Träumereien von Stadt und Land

In der Agglo ist die Stadt ebenso nahe gelegen wie das Land. Bild: Urs Jaudas
Manche Autorinnen und Autoren dieser Kolumne neigen zuweilen dazu, die Agglo etwas schön zu schreiben. Es hat ja prinzipiell sein Gutes, wenn man die Umstände, in denen man sich befindet, möglichst positiv zu aufzunehmen versucht. Gleichzeitig muss man aber den Tatsachen auch ins Auge sehen. Und die Tatsache ist nun einmal, dass die Agglo nicht ganz zu Unrecht den Ruf hat, Siedlungsbrei und gesichtslos zu sein.
An dieser Stelle muss ich etwas verschämt zugegeben, dass es durchaus Zeiten gab, in denen ich der Agglo gerne den Rücken gekehrt hätte. Erst sollte es eine Studentenwohnung in der Stadt sein. Wir suchten und suchten und suchten und hatten schliesslich eine Wohnung an der Ottostrasse in Aussicht. Eine Zweizimmerwohnung ganz und gar ohne Aussicht. Und bei realistischem Kassensturz auch ohne Aussicht, diese zu bezahlen.
Dann kam unser Sohn auf die Welt und ein aus heutiger Sicht etwas eigentümlich anmutendes Gefühl, dass es doch schön wäre, wenn dieser in einer stilvolleren Umgebung als eben der Agglo aufwachsen könnte, ergriff mich. Eine Wohnung in einer gewachsenen Altstadt, in der die Geschichte von Jahrhunderten spürbar ist, schwebte mir als Historikerin vor. So naiv zu glauben, dass wir in der Innenstadt von Zürich etwas Passendes finden würden, waren wir nicht. Aber in Winterthur vielleicht. Ist auch schön! Oder in Baden. Fast noch schöner!
Oder wir ziehen aufs Land. Das Kind soll im Grünen, im Dorf, aufwachsen. Es soll den Lauf der Natur vor Augen haben. Kirschblüte und Mostäpfel auf dem Schulweg. Heuferien im Sommer. Es soll wissen, dass die Milch aus dem Kuheuter und nicht aus dem Tetrapack fliesst. Wir blieben in der Agglo. Weshalb auch immer. Vielleicht einfach, weil wir uns dort zu wohl fühlten, um wegzugehen. Vielleicht auch, weil die Agglo eine Qualität hat, welche weder Altstadt noch Land je bieten kann. Sie liegt zwischendrin.
Wer in der Altstadt lebt, bleibt dort und macht vielleicht einmal einen Ausflug aufs Land. Wer auf dem Land lebt, bleibt im Grünen oder macht gelegentlich einen Einkaufsbummel in die Stadt. Wer aber in der Agglo wohnt, hat immer zwei Optionen. Gehen wir heute in die Stadt oder aufs Land? Eigentlich gibt es sogar noch eine dritte: Oder bleiben wir einfach gemütlich zuhause in der Agglo?
2 Kommentare zu «Träumereien von Stadt und Land»
Das Land sollte man den Wildtieren überlassen. Für Menschen gibt es Städte. 2 Mrd. Menschen konnten sich einbilden, mit der Natur zu koexistieren. 8 oder mal 9.6 Mrd. Menschen können das nicht. Die können meinethalben 3% der bewohnbaren Erdoberfläche nutzen, aber der Rest muss für die wilden Tiere und Pflanzen bleiben. Ganz nach Anteil der Biomasse.
Das Dorf oder dünn besiedelte Städte sind keine legitimen Wohnformen mehr. Es sei denn, wir gehen wieder auf unter 2 Mrd. Menschen.
Na ja, das sind alles so Platitüden. Auf dem Land geht es heute hauptsächlich um Raps und Zuckerrüben. Das Milchvieh sieht kaum Sonnenlicht. Die Häuschenbesitzer schütten tonnenweise Kies in den Garten, um kein Unkaut mehr rupfen zu müssen. Die Nachbarn zerreissen sich gerne und oft das Maul, es wird gewusst wann man nach Hause gekommen ist letzte Nacht und was im Volg oder in der Drogerie eingekauft wurde. Wehe man staubsaugt seinen Garten nicht, dann hagelt es anonyme Zettelchen im Briefkasten.
Landleben, bitte nicht.