In den Klauen des Kantons

Zürich muss mit anderen weltoffenen, innovativen Städten konkurrieren. Und was macht der Kanton?

Die Stadt steht in einem internationalen Wettbewerb, doch der Kanton tickt anders. (Bild: Keystone)

In Zürich gibt es eine Dienstabteilung «Stadtentwicklung». Journalisten lieben sie, weil sie mit interessanten Untersuchungen überrascht, die man unter dem Titel «Stadt der Zukunft» auf der Website der Präsidialabteilung findet. Man erfährt zum Beispiel, dass ein Viertel der Zürcher Bevölkerung zwischen 30 und 39 Jahre alt ist; es ist die Generation, die nach Irrungen und Wirrungen zur Wirklichkeit gefunden hat: Die Unschuld verloren, man hört auf zu träumen, arbeitet hart, gründet eine Familie, geht nicht mehr jeden Abend aus. In Zürich sind über 100’000 Menschen in dem Alter. Die Hälfte von ihnen sind Ausländer, die zwar hier wohnen, arbeiten, Kinder kriegen, aber politisch nichts zu sagen haben, was nicht nur undemokratisch ist, sondern auch ein Jammer, weil diese Menschen oft gute Ideen und frischen Wind bringen.

Wie viele der rund 50’000 Ausländerinnen und Ausländer dieser Altersgruppe auf die Dauer in der Stadt bleiben, brachte ich nicht Erfahrung. Aber die politische Mitsprache wäre sicher ein Anreiz, um die Zelte nicht gleich abzubrechen. Andere Städte der Schweiz, erzählte mir kürzlich ein Mitarbeiter des Amts für Stadtentwicklung bei einem Nachtessen, bieten das Stimmrecht auf Gemeindeebene an, ohne dass man sich gleich einbürgern muss. Die meisten Westschweizer Kantone haben diese Form der politischen Mitwirkung eingeführt, Neuenburg seit 150 Jahren schon, aber auch Basel-Stadt, Appenzell Ausserrhoden und einige Gemeinden in Graubünden. Im Kanton Zürich wurde 2013 darüber abgestimmt, ob die Gemeinden das lokale Stimmrecht einführen dürfen, die Vorlage war chancenlos.

Ich schreibe das nur, um einmal mehr darauf hinzuweisen, was alle wissen: dass sich unsere Stadt in den politischen Klauen eines konservativen Kantons befindet. Das hat eine lange Geschichte, aber was mir in letzter Zeit auffällt, ist, wie sich die Fronten verhärten. Das Ausländerstimmrecht ist da nur eine Fussnote neben den happigeren Geschichten wie Kasernenareal, Tempo 30, Sans-Papiers, Rosengartentunnel. Sind zwischen Stadt und Land beleidigte Befindlichkeiten im Spiel, Neid, Kleinmut, Kleinkariertheit, wie die «Republik» schreibt? Oder hat der Kanton nicht begriffen, dass Zürich mit weltoffenen, innovativen Städten wie Kopenhagen konkurrieren muss, oder Amsterdam oder Lyon, die versuchen, im 21. Jahrhundert zu leben? Wenn nicht, ist bald Schluss mit den 30- bis 39-Jährigen.

16 Kommentare zu «In den Klauen des Kantons»

  • Andreas Blaser sagt:

    Der Erfolg der Stadt Zürich, die bekanntlich Teil des Kantons Zürich ist, beruht kaum auf der Politik des Gemeinderates. Sonst wäre die völlig anders regierte Agglo nicht auch erfolgreich. Der Zürcher Gemeinderat befindet zwar über einige Projekte und Institutionen in der Stadt, erlässt ein paar belanglose Verordnungen und meint es sei das wichtigste Parlament auf dieser Welt, Gesetze aber macht der Gemeinderat keine. Der gesetzliche Rahmen, der Zürich für Unternehmen attraktiv macht, spannt der Kanton auf, und der Bund. Öffentlicher Verkehr, übergeordneter privater Verkehr, Bildung, Gesundheitswesen etc. – alles kantonal. Nicht auszumalen, wenn die Wirtschaftspolitik von einem SP-dominierten Parlament gemacht würde. Da käme der Stadtkanton ziemlich schnell ziemlich heftig auf die Welt.

  • Josef Marto sagt:

    Das muss so bleiben wie es ist. Das die Welschen Landesverräter sind ist nichts neues.

  • felix halter sagt:

    ach her gimes! zürich muss konkurrenzieren mit lyon? wirklich? waren sie jemals in lyon? wie kommen sie auf einen solchen lyoner? der kanton ist wenigstens garant dafür, dass der infantile stadt- und gemeinderat der stadt zürich in seinem ideologischen wahn nicht alles die limmat runterspült, was zürich stark macht! selbstverständlich auf kosten derjenigen, auf denen man rumprügelt.

  • Koni Bachofen sagt:

    „Stadtkantone“ als autonome Stände könnten eine Lösung sein.

  • jane marple sagt:

    muss zürich wirklich konkurrieren? könnte es nicht einfach sich selber sein?

  • Martin Maletinsky sagt:

    Um was genau müsste Zürich mit anderen Städten konkurrieren? Zürich soll in erster Linie (und das tut es bisher auch) seinen Bewohnern eine gute Lebensqualität bieten.

