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FCZ: Beschämende Behandlung eines HIV-positiven Fussballers

Simon Zimmerli am Montag den 18. November 2013
Daniel Tarone, Lucky Isibor, Miroslav Koenig, Mario Raimondi und Marc Schneider, von links nach rechts, die neuen Spieler des FC Zuerich, aufgenommen beim Fototermin des FCZ in Zuerich am Montag 1. Juli 2002. (KEYSTONE/Walter Bieri)

Vorstellung der neuen FCZ-Spieler vor elf Jahren: Daniel Tarone, Lucky Isibor, Miroslav König, Mario Raimondi und Marc Schneider (v.l.n.r.) an einem  Fototermin des FCZ, 1. Juli 2002. (Keystone/Walter Bieri)

Die Geschichte, die sich vor über zehn Jahren ereignete, im Frühling dieses Jahres vor dem Zürcher Obergericht verhandelt wurde und nun rechtskräftig ist, war den meisten Medien nur eine Randnotiz wert: «FCZ muss 315‘000 Franken zahlen». Was war passiert?

Auf die Saison 2002/03 hin, war der FC Zürich eifrig an der Transferfront tätig und vermeldete bereits im Frühling 2002 stolz den Zuzug von Anthony Joseph Isibor. Isibor war ein grossgewachsener und kräftiger Stürmer, der fortan mit Alhassane Keita für die Tore sorgen sollte.  Kurz vor dem Saisonstart teilte der damalige Präsident Sven Hotz in einem Zeitungsinterview mit, dass er immer noch auf die Freigabe des südkoreanischen Clubs Samsung Blue Wings, Isibors letztem Arbeitgeber, warte. In Tat und Wahrheit hatte der FCZ den damals 25-jährigen Nigerianer bereits wieder entlassen. Fristlos, knapp zwei Monate nach der Vertragsunterzeichnung.

Der inzwischen verstorbene nigerianische Fussballer Lucky Isibor, 1. Juli 2002. (Keystone/Walter Bieri)

Der inzwischen verstorbene nigerianische Fussballer Lucky Isibor, 1. Juli 2002. (Keystone/Walter Bieri)

Bei den medizinischen Tests wurde Isibor eine tadellose physische Leistungsfähigkeit attestiert, allerdings stellte der FCZ-Mannschaftsarzt bei ihm auch eine HIV-Infektion fest. Nun stellte man Isibor grosszügig vor die Wahl; entweder er würde seine Mitspieler darüber informieren, dass er das HI-Virus in sich trägt – oder er würde entlassen. Jeder kann sich vorstellen, wie ein Grossteil seiner Mitspieler vermutlich reagiert hätte. Isibor verzichtete auf sein Outing. Fraglich ist auch, wie es überhaupt zum Aids-Test gekommen ist, gehört er doch nicht zum Standard von Gesundheitsabklärungen im Sport. Und eigentlich bedarf er auch der Einwilligung des betroffenen Spielers.  Die Verantwortlichen des FC Zürich hüllen sich in Schweigen.

Die Aids-Hilfe Schweiz ist schockiert über das Vorgehen des Stadtclubs. «Es gibt keinen Beruf, der es rechtfertigen würde, HIV-positive Menschen auszuschliessen», sagt der Medienverantwortliche Harry Witzthum und erzählt vom Fall eines technischen Operationsassistenten, der aufgrund seiner positiven HIV-Diagnose von der Ausbildung ausgeschlossen wurde. Ein Rechtsgutachten eines angesehenen Infektiologen stellte fest, dass unter Wahrung der ohnehin üblichen Vorsichtsmassnahmen – wie sie auch im Fussball gelten – im Umgang mit Blut keinerlei Ansteckungsrisiko vorhanden war. «Selbst in Gesundheitsberufen ist somit unter der Beachtung von normalen Richtlinien HIV keine Gefährdung», sagt Witzthum. Der Ausbilder musste daraufhin den Ausschluss wieder rückgängig machen.

Elf Jahre sind vergangen, seit Isibor vom FCZ entlassen wurde. Dass der Verein nun 315’000 Franken zahlen muss, nützt ihm nichts. Er fand nach dem kurzen Gastspiel in Zürich keinen neuen Verein mehr und beendete seine Fussballerkarriere mit 25 Jahren. Daraufhin reiste er in seine Heimat Nigeria und verstarb gemäss der Zeitung «The Punch» diesen Sommer im Alter von 36 Jahren nach kurzer Krankheit. Eine menschliche Tragödie.

Ich war schockiert über die zahlreichen Kommentare auf der Online-Plattform einer grossen Schweizer Tageszeitung, nachdem das Urteil des Obergerichts im Fall Isibor veröffentlicht wurde. Es gab Leser, die Isibor als tickende Zeitbombe und Gefahr für Mit- und Gegenspieler darstellten. Es würde wohl einigen Menschen gut tun, sich besser über die möglichen Übertragungswege des HIV-Virus zu informieren.

Was denken Sie liebe Leserinnen und Leser? Wie sollte ein Verein in einer solchen Situation handeln?

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21 Kommentare zu “FCZ: Beschämende Behandlung eines HIV-positiven Fussballers”

  1. Peter Essig sagt:

    Schwierig Herr Zimmerli, bei HIV schlagen die Instinkte zu, welche Relationen vergessen lassen.
    Man denkt sich “jesses, wenn der nun blutet und dann…” mit dem berühmten Ende “wenn man nur einen Fall von Neuansteckung verhindern kann” als Begründung.
    Das man hierbei Menschen grundlos ins Elend stürzt, ist dann den meisten egal.

