Eine Carte Blanche von Florian Lehmann*.
Die Liebe zu England begann früh. Schon in der Kindheit, als in Schwarz-Weiss-TV-Bildern Roger Moore als Ritter «Sir Ivanhoe» das Schwert schwang und sich als «Simon Templar» mit schickem Sportwagen auf Verbrecher- und Frauenjagd begab, kam der Wunsch auf, einmal auf der Insel zu leben. Und da war vor allem der Fussball: Die Live-Bilder von der WM 1966, mit dem berühmten dritten Tor im Final gegen Deutschland, von dem sich unsere alemannischen Brüdern und Schwestern noch immer nicht erholt haben, bleiben unvergesslich. Natürlich die Auftritte des grossen Manchester United, mit Figuren wie Sir Bobby Charlton, George Best, der sich später auf dem gefährlichen Feld des Alkohols verdribbelte, haben meine Zuneigung zur Insel gestärkt. Der Support galt aber dem guten alten FC Chelsea, weil für mich Mittelfeldspieler Dave Webb oder Stürmerstar Peter Osgood so gut gefielen und meine Vorbilder beim Kicken in der Freizeit waren – nicht zuletzt auch, weil mir das Trikot der «Blues» zusagte.
Viele Jahre später, Mitte der 80er-Jahre, zog es mich weg also von der beschaulichen Schweiz. In England fand ich eine neue Heimat und eine neue Liebe. Und weil ich mich in den ehelichen Infight mit meiner Engländerin begab, durfte ich zur Blütezeit der Thatcher-Ära dort legal arbeiten und leben – von bilateralen Verträgen war die Eidgenossenschaft damals so weit weg wie die Stadt Zürich heute von einem neuen Fussballstadion. Aus der Verbindung stammte dann auch ein Sohn. Und Sam teilte mit dem Daddy vom Zürichsee die Vorliebe für den Fussball. Wegen der lokalen Nähe zu Birmingham entschied sich der Bub, Fan von Aston Villa zu sein; fortan war der Villa Park, das architektonisch schönste Gebäude der zweitgrössten Stadt Englands, ein Ort der kulturellen Weiterbildung für das Duo.
Viele Jahre sind inzwischen vergangen. Der Dad kehrte in den 90er-Jahren in die Schweiz zurück, weil er genug hatte von Tandoori Chicken und schlechtem Bier und er sich entschied, dem grossen Team von Väter beizutreten, die am Monatsende freudvoll die Alimente bezahlen dürfen. Sam ist bei der Mutter auf der Insel geblieben, er studiert heute in Leeds und arbeitet nebenbei in einem Pub – wo denn sonst im alten Königreich. «Weisst du noch Dad, als wir zu Eröffnung der Fussball-EM 1996 im Wembley waren?» «Natürlich», erwiderte ich am Handy zu Beginn dieser Woche, «dieses Spiel in dieser tollen Atmosphäre im alten Wembley, wie könnte ich das je vergessen?» 1:1 trennte sich damals die Schweiz von Gastgeber England. Die Schlagzeile tags darauf im «Sunday Telegraph» lautete: «Swissed off». Kein anderes Volk auf der Welt versteht es so gut, Selbstironie und Sarkasmus vorzuleben wie die Bewohner des «United Kingdom». Vater und Sohn diskutieren weiter, bis Sam sagt: «Es wäre schön, es gäbe am Samstag wieder ein Unentschieden. Wenn England gegen die Schweiz spielt, weiss ich nämlich nicht, wem ich helfen soll.» «Aha», erklärt der Vater, dem es genau so geht, weil er sich, wie der Sohnemann, in beiden Nationen zu Hause und als Doppelbürger fühlt. «Es ist schwierig mit zwei Herzen in einer Brust zu leben», füge ich hinzu. «Aber, Sam, ich bin schon zufrieden, wenn die Schweizer endlich wieder einmal mit Herz und mit Freude Fussball spielen. Das würde mir schon genügen. Das mit der EM 2012, dieser Zug ist realistisch gesehen schon abgefahren. Und richtig verdient haben die Spieler diese EM-Teilnahme nicht, bisher jedenfalls nicht.»