    Auch was daran undemokratisch sein soll, dass nur Staatsbüger am demokratischen Prozess beteiligt sind, kann ich nicht nachvollziehen. Ist dies nicht in den meisten demokratischen Staaten so? Als ich selber in Frankfurt lebte und arbeitete hatte ich da (da keinen deutschen Pass) ebenfall kein politisches Mitbestimmungsrecht und in den USA muss man sogar im Land geboren worden sein, um Präsident werden zu können (d.h. selbst eingebürgerte Amerikaner sind von diesem Amt ausgeschlossen).

  • Alejandro Romero sagt:

    Zürich kann sich eher mit Bern, Basel, Freiburg, Strasbourg, Karlsruhe, Heidelberg, aber auch Venedig, Florenz, Lyon, Amsterdam und vielleicht noch Kopenhagen vergleichen. Alles andere ist zu gross und nicht klein, fein, dörflich, schick, elitär, mondän oder Hip wie sich Zürich orientiert. Und genau das nervt mich. Zürich soll ruhig durch Masse und Dichte etwas normaler urbaner wachsen statt durch Aufwertung hip, clean, grün, smart, schick oder mondän oder freakly sein. Keine Angst die 30-39 werden auch älter, verlieren ihren Job und kommen in Rente und die Erfolgreicheren ziehen in schönere Gefilden, woanders. Dann kommen wieder Jüngere. Die Stadt muss für alle da sein und eben ein Stimmrecht für alle ab 18 möglich machen und eine durchmischtere Bevölkerung haben.

  • robert gloor sagt:

    Was soll daran undemokratisch sein, dass Ausländer nicht abstimmen dürfen. Erstens dürfen die in ihren Herkunftsländern die politischen Rechte ausüben oder dorthin jederzeit zurückkehren. Zudem gibt es (viel zu laxe) Einbürgerungskriterien. Man muss vielmehr die Doppelpässe verbieten, denn ein „Schweizer“ mit einem zweiten ausländischen Pass (= geistiger Rückfahrschein) ist halt kein echter Schweizer, sorry…

  • Kaya wirth sagt:

    Komme nicht ganz nach, aber ich sehe zürich nicht nur als hipster und ausgangsstadt. Zudem sehe ich nicht, dass sie nur noch für die 30-39 jährigen sein soll. Es geht nur noch um die jungen und das jung sein. Sorry, dafür stehe ich und steht mein zürich nicht.

  • Horst Grüning sagt:

    Das habe ich mich schon oft gefragt: Was ist los mit den Zürichern? Dass der Aargau, mein Kanton, verkehrstechnisch und auch sonst in seiner Verwaltung noch hinter dem Mond lebt – wen überrascht das? Aber Zürich, unser Nachbarkanton? Es sieht bald so aus, als wäre „Kanton“ gleichzusetzen mit „“Land“, „von nichts ne Ahnung“. Schaut doch nur auf die „Kantonsstrasse“ durch Wettingen und auf ihre Historie! Ich glaube, die Leute beim „Kanton“ sind wirklich noch nicht in der Wirklichkeit angekommen – und verstehen von Zukunft so viel wie die berühmte „Kuh vom Sonntag“.

  • Bob Klenk sagt:

    Freue mich auf ZS, den neuen Stadt Kanton ,Zürich Stadt’ Was Basel kann…..ist hier doch längst fällig.

  • Hans Meier sagt:

    Tjo. Dann könnten wir doch einen Stadtkanton Züri machen? Evtl. dann noch inklusiv einer Enklave: Winti.

  • Paddy Zé sagt:

    Sehe ich auch so. Die Nichteingebürgerten, das habe ich bemerkt, sind immer wieder mal bei Abstimmungen mit einem Auge und einem Ohr dabei. Aber tun dann so, als würde es sie sowieso nicht interessieren. Die Hürde zur Einbürgerung ist schlicht zu mühsam und die eventuelle Schmach, bei einer Ablehnung, ist schlicht ein zu grosses Risiko. Aber das wissen ein paar Gruppierungen von Eidgenossen und nutzen diese Karte auch voll aus. „Hey, Du bisch Ussländer, was wotsch? Wir haben das demokratischste System der Welt! Und wenn uns was nicht passt, dann bist Du auch raus! Verstaahsch!?“
    Dabei ist es ja die undemokratischste Demokratie hier. Man bedenke; 5,6 Millionen könnten Abstimmen. Die Wahlbeteiligung um ca. 42% und dann dann ein knappes Ja von 51%, sind das 1,3 Mio die über alle bestimmen.

  • Josef Bleibtreu sagt:

    Können wir den Kanton als Stadt Zürich nicht entmachten?

    So wie Basel Land und Basel Stadt. Ich sehe gerade bezüglich Velo schwarz beim Kanton. Ich denke nicht, dass der Kanton jemals versteht, dass wir nicht länger auf das Auto setzen wollen (u.a.), daher wäre ein sauberer Schnitt und die politische Trennung in Stadt und Land bestimmt sinnvoll.

    Josef Bleibtreu

  • Alf sagt:

    Hä? Was klauen die denn nun???
    Rechtschreibung schon in der Überschrift verkackt, ist natürlich hart.

  • Michael Berger sagt:

    Ich hoffe darauf, dass der Kanton nicht mehr lange so konservativ ist. Denn die Agglomeration rund um Zürich und Winterthur wird immer urbaner und muss dementsprechend mit ähnlichen Herausforderungen zurecht kommen wie die Kernstädte. Den Bewohner der Agglomeration dürfte je länger desto klarer werden, dass konservative Politikkonzepte für ländliche Gebiete hierfür ungeeignet sind.
    Zudem werden die konservativen Parteien in den beiden grossen Städten noch mehr Zustimmung verlieren, wenn sie weiter antistädtische Politik betreiben.

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