Ich schreibe viel Blablabla

Beni Frenkel besuchte einen Kurs an der Journalistenschule. Da überfiel ihn die Angst vor der Dozentin.

«Herr Frenkel, war das ein bisschen zu schnell für Sie?»: Unser Autor war einen Tag am MAZ. Bild: Keystone

Ich war an einem MAZ-Kurs. Der Inhalt: Storytelling. Die Dozentin war eine der Besten ihres Fachs. Sie verteilte uns ein Dutzend Proben ihres Schaffens. Herrliche Storys. Eine angehende Journalistin streckte auf: «Wie schaffen Sie es, so tolle Texte zu schreiben?» Die Dozentin sagte: «Tamtatam-tatatam-tatamtatam». Eine gute Geschichte klinge wie die japanische Gedichtform Haiku.

Die angehende Journalistin notierte sich «Tamtatam-tatatam-tatamtatam». Leider machte ich den Fehler, die Dozentin etwas blöd anzugucken. Sie fragte mich: «Herr Frenkel, war das ein bisschen zu schnell für Sie?» Ich schüttelte den Kopf und beugte mich über den Notizblock.

Um weitere Eskalationen zu vermeiden, schrieb ich die ganze Zeit mit. Ich hatte nämlich beobachtet: Die Dozentin wirkte immer etwas verunsichert, wenn man ihre Perlen der Weisheit nicht aufschrieb. Dann kam sie ganz nahe zu einem Nachwuchsjournalisten: «Welchen Punkt haben Sie jetzt nicht verstanden?»

Davor hatte ich grosse Angst. Ich nahm ein neues Blatt Papier und schrieb in Schnürlischrift: «Blablablabla.» Von ganz oben bis ganz unten. Ich habe eine sehr schöne Handschrift. Irgendwann hörte ich der Dozentin nicht mehr zu und vertiefte mich nur noch in mein Blablablaba. Der teure Kurs endete am späteren Abend. Ich kam auf sechs handgeschriebene Blablabla-Blätter.

Was jetzt? Ich stellte versuchsweise ein Blatt auf Ricardo ein: «Journalist verkauft Blablabla». Das Interesse war riesig. Das Anfangsgebot lag bei einem Franken. Schnell kletterte der Preis auf elf Franken. Ich jubelte. Aber plötzlich fand ich mein Blablabla nicht mehr. Meine Frau hatte mein Werk ins Altpapier geworfen. «Spinnst du?», schrie ich. «Das ist wertvolles Blablabla!» Am liebsten hätte ich sie in Haiku-Form verprügelt: «Tamtatamtatatam-tatamtatam.»

Ich musste das Angebot auf Ricardo wieder löschen. Da erhielt ich mehrere Mails: «Wo ist Ihr Blablabla? Stellen Sie wieder Neues ein?» Das rührte mich. Sesesese-sese-sesesesehr selten bitten mich Redaktoren als freien Journalisten, etwas zu schreiben.

Habe ich vielleicht gerade das schwarze Loch des Journalismus entdeckt? Ist Blablabla die Lösung? Ich würde gerne einen MAZ-Kurs geben.

13 Kommentare zu «Ich schreibe viel Blablabla»

  • Senn Claire sagt:

    Sehr geehrter Herr Frenkel
    Ich bedauere es ausserordentlich, dass Ihre Kolumne im TAGI nicht mehr erscheint. Den Monat August sehnte ich den 1. September herbei. Ich habe leider auf ein Schreiben hin erfahren müssen, dass Sie jetzt in der ewigen Sommerpause bleiben. Jetzt kann ich mich nicht mehr auf den Donnerstag freuen…..Und ich bin nicht die einzige, die sich nicht mehr feeut.
    Sehr , sehr schade!!!
    Herzliche Grüsse
    Claire Senn

  • Victor Brunner sagt:

    Beni Frenkel hat teilweise recht, er schreibt Blabla, leider nur. Stadtblog mutiert zu einer Art Resozialisierungskolumne wo auch ehemalige BAZ Journalisten Aufnahme finden und ich muss dafür bezahlen!

  • Siebesiech sagt:

    Fantastisch und sicher wahr! Jetzt verstehe ich besser de CH Journalismus Niveau!
    Superbe. Alles klar!

  • Henri sagt:

    Gut, die dritte Möglichkeit – im Moment – besteht darin, journalistisch tätig zu sein, um dann als Rollbrettfahrer in einem überwachten Botschaftszimmer zu enden. Tertium non datur et tertium datur.

  • Henri sagt:

    Hm, Signifikantenüberschuss, an einer feinen geistigen Wüste serviert.

  • Henri sagt:

    Ich denke, es gibt – zumindest im Moment – nur zwei Lösungen: Entweder zu schweigen, oder dann solche Texte wie Sie sie schreiben. Sozusagen ein 1.5 grosses schwarzes Loch.

  • Daniel Aebli sagt:

    Wie immer – präzise beobachtet und wohltuend unkorrekt.

  • Peter sagt:

    Eine Journalistenschule, die in Zeiten von Fakenews Kurse zum ‚Influencer‘ anbietet, hat es wohl verschlafen…
    PS: Ich mag Ihre Texte Herr Frenkel!

  • Claude Fontana sagt:

    Wie teuer wär der denn? 😉 ich mag Blablabla, da kann man so schön viel hineininterpretieren. Wer weiss, vielleicht war es sogar wichtig?

  • Mona Laubi sagt:

    Tamtatatam erinnert an die südindische Rhythmussprache. Vielleicht kennt die Dozentin diese oder es hat sich ein unbewusster Archetyp gemeldet. Vielleicht schreibt sie deshalb so HERRliche Texte, ein Wort, das die Feministinnen verbannt haben. Woher wohl blablalbabla kommt?

  • Margrit Läuchli sagt:

    Tamtatatam ähnelt sehr der südindischen Rhythmussprache. Vielleicht hat die Dozentin einen solchen Kurs besucht oder ein unbewusster Archetyp hat sich gemeldet. Vielleicht schreibt sie deshalb HERRliche Texte, obwohl die Feministinnen dieses Wort meiden. Ta ka di mi Ta ka Ta ki ta

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