Sam sagt, er müsse Schluss machen. Die Gäste an der Theke haben Durst. Natürlich, darum seien sie auch dort, erklärt der Gesprächspartner aus Zürich besserwisserisch. Bevor er die Konversation abbricht, sagt die 24-jährige Stimme aus der Grafschaft West Yorkshire: «Ich werde am Samstag bei der Arbeit wieder mein Schweizer Nati-Trikot anziehen. So wie bei der WM in Südafrika.» Aber das sei doch auch gefährlich, schliesslich gehören die Fussball-Fans aus Leeds nicht unbedingt zur netteren Sorte der Supporter-Gemeinde, wende ich ein. «Kein Problem, Vater, sie mögen mich, sie wissen, dass ich englisch-schweizerisches Blut habe. Niemand hier hat etwas gegen die Schweiz oder die Schweizer. Nur dieser Blatter, der hat keine Freunde hier.»
* Florian A. Lehmann hat lange in England gelebt und fühlt sich praktisch als Doppelbürger. Der passionierte Sportjournalist ist seit 2008 bei «Newsnetz».
warum eigentlich IMMER IMMER IMMER eine “CARTE BLANCHE” bei den Newsnetz Blogs…das geschriebene wird durch diesen seit ca. 4 Wochen totgerittene Ausdruck nicht besser!!! Vielen herzlichen Dank…und jetzt weiterschreiben!
Ich verstehe nicht wie man im Fussball für England sein kann. England ist seit Jahren keine Top-Nation mehr im Fusball und glaubt aber immer noch the “Big Empire” zu sein. Ich kenne keine Fussballfans die so arrogant und eingebildet sind wie die Engländer. Singen sie doch während des Spiels auch noch die Landes-Hymne. Die englische Liga lebt nur von den Ausländern. Man muss schon Engländer sein um Fusball-England gut zu finden.
1) England ist Mutterland des Fussballs und gehört damit automatisch und immer in die Top-Riege der Fussballnationen
2) Die englischen Fans sind die besten der Welt
3) die Premier League lebt auch von englischen Spielern wie Rooney, Baines, Defoe, Crouch, Gerrard oder Lampard.
4) um Fussball-England zu LIEBEN, muss man nicht Engländer sein
1) Was für ein Unsinn!
2) Ja genau… Und die FIFA ist auch nicht korrupt!
3) Die kommen ja auch von dort, oder? Da kann man das eigentlich erwarten.
4) Das stimmt allerdings
Nun, das Spiel heute Abend ist beispielsweise hier in Yangon, Myanmar, das grosse Thema unter der maennlichen Bevoelkerung und die Begeisterung fuer Fussball-England hoert nicht an den Grenzen zu den umliegenden Laendern hier wie Thailand, China etc. auf, da muss also schon noch etwas mehr vorhanden sein, dass diese Begeisterung moeglich ist…
von den engländern könnte wir uns bezüglich Patriotismus eine Scheibe abschneiden. Singen können die!! und sie leben den Fussball, obwohl sie nicht den besten spielen, doch sie leben ihn mehr als unsere super schweizer fans die nur hopp schwiz schreien….wünsche mir sehr dass wir dazulernen in dieser sache
Wenn man dem erbärmlichen Gekicke in den letzten 12 Monaten der Aera Hitzfeld zuschaut, kann man aber auch nicht Fan der Schweiz sein. Zudem haben ihre Zuschauer die seltsame Angewohnheit, den besten Spieler des eigenen Teams auszupfeifen.
Meinst du jenen ‘besten Spieler, der gestern so schmerzlich vermisst wurde? 😉
(jaja, ich weiss… Systemumstellung und so… mag jedoch auch behaupten, dass nun einige nach dem Abgang des Stinkstiefels befreiter aufspielen koennen…)
Ich bin kein Engländer, jedoch liebe ich den englischen Fussball, die englischen Stadien und vor allem die englischen Fans. Du warst wohl noch nie an einem Fussballspiel in England. Diese Atmosphäre ist unbeschreiblich und mit nichts zu vergleichen. Die Engländer leben den Fussball, Fussball ist dort ihre Religion. Das sie ihre eigene Nationalhymne singen, ist einfach nur “geil”. Ich wäre froh wenn die Schweizer mal ein wenig stolzer auf ihr Land sein könnten und zumindest die ersten vier Strophen unserer Hymne auswendig lernen könnten…England ist seit Jahren nicht mehr sehr erfolgreich an Turnieren, das stimmt. Leider.. Jedoch hängt dies sicherlich auch mit der anstrengenden und langen Fussballsaison zusammen, denn die Intensität in der Premier League ist um einiges höher als in den anderen Ligen Europas. Und welche Liga lebt nicht von Ausländern??? Ok, die spanische sicherlich nicht allzu sehr, aber sonst ist kein Unterschied zu sehen, ob Bundesliga oder Serie A.
