Wann geht es mit der ETH-Telenovela weiter?

Die ETH war für unseren Autor bisher: Jungs in Schlabberpullis, die sich über physikalische Formeln beugten. Jetzt kann er das nächste Skandal-Kapitel kaum erwarten.

Seit dem Mobbingfall ist was los an der ETH. (Foto: Urs Jaudas)

Als ich noch an der Universität studierte, sass ich oft in der Mensa der ETH, weil dort besser gekocht wurde als an der Uni. Es gab einen Überhang an Männern, Jungs in Schlabberpullis und Holzpantinen, die sich beim Essen über physikalische Formeln beugten. Seither hatte ich mit der ETH nicht mehr viel zu tun, bis ich im Tagi und der NZZ vom Mobbingfall am Institut für Astronomie gelesen habe. Na ja, dachte ich, eine Verrückte mehr im akademischen Betrieb, die man zu lange gewähren liess. Hochschulen sind ein konservatives Biotop, ETH-Professoren werden auf Lebenszeit gewählt, wie Päpste. Ein Windstoss von Menschlichkeit in einem unmenschlich kompetitiven Betrieb.

Vor ein paar Wochen stellte eine Artikelserie in der «Republik» alles auf den Kopf. Die geschasste italienische Professorin sei das Opfer einer Hexenjagd, schrieb das Onlinemagazin, angeheizt von der jungen Doktorandin, die es geschafft habe, die Führung der ETH auf ihre Seite zu ziehen. Der Wille, patriarchale Strukturen aufzubrechen, habe die Hochschule blind gemacht. Das ist kein «Modernisierungsfall», dachte ich, sondern ein Exempel vorauseilender politischer Korrektheit gegenüber einer neuen Studentengeneration, die im Elternhaus mit bedingungsloser Anerkennung aufgewachsen ist und mit Kritik nicht mehr umgehen kann. Gott sei Dank haben wir die «Republik», die sich nicht bluffen lässt und recherchiert.

Nicht verwunderlich, dass auch die «Weltwoche» die Geschichte aufgriff. Roger Köppel hasst die politische Korrektheit der anderen. «Chapeau, Kollegen», schrieb er an die «Republik» – da haben sich zwei gefunden, Förrlibuckstrasse und Langstrasse. Köppel verglich das Vorgehen der ETH mit sowjetischen Schauprozessen und benutzte die Gelegenheit, eine offene Rechnung mit Roger Schawinski zu begleichen. Er unterstellte Schawinskis Sohn Kevin, Assistenzprofessor am Astronomischen Institut, vom Feldzug gegen die Professorin zu profitieren.

Am Wochenende nun brach die Version der «Republik» zusammen. Offenbar sei die italienische Professorin eine schwierige Person mit Kontrollwahn, schrieb die «SonntagsZeitung», Vorwürfe gegen sie seien an der ETH seit Jahren aktenkundig, die Hochschule hätte wahrscheinlich schon früher einschreiten sollen. Jetzt warte ich auf das nächste Kapitel der Telenovela. Jungs in den Schlabberpullis, ihr unterhaltet eine ganze Stadt! Hätte ich euch nicht zugetraut.

3 Kommentare zu «Wann geht es mit der ETH-Telenovela weiter?»

  • Irene Schroeder sagt:

    Dass es schon immer „schwierige“ (um kein anderes, weniger höfliches Wort benutzen zu müssen) männliche (um ganz präzise zu sein) Professoren gab mit schwerem Kontrollwahn, geht leider bei dieser ganzen Diskussion völlig unter. Und falls sich der zuständige Prof. überhaupt herabliess mit uns Assistenten über unsere Arbeit zu reden, waren wir froh, wenn er wusste, worum es geht.
    Aber wahrscheinlich erwartet man von einer Frau einfach generell automatisch mehr Empathie und Liebenswürdigkeit.
    Leider kommt man es damit niemals zu einer Professur. Und jetzt bitte nicht den Ehemann erwähnen: die akademische Welt ist weder unschuldig noch frei von Seilschaften aller Art, so wie man es überall findet.
    Dr. Irene Schroeder

  • Robert Marti sagt:

    Die ETH-Telenovela zeigt vor allem etwas:
    Wenn ein Arbeitskonflikt in den Medien landet, dann haben alle Beteiligten bereits verloren. In diesem Fall sind dies:
    Die Doktorandin, weil sie nicht akzeptieren kann, dass in einer Beziehung zu einem Chef letzterer fast immer Recht bekommt – selbst wenn er falsch liegt.
    Die Astronomie Professorin, ironischerweise aus dem gleichen Grund: Ihr Chef ist der jeweilige ETH Präsident.
    Und weil kaum jemand frei von Fehl und Tadel ist, kommen in diesem Fall auch ex ETH-Präsident Lino Guzzella und ex ETH-Ombudsmann Prof. emer. van Gunsteren an die Kasse. Sie müssen sich fragen lassen, ob sie sich an die Regeln und Weisungen ihrer Institution gehalten haben.
    PS: Unklar ist für mich nur die Rolle von Frau Prof. U. Keller

  • Robert Marti sagt:

    ETH Professoren werden nicht „auf Lebenszeit gewählt“ – im Gegensatz etw zu deutschen Hochschulen. Vor 30 Jahren war die Regel so:
    Ausserordentliche wie ordentliche Professoren wurden bei der Anstellung auf eine 3-jährige Amtszeit gewählt. Danach mussten sie – nach einer Evaluation – alle 6 Jahre für eine weitere Amtszeit von 6 Jahren bestätigt werden.
    So, wie sich die Welt in den letzten 30 Jahren entwickelt hat, ist es unwahrscheinlich, dass sich dies gross zugunsten der Professoren geändert hat.

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