Zum Beispiel das Escoffier

Das Escoffier im Seefeld: Eines der Cafés, in dem die Zeit stehen geblieben zu sein scheint. (Foto: Nicola Pitaro)
Letzte Woche war ich zum ersten Mal im Café Escoffier an der Feldeggstrasse im Seefeld. Die Arztgehilfin hatte mich dorthin geschickt, weil ich eine Stunde zu früh erschienen war. Das Café ist gleich um die Ecke, neben dem mexikanischen Laden mit den feinen, scharfen Tamales.
Das Escoffier ist eines der Cafés, in dem die Zeit in den 70ern stehen geblieben scheint. Gott sei Dank. Dunkelbraunes Leder, eckige Sofas, gelbe Tischplatten, weisse Lilien in länglichen Vasen – man müsste den Ort sofort unter Denkmalschutz stellen. Ich setzte mich in eine Nische mit Blick auf die Strasse. Halb elf Uhr, wenig Leute im Lokal, eine grauhaarige Frau, vielleicht Psychotherapeutin, las die NZZ. Zwei Männer unterhielten sich laut. Ich hatte das Gefühl, ein Eindringling zu sein.
Ich bestellte und platzierte meinen Laptop auf dem Tisch. Ich hörte die Kellnerin, die am Telefon Reservationen entgegennahm und das Menü durchgab, die Anrufer schienen Stammgäste zu sein. Dann wieder Wortfetzen der beiden Männer, «man müsste jetzt etwas Anständiges trinken und sitzen bleiben», sagte der eine, «bis in den Nachmittag».
Ich habe kein Stammcafé. Mit Gästen zu reden oder mit dem Personal, liegt mir nicht so. Ich bin gern im Café, um zu arbeiten – der Stimmpegel macht die Einsamkeit am Computer erträglich. Aber ich mag es, in Ruhe gelassen zu werden. Klar, würde es mir gefallen, einen Ort zu haben, wo ich zu Hause bin, wo man merkt, wenn ich weg war. Aber ich habs nie geschafft – wahrscheinlich weil ich ihn nicht brauche. Oder wegen meines Charakters. Aber wie soll man eine Stadt lieben, wenn man keine Zeit für sie hat?
Dann war die Stunde um, und ich ging zurück zum Arzt. Unterwegs traf ich einen alten Bekannten, ich hatte ihn oft im Kreis 4 gesehen, als ich dort wohnte; er trank seinen Kaffee immer im heute verschwundenen Escalet an der Brauerstrasse. Jetzt wohne er in Wipkingen, sagte er. «Hast du ein Stammcafé?», fragte ich. «Nein», sagte er. «Ist auch schwierig geworden, mit den Leuten zu reden. Sitzen alle vor dem Computer.»
«Das ist der moderne Kapitalismus», sagte ich. «Jeder funktioniert wie eine Firma, immer am Arbeiten, immer erreichbar.» – «Ich gehe jetzt lieber in den Park», sagte er. «Setze mich auf eine Bank, dort hat es immer Leute, die gern plaudern.»
3 Kommentare zu «Zum Beispiel das Escoffier»
In den Park? Alleine? Ein Mann? Auf eine Bank?! Ui! Ja nicht in der Nähe eines Spielplatzes, sonst ruft ein Super“mami“ die Superpolizei, die dann – auch nolens volens – ausrücken muss, weil sie immer aussrücken muss, wenn irgend jemand irgend etwas Wichtiges sagt („Terrorist im Nahverkehrszug, Student mit Sturmgewehr im Tram, Mann auf der Parkbank“)… Und dann gibt es evtl. Ärger, weil Sie vollkommen zu Recht sagen, auf einer Bank sitzen sei kein Grund, kontrolliert zu werden etc. usw. usf.
In meinen Augen gibt es nichts stilloseres als in einem Café oder Restaurant den Laptop aufzuklappen…Was soll das, haben solche Leute kein Zuhause oder Büro?
stimmt.
wer heute reden will bucht sich einen psychologen. wer reden muss, einen psychiater.
und für alle andern wie mich, die nichts zu sagen haben, gilt: reden ist silber, schreiben ist gold.
oder so.
es gibt immer weniger (moderne) menschen mit denen es sich lohnt, zu reden. finde ich.
nicht?