Und auch ich drücke heute beiden Mannschaften die Daumen.
geht mir ähnlich. aber das land hat ein grosser reservoir an biertrinkenden gröhlenden chauvis. da lob ich mir das spanische publikum das mit sachverstand aber trotzdem viel emotionen dabei ist, aber ohne viel brimborium.
Nein, man kann auch als Schweizer die Engländer im Fussball gut finden. Die Fans machen den Unterschied. Jeder der schon mal ein Spiel im England-Sektor miterlebt hat wird es bestätigen. Wir werden immer als böse Hooligans abgestempelt aber am Samstag hatte ich nur Probleme mit stark alkoholisierten Schweizer, die blöd pöbelten vor dem Spiel.
Klar lebt die Premier League dank den vielen Ausländer. Es ist auch die beste Liga der Welt und deswegen vollen die guten Spieler auch dort spielen.
Lieber Mephisto, es ist aber sehr gewagt über einen Ausländeranteil zu schimpfen. Wenn ich die Aufstellung der Schweizer heute ansehe, dann muss man auch sehr lange suchen um einen Schweizername zu finden.
@ mephisto: ich verstehe auch nicht wie man denken könnte, dass irgendjemand für eine mannschaft sein könnte, nur weil sie eine top-nation sind. sollen wir auch nicht für die schweiz sein weil sie keine top-nation sind, und nur für die spanier oder brasilianer (dessen fans ja überhaupt nicht arrogant sind und bei jeder wm den siege erwarten)? von mode-fans gesprochen.
@ steilpass: ich habe soeben in einer englischen zeitung (the sun) gelesen, dass die engländer die schweizer heute haushoch schlagen wollen um sich bei sepp blatter zu rächen, weil hitzfeld in einem interview gesagt haben soll, dass die schweizer den sepp blatter ‘als helden verehren’, und sehr stolz sind auf die tatsache dass sepp ein schweizer ist. nun war mein erster gedanke “so ein blödsinn”, aber doch würde es mich interessieren ob ottmar sowas gesagt haben könnte. dass er diplomatisch sein und nicht über sepp lästern will ist klar, aber mit solchen aussagen schadet er der schweiz weil er die gedanken aus aller welt die denken dass fifa=switzerland(=korrupt) aus erster hand bestätigt. das wäre ja nur zu dumm.
…muppet…die Englander singen…’God save our gracious ‘team’ und nicht God save our gracious ‘Queen’ lol!
Carte Blanche hier, Carte Blanche da, überall Carte Blanche! Bald hat jeder mal eine gehabt! Es nervt es bizzeli!
hmm…, ich las heute mehrere sporteile von tageszeitungen und in jedem stand in etwas dasselbe. der obige text hebt sich erfrischend vom einerlei ab. was daran nerven soll erschliesst sich mir nicht ganz, aber ich lasse mich gerne belehren, sportsfreund.
RE: Mephisto Dein Kommentar ist ja lustig. Die Schweizer singen wohl nicht die Hymne doch auch “unsere Liga” lebt “nur” oder Gott sei dank von Ausländern. Ohne sie wäre der Schweizer Fussball noch langweiliger als er ohnehin schon ist!
England ist das BIG EMPIRE!
Rooneys Marktwert ist so gross wie der, der gesamten schweizer mannschaft.
In den letzten 4-6 Jahren sind keine grossen Talente rausgekommen (mit ausnahmen), aber jetzt kommen sie wieder. typische englische Stürmer (Wickham,Chamberlain) oder Skipper (Henderson,wilshere) und Verteidiger hat man immer gute. In der EM wird England wieder einschlagen. Englische Fans sind die besten und wenn man schonmal dort war, will man am liebsten jedes Wochenende die Spiele dort im stadion miterleben.
habt Ihr den neuen “Captain” der Nati schon gehört?? – Der bringt ja, ähnlich wie Fischer URS, KEINEN GERADEN und vernünftigen Satz zustande. passt ja irgendwie zum ZRH-er Proleten Club im Proleten Quartier Letzi..
die kommentare und reaktionen zeigen mir teilweise wie recht ich habe. ich muss euch “experten” leider alle enttäuschen. ich bin nicht für die CH in erster linie. mein herz gehört natürlich dem wahren mutterland des fussballs. und das ist DEUTSCHLAND!!! ich freue mich schon jetzt wenn deutschland das erbärmliche möchte-gern “mutterland des fussballs” hochkant aus dem nächsten turnier schmeisst. zählen wir doch mal auf wie viel titel deutschland geholt hat und wieviel das ach so tolle england. und wissst ihr warum das so ist’ weil die engländer nicht nur NICHT kochen und fussball spielen können, sondern weil sie einfach nur dämlich sind.
