«Frau Doktor, bitte einschläfern»

Beissversuche inklusive: Beni Frenkel musste sich um das Kaninchen seiner Tochter kümmern. (Symbolbild: Raphael Moser)
Frau und Kinder waren eine Woche in Israel. Zurück blieben: ich, die Katze, das Kaninchen. Das Kaninchen heisst Silvia. Es gehört meiner Tochter. Kurz vor ihrer Abreise ins Heilige Land ist Tobias, der Lebenspartner von Silvia, schwer erkrankt.
Wir gingen dreimal zur Tierärztin. Die lebenserhaltenden Massnahmen kosteten so viel wie zehn neue Kaninchen. Beim vierten Mal bettelte ich: «Frau Doktor, bitte einschläfern.»
Das war ein schlimmer Schlag für unsere Tochter. Ich musste ihr bei allen Göttern schwören, gut auf Silvia aufzupassen. Ich guckte Silvia an. Sie flüchtete in ihr Häuschen. Ich sage es mal vorsichtig: Es gibt sympathischere Tiere als Silvia. Ich legte ihr jeden Morgen einen Kopfsalat hin. Als Dank wollte mir Silvia jedes Mal in den Finger beissen.
«Du dummes Tier», herrschte ich sie irgendwann an und fühlte mich wie die ZKB, die den undankbaren Zürchern eine teure Seilbahn schenkt.
Am dritten Tag, als mich Silvia in den Daumen biss, begann ich mich für Peru zu interessieren. Dort essen sie Kaninchen an jeder Strassenecke. Aber auch hierzulande kann Silvia in einem Schmortopf landen, wo sie vier Stunden bei geringer Hitze geköchelt wird. Am besten mit Weisswein.
Ich gehe davon aus, dass Silvia ihren Partner Tobias getötet hat. Wie, weiss ich nicht. Aber sie hat ihn stets angeknurrt und ist auf ihn gesprungen. Leider verlangt der Tierschutz, dass man Kaninchen immer paarweise halten muss. Sonst wird das Kaninchen traurig und begeht Selbstmord.
Ich kenne viele Menschen, die glücklich sind als Singles. Sie sehen in der Regel besser aus als Verheiratete, trinken teuren Portwein und unternehmen grössere Expeditionen.
Ich habe zum Beispiel einen alleinstehenden Onkel, der jedes Jahr auf Weltreise geht. Nur schon das Wort «alleinstehend» würde ihn wütend machen. Mein Onkel hat viele Freundinnen auf dem Globus. Wenn er auf Reisen geht, schickt er uns manchmal Postkarten aus China oder Brasilien.
Ich guckte Silvia an. Sie flüchtete blitzartig in ihr Haus. Warum verlangt der Tierschutz, dass Silvia wieder einem Kaninchen das Leben zur Hölle macht? Manche Lebewesen sind halt nicht für Partnerschaften geeignet. Das sollte man respektieren.
6 Kommentare zu ««Frau Doktor, bitte einschläfern»»
Stadtblog Beni Frenkel heute
Sie haben es fertig gebracht, dass ich mich ab heute bei meinem wöchentlichen Hallenbadbesuch an Sie erinnern werde. Nicht nur, dass ich nie begreife, weshalb es die Mitschwimmenden nicht für nötig halten vorher an strategischen Stellen sich seifig zu douchen – sondern jetzt muss ich noch zusätzlich die schwimmenden, tauchenden, glucksenden, fröhlichen Kinder bemitleiden, welche sich bei jedem Bad bestimmt mindesten einmal so richtig verschlucken. Haben Sie heute eine Schranke überschritten ohne es zu realisieren? ohne es zu wollen? Nicht alle verstehen Witz und Ironie – ich in diesem Zusammenhang auch nicht. Das Zie wärel nicht mehr, sondern weniger Chemie im Wasser – auch in Ihrem Sinn? Dann informieren sie bitte ihre Kinder. Danke. Verena Rusterholz
Bitte Herr Frenkel, tun Sie nie wieder Hasen oder sonstige Nager zu. Jedes Kind weiss inzwischen, dass das keine Kuscheltiere sind. Sehr wohl aber sind sie sensibel. Ihre Silvia spürt ihre Abneigung. Darum wohl die Flucht ins Haus. Sicher würde sie sich aber über Ablenkungsmöglichkeiten wie verstecktes Futter freuen. Günstige Büchlein aus dem Zoofachhandel geben Tipps. Wer den Tierarzt anbettelt, das Tier einzuschläfern kauft seinem Kind lieber einen Plüschhasen!
so ists.
Super und humoristisch.
Kann gut sein das Sylvia nicht das sympatischste Kaninchen ist, aber ein zwei Sachen sollten Sie im Hinterkopf behalten.
– Tiere spüren Antipatie, auch die von Menschen. Kein Wunder versteckt sich das Viech soffort.
– Tiere haben eine Persönlichkeit. Einfach nur zwei in einem Käfig einsperren führt nicht unbedingt zu glücklichen Tieren. Bevor man zwei davon hält, wäre es schon wünschenswert abzuklären ob sie sich vertragen. Sonst gibt es genau das was ihnen passiert ist. Tote und geistig gestörte Tiere.
Ist halt wie mit Menschen die können sich ja auch oft nicht leiden und stellen Sie sich vor mit so jemandem auf engstem Raum eingesperrt zu werden.
Also, Herr Frenkel, lüde ich Sie zum Abendessen ein, was ich mir amüsant vorstelle, käme es mir nicht in den Sinn, Ihnen Kaninchen vorzulegen, weil dieses nicht koscher ist, aber Sie überlegen sich, wie das Kaninchen im Kochtopf schmort?! Das ist doch schon als Gedanke nicht koscher…!
In Peru isst man, vornehmlich zu besonderen Gelegenheiten, fast immer Meerschweinchen, und nicht Kaninchen. Die ‚cuis’ werden auch nicht in Weisswein geköchelt, sondern grilliert.