Was die Nachbarn wohl sagen?

Wer sind die? Was tun die da? Fragen eines Nachbarn. (Foto: Franziska Rothenbuehler)
Letzte Woche hatte ich Besuch von einem Freund aus Budapest. «Habe ich dir von unseren Untermietern aus dem Jemen erzählt?», fragte er. «Eine junge Familie. Flüchtlinge.» Mein Freund hat das Herz am rechten Fleck. Er geht bei klirrender Kälte gegen Viktor Orban auf die Strasse, obwohl er nicht glaubt, dass sich etwas ändern wird. «Aus dem Jemen?», fragte ich, «ich habe gemeint, Orban lässt keine Flüchtlinge ins Land.»
«Orban musste sie nehmen», sagte mein Freund, «er hatte keine Wahl.» Die Mutter der jungen Frau, erklärte er, sei eine gebürtige Ungarin, die einen jemenitischen Studenten geheiratet habe und mit ihm in die Fremde gezogen sei. Jetzt hat der Krieg im Jemen ihre Tochter zurück in die alte Heimat getrieben. In eine Dreizimmerwohnung in einem Budapester Arbeiterquartier, wo mein Freund mit seiner Familie gelebt hat, bis seine Kinder auszogen sind. Nun hat er in der Nähe ein kleines Häuschen umgebaut, die Wohnung im Plattenbau vermietet er. «Meine Frau war dagegen, dass wir den Flüchtlingen die Wohnung geben», sagte er. «Was werden die Nachbarn sagen?», habe sie gemeint, er habe sie lange überreden müssen. «Komm jetzt, etwas Anstand. Wenigstens im Kleinen.» Anfänglich hätten einige Nachbarn wegen jeder Kleinigkeit reklamiert. «Die haben nur auf Opfer gewartet, über die sie herziehen können.» Doch die Leute aus dem Jemen verhielten sich so still und diskret, dass heute niemand mehr etwas sage.
Die Geschichte erinnerte mich an einen Freund aus Zürich, seine Eltern waren italienische Einwanderer. Er hat mit seiner Schwester eine Wohnung geerbt, in einem Städtchen zwischen Rom und Florenz. Sie suchten eine Putzfrau, die in ihrer Abwesenheit sauber macht. Es sei nicht einfach gewesen, jemanden zu finden, erzählte mein Freund. Übers Internet meldete sich eine Rumänin mit Hochschulabschluss. «Sie wäre ideal gewesen», sagte er, nachdem er sie getroffen hatte. Doch seine Schwester habe sie nicht einstellen wollen. «Wir können das nicht machen», habe sie gesagt, «eine Rumänin, was werden die Nachbarn sagen?» Das hätte nur ein Gerede und schlechte Stimmung gegeben im Treppenhaus.
Ich erzähle gern solche Geschichten, um erstens zu zeigen, wie Europa zusammenwächst, überall ähnliche Probleme. Und zweitens? Die Welt ist zu widersprüchlich. Selbst im Kleinen.
2 Kommentare zu «Was die Nachbarn wohl sagen?»
Eine sentimentale Geschichte, deren alleiniger Zweck es ist, den oberbösen Orban und seine Wählerschaft einmal mehr zu diskreditieren und die „Flüchtlinge“ nach bester Gutmenschenart ins allerbeste Licht zu rücken. Würde man die Ungarn fragen, wie zufrieden sie mit Orbans Politik seien, käme ein um 180 Grad verschobenes Bild von dem zustande, was unsere Links-Presse immerdar predigt. Denn viele Ungarn haben schon am eigenen Leib erfahren müssen, wie es sich im „Paradies“ des Sozialismus lebt.
Dankeschön, sehr hintergründiger, sarkastischer und menschlicher Kommentar.