Wie recht doch Mephisto hat. Und die vielen Schweizer, die für England fanen, tun das bloss, weil sie einen gewaltigen “Schwobe”-Komplex haben. Ich freu’ mich schon, auf das nächste Zusammentreffen der beiden Erzrivalen, das nächste Mal gehts gleich 6:1, nicht bloss 4:1 aus.
hmm…, mein schweizer herz schlägt sein dem debut des kaisers, den toren gerd müllers, den langen pässen netzers und den paraden sepp meiers für die dfb-elf, aber die engländer als dämlich zu bezeichnen – so dämlich war ich noch nie.
der einzige der hier dämlich ist, bist du, lieber mephisto.
@mephisto: das ein Deutscher die Arroganz anderer Leute kritisiert ist ja richtig witzig. Wie ein Elefant im Porzellanladen.
Deutschland – der unübertroffene Welt- und Europameister im “Finalverlieren”.
Habe mich gut amüsiert. Was die Leeds supporter angehen, so muss ich feststellen, dass Florian Lehmann einen kleinen update braucht. Die Zeiten der bösen Supporter und “dirty Leeds” sind vorbei. Die einheimischen Fans an der Elland Road sind heute ungefähr so bereit zur Gewalt wie die Stadt Zürich zum Bau eines neuen Fussballstadions ist…
Bin sehr oft ferienhalber in England, so auch letzten Sommer während der WM. Fussball ist eine Religion auf der Insel und die Fans lassen sich ihren Optimismus (der manchmal total vermessen, aber doch sehr sympathisch ist) nicht nehmen. Ihr Glaube an die Three Lions ist unerschütterlich. Fällt man hin (verpasste EM-Quali, unzählige verbockte Penaltyschiessen etc.), putzt man den Dreck ab und steht wieder auf. Bewunderswert.
Auch letzten Sommer war beinahe jedes Haus, jeder Pub, jedes Auto mit englischen Fahnen geschmückt. Überall gab es Direktübertragungen. Jeder, der was auf sich hielt, trug ein Trikot der englischen Nati. Gänsehaut-Atmosphäre!
Vor dem Spiel gegen Deutschland hatte die “Sun” mal wieder eine besonders grosse Klappe, aber dieses Mal wurde Gott sei Dank auf Kriegsvokabular verzichtet. Die englische Presse ist absolut begnadet, was Wortspiele und Selbstironie angeht. Leider ging das Spiel gegen Deutschland verloren, und zwar klar. Trotzdem werde ich diesen Spirit, diese freudige Erwartung auf das Spiel nie vergessen. Es wäre England zu gönnen, wenn sie mal wieder einen grossen Titel holen. Ich bin heute auch – wie es sich für eine Schweizerin gehört – neutral 🙂
Könnte unbewusst oder bewusst nicht auch das viele Geld das im Englischen Fussball ist, eine Rolle spielen wenn man sich für England entscheidet? Viele Menschen fühlen sich zu Geld magisch hingezogen und geben sich dann als Fans. Sieht man auch bei VIP-Plätzen in den Stadien. Es gibt doch viele andere gute Teams, tolles Publikum, schöne Stadien in der ganzen Welt, warum ausgerechnert England und seit 1966 ist ja viel passiert. England hat sehr viele Fans in der ganzen Welt. Dies ist aber auf die Marktmacht der englischen Sportkanäle zurückzuführen und wohl nur in zweiter Linie auf die Fussballkunst. Das Spiel der Englischen Clubs ist viel besser (nicht unbedingt erfolgreicher im Vergleich mit den 70er Jahren) geworden in den letzten Jahren. Dies ist aber in erster Linie auf die Ausländer zurückzuführen und nicht auf den eigenen Nachwuchs.
Schlechtes Bier??? Bitte schön, wo gibt es besseres Bier als in England? Der zu Tode kommerzialisierte Fussball interessiert mich nicht mehr, aber ein Real Ale ist immer noch ein unvergleichliches Trinkerlebnis, z. B. ein Tetley’s aus Leeds!!!