    • Jürg sagt:

      Wenn Instinkte die Entscheidungsgrundlage bilden, dann befinden wir uns im Reich der Tiere. Ich verstehe zwar, dass ein natürlicher Angstreflex besteht, aber am Ende sollte die Vernunft, sprich die wissenschaftliche Grundlage, die Basis für unser Handeln bilden. Umso trauriger, dass dies auf Ebene der Vereinsverantwortlichen nicht der Fall war.

  2. Werner Luginbühl sagt:

    Fremdschämen ist angesagt. Dass es der FCZ in dieser Sache bis zu einem Gerichtsurteil kommen liess, zeugt von wenig Einsicht und macht das alles noch viel peinlicher, als es eh schon ist.

    Die Kommentare in den Online-Medien haben mir ebenfalls fast die Sprache verschlagen. Die Ahnungslosigkeit der Menschen ist manchmal wirklich unglaublich. Dass trotzdem offenbar jeder das Gefühl hat, er müsse seine fachmännische Meinung in einem Kommentar veröffentlichen, gehört halt zu den modernen Medien – einschliesslich diesem Blog.

  3. Ivar Panic sagt:

    Es gibt, gelinde gesagt, noch viele andere unsinnige Dinge, die eine Anstellung verunmöglichen. Da ist HIV noch nachvollziehbar. – Versuchen Sie mal mit einem -ic Namen einen Job oder eine Wohnung zu bekommen. – Ich wünsche viel Erfolg! – Kann ich auch klagen, wenn ich eine Wohnung nicht kriege??

    • Nunjez sagt:

      Du tust mir Leid, ich bin Schweizer und finde auch seit jahren keine Wohnung, darf ich auch klagen?

    • Diana Michevc sagt:

      …bei ihnen hätte ich auch panic 😉

    • Werner Luginbühl sagt:

      Isibor wurde nicht “nicht angestellt” sondern fristlos entlassen, nachdem er bereits angestellt worden war. Wenn Sie eine Wohnung nicht kriegen, können Sie nicht klagen. Wenn Sie wegen Ihrem Namen rausgeworfen werden, dann schon!

  4. Mura sagt:

    Fremdschäm für meinen lieblingsverein ist wohl der richtige Ausdruck in dieser Sache!

    Es kann nicht sein, dass im 21. Jahrhundert immer noch so viele ignorante Menschen gibt, wie unsere damahlige Vereinsführung und diejenigen, die solche Kommentare (in der von ihnen angesprochenen Tageszeitung) schreiben.

    Sehr traurige Geschichte!

  5. Peter Schmid sagt:

    Da hat der FCZ ein Leben zerstört.

  6. Rudi Buschbrenner sagt:

    Passt zu diesem Club!

    • Hanspeter Tschann sagt:

      Nanana, ähnlich unqualifiziert wie alle die angesprochenen Kommentare. Das hat mit dem FCZ an und für sich gar nichts zu tun. Da standen Menschen dahinter und die hätten auch überall anderswo falsch handeln können. Bitte mal eben sachlich bleiben und den FCZ-Reflex beiseite lassen. Das Schicksal von Lucky ist traurig genug, da muss man keine Club-Polemik machen. Lucky R.I.P. und deiner Familie viel Kraft!

    • Tobias Müller sagt:

      Dein Namen passt wohl zu dir…

    • Peter Essig sagt:

      Sie meinen den Cliub, der schon verschiedene Spielern, trotz Verletzung, eine Vertragsverlängerung anbot?

      Oder wie genau kann man das verstehen?

  7. Eliane sagt:

    Schrecklich was Unwissenheit und Dummheit anrichten kann. Schämen sollten sich die Verantwortlichen! Ja da wurde ein Leben zerstört. Ich hoffe die Angehörigen erhalten nun wenigstens das Geld.

  8. Nunjez sagt:

    Wenn wundert das? Es ist ja bekannt wie der Club mit Spielen umgeht selbst wenn diese nicht HIV-Positiv sind, siehe Abdi etc.!
    FCZ diskriminiert am Laufmeter und Niemand Intressierts anscheinend, aber ihr seit abstossend! Hoffe ihr steigt endlich ab dann ist Ruhe…..!

  9. Thomas Rilke sagt:

    Fussball wird mit den Beinen gespielt. Uebermässige Intelligenz ist da nur hinderlich. Diese Sätze kommen mir in den Sinn, gesagt von einem bekannten deutschen Fussballhelden vor einigen Jahren im Kicker. Tja, und offenbar setzt sich das in der Vereinsspitze von Fussballklubs dann so fort. Aber seien wir gerecht – bildet dieses Verhalten nicht die Gesellschaft ab ?
    Wenn man die online-Kommentare liest dann fröstelt es mich.

  10. René Obi sagt:

    Ganz üble Geschichte. Nur waren von der jetzigen FCZ-Crew nicht viele damals schon dabei. Und wenn, dann nicht in entscheidenden Positionen. Sven Hotz als Ehrenpräsident und damaliger Patron des Clubs muss wohl hier die Verantwortung übernehmen. Da war er damals sehr schlecht informiert und noch schlechter beraten.

  11. Manuel Bachmann sagt:

    Der FC Zürich hat ethisch falsch gehandelt. Beim FCB werden kranke Spieler nicht entlassen, sondern erhalten eine Vertragsverlängerung.

  12. Die meisten Spieler kriegen doch gerade weil sie krank sind eine Vertragsverlängerung!!! Frechheit!!!

  13. Maria sagt:

    Ganz Murats meinung!!!

  14. Mike sagt:

    Menschen sind schlimmer als Tiere, immer wieder bewiesen