Sprints ganze Abwehrreihen wie angewurzelt aussehen liess, war einfach bezaubernd. Ganz besonders die Nahaufnahmen nach ihren Aktionen waren sehenswert. Ob sie nun den Ball ins Tor geschossen, oder in der Eile hinter sich „vergessen“ hatte, ihre Mimik, schien mit einer Mischung aus schönster, afrikanischer Unbekümmertheit und Verwunderung immer das Gleiche auszudrücken: Wow, war das schnell! Unbestätigten Gerüchten zufolge sollen in der Serengeti Geparden gesichtet worden sein, die in französischen Nationalmannschaftstrikots mit der Nummer 12 rumrennen.

    Diese Frauenfussball-WM war ein Sportfest ausgelassener Weiblichkeit und bot neben einem praktischen „bad hair day“ Tipp auch schrille Fingernägel und wilde Tattoos allenthalben. Dazu gesellten sich vom Blitz getroffene und mit Moschushirsch-Extrakt wieder hergerichtete Kommunistinnen, entsetzte Einheimische und ein Siegerteam, das seiner geschundenen Heimat ein grossartiges Zeichen der Hoffnung in schwierigen Zeiten schenkte.

    Und wie war das nochmal mit jenem Kommentar im Internet vor der WM: „Frauenfussball ist wie Pferderennen mit Eseln“? Der Mann lag völlig falsch. Frauenfussball 2011 ist ein Abbild von selbstbewussten Frauen in Bewegung. Und wenn das deutsche Team am Ende mal nicht gewonnen hat, dann mag das als ein weiterer Beweis dafür herhalten, dass Frauen Dinge halt etwas anders angehen.

  13. Nino sagt:

    Was wäre wenn sich eine Frau nach jedem Sieg den Bart weiter wachsen lässt?

  14. Steiner78 sagt:

    Ich denke schon, dass rein theoretisch einmal ein weiblicher Coach mit einem Männer-Topteam Erfolge feiern kann. Aber: Zwischen Frauen- und Männerfussball liegen Welten. Es gibt im Moment keine Damenmannschaft, weder Klub noch Nationalauswahl, die auf dem technischen Niveau von Hertha, Köln oder dem FCZ Fussball spielt. Eine Trainerin müsste erstmal lernen, mit den athletischen Voraussetzungen des Männerfussballs im Spiel etwas umsetzen zu können. Auch männliche Trainer müssen da hineinwachsen, sei es über ihre eigene Spielerlaufbahn oder über Trainerstationen bei niederklassigen Mannschaften. Damit mal eine Frau Trainerin bei einer Top-Männermannschaft wird, und zwar ohne dass es als Experiment angesehen würde, bräuchte es erstmal einen gewissen Stock an Trainerinnen in Männermanschaften der Jugend oder in unteren Ligen, aus dem sich dann eine hocharbeiten könnte. So würde das wohl nicht als Problem angesehen. Im Moment ist das aber – zu Recht – eher utopisch.