Der weibliche Papa Moll

Am 1. Geburtstag der «Republik» herrschte besinnliche Stimmung. Bis es um Zahlen ging.

Das Onlinemagazin «Republik» startete vor einem Jahr an der Langstrasse. (Foto: Doris Fanconi)

Ich habe noch gar nicht über Weihnachten geschrieben. Das möchte ich heute nachholen. Das Weihnachtsfest empfinde ich als das schönste Fest überhaupt. Mir kommt kein jüdischer Festtag in den Sinn, der es mit Weihnachten aufnehmen kann.

Die Weihnachtsmusik, der festlich geschmückte Baum, die glücklichen Gesichter bewirken in mir Gefühle, die ich nicht einmal mit meiner Frau teilen kann. Diesen Montag war wieder so ein magischer Moment. Im Kosmos feierte das Online-Magazin «Republik» seinen ersten Geburtstag. Die Veranstaltung war gratis, und ein berühmter Mann moderierte den ganzen Abend lang. Vorne sassen die drei Könige; die drei Meili-Brüder, die für die Bescherung aufkommen wollen. Auf der Bühne versammelten sich die gefeierten Journalisten und schwärmten von ihrer Arbeit.

Eine junge Autorin sagte: «Wir möchten alles bekämpfen, was die Demokratie schwächt.» Ein anderer «Republik»-Journalist erklärte, warum er das Feuilleton gründete: «Das ist wichtig für die Demokratie und die Menschheit.» So viel Pathos kenne ich eigentlich nur aus den Werken von Rosamunde Pilcher. Das meistbenutzte Wort in den Diskussionen war aber das bewährte «Ähm».

Im Raum herrschte Weihnachtsstimmung. Wird die Erlösung stattfinden? Werden die Gläubigen ihr Abo bei der «Republik» erneuern? Viele Abonnenten hatten kritische Fragen. Ich fand das unerhört und streckte auf. Eine kleine Frau rannte zu mir und hielt mir ihr Mikrofon hin. Ich sammelte mich und wiederholte die Worte des Feuilleton-Journalisten: «Ihr seid der Garant für Demokratie und Menschheit!» Zum Glück lachte niemand.

Eine junge «Republik»-Mitarbeiterin zeigte auf die Leinwand. Ein Diagramm mit vielen Kurven leuchtete auf. Dann wurde es kompliziert. Aber so viel habe ich verstanden: Wenn alles schiefläuft, geht die Kurve nach unten, und alles ist futsch. Im Saal wurde es ruhig. Zum Glück arbeitet die «Republik» an der Langstrasse und versteht sich ein bisschen in der Prostitution: «Dann sind wir pleite!»

Das sass. Ich guckte auf den Boden. So wie es aussah, war ich der einzige Nichtabonnent im Saal. Und werde es auch bleiben. Ein bisschen Stimmung kam aber wieder auf, als ein weiblicher Papa Moll zu dichten begann. Und am Ende gab es Getränke.

7 Kommentare zu «Der weibliche Papa Moll»

  • Adriano Granello sagt:

    Der Oberapostel auf der Bühne, der heilige Constantin, hätte dem Festakt noch etwas mehr Glanz verleihen können, indem er sich nicht nur wie gewohnt mit Worten selbst beweihräucherte und beweihräuchern liess, sondern ECHTEN WEIHRAUCH oder wenigstens ein paar Grosspackungen Räucherstäbchen zur Feier des Jubeltages entzündet hätte. Aber so etwas geht halt ins Geld und ist für eine erst einjährige Republik finanziell kaum zu stemmen. Also redet man soviel wie das Mundwerk hergibt über die Zeit des fortschreitenden Aufbaus und die bisherigen grossartigen Erfolge, klopft sich eifrig gegenseitig auf die Schultern, und träumt weiter den Traum von der journalistischen Selbstverwirklichung, natürlich fernab jedweder unheiliger Verpflichtung gegenüber dem teuflischen, garstigen Mammon…

  • Tom Maier sagt:

    Was will Beni Frenkel mit seinem Text eigentlich sagen? Ist mir echt nicht klar.

  • Alex sagt:

    Ein gnadenloser und provokativer Kolumnist, der in seiner Freizeit Rosamunde Pilcher liest? Ich bitte Sie!

  • Küde sagt:

    Mich stört dieses „Hurra!-WIr!-(sinds)“-Gefühl. Inhaltlich unterscheidet sich m.E. das Blatt eigentlich nicht von anderen Produktionen in diesem sozialiberalen Bereich. Sehr ähnlich wie das TA-Magazin, das einfach vermutlich fast 30 Jahre älter ist. Die haben doch auch eine Paywall (nennt man glaub ich so). So muss ich beides nicht lesen. Zum Glück (mehr Zeit zum Spazieren und Kaffee trinken)!

  • Andreas Huber sagt:

    Wenn jemand von seinen eigenen Kolumnen behauptet, sie seien gnadenlos, witzig und provokativ, erinnert mich dies irgendwie an Ruedi Aeschbacher, der in völliger narzisstischer Selbstüberschätzung seine Sendung «Aeschbacher» jeweils folgendermassen ankündigte: Die Sendung, über die man am nächsten Tag spricht. Ihre Kolumne hält leider ebenfalls keine ihrer Versprechungen.

  • Max Kravallo sagt:

    Grandios, hahaha.
    Danke

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